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Zitiervorschlag: Bianchini-Hartmann, LRZ 2023, Rn. 258, [●], www.lrz.legal/2023Rn258.

Permanente Kurz-URL: LRZ.legal/2023Rn258

Nach Auffassung des BGH ist eine AGB-Klausel, die dem Vermieter einer Elektroauto-Batterie nach außerordentlicher Kündigung des Mietvertrags die Fernsperrung der Auflademöglichkeit erlaubt, wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters unwirksam, wenn dieser die Weiterbenutzung seines – gesondert erworbenen, geleasten oder gemieteten – E-Fahrzeugs im Streitfall nur durch gerichtliche Geltendmachung einer weiteren Gebrauchsüberlassung der Batterie erreichen kann. Der nachfolgende Beitrag analysiert die Entscheidung des BGH.

1. Einführung

Wer wünscht sich nicht eine Möglichkeit, einen abtrünnigen oder jedenfalls säumigen Vertragspartner mit digitalen Zugriffsmöglichkeiten disziplinieren zu können? Das dachte sich auch als Vermieterin von Batterien für E-Autos die Bank des französischen Autoherstellers Renault (RCI Banque) und sah in ihren „Allgemeinen Batterie-Mietbedingungen“ eine Regelung vor, wonach bei einer außerordentlichen Beendigung des Mietvertrages die Wiederauflademöglichkeit der Batterie mit einer Vorankündigung von 14 Tagen gesperrt werden kann. Diese Vorankündigung konnte auch zusammen mit der Kündigung erfolgen. Das rief die Verbraucherschützer auf den Plan: Die Verbraucherzentrale Sachsen klagte auf Unterlassung der Verwendung der AGB-Klausel, woraufhin nunmehr der BGH entschieden hat.1

Rn258

Wie schon die vorinstanzlichen Gerichte hält auch der BGH die Klausel im Ergebnis nach § 307 BGB für unwirksam. Ob am Ende auch verbotene Eigenmacht vorliegt, lässt der BGH offen. Die Klausel hält aber jedenfalls der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nicht stand, da sie die Interessen des Verwenders auf Kosten des Nutzers missbräuchlich durchzusetzen versucht.

Rn259

2. Inhaltskontrolle

Während die Klauselverbote nach §§ 308, 309 BGB nicht greifen, liegt eine entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners, hier des Mieters der E-Batterie, vor (§ 307 Abs. 1 BGB).

Rn260

2.1. Verbotene Eigenmacht

Nach Ansicht des OLG Düsseldorf2 ist die streitgegenständliche Klausel mit wesentlichen Grundgedanken gesetzlicher Regelungen nicht zu vereinbaren und damit gemäß § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Eine Sperre der Auflademöglichkeit der Batterie nach der Kündigung des Mietvertrages sei vom Gesetz nicht vorgesehen und stelle im Ergebnis eine verbotene Eigenmacht i.S.d. § 858 Abs. 1 BGB dar bzw. solle eine unberechtigte Selbsthilfe i.S.d. § 229 BGB ermöglichen.

Rn261

2.2. Besitzstörung

Wer dem Besitzer ohne dessen Willen den (unmittelbaren) Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört, handelt, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die Störung gestattet, widerrechtlich. Auch wenn die faktische Sachherrschaft des Mieters über die Batterie nicht entzogen wird, so wird doch der bestimmungsmäßige Gebrauch der Sache, nämlich das Aufladen und Einsetzen der Batterie in dem entsprechenden E-Auto, eingeschränkt; dies stellt eine Besitzstörung i.S.d. § 858 Abs. 1 BGB dar.3 Die mit dem Besitz verbundene Einwirkungs- und Ausschlussmacht des Besitzers ist beeinträchtigt.4 Die Frage, ob die Sperrung durch einen automatisierten Fernzugriff (z.B. im Rahmen sogenannter smart contracts) oder einen Mitarbeiter manuell veranlasst wird, ist in diesem Zusammenhang nicht relevant, soweit die Handlung jedenfalls dem Vermieter als Gläubiger zuzurechnen ist.5

Rn262

2.3. Tatbestandsausschließende Einwilligung

Der Mieter kann auch nicht durch die Einbeziehung der AGB bei Vertragsschluss in diesen Eingriff einwilligen. Für die Einwilligung ist ausschließlich auf den Zeitpunkt der Besitzstörung, also den Zeitpunkt der Sperrung, abzustellen. Darüber hinaus ist nicht relevant, ob die Fernsperrung gegen den ausdrücklichen Willen des Besitzers erfolgt. Es genügt vielmehr bereits, dass die Beeinträchtigung ohne seinen Willen vorgenommen wird, wovon bei einem digitalen Vorgang ohne dessen Einbeziehung regelmäßig auszugehen ist. Abzustellen ist im Rahmen der verbotenen Eigenmacht nicht auf einen rechtsgeschäftlichen, sondern einen natürlichen Willen.6 Während in der Literatur auch vertreten wird, dass selbst unwiderrufliche Einwilligungen zulässig seien,7 sieht das OLG Düsseldorf diese Möglichkeit zurecht nicht, da das Recht zur Selbsthilfe einer stark eingeschränkten Dispositionsbefugnis der Parteien unterliege.8

Rn263

2.4. Tatbestandausschließender Mitbesitz

Fraglich ist jedoch, inwieweit der Vermieter aufgrund der Sperrmöglichkeit als Mitbesitzer der Batterie anzusehen ist.9 In diesem Fall wäre ein Besitzschutz des Mieters bei bloßer Besitzstörung ausgeschlossen, sondern käme nur bei vollständiger Besitzentziehung in Betracht. Ob die rein technische Möglichkeit einer Sperrung bereits einen Mitbesitz an der Mietsache begründen kann, bedarf nach Ansicht des BGH jedoch keiner abschließenden Entscheidung.10

Rn264

3. Unangemessene Benachteiligung

Ebenso kann nach Ansicht des BGH die Frage nach einer wirksamen Einwilligung aufgrund der Einbeziehung der AGB letztlich dahinstehen, da die Klausel jedenfalls eine einseitige Vertragsgestaltung darstellt, mit der der Vermieter missbräuchlich die eigenen Interessen auf Kosten der Mieter durchzusetzen versucht.11 Eine angemessene Berücksichtigung beider Interessen habe nicht stattgefunden.12

Rn265

Für die Beurteilung der Angemessenheit der in Frage stehenden Klausel kommt es auf eine sorgfältige Ermittlung und anschließende Abwägung der jeweiligen Interessen an, insbesondere darauf, ob und wie jede der Parteien die Verwirklichung des behandelten Vertragsrisikos durch eigene Tätigkeit verhindern kann, sowie darauf, ob und wie sich jede Partei gegen die Folgen einer Verwirklichung des Risikos durch eigene Vorsorge schützen kann.13

Rn266

Relevant ist hier insbesondere das Interesse des Vermieters, die weitere (Ab-)Nutzung des Mietobjekts nach wirksamer Beendigung des Mietvertrages zu unterbinden, gegenüber dem Interesse des Mieters, die weitere Nutzung der Mietsache zu sichern.

Rn267

3.1. Berechtigtes Interesse des Vermieters

Grundsätzlich ist das Interesse des Vermieters, seinem Herausgabeanspruch gegen den Mieter durch die Sperrung der Batterie Nachdruck zu verleihen und damit eine weitere Nutzung des Mietobjekts zu unterbinden, nachvollziehbar und durchaus berechtigt. Ausbleibende Mietzahlungen und die Abnutzung der Mietsache durch eine fortgesetzte Nutzung stellen einen konkreten Vermögensschaden des Vermieters dar. Allerdings verwirklicht sich in einer fortgesetzten Nutzung und einer entsprechenden Verschlechterung des Zustandes nach Beendigung des Mietverhältnisses ein typisches Risiko in der Sphäre des Vermieters.14 Diesem Risiko kann der Vermieter jedoch durch die Erhebung einer Mietkaution begegnen oder Ansprüche auf Nutzungsentschädigung gemäß § 546 a BGB geltend machen.

Rn268

3.2. Berechtigtes Interesse des Mieters

Durch eine Sperrung der Wiederauflademöglichkeit der E-Batterie wird der Mieter hingegen nicht nur in seiner Nutzung der Batterie als solcher eingeschränkt, sondern darüber hinaus auch an der Nutzung des entsprechenden E-Autos gehindert. Nachdem die Batterien verschiedener Autohersteller nicht kompatibel sind, hat der Mieter keine Möglichkeit, auf Alternativen anderer Hersteller zurückzugreifen. Darin sieht der BGH neben der Beeinträchtigung des eigentlichen Mietgegenstandes auch mittelbar einen Eingriff in einen wesentlich höherwertigen Vermögensbestandteil, der für den Mieter ebenfalls unbrauchbar wird.15

Rn269

Vor allem wenn die Wirksamkeit der Vertragsbeendigung zwischen den Parteien streitig ist, liegt in einer weiteren Vertragserfüllung ein starkes berechtigtes Interesse des Mieters. Beruft sich der Mieter beispielsweise auf eine Mietminderung oder ein Zurückbehaltungsrecht wegen Mängeln, muss er befürchten, dass der Vermieter, um diesen Ansprüchen zu entgehen, den Mietvertrag außerordentlich kündigt und nach der angekündigten Frist von 2 Wochen die Batterie per Fernzugriff sperrt. Damit ist die Klagelast durch die AGB-Klausel einseitig zu Lasten des Mieters geregelt und weicht von der gesetzlichen Risikoverteilung ab.16 Insbesondere die Vorleistung von Rechtsverfolgungskosten und die fehlende Möglichkeit, anderweitig Einwendungen gegen die Kündigung oder Sperrung der Batterie geltend zu machen, lassen den Mieter quasi schutzlos gegen die Eingriffe des Vermieters.

Rn270

3.3. Interessenabwägung

Der objektive Inhalt der Klausel ist nicht angemessen. Ob der Verwender im Zweifel von der Klausel tatsächlich (vollumfänglich) Gebrauch macht oder nicht, ist im Rahmen dieser Prüfung irrelevant.17 Im Rahmen der gebotenen Abwägung unterliegt somit das berechtigte Interesse des Vermieters aufgrund der Schwere des Eingriffs in das berechtigte Interesse des Mieters. Die Klausel kehrt das gesetzliche Leitbild um und geht mit seinen Wirkungen sogar über das eigentliche Mietobjekt wesentlich hinaus. Der BGH bestätigt damit zutreffend die Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Klausel wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters.18

Rn271

4. Fazit

Die praktische Relevanz des Urteils für den E-Automobilmarkt dürfte aktuell zwar gering sein – laut eines Sprechers des ADAC werden keine neuen E-Autos mehr mit Batteriemiete angeboten. Renault hatte diese als letzter Anbieter Ende 2020 abgeschafft.19 Allerdings sind durchaus weitere Anwendungsfälle denkbar – so beispielsweise der Wohnungsvermieter, der den säumigen Mieter mittels eines digital vernetzten Türschlosses ausschließt, oder der Eigentumsvorbehaltsverkäufer, der im Falle eines Verzugs mit den Ratenzahlungen die Benutzung der Kaufsache (vorrübergehend) sperrt.20

Rn272

1 BGH, Urteil vom 26.10.2022 – XII ZR 89/21, NJW 2022, 3575.

2 OLG Düsseldorf, Urteil vom 7.10.2021 – I-20 U 116/20, VuR 2022, 74 ff.

3 OLG Düsseldorf, Urteil vom 7.10.2021 – I-20 U 116/20, VuR 2022, 74, 77.

4 BGH, Urteil vom 6.5.2009 – XII ZR 137/07, BGHZ 180, 300 = NJW 2009, 1947, 1949 (Rn. 25) m.w.N.

5  Strobel, NJW 2022, 2361, 2362.

6 MüKoBGB/F. Schäfer, 9. Aufl. 2023, BGB § 858 Rn. 14-16.

7 Strobel, NJW 2022, 2361, 2363.

8 OLG Düsseldorf, Urteil vom 7.10.2021 – I-20 U 116/20, VuR 2022, 74, 79 m.w.N.

9 So z.B. Strobel, NJW 2022, 2361, 2362.

10 BGH, Urteil vom 26.10.2022 – XII ZR 89/21, NJW 2022, 3575, 3576.

11 BGH, Urteil vom 26.10.2022 - XII ZR 89/21, NJW 2022, 3575, 3576.

12 Vgl. zu diesem Erfordernis BGH, Urteil vom 8.7.2009 - VIII ZR 327/08 NJW 2009, 3295, 3296 (Rn. 18).

13 MüKoBGB/Wurmnest, 9. Aufl. 2022, BGB § 307 Rn. 37.

14 Koehl, SVR 2022, 217, 218.

15 BGH, Urteil vom 26.10.2022 – XII ZR 89/21, NJW 2022, 3575, 3577.

16 Caspar/Grimpe, ZIP 2022, 661, 668 f.

17 MüKoBGB/Wurmnest, 9. Aufl. 2022, BGB § 307 Rn. 41.

18 BGH, Urteil vom 26.10.2022 – XII ZR 89/21, NJW 2022, 3575, 3577-

19 Redaktion beck-aktuell, Verlag C.H. BECK, 28. September 2022 (dpa).

20 Koehl, SVR 2022, 217, 218 m.w.N.

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