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Zitiervorschlag: Günther, LRZ 2023, Rn. 331, [●], www.lrz.legal/2023Rn331.
Permanente Kurz-URL: LRZ.legal/2023Rn331
Das beA stellt die Anwaltschaft täglich vor neue Probleme – sei es in Bezug auf die technische Verfügbarkeit oder die praktikable Handhabung. Sicher ist nur, dass die Anwaltschaft das beA zwingend nutzen muss. Der Beitrag zeigt die insoweit obliegenden organisatorische Anforderungen auf und beleuchtet die Voraussetzungen der Ersatzeinreichung bei technischen Störungen.
Die aktive Pflicht zur Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfaches (beA) ist bereits zur täglichen Routine in der Anwaltschaft geworden. Zwischenzeitlich wurde auch das Kanzleipostfach für die Berufsausübungsgesellschaft in § 31b BRAO eingerichtet. In der praktischen Umsetzung und Nutzung treten jedoch vermehrt Problemstellungen zu Tage, welche die Gerichte nunmehr in einer Reihe von einschlägigen Entscheidungen beleuchtet und teilweise geklärt haben.
Zunächst sind bereits vor der konkreten Nutzung des beA umfangreiche organisatorische Vorkehrungen in der Kanzlei zu treffen. Dies gilt vor allem deshalb, da der BGH unterstellt, dass der Rechtsanwalt (und damit auch seine Beschäftigten) die Gesetze kennen müsse, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen, wozu zweifelsfrei die Vorschriften über den elektronischen Rechtsverkehr (§§ 130a, 130d ZPO) gehören.1
Vor der Versendung eines fristgebundenen Schriftsatzes über das beA ist insoweit durch eine entsprechende Organisationsanweisung sicherzustellen, dass der Schriftsatz mit einem die hinreichende Individualisierung ermöglichenden Dateinamen (bspw. „Berufungsbegründung“ oder „Klage“) versehen und die Prüfung des Sendevorgangs auf den Ausschluss von Dateiverwechslungen erstreckt wird.2 Die bloße Kontrolle von Prüfprotokoll und Eingangsbestätigung auf technische Übermittlungsfehler reicht insofern nicht aus. Laut BGH3 genügt insoweit nicht die Feststellung, dass die Versendung irgendeines Schriftsatzes mit dem passenden Aktenzeichen an das Gericht erfolgt sei, sondern anhand des zuvor sinnvoll vergebenen Dateinamens sei vor allem zu prüfen, welcher Art der Schriftsatz war.
Zudem muss auch das richtige Dateiformat (vorzugsweise .pdf) erzeugt werden. Ein als „Word-Datei“ eingereichter Schriftsatz ist nicht für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet.4
Wenn bei einer Übersendung über das beA das Übermittlungsprotokoll nicht im Abschnitt „Zusammenfassung Prüfprotokoll“ den Meldetext „request executed“ und unter dem Unterpunkt „Übermittlungsstatus“ die Meldung „erfolgreich“ anzeigt, darf das angewiesene Personal nicht von einer erfolgreichen Übermittlung des Schriftsatzes an das Gericht ausgehen. Kurzum (so der BGH): „Eine leere Datei ist keine Berufung.“5
Die Einhaltung der konkreten Anweisungen des Rechtsanwaltes bzgl. des Umganges mit dem Versand von beA-Nachrichten muss dieser zudem regelmäßig „stichprobenweise überprüfen“. So muss der Rechtsanwalt auch das in seiner Kanzlei zuständige Personal dahingehend belehren und kontrollieren, dass stets der Erhalt der automatisierten Eingangsbestätigung des Gerichtes zu kontrollieren ist.6
Sofern der Rechtsanwalt im Erstell- und Versandprozess noch einmal Änderungen am Dokument oder auch den Anlagen vornimmt und das Schriftstück damit zurück in den Organisationsprozess der Kanzlei gibt, muss sodann zwingend nochmals eine Endkontrolle vorgenommen werden. Bei der (erneuten) Signierung eines ein Rechtsmittel oder eine Rechtsmittelbegründung enthaltenden fristwahrenden elektronischen Dokuments gehört es insoweit zu den nicht auf das Büropersonal übertragbaren Pflichten, das zu signierende Dokument zuvor selbst sorgfältig auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu prüfen.7
Ein Rechtsanwalt hat zudem stets selbst zu überprüfen, ob ein Schriftsatz i.S.d. § 130a Abs. 1 ZPO an seinem Ende die für eine einfache Signatur erforderlichen Angaben („einfache Signatur“ = ausgeschriebener Name oder eingescannte, leserliche Unterschrift eines Rechtsanwaltes) enthält. Er darf diese Aufgabe nicht an seine Angestellten übertragen.8 Für eine ordnungsgemäße einfache Signatur genügt die einfache Angabe „Rechtsanwalt" ohne jegliche Bezugsmöglichkeit gerade nicht.9
Eine eingescannte Unterschrift kann jedoch nur dann als einfache Signatur anzusehen sein, wenn die Unterschrift entzifferbar ist und damit von den Empfängern des Dokuments ohne Sonderwissen oder Beweisaufnahme einer bestimmten Person zugeordnet werden kann, die auch die inhaltliche Verantwortung für das Dokument übernimmt.10
Im Grundsatz gilt, dass die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax entsprechen. Es ist deshalb unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen. Die Überprüfung der ordnungsgemäßen Übermittlung erfordert dabei die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130 a Abs. 5 Satz 2 ZPO („erfolgreich“) erteilt wurde. Hat der Rechtsanwalt eine solche Eingangsbestätigung erhalten, besteht Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich war. Bleibt sie dagegen aus, muss dies den Rechtsanwalt zur Überprüfung und gegebenenfalls erneuten Übermittlung veranlassen.11
Bei dem Versand von mehreren Dokumenten ist vor allem darauf zu achten, dass es im elektronischen Rechtsverkehr keine sog. „Sammelsignatur“ gibt. Es genügt demnach nicht, wenn zwar ein Dokument (bspw. eine Anlage) vom Rechtsanwalt signiert wird, der bestimmende Schriftsatz (bspw. Berufungseinlegung) nicht. Die qualifizierte elektronische Signatur der als Anlage zur Berufungsschrift übersandten Abschrift des angefochtenen Urteils ersetzt demnach nicht die qualifizierte elektronische Signatur der über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach übersandten Berufungsschrift.12
Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA erfordern stets die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erteilt wurde.13
Auch der Steuerberater, welcher zugleich als Rechtsanwalt zugelassen ist, muss das beA zur Einreichung von Schriftsätzen nutzen.14 Ein anwaltlicher Insolvenzverwalter ist jedenfalls dann zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht verpflichtet, wenn er Rechtsmittel im Insolvenzverfahren einlegt.15 Es kommt bei dieser Beurteilung allein auf die Stellung des Berufsträgers an. Die Nutzungspflicht besteht daher auch in „eigenen Sachen“ des Rechtsanwaltes ohne Anwaltszwang.16
Neuerlich tauchen wiederholt Fälle auf, in denen der Rechtsanwalt das beA nicht nutzen kann und deshalb auf eine Ersatzeinreichung angewiesen ist. Ist die Übermittlung des elektronischen Dokuments aus technischen Gründen vorübergehend unmöglich, darf der Nutzungspflichtige gemäß § 130d Satz 2 ZPO das Dokument ausnahmsweise nach den allgemeinen Vorschriften, d.h. in Papierform oder als Telefax, übermitteln.
Erst wenn die Einreichung via beA „aus technischen Gründen“ vorübergehend nicht möglich ist, darf der Rechtsanwalt auf die Ersatzeinreichung via Telefax oder Gerichtsbriefkasten ausweichen. Solche „technischen Gründe“ sind jedoch nur bei einer Störung der für die Übermittlung erforderlichen Einrichtungen (beim Gericht oder in der Kanzlei) anzunehmen, nicht dagegen bei in der Person des Einreichers liegenden Gründen, wie etwa einer Erkrankung17 oder einer mehrtägigen Corona-bedingten Abwesenheit.
Sofern die Berufsträgerschaft dennoch auf das Faxgerät oder den Boten zurückgreift bzw. – aus technischen Gründen – zurückgreifen muss, schreibt § 130d Satz 3 ZPO vor, dass die vorübergehende Unmöglichkeit der beA-Nutzung bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach (längstens wohl innerhalb einer Woche18) glaubhaft zu machen ist;19 lediglich auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen. Bereits aus haftungspräventiven Gründen ist daher dringend zu empfehlen, diese Glaubhaftmachung bereits bei der Ersatzeinreichung via Telefax vorzunehmen. Denn nur durch den Hinweis auf die technische Unmöglichkeit und den Grund der Ersatzeinreichung durch das Fax wird das Gericht in die Lage versetzt, die Voraussetzungen der Ausnahme zu überprüfen. Dies gilt auch dann, wenn die technischen Störungen an diesem Tag bspw. offenkundig sind.
Ist es dem Rechtsanwalt daher bereits im Zeitpunkt der Ersatzeinreichung eines Schriftsatzes möglich, die vorübergehende technische Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung des Dokuments darzulegen und glaubhaft zu machen, hat dies mit der Ersatzeinreichung zu erfolgen. In diesem Fall genügt es nicht, wenn der Rechtsanwalt die Voraussetzungen für eine Ersatzeinreichung nachträglich darlegt und glaubhaft macht.20
Die Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände, deren Richtigkeit der Rechtsanwalt unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichern muss.21 Dazu gehören auch die Tatsachen, wann die Störung des beA festgestellt wurde (unter Beifügung von Screenshots und entsprechenden Fehlermeldungen), und welche Abhilfemaßnahmen geschaffen wurden (vom Neustart des Systems, dem Test der Internetverbindung bis zur Kontaktaufnahme mit dem beA-Support).22 Widersprüchliche Erklärungen zur beA-Störung sind ebenso schädlich wie pauschale Aussagen, dass die beA-Anwendung schon den ganzen Monat Probleme bereitet habe.
Nachfolgend fassen wir die Ergebnisse in einer Checkliste für den Kanzleialltag zusammen: