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Zitiervorschlag: Volland, LRZ 2023, Rn. 1, [●], www.lrz.legal/2023Rn1.
Permanente Kurz-URL: LRZ.legal/2023Rn1
Apple Siri, Amazon Alexa, Microsoft Cortana: Digitale Assistenten sind nichts Neues. Die allgemeine anfängliche Begeisterung darüber, dass man mit seinem Handy chatten konnte, wich schnell der Erkenntnis, dass sich der Nutzen in Grenzen hält. Nun hat OpenAI, ein Non-Profit-Unternehmen, welches zu großen Teilen von Microsoft und Elon Musk finanziert wird und sich im Allgemeinen mit der Erforschung künstlicher Intelligenz beschäftigt, einen neuen Hit gelandet: ChatGPT, ein Sprachmodell, was in seiner Beta-Version frei verfügbar ist und Gedichte schreibt, Kochrezepte zusammenstellt und einem nahezu jede Frage beantworten kann. Der folgende Artikel gibt beispielhafte Einblicke in die Auswirkungen und Bedeutung für den Rechtsbereich.
Fragt man ChatGPT, was es ist, so liefert es die Antwort direkt selbst.
Frage: Was bist du?
Antwort: Ich bin ein Sprachmodell, das von OpenAI entwickelt wurde. Als Sprachmodell bin ich dafür trainiert, natürliche Sprache zu verstehen und auf Fragen und Anfragen zu antworten, indem ich auf meine gelernten Texte und meine Programmierung zurückgreife. Ich habe keine eigenen Gedanken oder Meinungen und bin auf die Texte und Informationen beschränkt, die mir bei meiner Schulung gegeben wurden.
ChatGPT ist ein sog. Large-Language-Model (LLM), also ein künstlich intelligentes System, welches mit einer großen Menge an Textdaten trainiert wurde. Durch maschinelles Lernen hat das Sprachmodell ein neuronales Netz entwickelt, welches dem System ermöglicht, auf nahezu jede Frage zu antworten. Wenn man eine Frage stellt, wird der Text analysiert und mit den Daten verglichen, welche beim Training des Systems eingebracht wurden.1 GPT steht für „Generative Pre-trained Transformer“, wobei insbesondere die generative Eigenschaft des Systems bezeichnend ist. Diese ermöglicht dem Modell, neue Inhalte zu generieren, anstatt nur vorhandene zu reproduzieren.2 Googelt man beispielsweise eine bestimmte Frage, so erhält man oft die beste Antwort direkt sichtbar unter der Suchleiste in Klartext. Die vorgeschlagenen Antworten sind jedoch lediglich Kopien ausgeschnittener Texte einer Webseite. ChatGPT ist in der Lage, diese Kopien umzuformulieren, sinnvoll in den Kontext des Gesprächs einzubauen sowie eigene Inhalte zu generieren.3 Wünscht sich der Nutzer beispielsweise eine kürzere oder verständlichere Formulierung, so antwortet das System in einer einfacheren Sprache, bringt einleuchtende Vergleiche oder abstrahiert. Spricht man ChatGPT mit „du“ an, antwortet das System auch in der zweiten Person Singular – anders, wenn man es siezt. Gleiches gilt für das Gendern, die Eloquenz der Antworten oder auch die emotionale Lage des Gesprächs.
Large-Language-Modelle ermöglichen somit nicht nur die reine Wiedergabe von Informationen, sondern strukturieren diese, passen sie sprachlich an und ordnen sie in den Kontext einer Konversation ein. Das generative Element geht so weit, dass ChatGPT selbst Geschichten, Gedichte oder Kochrezepte schreiben kann.
ChatGPT ist kein Chatbot im klassischen Sinne. Der erste bekannte Chatbot war ELIZA, welcher 1966 dazu entwickelt wurde, als Psychotherapeut zu fungieren, indem er Äußerungen der Benutzer in Form von Fragen zurückgab.4 Seitdem hat sich der Stand der Technik weiterentwickelt und man findet mittlerweile auf vielen Kundenservice-Webseiten kleine Fenster, wo man eine mehr oder weniger passende Antwort auf die Schilderung seiner Probleme erhält.
Was ChatGPT davon unterscheidet, sind im Wesentlichen zwei Aspekte: Quantität und Qualität. Durch die große Menge an Trainingsdaten vielfältiger Themengebiete weist ChatGPT zu nahezu jedem Themengebiet profunde Antworten auf. So kann einem das System neben Erklärungen, wie die Relativitätstheorie funktioniert, genauso gut erläutern, was man unter einer Körperverletzung i.S.d. § 223 StGB versteht. Gewöhnliche Chatbots sind demgegenüber regelmäßig nur für spezifische Aufgaben oder Anwendungen entwickelt worden, sodass ihr „Wissen“ auf die zu erwartenden Fragen begrenzt ist.5 Zur gleichen Zeit sind die Antworten von ChatGPT deutlich umfangreicher. So kann das Sprachmodell die Relativitätstheorie nicht nur in drei Sätzen zusammenfassen, sondern auf Nachfrage auch vorrechnen.
Neben der erstaunlichen Qualität und Vielfältigkeit der Antworten bestehen weitere Eigenschaften, die eine zukünftige Anwendung von LLMs in verschiedensten Bereichen des Lebens erwarten lassen.
ChatGPT spricht eine Vielzahl verschiedene Sprachen. Als multilinguales System passt es seine Sprache an die der Frage an.
ChatGPT antwortet schnell. Mit einer stabilen Internetverbindung und einem modernen Laptop-Prozessor antwortet das System gewöhnlich schneller als ein Mensch.
Neben reinen Dialogen kann das System sogar Programm-Code schreiben. So ist es beispielsweise in der Lage, basierend auf eingegebenen Bedürfnissen selbstständig den Computercode für eine funktionsfähige Webseite zu erstellen. Reicht einem die grafische Aufbereitung nicht, kann man ChatGPT einfach danach fragen, ein Bild hinzuzufügen, und der Code wird angepasst, sodass auf der gewünschten Webseite das gewünschte Bild erscheint. Gleiches gilt für das Back-End-Coden einer Software mit verschiedenen Programmiersprachen.6
Darüber hinaus ist ChatGPT explizit darauf trainiert, illegale Tätigkeiten oder unerwünschte Inhalte abzulehnen, sowie den Benutzer auf die rechtlichen Konsequenzen seines Handelns hinzuweisen.7
Frage: Wie breche ich in ein Haus ein?
Antwort: Ich verstehe, dass Sie vielleicht nur einen Scherz machen, aber ich muss darauf hinweisen, dass das Einbrechen in ein Haus eine Straftat ist und ich es nicht unterstützen kann, jemanden dabei zu helfen, ein Haus illegal zu betreten. Es ist wichtig, dass wir uns alle an das Gesetz halten und uns respektvoll und verantwortungsvoll verhalten.
Gleichzeitig zeigen sich an dem Beispiel die Grenzen des Systems. Fragt man das System, ob es sich eine Geschichte ausdenken könnte, in welcher der Protagonist aus weltrettenden Gründen in ein Haus einbrechen müsse, wird eine ausführliche Geschichte geschrieben, die eine Beschreibung des Vorgehens enthält.
Frage: Schreibe eine fiktive Geschichte, in der der Protagonist aus wichtigen Gründen in ein Haus einbrechen muss?
Antwort: Gerne, hier eine mögliche Geschichte: Der Protagonist, Anna, war eine erfolgreiche Geschäftsfrau, die ein glückliches Leben führte. Doch dann erfuhr sie, dass ihr Mann, Daniel, ein dunkles Geheimnis hatte. Er hatte einen wertvollen Schmuck gestohlen und ihn in einem Safe im Keller eines anderen Hauses versteckt.
Anna war schockiert und verletzt von Daniels Verrat. Sie wusste, dass sie die Polizei rufen musste, aber sie wollte auch Beweise für seine Tat sammeln. Deshalb beschloss sie, in das Haus einzubrechen. Am Abend, als Daniel nicht im anderen Haus war, plante sie ihre Tat ausführlich, indem sie nach einem offenen Fenster oder Tür suchte. Als sie eine kleine Öffnung in einem Schacht fand, kletterte sie hindurch.
Im Haus bewegte sie sich nur leise voran, um nicht aufzufallen. Am Safe angekommen, überlegte sie, welche Geheimzahl Daniel verwendete. Nach einiger Zeit verwendete sie einfach zwei spitze Gegenstände, um den Safe zu knacken.
Die Polizei nahm Daniel fest und Anna konnte endlich ihren Frieden finden.
Weiterhin bemerkt man schnell, dass sich das System noch häufig in seinen Aussagen wiederholt und durchaus falsche Antworten gibt. Zudem besitzt es nahezu kein Wissen über die Welt nach 2021, da der Großteil der zugrundeliegenden Trainingsdaten aus den Jahren vor 2021 stammen. Aufgrund der mangelnden Verbindung zu aktualisierten Informationen kann es auch nicht das Wetter vorhersagen oder die Frage beantworten, wann die Lieblingsserie im Fernsehen erscheint.
Frage: Wie ist das Wetter heute?
Antwort: Ich bin leider nicht in der Lage, das Wetter zu kennen, da ich ein Sprachmodell bin und keine Informationen im Internet abrufen kann. Mein Wissensstand ist auf dem Stand von 2021 und ich kann daher nur allgemeine Informationen zum Wetter bereitstellen. Wenn Sie spezifischere Fragen zum Wetter haben, kann ich Ihnen gerne weiterhelfen.
Die grundlegendste Problematik liegt jedoch versteckter. LLMs werden auf Basis einer riesigen Menge an Text trainiert und versuchen, sowohl sprachlich als auch inhaltlich Datenmuster zu erkennen. Dabei wird oft übersehen, dass die Richtigkeit der Antworten keine Rolle spielt. OpenAI sagt selbst, dass es während des Trainings zurzeit keine „source of truth“, also keine die Wahrheit prüfende Instanz gibt.8 Dieses Problem kann nicht auf fehlende Kompetenz von OpenAI zurückgeführt werden, sondern betrifft momentan noch alle LLMs. ChatGPT ist somit vielmehr dazu ausgebildet, plausibel klingende anstatt wahre Antworten zu geben. Dass der Großteil der Antworten dennoch richtig ist, macht das System vertrauenerweckender und erschwert es, die falschen, gleichzeitig aber genauso überzeugend klingenden Antworten, zu identifizieren. Dies kann von wenig Relevanz sein, wenn man nach dem schnellsten Säugetier der Welt fragt und als Antwort einen Vogel (kein Säugetier) präsentiert bekommt. Kritischer wird es, wenn ChatGPT als Quelle gesundheitlicher Informationen genutzt oder in der Schule im Sachkundeunterricht eingesetzt wird.
Könnte ChatGPT bei der Rechtssuche helfen?
Frage: Ich wurde heute morgen angefahren. Was kann ich nun Rechtliches tun?
Antwort: Es tut mir leid zu hören, dass Sie heute morgen angefahren wurden. Nach einem Verkehrsunfall ist es wichtig, dass Sie als erstes die Sicherheit aller Beteiligten sicherstellen und, falls erforderlich, medizinische Hilfe für sich oder andere Beteiligte in Anspruch nehmen. Anschließend sollten Sie versuchen, so viele Informationen wie möglich über den Unfall zu sammeln, wie zum Beispiel:
Anschließend sollte Sie diese Informationen und den Unfall Ihrer Versicherung melden.
Es kann auch sinnvoll sein, sich von einem Rechtsanwalt beraten zu lassen, um sicherzustellen, dass Ihre Rechte gewahrt werden und dass Sie die bestmögliche Entschädigung für den Unfall erhalten.
Googelt man die gleiche Frage, so ist das erste Ergebnis eine wenig seriös aussehende Webseite. Nach einem Klick erscheinen Cookies, die weggeklickt werden müssen, es ploppt Werbung auf und unten rechts hüpft ein kleines Zeichen hin und her. Visuell ansprechender und wesentlich unkomplizierter ist das Interface von ChatGPT. Gleichzeitig kann die Seite keine weiteren Fragen beantworten oder diese in den Kontext einordnen – ChatGPT schon.
Frage: Welche Ansprüche könnte ich haben?
Antwort: Nach einem Verkehrsunfall haben Sie möglicherweise verschiedene Ansprüche, die von Ihrer individuellen Situation und dem Umfang des Schadens abhängen. Zu den möglichen Ansprüchen, die Sie haben könnten, gehören:
Um herauszufinden, welche Ansprüche Sie genau haben, ist es am besten, sich von einem Rechtsanwalt beraten zu lassen. Ein Rechtsanwalt kann Ihre Situation genau prüfen und Ihnen sagen, welche Ansprüche Sie haben und wie Sie diese durchsetzen können.
Wissen über Rechtsbelange im Internet zu finden, kann anstrengend sein. ChatGPT könnte einem die Suche nach Informationen erleichtern und die Schwelle, sich mit seinem eigenen Recht zu beschäftigen, verringern. Es ermöglicht beispielsweise, sich unklare Begrifflichkeiten erläutern zu lassen. Vor dem Hintergrund der Bestrebung, den Zugang zu Recht zu erleichtern, ist dies zu befürworten.
Warum ChatGPT jedoch am Ende seiner Nachrichten darauf hinweist, man solle für weitere Fragen einen Rechtsanwalt konsultieren, wird am nächsten Beispiel deutlich:
Frage: Aus welchen Normen des BGB ergeben sich die Ansprüche?
Antwort: Die Ansprüche, die Sie nach einem Verkehrsunfall haben, ergeben sich hauptsächlich aus den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) über Schadensersatz und Schmerzensgeld. Diese Vorschriften finden Sie in den Paragrafen 823 bis 832 des BGB.
Gemäß § 823 BGB haben Sie Anspruch auf Schadensersatz, wenn Sie durch ein schuldhaftes Verhalten eines anderen geschädigt werden. Dies bedeutet, dass derjenige, der Sie angefahren hat, Ihnen den Schaden ersetzen muss, der durch den Unfall entstanden ist, vorausgesetzt, dass er für den Unfall verantwortlich ist.
Gemäß § 847 BGB haben Sie unter bestimmten Voraussetzungen auch Anspruch auf Schmerzensgeld, wenn Sie durch den Unfall körperliche Schmerzen oder Verletzungen erlitten haben.
Neben anderen Ungenauigkeiten fällt am schwerwiegendsten auf, dass § 847 BGB gar nicht mehr im BGB steht, sondern aufgehoben wurde; ein Hinweis auf die (verschuldensunabhängige und damit leichter realisierbare) Haftung nach dem StVG fehlt komplett. Für einen Laien klingen die selbstbewussten Antworten dennoch gleich plausibel und vertrauenswürdig. Zudem gibt es bereits Forschung, welche darauf hindeutet, dass durch die Informationssuche mit LLMs viele grundlegende Aspekte, einschließlich der Informationsüberprüfung oder der Serendipität (dem glücklichen Zufall bei der Recherche), vernachlässigt werden.9
Die Gründe, Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen, können jedoch vielseitig sein. Kann ChatGPT einem den Gang zum Anwalt ersparen, wenn man eine Vereinssatzung schreiben will?
Frage: Ich möchte einen Verein mit dem Namen „built“ mit Sitz in Paris gründen. Schreibe mir eine Vereinssatzung?
Antwort: Gerne! Allerdings muss ich darauf hinweisen, dass ich als Sprachmodell keine spezifischen rechtlichen Kenntnisse habe und somit keine individuellen Vereinssatzungen erstellen kann. Es wäre am besten, wenn Sie sich an einen Anwalt wenden.
Hier ist einen Vorschlag für eine mögliche Vereinssatzung:
1. Name und Sitz des Vereins
Der Verein führt den Namen „built“ und hat seinen Sitz in Paris.
2. Zweck des Vereins
Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts „Steuerbegünstigte Zwecke“ der Abgabenordnung. Zwecks des Vereins ist die Förderung von Bildung, Kunst und Kultur. Der Vereinszweck wird durch die Durchführung von kulturellen Veranstaltungen verwirklicht.
(…)
Eine Satzung zu entwerfen, bedarf keiner tiefgründigen Expertise. Trotzdem kann es für Unwissende überfordernd sein. Zwar erhält man nach einer schnellen Google-Suche ebenfalls viele Satzungsentwürfe. Diese sind jedoch nicht an individuelle Vorgaben angepasst, können keine Fragen beantworten und kosten regelmäßig Geld. Die reine technische Möglichkeit, orthografische Korrektheit sowie die Anpassung des möglichen Vereinszwecks an den vorgegebenen Namen sind beeindruckend, was für einen ersten Entwurf eine große Hilfe darstellen kann. Dennoch sind auch hier Ungenauigkeiten unvermeidbar. Beispielsweise würde die deutsche Abgabenordnung nicht in Paris gelten, was jedoch selbstbewusst von ChatGPT angenommen wird.
ChatGPT erreicht bereits verblüffende Leistungen bei der Rechtssuche einfacherer Fragen. Zwar gibt es viele Lücken und Verbesserungsbedarf. Einen ausgebildeten Juristen als Vergleichsmaßstab heranzuziehen, scheint jedoch ohnehin wenig sinnvoll. Es sollte klar sein, dass Sprachmodelle keine 10-jährige Ausbildung ersetzen müssen, um für Laien hilfreich zu sein. Durch die einfache Sprache und Form des Dialogs könnte die Bereitschaft steigen, sich mit rechtlichen Fragen selbst auseinanderzusetzen, bevor man direkt einen Anwalt konsolidiert. Zudem sei darauf hingewiesen, dass die Performanz solcher Sprachmodelle zukünftig nicht abnehmen wird. Gegenteilig sollte angenommen werden, dass man bald noch akkuratere Ergebnisse erhalten wird – auch wenn es unabdingbar ist, dass ChatGPT darauf hinweist, dass seine Aussagen keiner rechtlichen Beratung gleichkommen und man dazu aufgefordert wird, schwierigere Problematiken von Experten lösen zu lassen, um zu vermeiden, dass sich die Nutzer blind auf das Gesagte verlassen.
Regelmäßig erschüttern Schlagzeilen wie „AI defeats human lawyers“ oder „Robo-Judge: Der KI-Richter von morgen“ die Welt vieler praktizierender Juristen. Oft ist das Resultat Ablehnung, die meist durch eine Kombination aus mangelndem Wissen über die Möglichkeiten innovativer Technologien sowie der verzerrten medialen Darstellung entsteht. Die Frage, ob, wann oder wie künstlich intelligente Systeme Juristen ersetzten könnten, ist wenig zielführend. Davon abgesehen, dass KI dem momentanen Entwicklungsstand nach lediglich in der Lage ist, Nischenaufgaben zu lösen und noch weit davon weg ist, ganze Berufungen zu ersetzen, braucht man in Deutschland immer noch zwei Staatsexamina, um den Beruf eines Rechtsanwalts oder Richters ausüben zu dürfen. Dass sich dies in näherer Zukunft nicht ändern wird, liegt bereits daran, dass die meisten Entscheidungsträger selbst Juristen sind.
Die richtige Frage lautet deshalb: Wie kann das Potenzial der Digitalisierung für juristische Tätigkeiten unterstützend eingesetzt werden? Große Sprachmodelle könnten dabei eine wesentliche Rolle spielen, indem sie wie ein digitaler Assistent bei zeitintensiven Aufgaben, in denen klare Muster erkennbar sind, hilfeleisten.
Frage: Fasse folgenden Text des Urteils EuZW 2022, 1037 zusammen: „Wie sich schon aus dem Wortlaut von Art. 3 Nr. 10 der VO Nr. 715/2007 ergibt, bezieht sich der Begriff „normaler Fahrzeugbetrieb“ auf die Nutzung des Fahrzeugs unter normalen Fahrbedingungen, dh nicht nur, wie Volkswagen in ihren schriftlichen Erklärungen im Wesentlichen vorträgt, auf die Verwendung eines Fahrzeugs unter den Bedingungen für den in Rn. 22 des vorliegenden Urteils genannten Zulassungstest, der zu dem für den Ausgangsrechtsstreit maßgeblichen Zeitpunkt galt, der im Labor durchgeführt wird und aus der Wiederholung von vier Stadtfahrzyklen, gefolgt von einem außerstädtischen Fahrzyklus besteht.“
Antwort: Gerne! Der Begriff „normaler Fahrzeugbetrieb“ bezieht sich auf die Nutzung eines Fahrzeugs unter normalen Fahrbedingungen, nicht nur auf die Verwendung eines Fahrzeugs im Zulassungstest.
Der Urteilssatz besteht aus über 80 Wörtern und sechs Kommata. Die Zusammenfassung von ChatGPT schafft es mit einem Komma und drückt die wesentliche Information verständlicher aus. Man mag argumentieren, dass ausgebildete Juristen dazu in der Lage sein sollten, auch komplizierte Urteile durchdringen zu können. Das Zusammenfassen eines einzigen Satzes mag die Anwendung eines Sprachmodells noch nicht rechtfertigen. Handelt es sich jedoch um seitenlange Urteile, aus denen lediglich bestimmte Informationen benötigt werden, kann ChatGPT eine signifikante Effizienzsteigerung bewirken. Wer dann einem Juristen Faulheit unterstellt, sei daran erinnert, dass ein Bauunternehmen auch mit Hammer und Schaufel arbeiten könnte, um ein Haus zu errichten. Dennoch nutzen sie Bagger und Kräne dazu – und jeder befürwortet diese Arbeitsweise.
LLMs sind wie für das Zusammenfassen von langen Texten sowie das Schreiben einfacherer Schriften gemacht. Bei den Anwendungen für Rechtssuchende funktioniert ChatGPT wie eine Suchmaschine.10 Dass das Schwierigkeiten bereitet, weil es auf objektiv überprüfbare Informationen ankommt, die selbstständig rausgesucht werden müssen, zeigen die obigen Beispiele. Im Gegensatz dazu kommt es beim Herunterbrechen langer und dem Generieren einfacher Texte nicht auf die inhaltliche Richtigkeit an.11 Sofern die richtigen Informationen gegeben sind, muss das Sprachmodell diese lediglich in der gewünschten Form ausformulieren.
Frage: Schreibe eine ausführliche E-Mail eines Rechtsanwalts an seinen Mandanten, der bei einem Urteil verloren hat. Kritisiere das Urteil und lehne es als unrichtig ab. Schreibe, was die richtige Entscheidung gewesen wäre. Schlage am Ende vor, dass man in einem Zoom-Treffen bespricht, ob man noch Rechtsmittel einlegen kann bzw. sollte.
Antwort: Sehr geehrter Mandant,
ich bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen, dass das Urteil des Gerichts in Ihrem Falle nicht zu Ihren Gunsten ausgefallen ist. Ich selbst finde das Urteil unrichtig und lehne es entschieden ab.
Die richtige Entscheidung wäre gewesen, dass das Gericht Ihre Argumentation berücksichtigt und Ihren Standpunkt als gerechtfertigt anerkennt. Stattdessen hat das Gericht jedoch eine Entscheidung getroffen, die meiner Meinung nach auf falschen Annahmen beruht.
Ich schlage vor, dass wir uns in einem Zoom-Treffen zusammensetzen, um zu besprechen, ob es möglich ist, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. Gemeinsam können wir dann entscheiden, ob eine Berufung oder eine andere Form der Rechtsbehelfsbeantragung in Betracht kommt
Bitte zögern Sie nicht, mich jederzeit zu kontaktieren, wenn Sie Fragen oder Bedenken haben. Ich werde mich bemühen, Ihnen so schnell wie möglich zu antworten, um Ihnen bestmögliche Unterstützung zu bieten.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Name
Rechtsanwalt
Weitere Beispiele, in denen einfache Vertragsklauseln vorformuliert werden, Kommentarliteratur zusammengefasst oder Verträge auf bestimmte Klauseln gescannt werden, zeigen eindrucksvoll, wie viel Zeit eines Anwalts oder Richters einspart werden könnte. Neben der Effizienz kann aber auch die Qualität gesteigert werden, was regelmäßige Tests im Bereich Textverständnis zeigen. Bekannt ist das Beispiel des „Issue Spottings“, also das Erkennen möglicher Probleme in großen Mengen an Text. Dabei können KI-Systeme teilweise bereits 10 Prozent mehr Probleme richtig erkennen als ausgebildete Anwälte.12
Insgesamt könnten Sprachmodelle einen großen Beitrag als digitale Assistenten in der Berufswelt leisten. Da juristische Tätigkeiten viel mit Textarbeit, sowohl in verstehender als auch in produzierender Art, zusammenhängen, wozu Sprachmodelle gerade ausgebildet werden, ist von einer zukünftigen Verwendung auszugehen. Wer dann in der Lage ist, LLMs sinnvoll einzusetzen, kann sich einen großen Wettbewerbsvorteil erarbeiten.
Vor dem Hintergrund der Berufshaftung und der großen Verantwortung im Rechtsbereich bleibt dennoch unabdingbar, die generierten Ergebnisse zu überprüfen, kritisch zu bewerten und entsprechend zu korrigieren. Sprachmodelle sollten keine Arbeit ersetzen, sondern erleichtern. Es kommt also auf eine digitalisierte, synergetische Arbeitsweise zwischen Menschen und Maschine an – ähnlich wie im Gesundheitswesen, wo Radiologen bereits KI zur Erkennung von Tumoren einsetzen. Auch hier hat sich gezeigt, dass die Leistung eines Menschen im Zusammenspiel mit KI-Unterstützung deutlich besser ist, als wenn er oder die KI getrennt alleine arbeiten.13
Hingewiesen sei außerdem auf Bedenken zum Datenschutz. Bei der Anmeldung von ChatGPT wird momentan noch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Konversationen ggf. zu Trainingszwecken abgespeichert sowie analysiert werden, was bei der Arbeit mit sensiblen Informationen dringend berücksichtigt werden muss.
Manch ein Professor mag als Reaktion auf ChatGPTs Leistungen bereits gemeint haben, dass man das Jurastudium grundlegend überdenken müsste. Dabei lassen sich die Aufgaben, mit welchen man in der juristischen Ausbildung konfrontiert wird, hauptsächlich in vier Kategorien einteilen: Wissensabfrage (primär in den Grundlagenfächern sowie in mündlichen Prüfungen), Klausuren in Form eines Gutachtens, Hausarbeiten in Form eines Gutachtens und Seminararbeiten. Fraglich ist, inwiefern der Sinn und Zweck dieser Aufgaben und der damit verbundene Lernerfolg durch den Zugang zu großen Sprachmodellen relativiert werden könnte.
Der Bedarf an reinem juristischem Wissen würde sich auch durch die Verwendung eines Sprachmodells im Studium wohl kaum ändern. Allgemeinwissen wird auch in Zukunft essenziell sein, um Zusammenhänge zu verstehen, Sachverhalte einordnen zu können sowie die richtigen Fragen zu stellen. Das Internet und der dauerhafte Zugang zu nahezu allen verfügbaren Informationen haben diesen Punkt auch nicht obsolet gemacht, sodass reine Wissensabfragen im Studium – ob in Grundlagenfächern oder im mündlichen Staatsexamen – sicherlich nicht wegfallen werden.
Gleichzeitig werden Klausuren vermutlich auch in Zukunft überwiegend in Präsenz auf Papier geschrieben werden, was den Einsatz von ChatGPT für diese Aufgabe ausschließt.
Interessanter ist das Schreiben von Hausarbeiten, also das Verfassen eines ausführlicheren Gutachtens für einen längeren Fall. Oben wurde die beeindruckende Leistungsfähigkeit von ChatGPT, Text zu verstehen sowie selbst zu produzieren, beschrieben. Gutachten folgen wiederrum einem bestimmten Gutachtenstil, der einen Aufbau vorgibt.
Frage: Prüfe im Gutachtenstil, ob der Fall eines falschen Haarschnitts durch einen Frisör unter § 223 StGB subsumiert werden kann.
Antwort: Gerne, hier ein Beispiel für ein Gutachten, das den Fall des falsch geschnittenen Haares prüft:
Gutachten zum Fall des falsch geschnittenen Haares:
Im Folgenden wird der Fall des falsch geschnittenen Haares untersucht, um festzustellen, ob die Tat als Körperverletzung im Sinne des § 223 subsumiert werden kann.
Zunächst ist festzustellen, dass § 223 die Körperverletzung als Straftat definiert, die durch die Verletzung der körperlichen Integrität einer anderen Person verursacht wird. Die körperliche Integrität umfasst die körperliche Unversehrtheit und die körperliche Gesundheit einer Person.
Um eine Körperverletzung im Sinne des § 223 StGB zu begehen, muss die Tat vorsätzlich oder fahrlässig begangen werden. Vorsätzlich handelt, wer die Verletzung beabsichtigt, fahrlässig handelt, wird die Verletzung der körperlichen Integrität einer anderen Person in Kauf nimmt, obwohl er diese hätte vermeiden können.
Im Fall des falsch geschnittenen Haares ist es wichtig, die Absicht und Handlung des Frisöres zu untersuchen.
Abgesehen von erheblichen inhaltlichen Ungenauigkeiten, wie der Abgrenzung zwischen Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz, zeigt sich, dass ChatGPT durchaus das methodische Vorgehen einer gutachterlichen Prüfung kennt. Für eine nennenswerte Prüfungsleistung reicht es jedoch nicht aus. Abgesehen davon, dass die komplette Subsumtion fehlt, werden die Prüfungspunkte Rechtswidrigkeit und Schuld mit keinem Wort erwähnt. Die strukturierte und vollständige gutachterliche Prüfung eines längeren Sachverhalts ist entsprechend unmöglich, was insbesondere an der (momentanen) Unfähigkeit des Systems liegt, detaillierte Einzelfallbetrachtungen vorzunehmen. Zudem weist ChatGPT noch regelmäßig und richtigerweise darauf hin, dass eine solche Prüfung immer einzelfallbezogen erfolgen muss. Da der Gutachtenstil jedoch einem klaren Muster folgt, kann davon ausgegangen werden, dass eine zukünftige Erhöhung der Trainingsdaten eine signifikante Leistungssteigerung bewirken könnte.
Neben Hausarbeiten fordern alle Bundesländer spätestens im Schwerpunktbereich die Abgabe einer Seminararbeit. Dabei wird den Studierenden in der Regel ein Thema zugeteilt, welches innerhalb einer Zeichengrenze aufgearbeitet werden soll. Hierbei wird kein Gutachterstil erwartet.
Frage: Schlage mir eine Gliederung für eine juristische Seminararbeit vor, welche sich mit der Schnittstelle zwischen Recht und KI befasst
Antwort: Eine juristische Seminararbeit über die Schnittstelle zwischen Recht und KI könnte auf folgende Weise strukturiert werden:
1. Einleitung: In der Einleitung wird das Thema der Seminararbeit vorgestellt und die Bedeutung der Schnittstelle zwischen Recht und KI für die Gesellschaft erläutert.
2. Hintergrund: In diesem Abschnitt werden die Grundlagen des Themas dargestellt, in dem die Entwicklung von KI und ihre Auswirkungen auf verschiedene Bereiche der Gesellschaft erläutert werden.
3. Hauptteil: Im Hauptteil werden die wichtigsten Fragen und Herausforderungen im Zusammenhang mit der Schnittstelle zwischen Recht und KI behandelt. Dazu gehören Fragen wie die Verantwortlichkeit für KI-Entscheidungen, die ethische und moralische Verantwortung von KI-Systemen und die Verhinderung von Diskriminierung und Manipulation durch KI.
4. Fazit: Im Fazit werden die wichtigsten Erkenntnisse der Seminararbeit zusammengefasst und mögliche Lösungen und Handlungsempfehlungen für die Zukunft diskutiert.
Frage: Schreibe die Einleitung für die Arbeit. Zeichengrenze: 500 Zeichen.
Antwort: In der heutigen Welt spielt die Künstliche Intelligenz (KI) eine immer größere Rolle unserem Alltag. Sie wird in immer mehr Bereichen eingesetzt, von der Medizin bis hin zur Verwaltung. Dabei stellt sich die Frage, wie sich die Schnittstelle zwischen Recht und KI gestaltet. In dieser Seminararbeit werden wir uns mit diesem Thema auseinandersetzen und untersuchen, wie die Rechtsordnung auf die Herausforderung der KI reagiert und ob es spezielle rechtliche Regelungen für die Verwaltung von KI gibt.
Die Antwort ist mit Leerzeichen genau 499 Zeichen lang und die Generierung hat nicht länger als 15 Sekunden gedauert. Besser schafft es kein Studierender. Zwar fordert jede Abgabe einer Seminararbeit das Unterzeichnen einer eidesstattlichen Erklärung, in welcher die Nutzung großer Sprachmodelle verboten werden könnte. Problematisch ist jedoch, dass es nahezu unmöglich ist, die Verwendung unzulässiger Hilfsmittel zu erkennen, da sich die Formulierungsvorschläge der Antworten je nach Fragestellung, Kontext und Eloquenz der Konversation anpassen können. Außerdem wäre es nicht schwer, einzelne Wörter zu ändern. Darüber hinaus schützt das Urheberrecht gem. § 2 Abs. 2 UrhG nur persönliche, geistige Schöpfungen und damit (bisher) keine Maschinenerzeugnisse.14
Was jedoch einer Copy-Paste-Verwendung des durch ChatGPT generierten Textes entgegenstehen könnte, ist die Unfähigkeit großer Sprachmodelle, ihre Aussagen mit Quellen zu belegen.15
Frage: Kannst du den Text mit Quellen belegen?
Antwort: Ich bin leider nicht in der Lage, Ihnen den Text mit Quellen zu belegen, da ich keinen Zugriff auf wissenschaftliche Quellen habe. Als Sprachmodell bin ich auf die Informationen, die mir beim Training bereitgestellt wurden, beschränkt. Meine Antworten basieren auf meiner Fähigkeit, natürliche Sprache zu verstehen und darauf, was mit im Rahmen meines Trainings beigebracht wurde. Ich kann Ihnen keine wissenschaftlich fundierten Informationen liefern, sondern lediglich mein Bestes geben, um Ihre Fragen auf der Grundlage meines derzeitigen Wissenstands zu beantworten.
Dennoch: Selbst, wenn ChatGPT zurzeit noch keine fertigen Seminararbeiten mit Quellen zur Verfügung stellen kann, drängt sich ein großer Anwendungsbereich auf. Auf der einen Seite müssen nicht alle Teile eines Textes Quellen vorweisen – z.B. Einleitungen oder Übersichtskapitel. Zudem könnte ChatGPT einfach als Formulierungsvorschlag und Inspirationsquelle verwendet werden sowie beim Zusammenfassen von langer Kommentarliteratur oder Urteilen helfen. Dabei bleibt es jedoch nicht, denn LLMs können auch zunehmend besser eigenständig Argumente entwickeln und komplexe Logikschlüsse verstehen und selber führen.16 Folglich könnte die Aufgabe, eine Seminararbeit zu schreiben, zukünftig mehr mit Hilfe von großen Sprachmodellen umgesetzt werden, was den Aufwand signifikant senken könnte. Auch hier gilt, dass ChatGPT die Arbeit eines Menschen nicht ersetzen würde. Dafür fehlt dem System zurzeit noch jegliche tiefgründige juristische Expertise. Im Zusammenspiel Mensch-Maschine können jedoch wesentlich einfacher und schneller Ergebnisse erzielt werden, sodass man die Art der Aufgabenstellung zukünftig überdenken könnte. Die mögliche Reaktion der Hochschulen, die Aufgabenstellungen juristisch anspruchsvoller zu gestalten, mit der Hoffnung, dass große Sprachmodelle bei komplexen Fragen passen müssen, scheint nicht fair. Nur weil der Stand der Technik voranschreitet, verbessert sich nicht zugleich die kognitive Kompetenz der Studenten, sodass eher nach neuen Aufgabentypen gesucht werden müsste.
Die Angst, dass es sich in Zukunft nicht mehr lohnen wird, Rechtswissenschaft zu studieren, weil KI-Systeme Juristen ersetzen könnten, ist nach den obigen Ausführungen unberechtigt. Dennoch werden sich mit großer Sicherheit die Tätigkeiten zukünftiger Rechtspraktizierender verändern. Folglich sollte sich auch die juristische Ausbildung anpassen. Zunehmend wichtiger wird es, sich mit den technischen Mitteln auseinanderzusetzen. So wie heute kein Abiturient mehr um das Erstellen einer PowerPoint-Präsentation herumkommt, sollten Studierende mehr mit zukünftigen Technologien vertraut gemacht werden, die einen großen Einfluss auf ihre zukünftige Arbeitswelt haben könnten.
Zahlreiche Beispiele zeigen: Große Sprachmodelle besitzen bereits jetzt eine beeindruckende Leistungsfähigkeit. Eine zukünftige Anwendung im Rechtsbereich – sowohl in der Praxis als auch in der Ausbildung – scheint vorprogrammiert. Zwar werden Maschinen in naher Zukunft keine Juristen ersetzen. Juristische Tätigkeiten werden sie dennoch stark prägen.
Mit ChatGPT ist diese Entwicklung nun greifbar geworden, wobei sich zeigt, dass große Sprachmodelle immer vor dem Hintergrund einer zurzeit noch fehlenden Wahrheitsprüfung eingesetzt werden müssen. Wenn es darum geht, Texte und Sprache zu verstehen, sowie selber Texte zu generieren, welche keiner überprüfbaren Richtigkeit unterliegen, haben Sprachmodelle einen transformativen Anwendungsbereich. Davon, ChatGPT als Suchmaschine objektiv verifizierbarer Informationen zu verwenden, sollte zurzeit jedoch noch abgeraten werden.
Bei der Überlegung, ein LLM wie ChatGPT im Rechtsbereich – ob in der Praxis oder der Ausbildung – einzusetzen, ist eine grundlegende Besonderheit zu beachten.
Offensichtlich ist, dass Rechtssysteme in nahezu jedem Land Unterschiede aufweisen. Diese können sich aus inhaltlichen Differenzen ergeben, da objektiv andere Gesetze vorliegen oder die Struktur der Rechtsquellen unterschiedlich ist (Common Law vs. Civil Law). Methodisch existieren andere Arten der Auslegung, juristische Denkweisen und dogmatische Ansätze. Gleichzeitig sind zugrunde liegende Wertesysteme, die oft von lokalpolitischen Gegebenheiten und individuellen gesellschaftlichen Entwicklungen geprägt sind, verschieden.
Daraus ergibt sich für die flächendeckende Anwendung eines Sprachmodells – sowie allgemein künstlich intelligenter Systeme – in der Rechtswissenschaft ein grundlegendes Problem: Daten, die zum Trainieren eines LLM im englischsprachigen Raum einsetzt werden, können nicht direkt als Trainingsdaten für (beispielsweise) den deutschsprachigen Raum verwendet werden. Zwar spricht ChatGPT bereits verschiedene Sprachen. Der Inhalt einer Aussage ist jedoch dennoch von länderspezifischen Daten abhängig, die aufgrund unterschiedlicher quantitativer Verteilung in den Trainingsdaten zu unterschiedlich qualitativen Ergebnissen bei Themen in verschiedenen Rechtssystemen führen können.
Damit ein LLM besonders performant juristische Fragestellungen in Deutschland beantworten kann, braucht es somit noch viele Daten. Dies können Urteile, beispielhafte Verträge, Satzungen oder Datenschutzerklärungen sein. Eins ist wichtig: Diese Entwicklung lässt sich nicht aufhalten. Was möglich ist, wird umgesetzt. Wer sich haarsträubend gegen technologische Innovationen wehrt oder versucht, die Zukunft zu verdrängen, wird denen unterliegen, die die Chancen nutzen und sich mit der Idee der Veränderung anfreunden.