LRZ E Zeitschrift Logo

LRZHeaderBogenRot
 

Zitiervorschlag: Reimann/Schoening, LRZ 2022, Rn. 1146, [●], www.lrz.legal/2022Rn1146.

Permanente Kurz-URL: LRZ.legal/2022Rn1146

Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die wichtigsten Rechtsvorschriften im Bereich ESG (Environmental, Social, Governance) und Immobilien sowie praktische Hinweise dazu, was im Rahmen der Projektentwicklung von Anfang an beachtet werden sollte, damit eine Immobilie als ESG-konform gilt.

1. Einführung

ESG (Environmental, Social, Governance) – dies wäre das Hauptthema der Immobilienbranche, gäbe es derzeit nicht auch die Themen wie Ukrainekrise, steigende Zinsen, Corona-Pandemie und Energiekrise. Unabhängig von den vielen anderen Herausforderungen im derzeitigen Marktumfeld müssen sich dennoch alle Marktteilnehmer der Immobilienwirtschaft mit der Änderung der klimatischen Bedingungen und den Themen der Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Denn ESG als Finanzmarktstromlenkungselement zeigt Wirkung – unmittelbar wie mittelbar. Unmittelbar, denn unter Geldanlegern ist nach wie vor ein Anstieg bei der Nachfrage nach nachhaltigen Anlageprodukten zu verzeichnen. 2021 waren in Deutschland 501,4 Milliarden EUR in nachhaltige Geldanlagen investiert1. Ein guter Teil davon steckt in Immobilien; nach den Recherchen des Forums für Nachhaltige Geldanlangen e.V. (FNG) waren 2021 "insgesamt 26 Immobilienfonds mit einem Volumen von 72,2 Milliarden Euro … als Artikel-8-Produkte klassifiziert und werden damit als nachhaltig eingestuft."2 So verwundert es nicht, dass nach wie vor eine hohe Nachfrage an "Green Fonds" zu verzeichnen ist und Investmentmanager bei der Wahl der Immobilien mehr und mehr ESG-Kriterien abfragen. Aber auch mittelbar treffen die ESG-Kriterien die Immobilienbranche, denn auch Banken,3 Versicherungen und Immobilienbewerter prüfen die Nachhaltigkeitskriterien und richten ihre Geschäftspolitik darauf ein. Gleiches gilt für Unternehmen als Nutzer der Immobilien. Denn auch in der Unternehmenspolitik4 – nicht nur der offenlegungspflichtigen Unternehmen – spielen Nachhaltigkeitskriterien und damit auch die ökologische Qualität der genutzten Immobilien5 eine immer größere Rolle. Immobilienprojektentwickler müssen folglich mit den geänderten Marktbedingungen umgehen und sich mit einer Vielzahl an neuen Regularien auseinandersetzen.

Rn1146

Dieser Beitrag soll einen Überblick über den derzeitigen Status Quo der wichtigsten zu beachtenden Rechtsvorschriften im Bereich ESG und Immobilien geben und praktische Hinweise geben, die im Rahmen der Projektentwicklung von Anfang an beachtet werden sollten, damit die Immobilie als ESG-konform gilt.

Rn1147

2. Gesetzliche Grundlagen

2.1. EU-Recht / Überblick

Die Europäische Union hat sich im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommens, das durch Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 5. Oktober 2016 ratifiziert wurde, unter anderem dazu verpflichtet, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 40 % (im Vergleich zu 1990) zu reduzieren. Zur Umsetzung dieser Ziele wurde im Dezember 2019 als zentraler Aktionsplan für eine nachhaltige EU-Wirtschaft der European Green Deal verabschiedet. Mit diesem wird das Ziel verfolgt, bis 2050 als erster Kontinent klimaneutral zu sein. Im Rahmen dieses vom Pariser Klimaschutzabkommen unabhängigen European Green Deals hatte die Europäische Kommission bis Sommer 2020 einen Plan vorzulegen, wie bis 2030 sogar 50-55 % zu erreichen sind. Es wurde eine Festlegung der Reduzierung der Treibhausgase um 55 % bis 2030 getroffen.

Rn1148

2.1.1. Allgemeiner Rahmen für die Rechtsetzung der EU

Das Europäische Parlament und der Rat der EU haben als Organe und Teil der Legislative der EU die Gesetzgebungskompetenz für die Mitgliedsstaaten der EU in den Bereichen, die der Europäischen Union durch die Mitgliedsstaaten zugewiesen sind. Rechtliche Grundlage hierfür ist der Vertrag über die Europäische Union (EUV) als Gründungsvertrag der Europäischen Union. Dieser Vertrag und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) bilden zusammen die Rechtsgrundlage für jedwedes Handeln der EU als politisches Staatensystem. Zu den der EU zugewiesenen Bereichen gehören auch die Agrar-, Handels- und Umweltpolitik (vgl. Art. 4 Abs. 2 AEUV).

Rn1149

Gem. Art. 288 AEUV kann die EU durch Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse, Empfehlungen und Stellungnahmen handeln. EU-Verordnungen sind in allen Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbares Recht, d.h. sie bedürfen keines weiteren nationalen Umsetzungs(Gesetzgebungs)aktes. Sie gehen dem nationalem Recht vor und sind von allen Mitgliedstaaten und deren Organen (d.h. Verwaltungen und Gerichten) unmittelbar zu beachten. Diese äußerst starke Handlungsform der EU ist über den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Regelungen vorbehalten, bei denen eine EU-einheitliche Handhabung erforderlich ist. Dies ist bei der Definition der Umweltziele und der grundsätzlichen Art der Dokumentation dieser der Fall. Daher wurde z.B. für die für die ESG-Kriterien maßgebliche Taxonomieverordnung (Verordnung (EU) 2020/852) und die für die Kriterien der Dokumentation maßgebliche Offenlegungsverordnung (EU) 2019/2088 (auch SFDR oder Sustainable Finance Disclosure Regulation) die Form der Verordnung gewählt. Diese gelten bereits seit Juli 2020 (TaxonomieVO) bzw. März 2021 (OffenlegungsVO) und unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten.

Rn1150

Handelt die EU im Wege einer Richtlinie, so gibt diese den grundlegenden Rahmen vor. Richtlinien gelten aber nicht unmittelbar, sondern müssen im Wege entsprechender Umsetzungsgesetzes durch die Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Die MIFID II (Richtlinie 2014/65/EU (Neufassung der Finanzmarktrichtline) (Umsetzung v.a. sozialer Aspekte und Aspekte der guten Unternehmensführung ("S" und "G") ist ein solches Beispiel und findet ihre Umsetzung in einer Vielzahl deutscher Gesetze, z.B. in einer Verschärfung der Berichtspflichten der Finanzmarktteilnehmer und Unternehmen in Finanzmarktberichten und Bilanzen (z.B. Vorschriften zu Lage- und Nachhaltigkeitsberichten in den §§ 289 b–e, 315 b–d HGB), aber auch in den Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), den Vorschriften des Entgelttransparenzgesetzes, den Vorschriften zur Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen (§ 76 Abs. 3a AktG), Aufsichtsräten (§ 96 Abs. 2 AktG) und vielen weiteren Einzelnormen. Insbesondere in den Lageberichten ist über die Planung und Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien durch das jeweilige Unternehmen zu berichten. Ein weiteres Beispiel ist die Richtline 2010/31/EU – Richtlinie zur Gesamteffizienz von Gebäuden, die mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) in nationales Recht umgesetzt wurde (und gleichzeitig die nicht richtlinienkonformen Gesetze – Energieeinspargesetz, Energieeinsparverordnung, Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz – abgelöst und aufgehoben hat). Auch das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz hat seinen Ursprung in einer Richtlinie, nämlich der Richtlinie zur Corporate Sustainability Due Diligence (CSDD).

Rn1151

Beschlüsse (früher Entscheidungen) der EU, die an bestimmte Adressaten (wie Mitgliedstaaten, Unternehmen oder Einzelpersonen) oder an die Allgemeinheit gerichtet werden können, sowie Stellungnahmen und Empfehlungen der EU haben für das Thema ESG nur eine untergeordnete Bedeutung und sind hier daher nicht näher darzustellen.

Rn1152

2.1.2. ESG – Definitionen

Häufig synonym verwendet werden die Begriffe "nachhaltige Investition" und "ökologisch nachhaltige Investition". Damit stellt sich dann häufig auch die Frage, wie "E", "S" und "G" systematisch einzuordnen sind. Zunächst ist klarzustellen, dass "nachhaltig" und "ökologisch nachhaltig" nicht synonym zu verwenden sind. „Nachhaltigkeit“ ist als Oberbegriff zu verstehen und umfasst sowohl ökologisch sinnvolle Investitionen ("E") wie auch Investitionen unter Beachtung sozialer Aspekte ("S") und nachhaltiger Unternehmensführung ("G"). Daher ist in Art. 2 Nr. 17 SFDR (OffenlegungsVO) als „nachhaltige Investition“ auch eine Investition in eine wirtschaftliche Tätigkeit definiert, die

  • zur Erreichung eines Umweltziels oder eines sozialen Ziels beiträgt, vorausgesetzt,
  • dass diese Investition keines dieser Ziele erheblich beeinträchtigt und
  • die Unternehmen, in die investiert wird, Verfahrensweisen einer guten Unternehmensführung anwenden.
Rn1153

Eine nachhaltige Investition kann den Bereichen E oder S/G zugeordnet sein.

Rn1154

Eine „ökologisch nachhaltige Investition“ definiert sich hingegen nach Art. 2 Nr. 1 Taxonomie-VO als eine Investition in eine oder mehrere Wirtschaftstätigkeiten, die als ökologisch nachhaltig gelten. Es handelt sich um einen (Unter-)Fall der Nachhaltigkeit, neben den Nachhaltigkeitszielen "Social" und "Government". Eine Wirtschaftstätigkeit gilt als ökologisch nachhaltig, wenn diese Wirtschaftstätigkeit

  • einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung eines oder mehrerer der Umweltziele der Taxonomie-VO leistet,
  • nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines oder mehrerer der Umweltziele führt,
  • unter Einhaltung des Mindestschutzes ausgeübt wird und
  • den technischen Bewertungskriterien entspricht.
Rn1155

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass sich die TaxonomieVO und die OffenlegungsVO als Mittel, Finanzinvestitionen zu lenken, nicht per se an jedermann richten, sondern an die Finanzmarktteilnehmer i.S.d. Art. 2 Nr. 1 SFDR, die Finanzprodukte i.S.d. Art. 2 Nr. 12 SFDR vertreiben. Daraus ergibt sich, dass Immobilien, die beispielsweise in Immobilienfonds als Investmentfonds enthalten sind, zwar nicht unmittelbar der TaxonomieVO unterliegen, jedoch der Investment Fonds als Finanzprodukt diese Regulation ec beachten muss und daher bei seiner Investitionsentscheidung die Immobilie auf die Einhaltung der ökologischen Nachhaltigkeit prüft.

Rn1156

2.1.3. Taxonomie-VO samt Delegierte Rechtsakte

Zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens wurde am 8. März 2018 von der Europäischen Union der Aktionsplan „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ beschlossen.6 Herzstück dessen war die Schaffung einer EU-Taxonomie als Rahmenverordnung, die letztlich am 18. Juni 2020 als Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/2088 (kurz: TaxonomieVO) verabschiedet wurde.

Rn1157

Die TaxonomieVO enthält den allgemeinen Rahmen für die Bestimmung, ob eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist, damit festgelegt werden kann, in welchem Maße eine Investition ökologisch nachhaltig ist. Damit wird versucht, private Investitionen in nachhaltige Tätigkeiten zu lenken. Korrespondierend dazu gilt seit März 2021 die OffenlegungsVO. Diese definiert, wie Unternehmen (Finanzmarktteilnehmer und -berater) den Investoren mitteilen müssen, inwieweit die Investitionen bzw. die Wirtschaftstätigkeiten Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen bzw. erfüllen.

Rn1158

Unter der in Ziff. 2.1 (b) genannten Definition nennt die TaxonomieVO sechs Umweltziele, nämlich

  • den Klimaschutz (Artikel 10),
  • die Anpassung an den Klimawandel (Artikel 11),
  • die nachhaltige Nutzung und Schutz der Wasser- und Meeresressourcen (Artikel 12),
  • den Übergang zur Kreislaufwirtschaft (Artikel 13),
  • die Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (Artikel 14) sowie
  • den Schutz und die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme (Artikel 15).
Rn1159

Gemäß Artikel 10 Absatz 3 bzw. Artikel 11 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2020/852 muss die Kommission delegierte Rechtsakte erlassen, um die technischen Bewertungskriterien festzulegen, anhand deren bestimmt wird, a) unter welchen Bedingungen davon auszugehen ist, dass eine bestimmte Wirtschaftstätigkeit tatsächlich einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz bzw. zur Anpassung an den Klimawandel leistet, und b) unter welchen Voraussetzungen diese Wirtschaftstätigkeit tatsächlich erhebliche Beeinträchtigungen eines oder mehrerer Umweltziele vermeidet.

Rn1160

Bisher wurden drei delegierte Verordnungen zur Konkretisierung der TaxonomieVO erlassen:

  • Delegierte Verordnung (EU) 2021/2139 ("Climate Delegated Act"): Diese Verordnung enthält die im Wesentlichen technischen Bewertungskriterien, anhand deren bestimmt wird, unter welchen Bedingungen davon auszugehen ist, dass eine Wirtschaftstätigkeit einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz oder zur Anpassung an den Klimawandel leistet, und anhand deren bestimmt wird, ob diese Wirtschaftstätigkeit erhebliche Beeinträchtigungen eines der übrigen Umweltziele vermeidet. Die Verordnung bezieht sich somit auf die in der TaxonomieVO festgelegten Umweltziele Klimaschutz und Klimawandel.
  • Delegierte Verordnung (EU) 2021/2178 ("Disclosure Delegated Act"): Diese Verordnung konkretisiert die zusätzlichen Berichterstattungspflichten der von der TaxonomieVO betroffenen Unternehmen sowie die Methode, anhand deren die Einhaltung der Offenlegungspflichten zu gewährleisten ist.
  • Delegierte Verordnung (EU) 2022/1214 ("Complementary Climate Delegated Act"): Mit dieser Verordnung wurden die beiden zuvor genannten Verordnungen geändert und die Bereiche Kernenergie sowie Energie aus fossilem Gas in die TaxonomieVO mitaufgenommen. Dieser ergänzende delegierte Rechtsakt tritt am 1. Januar 2023 in Kraft.
Rn1161

Der Erlass von weiteren delegierten Verordnungen für die technischen Bewertungskriterien der anderen Umweltziele soll bis 2023 erfolgen. Die Internetseite der Europäischen Kommission bietet einen EU Taxonomy Compass, welcher eine visuelle Darstellung des Inhalts der EU-Taxonomie bietet. Dieser Kompass soll in Zukunft aktualisiert werden, um künftige delegierte Rechtsakte aufzunehmen, in denen technische Prüfkriterien für zusätzliche Wirtschaftstätigkeiten festgelegt werden, die wesentlich zu den Klimazielen und den anderen Umweltzielen der TaxonomieVO beitragen. Er wird auch künftige Überprüfungen der delegierten Rechtsakte widerspiegeln.7

Rn1162

2.1.4. OffenlegungsVO samt Delegierte Rechtsakte

Am 10. März 2021 ist die vorher bereits erwähnte europäische Offenlegungsverordnung (Verordnung (EU) 2019/2088, SFDR = Sustainable Finance Disclosure Regulation = SFDR) in Kraft getreten, welche nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor normiert. Dies soll es den Anlegern erleichtern, die Nachhaltigkeit eines Finanzproduktes zu erkennen und somit informierte Entscheidungen treffen zu können.8

Rn1163

Die TaxonomieVO, die sich insbesondere auf den Aspekt Ökologie fokussiert und in diesem Sinne Umweltziele definiert, erweitert die Offenlegungspflichten insofern, als zukünftig offengelegt werden muss, wie und in welchem Umfang sich die Wirtschaftstätigkeit auf die ihr zugrundeliegenden Umweltziele auswirkt (vgl. Art. 9 der TaxonomieVO).9

Rn1164

Zur Ergänzung der Offenlegungsverordnung hat die Kommission eine delegierte Verordnung (EU) 2022/1288 (Regulatory Technical Standards kurz: RTS) erlassen, welche am 1. Januar 2023 in Kraft tritt. In dieser delegierten Verordnung wird der Inhalt, die Methodik sowie die Art der Darstellung der offenzulegenden Informationen festgelegt. In diesen RTS findet sich auch der Begriff "Principal Adverse Impact" ("PAI`s") wieder. Darunter sind die „wichtigsten nachteiligen Auswirkungen" von Investitionsentscheidungen auf die Nachhaltigkeitsfaktoren in den Bereichen Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, Achtung der Menschenrechte und Bekämpfung von Korruption und Bestechung zu verstehen. Auch wenn sich die Inhalte zum Teil überschneiden, ist dies nicht mit dem Kriterium der TaxonomieVO gleichzusetzen, dass eine Maßnahme, die ein Umweltziel erreichen soll, nicht andere Umweltziele nachhaltig beeinträchtigen darf. Denn die PAI-Erklärung der Finanzmarktteilnehmer ist auch abzugeben, wenn keine Nachhaltigkeitsziele angestrebt werden. Die Finanzmarktteilnehmer müssen ab Inkrafttreten der Verordnung auf ihren Internetseiten in einem gesonderten Abschnitt mit dem Titel: „Erklärung zu den wichtigsten nachteiligen Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren“ entsprechende (PAI) Informationen veröffentlichen. Dies gilt auch dann, wenn es sich nicht um ein Finanzprodukt nach Art. 8 bzw. Art 9 TaxonomieVO handelt. Ab 2023 ist diese sogenannte PAI-Erklärung zwingend.

Rn1165

Es gibt bereits diverse Leitfäden, die Unternehmen eine Hilfestellung bei der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit bieten.10 Zudem hat die Kommission und auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht einen Fragen- und Antwortkatalog zur Offenlegungs- und TaxonomieVO veröffentlicht.11

Rn1166

Obwohl die OffenlegungsVO die Pflichten von Finanzmarktteilnehmer und -berater normiert, sollten Projektentwickler den Inhalt der Verordnungen kennen, da ihr Produkt – die neu errichtete oder revitalisierte Immobilie – sofern sie an einen Investmentfond, eine Versicherung oder einen Pensionsfond verkauft werden soll – später nach diesen Voraussetzungen beurteilt wird.

Rn1167

2.1.5. Directive on Corporate Sustainability Due Diligence und die Lieferkette

Auf europäischer Ebene existiert bereits seit 23. März 2022 ein Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD). Diese Richtlinie zielt darauf ab, dass Unternehmen, die in der EU tätig sind, zukünftig zur Beachtung von Menschen- und Umweltrechten in globalen Wertschöpfungsketten verpflichtet werden. Dies stellt gemeinsam mit bestehenden Regelungen und weiteren Regulierungsinitiativen wie der Corporate Sustainability Reporting Directive (kurz CSRD, welche die bestehenden Regeln zur nicht-finanziellen Berichterstattung erheblich erweitert), oder der TaxonomieVO einen weiteren Schritt zum nachhaltigen Wirtschaften unter einheitlichen europäischen Bedingungen dar.12

Rn1168

Die Kernaspekte des Vorschlags sind:

  • die Festlegung von umfassenden Sorgfaltspflichten hinsichtlich Umwelt- und Menschenrechte. Tatsächliche und potenzielle negative Auswirkungen müssen ermittelt, berichtet und abgestellt bzw. minimiert werden;
  • die verpflichtende Einrichtung von nationalen Aufsichtsbehörden, welche für die Verhängung von Geldbußen und Befolgungsanordnungen zuständig ist;
  • die Kopplung an das Pariser Klimaabkommen (Große Unternehmen müssen einen Plan festlegen, um sicherzustellen, dass ihre Geschäftsstrategie mit der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C gemäß dem Übereinkommen von Paris vereinbar ist.) sowie
  • die Begründung einer zivilrechtlichen Haftung bei Verstößen.

 

Rn1169

Das europäische Parlament sowie der Rat sind nun angehalten, den Vorschlag zu prüfen und Ihre Stellungnahmen dazu abzugeben.

Rn1170

Am 1. Januar 2023 tritt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)13 in Kraft, welches ab 2023 für alle Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden in Deutschland und ab 2024 für alle Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden in Deutschland gilt.14 Diese Unternehmen haben zukünftig bestimmte Sorgfaltspflichten (Grundsatzerklärung, Risikoanalyse, Risikomanagement, Dokumentation, etc.) zur Einhaltung von Menschenrechten innerhalb einer Lieferkette zu beachten. Auch Immobilienprojektentwickler sollten diese Vorschriften kennen, entweder, weil sie bereits durch ihre Größe direkt zur Einhaltung verpflichtet sind, oder weil die Auftraggeber ihrer Projektentwicklungen ggf. dem LkSG unterliegen und sie daher Teil der Lieferkette des berichtspflichtigen Auftraggebers sind.

Rn1171

Das LkSG bezieht sich im Wesentlichen auf den Schutz folgender Menschenrechte: Einhaltung der Mindestlohnregelungen; Verbot der Missachtung der jeweils national geltenden Pflichten des Arbeitsschutzes; Verbot des Vorenthaltens eines angemessenen Lohns; Verbot der Ungleichbehandlung und Diskriminierung der Beschäftigten, wobei eine Ungleichbehandlung auch die Zahlung ungleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit umfasst; Unversehrtheit von Leben und Gesundheit; Freiheit von Sklaverei und Zwangsarbeit; Schutz von Kindern und Freiheit von Kinderarbeit; Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen; Schutz vor Folter etc.

Rn1172

2.2. Nationales Recht

Soweit nicht nach dem EU-Recht vorrangige Verordnungen gelten, gilt das nationale Recht. Das Recht, bauliche Anlagen zu errichten, ist nach wie vor im Baugesetzbuch und den Landesbauordnungen geregelt. Gibt es einen Bebauungsplan, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es den Festsetzungen des Bebauungsplanes nicht widerspricht (§ 30 BauGB), ansonsten gelten die Regelungen zum innerstädtischen bzw. Bauen im Außenbereich nach § 34 bzw. § 35 BauGB. Dies regelt jedoch nur die Zulässigkeit des Bauvorhabens am konkreten Standort und nicht dessen Nachhaltigkeitsqualität und Geeignetheit für ein als nachhaltig vermarktetes Finanzprodukt, wie beispielsweise einen Immobilien-Investment-Fonds.

Rn1173

Für ein klassisch errichtetes Gebäude muss man sich im Hinblick auf die bauliche Ausführung an die im jeweiligen Bundesland sowie die in der Bundesrepublik Deutschland geltenden bauordnungsrechtlichen und allgemeinen technischen Vorschriften halten. Inzwischen gehört hierzu auch das bereits erwähnte Gebäudeenergiegesetz (GEG), welches am 1. November 2020 in Kraft getreten ist. Dieses Gesetz diente der Umsetzung verschiedener Richtlinien der EU im Hinblick auf die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden und der Förderung der Nutzung von Energien aus erneuerbaren Quellen. Damit wurde der Ansatz ökologischer Bautätigkeit auch im Rahmen der Bauausführung verschärft.

Rn1174

Neben dem bundesgesetzlichen Regelungen gelten darüber hinaus auch die landesrechtlichen Vorschriften, insbesondere die Landesbauordnungen und – als neuere (Landes)Gesetzgebung der einzelnen Bundesländer – die landesrechtlichen Vorschriften zur Pflicht zur Errichtung von Fotovoltaikanlagen.15 Unabhängig davon, ob es sich bei der geplanten Projektentwicklung um eine Projektentwicklung handelt, die später Eingang in einen als nachhaltig beworbenen Immobilienfonds nach Art. 8 oder Art. 9 TaxonomieVO findet, gelten für alle Projektentwicklungen selbstverständlich die nationalen Vorschriften. Dies gilt auch dann, wenn diese in Umsetzung einer EU-Richtlinie, die der Nachhaltigkeit dient, erlassen worden sind. Zu nennen sind hier insbesondere das Gebäudeenergiegesetz oder das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz, aber auch viele andere bauordnungs- und umweltrechtliche Vorschriften. Für klassische Projektentwicklungen gelten daher die Vorschriften der Taxonomie- und OffenlegungsVO nicht unmittelbar. Sie haben aber mittelbare Auswirkungen auf Projektentwicklungen, weil Immobilien sowohl im Anlagebereich der Rentenversicherungen als auch der Versicherungen wie auch in offenen und geschlossenen Immobilienfonds eine große Rolle spielen.

Rn1175

2.3. Darlehen und Finanzierung

Auch die Banken legen zunehmend mehr Wert auf Nachhaltigkeit – sowohl in ihrer Unternehmensführung selbst als auch bei der Anlageberatung ihrer Kunden (hierzu sind sie nach TaxonomieVO und OffenlegungsVO verpflichtet) und bei der Gewährung von Finanzierungen.16 Als Finanzmarktteilnehmer müssen sie grundsätzlich die Taxonomiekriterien beachten. Motivation der Banken sind weiterhin die Kundennachfrage, eine mögliche Herabsetzung der regulatorischen Eigenkapitalunterlegungsanforderungen für grüne Finanzierungen (umstritten, denn selbstverständlich sind nachhaltige Kredite nicht per se risikoärmer) und sie sehen nachhaltige Finanzierungen auch als Differenzierungsmerkmal. Eine anschließende Verbriefung von ausgereichten Nachhaltigkeitsdarlehen in sogenannte Sustainable Securitisations kann der Bank schließlich eine interessante Möglichkeit zur Ausweitung ihrer Refinanzierungsoptionen eröffnen.17

Rn1176

2.4. Zusammenfassung

2.4.1. EU-Recht

Die Taxonomie- sowie die OffenlegungsVO sind unmittelbar geltendes Recht. Dies bedeutet, dass für ihre Anwendung kein nationaler Gesetzgebungsakt mehr erforderlich ist. Rechtsverbindliche Ergänzungen der Verordnungen erfolgen durch delegierte Rechtsakte, welche von der Europäischen Kommission erlassen werden und ebenfalls unmittelbar anzuwenden sind.

Rn1177

Richtlinien hingegen müssen von den Mitgliedstaaten erst in nationales Recht umgewandelt werden. Dies ist im Hinblick auf die Richtlinie 2010/31/EU über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden durch die Einführung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) erfolgt.

Rn1178

2.4.2. Nationales Recht

Unabhängig davon, ob es sich bei der geplanten Projektentwicklung um eine Projektentwicklung handelt, die später Eingang in einen als nachhaltig beworbenen Immobilienfonds nach Art. 8 oder Art. 9 TaxonomieVO findet, gelten für alle Projektentwicklungen selbstverständlich die nationalen Vorschriften. Dies gilt auch dann, wenn diese in Umsetzung einer EU-Richtlinie, die der Nachhaltigkeit dient, erlassen worden sind. Zu nennen sind hier insbesondere das Gebäudeenergiegesetz oder das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz, aber auch viele andere bauordnungs- und umweltrechtliche Vorschriften. Für klassische Projektentwicklungen gelten daher die Vorschriften der Taxonomie- und OffenlegungsVO nicht unmittelbar. Sie haben aber mittelbare Auswirkungen auf Projektentwicklungen, weil Immobilien sowohl im Anlagebereich der Rentenversicherungen als auch der Versicherungen wie auch in offenen und geschlossenen Immobilienfonds eine große Rolle spielen.

Rn1179

2.4.3. Prüfung der Einhaltung der Anforderungen nach der EU-Offenlegungs- und Taxonomie-Verordnung

Um ein "Greenwashing" von Unternehmen zu vermeiden, wurde der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) seit März 2021 die Aufgabe zuteil, die Einhaltung der OffenlegungsVO in Verbindung mit der TaxonomieVO im Finanzdienstleistungssektor zu überwachen.

Rn1180

Das am 10. Juni 2021 bekannt gemachte Fondsstandortgesetz (FoStoG) legte zudem fest, dass Wirtschaftsprüfer die Einhaltung der Anforderungen der Taxonomie- und OffenlegungsVO prüfen müssen. Dazu hat das BaFin in Abstimmung mit dem Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) einen Praxishinweis für Wirtschaftsprüfer erarbeitet, der diesen eine Orientierung bei der Umsetzung ihrer Aufgaben bieten soll.

Rn1181

3. Einhaltung der ESG-Kriterien

Immobilienprojektentwickler sollten bereits von ersten Planungsschritt an die Nachhaltigkeitskriterien im Auge behalten, um die Immobilie für potenzielle Investoren und Käufer (Immobilienfonds etc.) interessant zu gestalten. Dies erfordert eine Kenntnis der einschlägigen Rechtsvorschriften und eine damit einhergehende Berücksichtigung dieser in allen Projektentwicklungsphasen.

Rn1182

3.1. ESG-Zertifizierung oder nur Gebäudezertifizierung? Unterschiede, Vor- und Nachteile

Es wird oft die Frage gestellt, ob durch die Erlangung eines Gebäudezertifikates die Immobilie als ESG-konform gilt. Diese Frage lässt sich leider nicht pauschal beantworten, denn es kommt immer darauf an, was zertifiziert wurde (z.B. das Gebäude oder die Bauprodukte), in welchem Umfang zertifiziert wurde (nur "E" oder auch "S" und "G" in demselben Zertifikat) und welche Kriterien der Zertifizierer zugrunde gelegt hat.

Rn1183

3.1.1. Überblick über die Zertifizierungssysteme

Im Markt haben sich bereits verschiedenste Zertifizierungssysteme für Nachhaltigkeit etabliert, welche die Immobilie in Bezug auf die ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit bewerten. Anzumerken ist, dass die Zertifizierungsstellen dabei jedoch nicht die tatsächliche Bauausführung prüfen (sondern eine Prüfung anhand einer Begleitung durch einen Auditor und anhand der eigenreichten Planungs- und Ausführungsdokumentation erfolgt) sowie dass die Zertifizierung immer (nur) eine Momentaufnahme darstellt.

Rn1184

Bekannte Zertifizierungssysteme am Markt sind:

  • Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB)
  • Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG-Siegel)
  • DGNB-Zertifizierung (deutsches Zertifizierungssystem für Gebäude)
  • LEED (amerikanisches Zertifizierungssystem für Gebäude)
  • BREAM (britisches Zertifizierungssystem für Gebäude)
  • FNG-Siegel für nachhaltige Publikumsfonds (Siegel des Forum Nachhaltige Geldanlagen e.V.)
  • Wired Score (globaler Standard für digitale Konnektivität)
  • Blauer Engel (Produktzertifikat)

 

Rn1185

Daneben gibt es aber auch noch viele weitere Zertifikate; die hier genannte Aufstellung ist keinesfalls abschließend.

Rn1186

Hinzuweisen ist darauf, dass „Zertifikat“ ein ungeschützter Rechtsbegriff ist, d.h. jedermann ist zunächst berechtigt, Label oder Zertifikate selbst zu entwerfen. Bei der Beurteilung der Werthaltigkeit und Seriosität muss daher unbedingt darauf geachtet werden, ob die Label/ Zertifikate selbst durch eine anerkannte Organisation zertifiziert sind oder selbst für eine Qualitätssicherung sorgen18, ob es sich bei dem Aussteller des Labels / Zertifikats um eine kommerzielle oder gemeinnützige Organisation handelt und ob das Zertifikat und die Arbeit der Organisation allg. anerkannt sind. Kreative Bilder und Namen können aber auch in die Irre leiten.

Rn1187

ESG Grafik01„Eco Certified Building Standard“ ist beispielsweise ein von den Verfassern ausgedachter Fake. Eine kritische Prüfung ist daher immer erforderlich.

Rn1188

3.1.2. Unterschiede, Vor- und Nachteile der Zertifizierungssysteme

Werden die vom Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) für das „Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB)“ entwickelten Kriterien im Neubau erfüllt, sind bereits heute schon fast alle E-Kriterien der Taxonomie- und OffenlegungsVO, aber auch einige im Bereich S – nämlich im Kriterium der soziokulturellen Qualität mit den Unterpunkten Gesundheit, Behaglichkeit und Nutzerzufriedenheit – und geringfügig auch im Bereich G – nämlich insbesondere im Bereich des Kriteriums Lebenszykluskosten und Wirtschaftlichkeit sowie Wertstabilität – berücksichtigt.

Rn1189

Auch die Einhaltung der Vorgaben des "Qualitätssiegel nachhaltiges Gebäude (QNG)" führt dazu, dass wesentliche ESG-Kriterien der Taxonomie- und der OffenlegungsVO erfüllt sind. Dieses Qualitätssiegel ist auch für Investoren interessant, da es als staatliches Qualitätssiegel für Gebäude einen relativ unabhängigen Nachweis für die Erfüllung der allgemeinen und besonderen Anforderungen an die ökologische, soziokulturelle und ökonomische Qualität von Gebäuden erbringt. Bestimmte Förderungen (z.B. Bundesförderung effiziente Gebäude) werden nur bei der Erreichung einer bestimmten Nachhaltigkeitsklasse gewährt, die über Zertifikate nachgewiesen werden können (z.B. Qualitätssigel nachhaltiges Gebäude (QNG) zzgl. weiterer weitere Voraussetzungen).

Rn1190

Ähnliches gilt für die Bauzertifikate der DGNB, wobei hier die Sicherstellung der Einhaltung der Zertifizierungskriterien durch den Auditor und die Zertifizierung anhand der vom Auditor bei der DGNB eingereichten Unterlagen erfolgt.19 Ähnlich, jedoch mit etwas anderem Schwerpunkt und teilweise geringeren Anforderungen, sind die Bauzertifikate LEED und BREAM einzustufen.

Rn1191

3.2. Datenerhebung und Nachweise

Zum Nachweis der Erfüllung der technischen Bewertungskriterien und folglich zur Überprüfung einer ESG-Konformität einer Immobilie ist eine vollständige Dokumentation samt Vorlage diverser Nachweise unerlässlich und sollte von Anfang an berücksichtigt werden.

Rn1192

Die Delegierte Verordnung (EU) 2021/2139 ("Climate Delegated Act"), mit welcher die technischen Bewertungskriterien für die ersten beiden Umweltziele festgelegt wurden, stellt konkrete Anforderungen dar, beispielsweise, dass im Rahmen des Neubaus als Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen mindestens 70 % der auf der Baustelle anfallenden Bau- und Abbruchanfälle getrennt und/oder einer Wiederverwendung zugeführt werden müssen. Dies lässt sich aber nur anhand einer ordnungsgemäßen Dokumentation der Entsorgung der anfallenden Abbruchmaterialien und der anfallenden Verpackungen nachweisen und betrifft somit vor allem die diversen Subunternehmer. Ein solcher Nachweis kann nicht geführt werden, wenn die mit dem Abbruch beauftragten Unternehmer nicht von vornherein auch damit beauftragt werden, (a) dieses Kriterium einzuhalten und (b) entsprechende Entsorgungsnachweise beizubringen. Gleiches gilt für die Ausbaugewerke. Denen ist zukünftig nicht nur aufzuerlegen, dass sie Verpackungen ordnungsgemäß entsorgen müssen, sondern auch, dass sie ein vorab zu vereinbarendes Baustellen-Entsorgungskonzept einzuhalten haben und – bei eigener Entsorgung von Folien, Papier, Pappe etc. – auch nachweisen müssen, dass dies getrennt und zur Wiederverwertung geeignet durchgeführt worden ist.

Rn1193

Wichtig sind auch die Nachweise bezüglich der Qualität der verbauten Produkte, wie z.B. Herstellernachweise und eventuelle Umweltsiegel. Für Baustoffe gelten spezielle Vorgaben und Kriterien, die zum Teil auch im Herstellungsprozess sowie bei der Rohstoffgewinnung erfüllt werden müssen (Delegierte Verordnung (EU) 2021/2139, Anhang I, Anlage C). Die klassische Nachunternehmerbescheinigung über den ordnungsgemäßen Einbau ist für einen ESG-Nachweis allein wohl nicht ausreichend.

Rn1194

Der Einsatz von umweltschädlichen Materialien wie Quecksilber usw. sollte tunlichst vermieden werden. In jedem Fall sollten nicht nur die Massen- und Nachunternehmerbescheinigungen Bestandteil der Revisionsunterlagen sein, sondern auch die Nachweise über die Herkunft der verwendeten Baustoffe, deren Transport zur Baustelle und deren Umweltsiegel. Häufig findet sich z.B. in Lieferscheinen "frei Baustelle" oder in Verträgen "Anlieferung per LKW". Hieraus lässt sich nicht ableiten, ob der Transport von beispielsweise in Österreich hergestellten Holzfußböden zu einer Baustelle in Norddeutschland ausschließlich mit dem LKW über Autobahn und Landstraße erfolgte oder die Container oder auch der LKW "Huckepack" auch Zwischenstrecken per Bahn zurückgelegt haben. Für den im Umweltziel Klimaschutz relevanten CO² - Ausstoß ist dies aber äußerst relevant. Die Dokumentation eines Transportes per Bahn kann aber insgesamt nur nachgewiesen werden, wenn im jeweiligen Werkvertrag vereinbart ist, dass der Unternehmer die Art des Transportes als Teil der Revisionsunterlagen auch nachweisen muss. Die Aufzählung solcher "kleinen" Dinge lässt sich beliebig fortsetzen und sollte auch dazu führen, bei der Wahl verschiedener Varianten die umweltschonendste zu verwenden.

Rn1195

Die technische Gebäudeausstattung sollte die Erfassung aller Verbräuche jederzeit ermöglichen. Diese technische Möglichkeit muss sich in den Mietverträgen spiegeln und der Mieter aus datenschutzrechtlichen Gründen der Erfassung zustimmen, insbesondere wenn diese Erfassung von Daten weitergeht als für eine Nebenkostenabrechnung erforderlich. "Grüne Mietverträge" sehen das in der Regel vor. Nur wenn entsprechende Verbräuche erfasst werden können, kann langfristig über energieeinsparende Maßnahmen im Rahmen der Nutzung nachgedacht werden.

Rn1196

Immobilienprojektentwickler sollten daher bereits von Beginn an die entsprechenden Nachweise führen und sammeln. Als Nachweise eignen sich Herstellerangaben, Sachverständigenzeugnisse, Fachunternehmerbescheinigungen, Energie- und CO²-Nachweise aus dem Herstellungsprozess der Produkte und der Lieferkette, Verbrauchsdaten etc.

Rn1197

3.3. Weitere Handlungsempfehlungen

Wie bereits erwähnt, sollten die ESG-Kriterien in allen Projektentwicklungsphasen berücksichtigt werden, damit zum Schluss eine ESG-konforme Immobilie errichtet wird.

Rn1198

3.3.1. Projektinitiierung

Bereits bei der Projektinitiierung, wo die Voraussetzungen für die Projektentwicklung geschaffen werden (Idee, Standort, Kapital), spielen die ESG-Kriterien eine entscheidende Rolle.

Rn1199

Ist davon auszugehen, dass das Projekt später an einen Immobilienfonds verkauft werden soll, muss ein größerer Fokus auf die Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien gelegt werden. Würde man die Nachhaltigkeitskriterien außer Acht lassen, wären die zukünftigen Investoren als Finanzmarktteilnehmer gemäß Artikel 7 TaxonomieVO verpflichtet, auf ihren Internetseiten offenzulegen, dass bei dieser Investition nachteilige Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren nicht berücksichtigt wurden. Dies dürfte sich folglich negativ auf die Verwertungschancen der Immobilie auswirken, da die Nachfrage nach "Green Fonds" bzw. "Grünen Immobilien" stark steigt.

Rn1200

3.3.2. Projektkonzeption

Bei den in dieser Phase durchzuführenden Studien und Analysen (Marktanalyse, Standortanalyse, Nutzungsanalyse, Wettbewerbsanalyse, Risikoanalyse, Kostenanalyse, Wirtschaftlichkeits- und Renditenanalyse) sollte man – sofern man nicht selbst über das nötige Knowhow verfügt – bereits einen ESG-Spezialisten hinzuziehen, um frühzeitig die richtigen Weichen zu stellen.

Rn1201

Bei der Kostenanalyse und Planung sollten die technischen Bewertungskriterien, wann die Errichtung eines Neubaus einen wesentlichen Beitrag um Klimaschutz leistet, berücksichtigt werden. So muss z.B. im Falle eines Neubaus der Primärenergiebedarf (PEB), mit dem die Gesamtenergieeffizienz des errichteten Gebäudes definiert wird, mindestens 10 % unter dem Schwellenwert, der in den Anforderungen für Niedrigstenergiegebäude gemäß den nationalen Vorgaben festgelegt ist, liegen (siehe Delegierte Verordnung (EU) 2021/2139, Anhang I, Ziffer 7.1 Neubau). In der Regel lohnt es, bestehende Gebäude in der Struktur zu erhalten und durch Rückbau und Erneuerung neu wieder aufzubauen. Allein diese nicht neu gebaute Rohbaustruktur spart den Betonanteil – und damit sehr hohen CO² Ausstoß – des belassenen Rohbaus. Sinnvollerweise wird dies zum späteren Nachweis im Rahmen der Baumaßnahme auch berechnet und erfasst.

Rn1202

Weiter sind die Nachhaltigkeitsindikatoren für nachteilige Auswirkungen ("PAI´s") bereits in der Planungsphase zu beachten. Welchen Energieverbrauch verursacht die Immobilie, wie hoch sind die Treibhausgasemissionen, wie erfolgt die Abfallverwertung, wieviel Ressourcen (Rohstoffe) werden für die Errichtung der Immobilie benötigt und wie gestaltet sich die Verbauung (siehe Delegierte Verordnung (EU) 2022/1288, Anhang I, Indikatoren für Investitionen in Immobilien).

Rn1203

So kann z.B. in der Außengestaltung – oft auch mit geringen Mitteln – ökologisch gepunktet werden. Die Begrünung eines bisher versiegelten Innenhofes, die Verwendung einheimischer Pflanzen und das Anbringen von Nisthilfen und Insektenhotels ist meist auch schöner als zusätzliche Parkplätze oder Kirschlorbeerhecken, wobei selbst nach Baugenehmigung notwendige Parkplätze oft auch unversiegelt hergestellt werden könnten, was ökologisch allemal sinnvoller ist als eine Asphaltdecke. Auch die Prüfung der Möglichkeit der Verlegung von Haustechnikzentralen in gewässernahen Gebäuden vom Keller in ein Obergeschoss oder das Dachgeschoss im Kriterium Klimawandel ist ein einfacher Baustein, E-Kriterien zu erfüllen. Im Kriterium "Anpassung an den Klimawandel" kann im Zusammenhang mit Starkregenereignissen und Trockenperioden an Zisternenlösungen gedacht werden, die, von Anfang an geplant, jedenfalls die Baukosten sicher nicht explodieren lassen. Auch solche Überlegungen sollten dokumentiert werden.

Rn1204

Die Delegierte Verordnung (EU) 2021/2139 legt in Anhang I Ziffer 7 fest, mit welchen Mitteln ein wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz erreicht werden kann. Genannt werden zum Beispiel die Installation von Ladestationen für Elektrofahrzeuge, der Einsatz von energieeffizienten Geräten bzw. Systemen (Heiz, Lüftungs- und Klimaanlagen), die Installation von Geräten für die Messung, Regelung und Steuerung der Gesamtenergieeffizienz des Gebäudes (intelligente Thermostatsysteme und Sensoren, einschließlich Bewegungs- und Tageslichtsteuerung, Installation eines Systems zur Gebäudeautomatisierung und -steuerung), die Installation von Technologien für erneuerbare Energien (Photovoltaiksysteme, solarbetriebene Warmwasserpaneele, hocheffiziente Mikro-KWK-Anlagen (Kraft-Wärme-Kopplung) usw.

Rn1205

Von vornherein eingeplant, sind viele der hierbei entstehenden Kosten vertretbar, oft sogar Sowieso-Kosten. Einige dieser Punkte sind auch bezüglich der Einhaltung der S-Kriterien (Social) bezüglich Nutzerzufriedenheit und Gesundheit zu beachten.

Rn1206

3.3.3. Projektrealisierung/-Management

In dieser Phase sind spätestens Überlegungen anzustellen, ob das Gebäude zertifiziert werden soll und, wenn ja, welches Zertifikat angestrebt wird. Eine beabsichtigte Zertifizierung ist bei diversen Vertragsabschlüssen zu berücksichtigen, nämlich insbesondere den Planerverträgen und den Werkverträgen mit den bauausführenden Firmen. Bereits während der Bauphase muss eine enge Abstimmung zwischen den Planern und den bauausführenden Firmen und dem Auditor erfolgen, was wiederum in den entsprechenden Verträgen als wechselseitige Verpflichtung zu vereinbaren ist (Stichwort: Kooperations- und Reportingpflichten). Die für eine Zertifizierung notwendigen Daten und Nachweise müssen erhoben und gesammelt werden. Ein Zertifizierungsvertrag ist abzuschließen.

Rn1207

Im Architekten- und Bauvertrag selbst muss das Leistungssoll auf die ESG-Kriterien abgestimmt werden. Die Baubeschreibung ist dahingehend zu spezifizieren und die zu erreichenden Umweltziele (z.B. Kreislaufwirtschaft, Abfallmanagement, etc.) müssen festgelegt und in die Verträge mit aufgenommen werden. Zum Nachweis der Einhaltung und Umsetzung der Nachhaltigkeitskriterien muss eine umfassende Dokumentationspflicht vertraglich vereinbart und regelmäßig überprüft werden; die Liste der zu übergebenden Revisionsunterlagen ist um die für den ESG-Nachweis erforderlichen Dokumente zu ergänzen.

Rn1208

Bei der Auswahl der projektbeteiligten Firmen (Baufirmen, Berater, Projektsteuerer) ist auf die Einhaltung der Vorgaben des Lieferkettensorgfaltspflichtgesetzes zu achten.

Rn1209

3.3.4. Projektvermarktung

Sofern die Immobilie zukünftig einer Vermietung von Büro- oder Gewerbeflächen dienen soll, empfiehlt es sich, einen sogenannten Green Lease, d.h. einen Mietvertrag, in den bereits diverse Nachhaltigkeitsaspekte durch Vorgaben zum Nutzerverhalten oder zum Reporting aufgenommen worden sind, abzuschließen.20 Zudem sollte bei der Vermietung geprüft werden, welcher Branche der Mieter angehört und ob im Rahmen des Unternehmenszwecks ggf. S/G-Ziele unterlaufen werden.

Rn1210

Auch bezüglich des zukünftigen Property- oder Facilitymanagements müssen Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt und in die entsprechenden Verträge integriert werden. Viele ESG-Kriterien enthalten Pflichten, die den laufenden Betrieb betreffen (Wartungs- und Reparaturobliegenheiten, Energieverbrauch, etc.). Dies sollte im Leistungsverzeichnis und bei der Ausschreibung vom Property-Management-Leistungen bereits berücksichtigt werden.

Rn1211

Vorhandene Zertifizierungen oder ESG-Ratings erleichtern es den Investoren, die Nachhaltigkeit des Investments zu prüfen oder mit anderen Objekten zu vergleichen und können so zu einem ökologischen und nachhaltigen Wettbewerbsvorteil führen. Daher sollte insbesondere dem Kriterium der ökologischen Nachhaltigkeit schon in der Projektentwicklung Aufmerksamkeit geschenkt werden, da ein großer Teil des Nachfragemarktes gewerblicher, aber zunehmend auch Wohnimmobilien Wert auf die Einhaltung dieses Kriteriums legt oder dazu verpflichtet ist. Aber auch für die Erhaltung der Lebensressourcen ist dies unabdingbar – nicht zu vergessen ist bei aller Regulatorik, dass ca. 40 % der Treibhaus-Emissionen von Deutschland allein durch die Herstellung, Errichtung, Modernisierung und durch die Nutzung und den Betrieb von Wohn- und Nichtwohngebäuden verursacht wurden.21. Im Gebäudebereich kam es 2021 zwar zu einer Emissionsminderung (-3,3%) auf rund 115 Mio. Tonnen CO₂-Äquivalenten. Erlaubt sind gemäß Bundes-Klimaschutzgesetz aber nur 113 Mio. Tonnen CO₂-Äquivalente. Damit überschreitet der Gebäudesektor (ebenso wie im Vorjahr) immer noch die erlaubte Jahresemissionsmenge,22 so dass auch insoweit dringender Handlungsbedarf besteht.

Rn
1212

Die Welt der EDRA Media

Die LRZ erscheint bei der EDRA Media GmbH.
EDRA Media ist ein innovativer Verlag,
Veranstalter und Marketingdienstleister auf den
Gebieten des Rechts und der Medizin.

Gesellschafter sind die Edra S.p.A. (LSWR Group)
und Dr. Jochen Brandhoff.

 

​EDRA MEDIA│ Innovation, Sustainability, Resilience

LEGAL REVOLUTION │Die Rechtsmesse

​LR ACADEMY│ Erlebe Spezialistenwissen

Ihr Kontakt

Journal@LRZ.legal

+49 69 3487 920-92

 

Zeil 109
60313 Frankfurt a. M.

Folgen Sie uns