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Zitiervorschlag: Csaki/Schmitz, LRZ 2024, Rn. 561, [●], www.lrz.legal/2024Rn561.
Permanente Kurz-URL: LRZ.legal/2024Rn561
Zuletzt wurden durch das ALBVVG Anpassungen in § 130a SGB V vorgenommen, die Auswirkungen auf die Ausschreibungspraxis von Arzneimittelrabattverträgen haben. Hervorzuheben ist die Regelung, dass nunmehr bei bestimmten Arzneimitteln zwingend sogenannte „EU-Lose“ zu bilden sind. Die Konsequenz ist, dass eine klare Bevorzugung von innerhalb der EU oder einem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums hergestellten Wirkstoffen gesetzlich vorgeschrieben wird. Hintergrund der Änderungen waren unter anderem erhebliche Versorgungsengpässe während und auch nach der Corona-Pandemie. Diese waren größtenteils auf Lieferschwierigkeiten von Arzneimitteln und/oder deren Wirkstoffen aus Indien und China zurückzuführen. Das gesetzgeberische Ziel der aktuellen Anpassungen bei Arzneimittelrabattverträgen und deren Ausschreibungen ist es, dass die Produktion von Arzneimitteln zurück in die EU verlagert wird. Durch die neuen regulatorischen Vorgaben soll zudem eine Art Frühwarnsystem für drohende Lieferengpässe geschaffen werden. Doch reichen die gesetzlichen Vorgaben und Anreize aus, um den deutschen Markt wieder attraktiver zu gestalten und die Produktion (zurück) in die EU zu verlagern?
Am 26.7.2023 wurde im Bundesgesetzblatt das ALBVVG[1] verkündet und trat überwiegend am darauffolgenden Tag in Kraft.[2] Die wohl in der Umsetzung mit am meisten – insbesondere von Vergaberechtlern - kritisierte Änderung des ALBVVG ist die Vorgabe des modifizierten § 130a Abs. 8a SGB V. Insofern gilt, dass bei Ausschreibungen von Arzneimittelrabattverträgen zu Antibiotika nunmehr zwingend mindestens die Hälfte der Lose so auszuschreiben sind, dass die Verträge mit pharmazeutischen Unternehmern geschlossen werden, die für die Herstellung erforderlichen Wirkstoffe in der EU oder in einem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftraums (EWR) produzieren. Die Vorgabe soll zeitnah auch für Ausschreibungen von Arzneimittelrabattverträgen zu bestimmten versorgungskritischen Arzneimitteln Anwendung finden. Neben EU-Mitgliedstaaten und Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums werden auch in Vergleichsstaaten produzierte Arzneimittel erfasst. Voraussetzung hierfür ist, dass
In der Praxis wurde insbesondere die ii § 130a Abs. 8 SGB V umgesetzte Vorgabe erheblich von pharmazeutischen Unternehmern kritisiert. Diese besagt, dass ein sechsmonatiger Bedarf der Rabattarzneimittel durch den pharmazeutischen Unternehmer bevorratet werden muss.
Aufgrund vermehrter Lieferengpässe[5] bei Antibiotika, Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Paracetamol und Ibuprofen sowie bei Kinderarzneimitteln während der COVID-19 Pandemie sowie des Beginns des Ukraine-Krieges, sah sich der Gesetzgeber gezwungen, Anreize für eine ortsnahe Produktion und Lagerung von Arzneimitteln zu schaffen.[6] Die Tatsache, dass bei der Arzneimittelversorgung in Deutschland rund 80 % der Abgaben auf Generika entfallen, führte dazu, dass das Gesetz den Fokus auf die Preisbildung und den Abschluss von Arzneimittelrabattverträgen in Bezug auf Generika legte.[7] Insbesondere bei generischen Arzneimitteln wurde in den letzten Jahren eine Konzentration auf bestimmte asiatische Produktionsstätten beobachtet, was zu einer gewissen Vulnerabilität der Versorgung in Deutschland führte.[8] So zeigte sich bereits 2016 bei einem Vorfall in einer chinesischen Produktionsstätte für Antibiotikawirkstoffe, dass nahezu alle generischen Anbieter des betroffenen Wirkstoffes in der Folge mit Produktionsschwierigkeiten zu kämpfen hatten.[9]
Arzneimittelrabattverträge im Sinne des § 130a Abs. 8 SGB V sind eine Möglichkeit für die gesetzlichen Krankenkassen, neben den gesetzlichen Rabatten noch weitere Rabatte auf die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel zu erhalten. Die Arzneimittelrabattverträge werden entweder nach den kartellvergaberechtlichen Vorschriften des vierten Teils des GWB im Wettbewerb ausgeschrieben oder im sogenannten Open-House Verfahren vergeben. Die wohl wichtigste Unterscheidung zwischen den beiden Vergabemöglichkeiten von Arzneimittelrabattverträgen ist, dass bei einem Open-House Verfahren jedes geeignete Unternehmen zu den gleichen Bedingungen beitreten kann, ohne dass dabei eine Auswahl zwischen den Unternehmen oder eine Begrenzung der Arzneimittelrabattpartner stattfindet. Bei wettbewerblichen Verfahren wird indes vorher festgelegt, wie viele pharmazeutische Unternehmer an dem Arzneimittelrabattvertrag beteiligt werden. Vornehmlich werden die Verträge bei kartellvergaberechtlichen Ausschreibungen entweder nur mit einem oder aber mit bis zu drei Unternehmen abgeschlossen. Bei den wettbewerblichen Verfahren nach dem Kartellvergaberecht findet damit eine Auswahl zwischen den Unternehmen statt, welche sich zumeist nach dem höchsten Rabatt auf die vertraglichen Arzneimittel richtet. Mit anderen Worten, der günstigste oder die drei günstigsten Anbieter erhalten den Zuschlag.
Als Anreiz für die Teilnahme an Arzneimittelrabattverträgen für die pharmazeutischen Unternehmer dient die Tatsache, dass nach den Substitutionsmechanismen des § 129 SGB V grundsätzlich nur solche Arzneimittel zulasten der gesetzlichen Krankenkasse abgegeben werden, welche Gegenstand eines Arzneimittelrabattvertrages mit den jeweiligen gesetzlichen Krankenkassen sind. Pharmazeutische Unternehmer können mithin Arzneimittel, die nicht Gegenstand eines Arzneimittelrabattvertrages sind, nur in sehr begrenzten Ausnahmefällen zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse abgeben.
Durch das ALBVVG wurden nunmehr zwei wesentliche Änderungen für die Ausschreibung von Arzneimittelrabattverträgen aufgenommen, welche die Produktion über den gesetzlichen Weg (zurück) in die EU / den EWR verlagern und die Versorgungstabilität sichern sollen. Ergebnis der Gesetzesänderungen soll unter anderem eine krisenfeste Versorgung mit lebensnotwendigen Arzneimitteln sein. Die Anpassungen beziehen sich dabei ausweislich der Gesetzesbegründung ausdrücklich nur auf die Vergabe nach kartellvergaberechtlichen Verfahren. Bei der Vergabe von Arzneimittelrabattverträgen im Wege eines Open-House Verfahren sei hingegen bereits durch die Möglichkeit des jederzeitigen Beitritts weiterer pharmazeutischer Unternehmer eine ausreichende Lieferstabilität aufgrund der erhöhten Anzahl an Vertragspartnern gegeben.[10]
Die wohl umstrittenste Änderung ist die zwingende Vorgabe der Losbildung bei der Ausschreibung von Arzneimittelrabattverträgen betreffend die bedarfsgerechte Versorgung mit Antibiotika oder Arzneimitteln mit anderen versorgungskritischen Wirkstoffen gemäß § 130a Abs. 8a SGB V. Dabei ist mindestens die Hälfte der Lose so auszuschreiben, dass Rabatte über Arzneimittel geschlossen werden, deren Wirkstoffe in der EU, einem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes oder unter bestimmten weiteren Voraussetzungen in einem Vergleichsstaat produziert werden. Die andere Hälfte der Lose muss nunmehr zwingend in einem Mehrpartnermodell ausgeschrieben werden. Die Konsequenz ist, dass Arzneimittelrabattverträge mit nur einem Unternehmen bei der Versorgung mit Antibiotika oder Arzneimitteln mit anderen versorgungskritischen Wirkstoffen nicht mehr zulässig sind. In Bezug auf die Abgabe in Apotheken sind beide Rabattvertragsarten, EU und übriges Los, als gleichrangig zu behandeln.[11]
Daneben statuiert § 130a Abs. 8 SGB V, dass innerhalb der Arzneimittelrabattverträge durch die gesetzliche Krankenkasse vorgegeben werden muss, dass eine versorgungsnahe und kontinuierliche Bevorratung der Menge an Arzneimitteln stattfindet, die „voraussichtlich innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten abgegeben werden wird“. Der Begriff der „Versorgungsnähe“ wird als der Bereich innerhalb der europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des europäischen Wirtschaftsraumes legaldefiniert. Innerhalb der letzten sechs Monate der Vertragslaufzeit darf der Bedarf abgebaut werden.
Der Gesetzgeber hat mit der Vorgabe der EU-Lose nunmehr das umgesetzt, woran zuvor einige gesetzliche Krankenkassen gescheitert sind. Bereits in der Vergangenheit hatten einige gesetzliche Krankenkassen bei der Ausschreibung von Arzneimittelrabattverträgen nach dem Kartellvergaberecht des vierten Teils des GWB versucht, eine geschlossene EU-Lieferkette oder eine EU-nahe Produktion besser zu bewerten und damit die Zuschlagschancen der pharmazeutischen Unternehmer zu erhöhen, die diese Anforderungen erfüllen konnten.
Indes scheiterten alle Ausschreibungen vor den Nachprüfungsinstanzen, da entsprechende Vorgaben bestimmte Bieter diskriminieren und damit die vergaberechtlichen Grundsätze der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung verletzt würden. Aufgrund dessen nahmen die gesetzlichen Krankenkassen von solchen Vorgaben wieder Abstand. Insbesondere führte das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2021 aus, dass die Versorgungssicherheit zwar ein sozialer Aspekt sei, der grundsätzlich in Vergabeverfahren Berücksichtigung finden könnte. Jedoch könne die Gewährung eines wirtschaftlichen Bonus für den Nachweis einer geschlossenen Lieferkette in der Europäischen Union, in den GPA-Unterzeichnerstaaten und im Europäischen Wirtschaftsraum nicht als Mittel zur Erhöhung der Versorgungssicherheit gerechtfertigt werden, weil die damit einhergehende Schlechterstellung von in Drittstaaten produzierenden Bietern unangemessen sei.[12]
Gerade eine solche Bevorzugung von Arzneimitteln, deren Wirkstoffe im EWR produziert werden, hat der Gesetzgeber nunmehr für die Hälfte der Lose bei der Ausschreibung von Arzneimittelrabattverträgen für Antibiotika und versorgungskritische Arzneimittel vorgenommen und dies damit zugleich entgegen der damaligen Rechtsprechung als angemessen legitimiert. Dass der Gesetzgeber damit sehr bewusst eine Kehrtwende vollzogen hat, zeigt die ungewöhnlich ausführliche rechtliche Würdigung und Legitimation der vorgegebenen Bevorzugung einer Produktion innerhalb des EWR im Referentenentwurf. Begründet wird die Zulässigkeit insbesondere damit, dass ja „nur“ die Hälfte der Lose so auszuschreiben sei und die Lieferengpässe gezeigt hätten, wie vulnerabel die Lieferketten aktuell seien.[13]
Rein tatsächlich stellt sich die Frage, ob und wie die Vorgaben während der Vertragslaufzeit des Arzneimittelrabattvertrages umzusetzen sind. Die Abrechnung der Arzneimittel richtet sich nach den Angaben innerhalb der Lauer-Taxe. Die dortigen Angaben werden von den pharmazeutischen Unternehmern an die IFA GmbH aufgrund sogenannter Anbieterverträge gemeldet. Pro Arzneimittel und Wirkstoffstärke/Darreichungsform kann von den pharmazeutischen Unternehmern nur ein Preis gemeldet werden, dies auch unabhängig vom Produktionsstandort des Wirkstoffes. Zum Teil werden die Wirkstoffe auch von unterschiedlichen Herstellern und damit unterschiedlichen Produktionsstandorten bezogen. Das Arzneimittel in der Wirkstoffstärke und der Darreichungsform erhält eine Pharmazentralnummer (PZN). Bei der Herausgabe eines rabattierten Arzneimittels erhält die gesetzliche Krankenkasse sodann von dem Vertragspartner des Arzneimittelrabattvertrages den vertraglich vereinbarten Rabatt, wobei die Zuordnung anhand der PZN stattfindet. Eine Kenntnis darüber, ob nunmehr ein Arzneimittel der PZN mit einem im EWR produzierten Wirkstoff oder einem außerhalb des EWR produzierten Wirkstoff abgegeben wurde, erhält die gesetzliche Krankenkasse nicht.
Die Vorgabe, dass eine gewisse Menge an Arzneimitteln von dem Arzneimittelrabattvertragspartner zu bevorraten ist, fand sich bereits vor der gesetzlichen Vorgabe in den überwiegenden Teilen der Arzneimittelrabattverträge wieder. Allerdings wurde zumeist nur ein Bedarf von drei Monaten vorgegeben. Die Vorgabe, dass nunmehr zwingend der voraussichtliche Bedarf von sechs Monaten zu bevorraten ist, stellt einige pharmazeutische Unternehmer vor erhebliche praktische Schwierigkeiten. Denn gerade in den Fällen, in denen pharmazeutische Unternehmer nicht nur Vertragspartner eines Arzneimittelrabattvertrages sind, kann dies sehr schnell zu enormen Mengen führen, die zum einen erst einmal produziert und zum anderen aber auch in ausreichend dimensionierten Lagerhallen gelagert werden müssen. Da der Vorrat zusätzlich erst innerhalb der letzten Monate der Vertragslaufzeit abgebaut werden darf, bedarf es eines erheblichen Monitorings, um eventuelle Ablaufdaten im Blick zu behalten und die Arzneimittel rechtzeitig auszutauschen und in den Verkehr zu bringen.
Rechtlich stellt sich die Frage, ob im Rahmen eines Mehrpartnermodells dem Auftragnehmer nicht ein zu hohes Kalkulationsrisiko auferlegt wird, wenn er den Bedarf von voraussichtlich sechs Monaten bevorraten muss, indes offen ist, ob auch nur eines seiner Arzneimittel abgegeben wird. Denn welches Arzneimittel abgegeben wird, hat aufgrund der Systematik der Arzneimittelabgabe weder der pharmazeutische Unternehmer noch die gesetzliche Krankenkasse in der Hand. Vielmehr richtet sich die Abgabe danach, welche der rabattierten Arzneimittel von den Apotheken herausgegeben werden. Nach der gängigen Rechtsprechung sind jedoch sehr hohe Anforderungen an ein zu hohes Kalkulationsrisiko zu stellen, sodass ein solches nur noch dann angenommen wird, wenn unter anderem keine seriöse kaufmännische Angebotskalkulation mehr möglich ist.[14] Diese Grenze wird vorliegend noch nicht überschritten sein, da grundsätzlich zumindest die Abgabezahlen der letzten Jahre in den Vergabeunterlagen veröffentlicht werden und die pharmazeutischen Unternehmer selbst ihre Marktabdeckung kennen.
Zudem stellt sich die Frage, ob und inwieweit die gesetzliche Krankenkasse darauf vertrauen muss, dass die pharmazeutischen Unternehmer als Bieter auch dazu in der Lage sind, die vertraglich vorgegebene versorgungsnahe Bevorratung zu gewährleisten. Im Grundsatz kann der öffentliche Auftraggeber bei Angeboten von Bietern darauf vertrauen, dass die Vorgaben der Vertragsunterlagen eingehalten werden. Indes kann sich der öffentliche Auftraggeber auch Nachweise oder Konzepte zur Plausibilisierung vorlegen lassen[15], vorliegend also dazu, ob er tatsächlich einen Zugriff auf eine Lagerstätte im EWR hat, die eine entsprechende Kapazität aufweist.
Bei der Umsetzung der neuen Vorgaben des ALBVVG bezogen auf die Ausschreibungen der gesetzlichen Krankenkassen stellen sich in Bezug auf die Los-Vorgaben und die Bevorratung noch diverse rechtliche und praktische Fragen. Insbesondere gilt dies in Bezug auf die Überprüfungsmöglichkeiten dahingehend, ob der Wirkstoff tatsächlich im EWR produziert wurde, wenn das Arzneimittel unter dem EU-Los abgegeben wurde, und ob ein Bieter tatsächlich im Auftragsfall die Lagerkapazitäten entsprechend einem sechsmonatigen Bedarf aufweist.
Mittlerweile wurden die ersten Ausschreibungen nach dem Inkrafttreten des ALBVVG veröffentlicht und teilweise auch bezuschlagt. Insbesondere bei der Vergabe von Arzneimittelrabattverträgen zu Antibiotika fiel dabei auf, dass die meisten gesetzlichen Krankenkassen die kartellvergaberechtliche Ausschreibung scheuten und die Arzneimittelrabattverträge daher (vorläufig) im Rahmen von Open-House Verfahren zum Beitritt stellten. Die gesetzlichen Krankenkassen, die sich tatsächlich an die Ausschreibung von Antibiotika wagten, haben einheitlich jeweils pro Arzneimittelgruppe zwei Lose gebildet, eines mit Produktionsstätte innerhalb der EWR und ein „übriges“ oder „weiteres“ Los. Die vorzugebende Höchstmenge wurde dabei für beide Lose gemeinschaftlich vorgegeben, sodass jeweils die gleiche Menge abgerufen werden kann. Bei allen Ausschreibungen wurde zudem eine Zuschlagslimitierung[16] vorgenommen, sodass ein Bieter entweder in dem EU-Los oder aber in dem „übrigen“ oder „weiteren“ Los einen Zuschlag erhalten konnte, wobei immer erst das EU-Los bewertet wurde. Durch die Zuschlagslimitierung kann dabei das oben skizzierte Problem größtenteils umgangen werden, dass bei einem Zuschlag in beiden Losen bei der Abrechnung nicht nachvollzogen werden könnte, ob es sich um eine Abgabe unter dem EU-Los oder aber dem anderen Los handelt.
Bezüglich der tatsächlichen Lagerkapazitäten sind die gesetzlichen Krankenkassen unterschiedlich vorgegangen. Einige vertrauten darauf, dass die pharmazeutischen Unternehmer tatsächlich über ausreichend versorgungsnahe Lagerkapazitäten verfügen. Andere hingegen haben sich Nachweise oder Konzepte einreichen lassen, die belegen, dass das gesetzliche Erfordernis der versorgungsnahen Bevorratung eines voraussichtlichen sechsmonatigen Bedarfs auch tatsächlich eingehalten werden kann. Aufgrund des hohen Stellenwertes der Voraussetzung für den Gesetzgeber ist insoweit der zweite Weg zu bevorzugen.
Still und heimlich im Schatten der Diskussion um die Änderungen aufgrund des ALBVVG wurde die Aufnahme des § 40b in die Arzneimittel-Richtlinie verkündet, wonach nunmehr auch die Substitution von biotechnologisch hergestellten biologischen Fertigarzneimitteln – sogenannten Biosimilars – durch Apotheken bei parentalen Zubereiten zur unmittelbaren ärztlichen Verwendung vorgegeben wird.[17] Möglich wurde eine Substitution bei Biosimilars durch die von dem gemeinsamen Bundesausschuss umfangreich erweiterte Liste der austauschfähigen biologisch hergestellten Arzneimittel. Ohne eine Austauschfähigkeit bei Biosimilars war bis dato schon rein praktisch keine Substitution möglich.
Auswirkung hatte die fehlende Substitutionsmöglichkeit aufgrund nicht gegebener Austauschfähigkeit insbesondere bei parenteralen Zubereitungen aus biologischen Fertigarzneimitteln, da es zu erheblichen Verwürfen innerhalb der Apotheken und damit erhöhten Kosten für die gesetzlichen Krankenkassen kam.
Anders als bei Fertigarzneimitteln sieht indes der § 130a Abs. 8c SGB V Arzneimittelrabattverträge für die Versorgung der Versicherten mit parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie nur gemeinsam für die gesetzlichen Krankenkassen durch die Landesverbände und die Ersatzkassen vor. Da bis dato keine solchen Arzneimittelrabattverträge abgeschlossen wurden, wird wohl der § 40b der Arzneimittelrichtlinie dazu führen, dass immer das preisgünstigste biotechnologisch hergestellte biologische Fertigarzneimittel durch Apotheken bei parenteralen Zubereitungen abgegeben werden wird. Ob dadurch das Ziel, Verwürfe zu vermeiden, erreicht wird, hängt von dem Verhalten der Ärzte ab. Nur wenn die Ärzte kein Gebrauch von dem aut-idem Kreuz machen, wird das Ziel erreicht werden können.
Zusammenfassend hat der Gesetzgeber damit das umgesetzt, was vergaberechtliche Nachprüfungsinstanzen lange nicht zugelassen haben: Eine Bevorzugung der Produktion im EWR. Geplant ist diese Bevorzugung unter anderem auch hinsichtlich Onkologika.[18] Wie sich die Nachprüfungsinstanzen zu den Vorgaben der zwingenden Losausschreibung des § 130a Abs. 8a SGB V äußern werden und ob sie überhaupt die Gelegenheit dazu erhalten, bleibt abzuwarten. Zumindest die erste kartellvergaberechtliche Ausschreibung von Arzneimittelrabattverträgen zu Antibiotika landete nicht vor der Nachprüfungsinstanz.[19] Durch die erste erfolgreiche Ausschreibung zeigte sich zudem, dass scheinbar auch ein im EWR produzierender Markt besteht, auch wenn nur ein kleiner. Ob sich dieser indes alleinig aufgrund der EU-Lose vergrößern wird, bleibt abzuwarten, erscheint aber eher unwahrscheinlich. Durch die Sparpolitik der letzten Jahre wurde die Produktion systematisch abgedrängt, sodass es wohl mehr als eines EU-Loses bedarf, um diese erfolgreich zurückzuholen.