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Zitiervorschlag: Kreuels/Baumann, LRZ 2024, Rn. 539, [●], www.lrz.legal/2024Rn539.
Permanente Kurz-URL: LRZ.legal/2024Rn539
Das Vergaberecht stellt öffentlichen Auftraggebern einen breiten Werkzeugkasten zur Verfügung, um nachhaltig zu beschaffen. Gerade bei der IT-Beschaffung stellen die Leistungsbeschreibung sowie die festgelegten Ausführungsbedingungen wichtige Stellschrauben dar.
Nahezu kein Gebäude der öffentlichen Hand kommt heute noch ohne eine passende IT-Infrastruktur aus. Schulen, Rathäuser, Krankenhäuser, Rechenzentren – alle Gebäude benötigen zahlreiche technische Hardware wie Computer, Drucker, W-Lan-Router, Scanner, Monitore und Server. Für den Kauf, die Wartung, den Stromverbrauch und die Entsorgung fallen jährlich hunderte Millionen Euro an. Der Energieverbrauch treibt die laufenden Kosten kommunaler Gebäude in die Höhe und trägt auch zu steigenden CO2-Emissionen der öffentlichen Hand bei. Um Umweltauswirkungen zu minimieren und Kosten zu sparen, können öffentliche Auftraggeber Nachhaltigkeitskriterien in die Vergabe von IT-Hardware einbeziehen. Kauft die öffentliche Hand Geräte ein, die auf eine lange Lebensdauer ausgerichtet sind, schont sie Ressourcen, vermeidet Abfall und CO2-Ausstöße.
Das Vergaberecht stellt einen breiten Werkzeugkasten zur Verfügung, um Nachhaltigkeitskriterien in verschiedenen Phasen des Vergabeverfahrens zu berücksichtigen. Dabei gilt es jedoch die rechtlichen Grenzen beachten, die sich insbesondere aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und der Vergabeverordnung (VgV) ergeben. Der nachfolgende Beitrag legt den Fokus auf zwei Aspekte, die für die Nachhaltigkeit der zu beschaffenden Leistung von besonderer Bedeutung sind: die Leistungsbeschreibung (2.) und die Ausführungsbedingungen (3.).
Der Auftraggeber gibt in der Leistungsbeschreibung an, welche Leistung er benötigt. Nach § 121 GWB muss der Auftraggeber die Leistung so eindeutig und erschöpfend wie möglich beschreiben, insbesondere damit die Angebote miteinander vergleichbar sind. Den Beschaffungsgegenstand auch anhand von Umweltkriterien auszuwählen, erfordert, dass sich der Auftraggeber mit dem eigenen Bedarf auseinandersetzt, Einsparpotenziale analysiert und diese Erkenntnisse in die Leistungsbeschreibung einfließen lässt. Hierzu ist bei einem Austausch von Hardware insbesondere zu untersuchen, wieviel Strom die vorhandenen Geräte über die letzten Jahre verbraucht haben und welche Wartungskosten entstanden sind.
Bei der Beschaffung von Hardware muss die öffentliche Hand auch Vorgaben der Kreislaufwirtschaftsgesetze beachten. Diese sehen häufig vor, dass vorrangig Produkte zu beschaffen sind, die rohstoffschonend, energiesparend und schadstoffarm hergestellt wurden und sich durch Langlebigkeit und Wiederverwendbarkeit auszeichnen.1
Steht für einen Auftraggeber bereits fest, welche Geräte er im Einzelnen benötigt, kann er diese in der Leistungsbeschreibung angeben (deskriptive Leistungsbeschreibung). Zu beachten ist dabei, dass auch bei deskriptiven Leistungsbeschreibungen der aus dem Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 97 Abs. 1, 2 GWB, § 2 Abs. 1 GWB) abgeleitete Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung gilt. Der Auftraggeber muss die Leistungsbeschreibung daher grundsätzlich so fassen, dass keine bestimmten Marken, Produkte oder Hersteller bevorzugt werden, um Wettbewerb zwischen den Anbietern zu schaffen. Gerade in Fällen, in denen aufgrund von Systemkompatibilität ein Herstellerwechsel nicht möglich ist, können die zu beschaffenden Gerätetypen und Hersteller aufgelistet werden. Das kommt beispielsweise vor, wenn Schulen mit iPads oder Rechenzentren mit Hardware nur eines Herstellers ausgestattet sind.
Steht hingegen nur der Zweck fest, den die zu beschaffende Hardware erfüllen muss, kann der Auftraggeber auf eine funktionale Leistungsbeschreibung zurückgreifen. Dabei beschreibt er Ziel und Zweck der benötigten Hardware so genau wie möglich und überlasst dem Auftragnehmer die Mittel und die Methode, um dieses Ziel zu erreichen. Zwingend ist, die Leistungsbeschreibung so klar, präzise und eindeutig fassen, dass der Auftraggeber die Angebote vergleichen und der Zuschlag gem. § 127 GWB auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt werden kann. In der Leistungsbeschreibung sind hierzu alle technischen Spezifikationen und Nutzeranforderungen an die zu beschaffenden Hardware aufzulisten.
Die Leistungsbeschreibung kann technische Spezifikationen, Leistungs- oder Funktionsanforderungen, Normen oder Gütezeichen enthalten, die die zu beschaffende Leistung definieren. Dabei kann der öffentliche Auftraggeber auch Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen, die einen Bezug zur Leistung haben, objektiv erforderlich, nachprüfbar und transparent sind.
Bei IT-Hardware spielen insbesondere folgende Umweltaspekte eine Rolle:
Gütezeichen und Gütelabels erleichtern öffentlichen Auftraggebern einerseits zu beschreiben, welche technischen Anforderungen die zu beschaffende Hardware erfüllen muss. Andererseits kann der Auftraggeber die technischen Spezifikationen auch selbst festlegen und von den Bietern verlangen, dass sie Gütezeichen einreichen, um nachzuweisen, dass ihr Produkt diesen Anforderungen entspricht.2
Zu den relevantesten Gütezeichen bei IT-Hardware zählen insbesondere das EU-Energielabel, das den Energieverbrauch und die Energieeffizienzklasse der IT-Hardware angibt, das Blaue Engel-Label, das neben der Energieeffizienz auch weitere Umweltkriterien wie Schadstofffreiheit, Langlebigkeit und Recyclingfähigkeit berücksichtigt, und das TCO Certified-Label, das sowohl Umwelt- als auch Sozialkriterien wie Arbeitsbedingungen, Menschenrechte und Korruptionsbekämpfung umfasst.3
Während der Auftraggeber mit der Leistungsbeschreibung die eigentlichen Leistungen oder Produkte, die der Auftragnehmer bereitstellen soll, festlegt, betreffen die Ausführungsbedingungen spezifische Anforderungen, die ein Bieter erfüllen muss, um den Auftrag auszuführen (z.B. technische Standards oder Qualifikationen). Letztlich wirken die Vorgaben der Ausführungsbedingungen vergleichbar mit den Vorgaben der Leistungsbeschreibung: Alle Bieter müssen sie gleichermaßen erfüllen, um in der Angebotswertung zu verbleiben.4
Das Gesetz ermöglicht es dem Auftraggeber ausdrücklich, die Ausführungsbedingungen umweltbezogen auszugestalten (vgl. § 128 Abs. 2 GWB, § 61 VgV). Hierzu heißt es wörtlich:
„Öffentliche Auftraggeber können (…) besondere Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags (Ausführungsbedingungen) festlegen, sofern diese mit dem Auftragsgegenstand entsprechend § 127 Absatz 3 in Verbindung stehen. Die Ausführungsbedingungen müssen sich aus der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen ergeben. Sie können insbesondere wirtschaftliche, innovationsbezogene, umweltbezogene, soziale oder beschäftigungspolitische Belange oder den Schutz der Vertraulichkeit von Informationen umfassen.“
Beispiele für umweltbezogene Ausführungsbedingungen sind:
Wie auch bei der Leistungsbeschreibung, kann es sich für die öffentlichen Auftraggeber anbieten, sowohl für die Beschreibung der Ausführungsbedingungen als auch für den Nachweis durch die Bieter auf Gütezeichen zu verweisen (vgl. §§ 61, 33, 34 VgV).
Ausführungsbedingungen sind nur zulässig, soweit sie mit dem Auftragsgegenstand in Bezug stehen. Der Auftraggeber soll den Bietern Vorgaben für seinen Auftrag, aber keine allgemeinen Vorgaben für ihre Unternehmenspolitik oder Betriebsorganisation machen können.
Der Auftraggeber muss die Ausführungsbedingungen zudem in der Auftragsbekanntmachung bzw. den Vergabeunterlagen niederlegen, um dem Transparenzgebot zu genügen. Dies ist nötig, damit interessierte Unternehmen auf gesicherter Grundlage entscheiden können, ob sie diese Bedingungen einhalten. 6
Das Leistungsbestimmungsrecht des öffentlichen Auftraggebers ist sehr weit – entsprechend weit ist der Spielraum bei der Festlegung von Anforderungen in der Leistungsbeschreibung und den Ausführungsbedingungen.7 Gleichwohl ist es nicht unbegrenzt.
Die vergaberechtliche Rechtsprechung hat insbesondere folgende Grenzen für das Leistungsbestimmungsrecht angesetzt: Die Bestimmung der Leistung muss sachlich gerechtfertigt sein. Der Auftraggeber muss hierfür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe dokumentieren, die tatsächlich vorhanden sind. Die Vorgaben dürfen Wirtschaftsteilnehmer nicht ungerechtfertigt diskriminieren.8
Das Vergaberecht hält für öffentliche Auftraggebern zahlreiche Möglichkeiten bereit, den Umweltschutz zu priorisieren. Die Anforderungen, die Auftraggeber an den Leistungsgegenstand sowie die Auftragsausführung stellen, sind sehr gut geeignet, um die Umweltauswirkungen des Auftrages positiv zu beeinflussen. Letztlich legt der Auftraggeber mit diesen Vorgaben die umweltbezogenen Mindestanforderungen im Zusammenhang mit dem Auftrag fest. Darüber hinaus können aber auch die Eignungs- und Zuschlagskriterien wichtige Instrumente für die nachhaltige Beschaffung darstellen.9
In der Praxis unerlässlich ist die Untersuchung möglicher Auswirkungen im Rahmen der Markterkundung: Anhand der Ergebnisse der Markterkundung lässt sich der tatsächliche Spielraum erkennen, sodass der Auftraggeber sodann informiert entscheiden kann, welche vergaberechtlichen Instrumente er gewinnbringend einsetzen kann, um seine Beschaffungsziele möglichst umweltfreundlich zu erreichen.10
Die nachhaltige Beschaffung ist aktuell in aller Munde. Ob öffentliche Auftraggeber aber praktisch mehr Gebrauch von ihren vergaberechtlichen Möglichkeiten machen und wie die Rechtsprechung darauf reagiert, bleibt noch abzuwarten.