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Zitiervorschlag: Hartung, LRZ 2022, Rn. 476, [●], www.lrz.legal/2022Rn476.

Permanente Kurz-URL: LRZ.legal/2022Rn476

Der BGH hat am 19.1.2022 mehrere Entscheidungen zum Thema Aktivlegitimation von Inkassodienstleistern, genauer: zum Berliner Dienstleister wenigermiete verkündet. Hier wird nur VIII ZR 123/21 besprochen. An der Entscheidung lässt sich gut das ungeklärte Verhältnis zwischen Anwälten und nicht-anwaltlichen Dienstleistern illustrieren, vor allem die Frage, ob der Begriff der Inkassodienstleistung nach § 2 Abs. 2 RDG auch die Abwehr von Forderungen umfasst. Daneben belegt die Entscheidung einen unwürdigen Kleinkrieg zwischen einer Kammer des Landgerichts Berlin und dem VIII. Zivilsenat. Schließlich geht die Entscheidung in verbraucherrechtlicher Sicht neue Wege – am EuGH vorbei.

1. Einleitung

Wenn ein Mieter[1] eine Nebenkostenabrechnung erhält, nach der er einen Betrag von beispielweise 580 Euro nachzuzahlen hat, und diese Nebenkostenabrechnung außerdem eine Anpassung der monatlichen Vorauszahlungen um 55 Euro enthält, dann ist die Frage, wer ihn zur Rechtmäßigkeit der Nebenkostenabrechnung, Zahlungsaufforderung und Erhöhung der künftigen Vorauszahlungen beraten darf, nicht ganz einfach. Natürlich die Mieterberatung, wenn es eine gibt, er dort Vereinsmitglied ist und ausreichend Wartezeit mitbringt. Er kann auch zum Anwalt gehen, denn der ist der berufene Berater in allen Rechtsfragen. Aber wenn er keine Rechtsschutzversicherung hat, trägt er das Risiko, am Ende auf den Kosten sitzenzubleiben.

Rn476

Voraussetzung für die Beauftragung eines Anwalts wäre natürlich auch, überhaupt einen finden zu können, was im Wohnraummietrecht nicht so einfach ist. Vor einiger Zeit warnte mit Michael Selk ein ausgewiesener Fachmann im Mietrecht davor, dass es bald keine vernünftige Mietervertretung im Mietrecht mehr gäbe:

„Immer weniger Kanzleien bieten Rechtsberatung und -vertretung an, wenn es um Wohnraum geht. Dies gilt schon lange für Großkanzleien. Aber auch Kanzleien, die sich auf Immobilienrecht spezialisiert haben, winken ab. Die Streitwerte sind meist viel zu gering, der Aufwand zu hoch, Stundensätze seien nicht vermittelbar. Prozesse auf Mängelbeseitigung (Streitwert: zwölffache Minderungsquote), wegen Betriebskosten oder Kündigung: unwirtschaftlich.“[2]

Rn477

Aber was wäre mit einem Legal-Tech-Dienstleister, den man unproblematisch im Internet findet und mit dem man alles online und risikofrei erledigen kann? Natürlich weiß unser Mieter nicht, dass diese Dienstleister es auch zu vertreten haben sollen, dass es Mietrechtsanwälten, so es sie überhaupt noch gibt, so schlecht geht. Vor kurzem äußerte sich der Vorsitzende des Deutschen Mietgerichtstags e.V. in einem Interview wie folgt:

„Wir beobachten seit einiger Zeit und zunehmend, dass Anwälte im Wohnraummietrecht von ihrer Arbeit allein in diesem Rechtsgebiet nicht mehr leben können. Ihre mangelhafte Vergütung macht uns große Sorgen, weil damit letztlich auch die Qualität der Rechtsberatung auf dem Spiel steht – eine Situation, die übrigens Legal Tech noch verschärfen könnte. [3]

Rn478

Auf die Frage, was das eine mit dem anderen zu tun hätte, hieß es:

„Nun, wenn künftig Legal-Tech-Anbieter mithilfe ihrer Algorithmen die Standardfälle bearbeiten können, werden sich viele Menschen fragen: "Wozu brauche ich noch einen Anwalt?" Dabei geht es nicht etwa um eine fundamentale Kritik an den Legal-Tech-Betreibern, sondern um ein strukturelles Problem der Anwaltsvergütung. (…)“

Der Mieter wird diesen Zusammenhang weder verstehen noch wird er ihn interessieren; er braucht Hilfe und Unterstützung. Darf ein Legal-Tech-Dienstleister ihm helfen?

Rn479

2. RDG und Inkassobegriff aus Sicht der Rechtsuchenden verwirrend

Wenn sich unser Mieter nur über die Rechtmäßigkeit der Nebenkostenabrechnung und die Frage einer Zahlungspflicht beraten lassen will, dann wäre er nach allgemeiner Auffassung bei einem Inkassodienstleister an der falschen Adresse, denn das wäre Forderungsabwehr, die dem Inkassodienstleister nicht erlaubt ist. Unklar ist die Lage bei der Anpassung der künftigen Vorauszahlungen, aber „Inkasso“ ist das auf den ersten Blick auch nicht. Anders wäre es, wenn der Mieter die rückständigen Betriebskosten bereits gezahlt hätte und er sich darüber beraten lassen will, ob es eine Möglichkeit der Rückforderung gibt: dann dürfte ein Inkassodienstleister tätig werden. Selbstverständlich ist auch das nicht, weil es eine verbreitete Vorstellung von Inkasso gibt, wonach der Inkassodienstleister für ein Unternehmen tätig wird und zahlreiche, gleichartige Forderungen für ihn eintreibt.[4] Es ist jedoch inzwischen gesichert, dass der Inkassobegriff jede Form der Geltendmachung von Geldforderungen umfasst.[5]

Rn480

Aber wie verhält es sich mit der Aufforderung des Vermieters, die Miete nachzuzahlen und künftig höhere Abschlagszahlungen zu zahlen? Darf der Inkassodienstleister den Vermieter auffordern, von der Zahlungsaufforderung abzusehen und die Anpassung der monatlichen Vorauszahlungen zurückzunehmen? Zum Leidwesen des Mieters ist die Rechtslage sehr unklar, und auch die grundlegende Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.11.2019[6] hat daran jedenfalls zunächst nichts geändert, im Gegenteil: die Entscheidung hatte zwar die Beinfreiheit für Inkassodienstleister deutlich erweitert, aber auch keinen Zweifel daran gelassen, dass eine Inkassobefugnis selbst bei weiter Auslegung die Abwehr von Forderungen nicht umfasst.[7]

Rn481

Allerdings hatte der BGH, vielleicht in weiser Voraussicht, an späterer Stelle der Entscheidung ausgeführt:

„Entgegen der von der Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung folgt eine Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis der Klägerin auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin in dem Rügeschreiben die Beklagte zusätzlich dazu aufgefordert hat, künftig von dem Mieter nicht mehr die von der Klägerin als überhöht gerügte Miete zu verlangen, sondern diese auf den zulässigen Höchstbetrag herabzusetzen. Anders als die Revisionserwiderung meint, ist diese Aufforderung nicht als eine - einem registrierten Inkassodienstleister aus den oben genannten Gründen nicht gestattete - Maßnahme der Anspruchsabwehr anzusehen. Denn es handelt sich bei ihr nicht um eine Reaktion auf ein Verlangen des Vermieters, sondern um eine in engem Zusammenhang mit der von der Klägerin zulässigerweise erhobenen Rüge und dem von ihr geltend gemachten Anspruch auf Rückerstattung zu viel gezahlter Miete stehende Maßnahme, die letztlich dazu dient, für die Zukunft die Geltendmachung weitergehender Rückzahlungsansprüche des Mieters entbehrlich zu machen.“[8] (Hervorhebung hinzugefügt).

Rn482

Ob dies dem Mieter weiterhilft, lässt sich nicht sicher sagen.[9] Zunächst ist festzuhalten: Zur originären zugelassenen Tätigkeit eines Inkassodienstleisters zählt auch nach dem Urteil des BGH vom 27.11.2019 nicht die Abwehr von Zahlungsansprüchen, oder besser Zahlungsverlangen. Auch damit befasst sich die vorliegende Entscheidung, doch dazu später.

Rn483

3. Berlin, Berlin

Man könnte meinen, dass sich die Probleme des Mietmarktes vor allem in Berlin zeigen und sich das Mietrecht hauptsächlich anhand dortiger Fälle weiterentwickelt. Die Zuständigkeit für das Mietrecht liegt erstinstanzlich bei den 11 Berliner Amtsgerichten, zweitinstanzlich beim Landgericht Berlin. Dort gibt es fünf Zivilkammern als Mietberufungskammern (Zivilkammern 63-67), die für Rechtsmittel gegen Entscheidungen der jeweiligen Berliner Amtsgerichte in Wohnraummietsachen zuständig sind.[10] Jede Berufungskammer hat „ihre“ Amtsgerichte, jedes Amtsgericht hat „seine“ Berufungskammer.

Rn484

Die fünf Mietberufungskammern sind sich, was die Tätigkeit von Inkassodienstleistern wie wenigermiete[11] angeht, nicht einig. Die Zivilkammern 63, 64 und insbesondere 67 waren bzw. sind der entschiedenen Auffassung, dass solche Inkassodienstleister im Mietrecht nichts verloren hätten.[12] Das sehen die Zivilkammern 65 und 66 genauso entschieden anders.[13]

Rn485

Praktisch bedeutet das in Berlin Folgendes: Mieter, die in den Bezirken Neukölln, Pankow (zuständig ist die ZK 65), Lichtenberg, Tempelhof und Kreuzberg (zuständig ist die ZK 66) leben, können für Ansprüche aus der Mietpreisbremse einen Inkassodienstleister wie wenigermiete beauftragen, ohne befürchten zu müssen, dass dessen Klage an mangelnder Aktivlegitimation scheitert. Alle anderen Mieter in Berlin, insbesondere diejenigen in den besonders begehrten Bezirken Schöneberg (zuständig ist die ZK 63), Charlottenburg und Wilmersdorf (zuständig ist die ZK 64[14]), Tiergarten (einschließlich Moabit) sowie Mitte (wozu auch Prenzlauer Berg zählt; zuständig ist die ZK 67), müssen damit rechnen, dass ihr beauftragter Inkassodienstleister spätestens in der Berufungsinstanz Probleme bekommt – aber den Rechtsstreit dann vor dem BGH gewinnt und sie sich über einen zusätzlichen Zinsertrag freuen können.

Rn486

Nun kommt es nicht selten vor, dass Instanzgerichte unterschiedlicher Auffassung sind. In aller Regel kehrt Ruhe ein, wenn es eine ober- oder höchstrichterliche Entscheidung gibt. Hier ist das nicht der Fall. Auch die als grundlegend bezeichnete Entscheidung des BGH vom 27.11.2019 hat nicht für klare Verhältnisse sorgen können. Das hat verschiedene Gründe.

Rn487

Über das Verhältnis von Legal Tech und Recht ist viel geschrieben worden.[15] Die wichtigsten Streitfragen sind höchstrichterlich geklärt, nicht nur durch die Urteile des VIII. Zivilsenats des BGH in Sachen wenigermiete I[16] und den sich daran anschließenden Entscheidungen[17], sondern auch durch die Sammelklage-Inkasso-Entscheidung des II. Zivilsenats BGH vom 13.7.2021[18] und zuletzt durch die Smartlaw-Entscheidung des I. Zivilsenat des BGH vom 9.9.2021.[19]

Rn488

Alle diese Entscheidungen haben den Handlungsspielraum von Legal Tech-Inkassodienstleistern erweitert, und zwar entweder innerhalb des RDG (wenigermiete, Sammelklage-Inkasso) oder außerhalb (Smartlaw). Der Gesetzgeber hat mit dem Legal-Tech-Gesetz[20] weitere wichtige Regelungen geschaffen, durch die entweder die Spielräume der Anwaltschaft erweitert (z.B. durch die Freigabe des Erfolgshonorars und der Prozessfinanzierung, wenn Anwälte im Inkassobereich tätig werden), aber auch Zweifelsfragen im RDG geklärt wurden (etwa Zulässigkeit der Prozessfinanzierung im Inkasso-Geschäftsmodell).

Rn489

Trotz der höchstrichterlichen Entscheidungen kann man nicht sagen, dass Frieden eingekehrt sei.[21] Denn nach dem Legal Tech-Gesetz ist es nach wie vor so, dass die Geltendmachung einer Geldforderung unterschiedlich reguliert ist, je nachdem, wer tätig wird. Das Legal Tech-Gesetz schafft einen weniger inkohärenten Rechtsrahmen, beseitigt aber nicht den Umstand, dass Rechtsanwälte, die Inkasso betreiben, nach wie vor einem strengeren Reglement unterliegen als Inkassounternehmen. Das betrifft vor allem Fragen der Finanzierung, der Honorargestaltung, der Werbung und der Berufsaufsicht. Damit befasst sich derzeit der Gesetzgeber, nachdem der vormalige Bundestag der alten Legislatur dazu einen entsprechenden Entschließungsantrag gefasst hatte.[22]

Rn490

5. Inkassodienstleister vs. Organe der Rechtspflege

Die o.g. Rechtsprechung des I., II. und VIII. Zivilsenats hat sich von den lautstark geäußerten Protesten der anwaltlichen Verbandsvertreter nicht beeindrucken lassen. Im Gegenteil verwies der VIII. Senat diejenigen, die Wertungswidersprüche zu Lasten der Anwaltschaft beklagten, darauf, dass solche Inkassodienstleister eben keine Organe der Rechtspflege seien:

„Die von der Revisionserwiderung und einem Teil der Rechtsprechung und Literatur vertretene gegenteilige, einen unzulässigen Wertungswiderspruch sowie eine Interessenkollision bejahende Ansicht (s. etwa LG Berlin Urt. v. 24.1.2019 – 67 S 277/18, BeckRS 2019, 382 Rn. 51; Henssler NJW 2019, 545 [548 f.]; Greger MDR 2018, 897 [899 f.]; vgl. auch Mann/Schnuch, NJW 2019, 3477 [3480 f.]; Knauff GewArch 2019, 414 [420 f.] [zu Art. 3 I GG]) und insbesondere die in diesem Rahmen teilweise vertretene Auffassung, wonach eine rechtliche Billigung von „Geschäftsmodellen“ wie demjenigen der Kl. das Regelungskonzept des RDG „aushebeln“ und zugleich die Rechtsanwaltschaft einer Ungleichbehandlung sowie einem erheblichen Wettbewerbsnachteil aussetzen würde (s. etwa LG Berlin Urt. v. 24.1.2019 – 67 S 277/18, BeckRS 2019, 382 Rn. 51; Henssler NJW 2019, 545 [547]), lassen bereits im Ausgangspunkt außer Betracht, dass es sich bei den registrierten Inkassodienstleistern – im Gegensatz zu Rechtsanwälten – nicht um Organe der Rechtspflege handelt (BT-Drs. 16/3655, 67).“[23] (Hervorhebung hinzugefügt).

Rn491

Dieses Argument ist nicht unmittelbar überzeugend, denn hier geht es um die unterschiedliche (asymmetrische) Regulierung ein und derselben Tätigkeit, die nicht unter Verweis auf einen bestimmten Status befriedigend erklärt oder gar gerechtfertigt werden kann. Darüber hinaus entbehrt der Verweis auf die Organstellung nicht einer gewissen Perfidie, weil es sonst gerade die organisierte Anwaltschaft ist, die unter Berufung auf ihren Organstatus nach § 1 BRAO und unter Vernachlässigung einer weitergehenden Argumentation bestimmte Rechte und Besonderheiten einfordert.[24]
Aber es kam noch schlimmer:

„Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des RDG und auch bei dessen späteren Änderungen und Ergänzungen (…) davon abgesehen hat, die registrierten Personen (§ 10 I 1 RDG), insbesondere die Inkassodienstleister (§ 10 I 1 Nr. 1 RDG), als einen rechtsanwaltsähnlichen Rechtsdienstleistungsberuf unterhalb der Rechtsanwaltschaft auszugestalten (…) und/oder die für Rechtsanwälte geltenden strengen berufsrechtlichen Pflichten und Aufsichtsmaßnahmen uneingeschränkt auf diese Personen zu übertragen (…).“[25] (Hervorhebung hinzugefügt).

Rn492

Auch hier verwendet der BGH eine berufspolitische Position der Anwaltschaft gegen sie. Denn diese hatte die Entstehung eines anwaltsähnlichen Rechtsberatungsberufs unterhalb der Anwaltschaft stets abgelehnt. Die Rechtsdienstleister sollten auch nicht durch den Anwälten vergleichbare Berufspflichten zu anwaltsähnlich werden. Der BGH hatte also zur Rechtfertigung des unterschiedlichen Regulierungsniveaus zwei Kernargumente der Anwaltschaft gegen sie gewendet. Dass die Ausführungen des Senats den Kern des Problems, nämlich die unterschiedliche Regulierung derselben Tätigkeit, jedenfalls nicht mittig treffen, steht dabei auf einem anderen Blatt.

Rn493

6. Game of Courts

Das wenigermiete I-Urteil des BGH kam zwar als grundlegende Entscheidung daher, war aber in vielen Formulierungen sehr vorsichtig und rückte die Besonderheiten des Einzelfalls in den Vordergrund. Insbesondere hatte der VIII. Zivilsenat die Worte „noch zulässig“ geradezu inflationär verwendet. Das wurde von vielen, die ohnehin eine andere Auffassung als der BGH vertraten, als Einladung verstanden, die Entscheidung vom 27.11.2019 als unmaßgebliche Einzelfallentscheidung anzusehen.

Rn494

Das scheint insbesondere für die ZK 67 des Landgerichts Berlin zu gelten. Das Verhältnis zwischen der ZK 67 und dem VIII. Zivilsenat des BGH ist mindestens empfindlich gestört, wenn nicht sogar zerrüttet. So heißt es etwa in einem Bericht über die Entwicklung des Mietrechts im Jahr 2019:

 

„Beim VIII. Senat hat sich der Trend fortgesetzt, dass mindestens 20 % der Verfahren ihren Ursprung in Berlin haben. Dabei hätte der Senat durchaus gern noch mehr Verfahren aus Berlin. So schreibt er an das BVerfG in einem Verfassungsbeschwerdeverfahren gegen ein Urteil der 67. Zivilkammer des LG Berlin:

„Abschließend sei darauf hingewiesen, dass der Senat bei dem Berufungsgericht (67. Zivilkammer des LG Berlin) in jüngster Zeit die Tendenz feststellt, Fragen grundsätzlicher Art abweichend von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu entscheiden und dann von der Zulassung der Revision abzusehen.“

Zuvor hatte der Senat zu der unterlassenen Revisionszulassung durch das LG Berlin geschrieben:

„Im Hinblick auf diese … Rechtsfrage hätte bei richtiger Betrachtung für eine Zulassung der Revision nicht nur Anlass bestanden, sondern wäre eine solche sogar geboten gewesen.“

Die Entscheidung des LG stehe

„in eklatantem Widerspruch zu den vom BGH und insbesondere vom Senat aufgestellten Anforderungen …“

und hat die

„beschriebenen Anforderungen in jeder Hinsicht missachtet“.

So deutlich ist wahrscheinlich noch nie ein Berufungsgericht vom BGH abgestraft worden.“[26]

Rn495

Das ist starker Tobak, aber offenbar nicht unbegründet. Die Betrachtung von acht Entscheidungen des VIII. Zivilsenats seit wenigermiete I bis zum 27.5.2020 ergibt, dass es in allen Fällen Berliner Sachen waren, und zwar einmal die ZK63, einmal die ZK65 und in den restlichen Fällen die ZK67. Alle Entscheidungen des Landgerichts wurden aufgehoben.[27] Neben der hier besprochenen Entscheidung des BGH gab es am 19.1.2022 vier weitere Entscheidungen des VIII. Senats, denen Entscheidungen der ZK67 vorausgegangen waren.[28]

Rn496

Während ein höchstrichterliches Urteil in der Regel die Richtung vorgibt und die Instanzrechtsprechung dann vergleichbare Sachverhalte im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung entscheidet – ohne daran gebunden zu sein, denn die Unabhängigkeit von Richtern als eines der konstitutiven Elemente des Rechtsstaats gilt auch im Verhältnis zur nächsten Instanz –, ist es hier anders: Die ZK67 nimmt jede Sachverhaltsabweichung zum Anlass, eine Überschreitung der Inkassolizenz festzustellen; diese soll dann jedes Mal so schwerwiegend sein, dass auch die Schwelle des § 134 BGB überschritten wird – denn nach dem Urteil des BGH vom 27.11.2019 gilt, dass nicht jede Überschreitung der Inkassolizenz zu einem Verstoß gegen § 3 RDG und dann zur Nichtigkeit der Inkassozession führt. Der BGH meint dazu:

„Dies bedeutet indes nicht, dass ohne Weiteres bereits jede – auch geringfügige – Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis (§ 10 I 1 Nr. 1 RDG) stets auch die Nichtigkeit der auf die Verletzung des RDG gerichteten Rechtsgeschäfte nach § 134 BGB zur Folge hat. So kann es Fälle geben, bei denen die Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis so geringfügig ist, dass noch nicht einmal ein Verstoß gegen § 3 RDG vorliegt. Daneben kann es Fälle geben, bei denen ein solcher Verstoß zwar vorliegt, aber aufgrund einer verfassungsgemäßen Auslegung und Anwendung des § 134 BGB jedenfalls eine Nichtigkeit der diesem Verstoß zugrunde liegenden Rechtsgeschäfte aus Gründen der Verhältnismäßigkeit (vgl. hierzu BVerfG NJW 2002, 1190 [1192]) nicht angenommen werden kann.“[29] (Hervorhebung hinzugefügt).

Rn497

Diese Rechtsprechung zwingt also zu einer dreistufigen Prüfung, denn zunächst muss festgestellt werden, ob eine Überschreitung der Inkassolizenz vorliegt, dann ist zu fragen, ob die Überschreitung bereits eine solche Schwere hat, dass ein Verstoß gegen § 3 RDG vorliegt, und wenn das bejaht werden sollte, ist sodann unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu entscheiden, ob eine Nichtigkeit nach § 134 BGB vorliegt. Die bisherige Denkweise – Überschreitung der Inkassolizenz ist stets ein Verstoß gegen § 3 RDG, was wiederum schnurstracks zur Nichtigkeit nach § 134 BGB führt – sollte damit der Vergangenheit angehören.

Rn498

Zwischen ZK67 und dem BGH hat es ein bisschen was von einem Hase- und-Igel-Spiel, aber von der unwürdigen Art: Die ZK67 scheint stets neue Lücken und Sachverhaltsabweichungen, auch im Nano-Bereich, zu finden, um dann, wenn wenigermiete vor den Gerichtsschranken steht, die Berufung mangels Aktivlegitimation zurückzuweisen. Der VIII. Senat nimmt das dann geradezu seufzend entgegen und hebt die Entscheidungen auf. Das geschieht mit Formulierungen, welche die Contenance so gerade noch wahren. Zwar ist das Wording in Revisionsentscheidungen des BGH bei Aufhebungen immer etwas herablassend; Formulierungen wie „nicht frei von Rechtsfehlern“ gelten da noch als respektvoll. Aber der Tonfall in der hier besprochenen Entscheidung ist schon bemerkenswert. Nachfolgend einige Passagen, denen man die Verärgerung des Senats deutlich ansieht – auch deshalb, weil der Senat die ZK67 als hartnäckige und unbelehrbare Wiederholungstäterin ansieht:

„Bereits im Ansatz verfehlt ist allerdings die Sichtweise des BerGer., …(Rn. 21)

Das BerGer. hat (erneut) verkannt, dass (…). Dies hat der Senat in seinem Beschluss vom 27.5.2020 (…), dem ein Urteil des BerGer. vorausging (…), bekräftigt. (Rn.  23)

Entgegen der vom BerGer. nach wie vor vertretenen Auffassung sind die Voraussetzungen einer Nichtigkeit nach § 134 BGB (…) nicht gegeben. (…)  Dies hat der Senat durch seine Urteile vom (…), denen Entscheidungen der auch für den Streitfall zuständigen Berufungskammer zugrunde liegen, bekräftigt (s. ferner Senat BGHZ 225, 352 = NZM 2020, 551 Rn. 43 ff.). (Rn. 27)

Diese Argumentation ist rechtsfehlerhaft und verschließt sich der Rechtsprechung des Senats, der in seinem grundlegenden Urteil vom 27.11.2019 (BGHZ 224, 89 = NJW 2020, 208 Rn. 162) entschieden hat…(Rn. 29)“

Rn499

Der Senat traut der ZK67 für das weitere Verfahren natürlich nicht über den Weg und trifft vorsorglich Anweisungen, wie zu verfahren ist:

„Gemäß § 563 II ZPO hat das BerGer. seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Senats zugrunde zu legen. Es hat insbesondere zu beachten, dass die Kl. – unterstellt, sie wäre als Inkassodienstleisterin registriert – inkassofremde Dienstleistungen (…) nicht erbringt, so dass die Abtretung der streitgegenständlichen Ansprüche der Mieter an die Kl. nicht gem. § 134 BGB, § 2 I RDG, §§ 3, 10 RDG nichtig ist.(Rn. 58)

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das BerGer. im Hinblick auf (…) die Grundsätze des Urteils des Senats vom 27.5.2020 zu beachten haben wird (BGHZ 225, 352 = NZM 2020, 551 Rn. 113 ff.).(Rn. 59)“

Rn500

Natürlich ist nicht nur das Verhältnis zwischen VIII. Zivilsenat und ZK67 angespannt, sondern auch zwischen der Betreiberin von wenigermiete und der ZK67 – nicht unverständlich, wenn man als Berufungsklägerin weiß, dass die ZK67 vermutlich wieder eine Entscheidung treffen wird, die der BGH kassieren wird. In der großen Zahl von Entscheidungen finden sich auch solche, in denen es um Befangenheitsrügen ging, die von der ZK67 ebenfalls zurückgewiesen wurden.[30] Immerhin gab das dem BVerfG Gelegenheit, sich mit der ZK67 zu befassen und gewisse juristische „Verhaltensauffälligkeiten“ festzustellen:

„Gemessen an diesen Grundsätzen verletzt der Beschluss des LG vom 26.7.2018 die Bf. in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter. Die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs als unzulässig durch die abgelehnten Richter selbst beruht auf grob fehlerhaften Erwägungen und zeigt, dass das LG den Gewährleistungsgehalt des Art. 101 I 2 GG verkannt hat.“[31] (Hervorhebung hinzugefügt).

Aus Sicht des BVerfG war die Grundrechtsverletzung durch die ZK67 so grob, dass keinesfalls an diese Kammer zurückverwiesen werden konnte. In Rn. 31 der Entscheidung hieß es:

„Es schien angezeigt, das Verfahren gem. § 95 II BVerfGG an eine andere Zivilkammer des LG zurückzuverweisen.“

Das lässt an Deutlichkeit nichts mehr vermissen. Denn die Zurückverweisung an einen anderen Spruchkörper ist eine seltene Ausnahme, welche das BVerfG dann vornimmt, wenn dies zur Wahrung der materiellen Einzelfallgerechtigkeit erforderlich ist, um sachfremden Einflüssen auf das Verfahren vorzubeugen.[32]

Rn501

7. Die ZK67 und das Böckenförde-Theorem

Die Unabhängigkeit der Justiz ist ein hohes und wichtiges Gut, das man nicht leichthin gefährden darf. Aber: Wie kann man einen solchen Konflikt auflösen, wie gegen ein solches Verhalten eines Instanzgerichts vorgehen? Man kann Entscheidungen aufheben und man kann an der Wortwahl drehen, in der Erwartung, ein Instanzgericht werde das Recht und die Aussagen der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkennen. Das ist in den Entscheidungen des VIII. Senats des BGH und des BVerfG geschehen.[33] Offenbar verfängt das nicht, oder „noch nicht“, um die Diktion des VIII. Zivilsenats zu verwenden. Hier erweist sich wieder das Böckenförde-Theorem, wonach der freiheitliche, säkularisierte Rechtsstaat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann. Auf das Prinzip der Unabhängigkeit der Justiz umgemünzt bedeutet das, dass der Rechtsstaat und die Unabhängigkeit der Justiz von Voraussetzungen leben (d.h. von Richtern, die das Recht und die Spielregeln beachten), die sie selbst nicht garantieren können.

Rn502

8. Kern der Entscheidung: Zulässigkeit der Forderungsabwehr

Im Kern geht es stets um die Frage, ob wenigermiete nicht eigentlich Forderungsabwehr betreibt, was auch nach der großzügigen Rechtsprechung des BGH nicht erlaubt ist. Aber was bedeutet „Forderungsabwehr“ genau? Ist es bereits die Aufforderung an den Vermieter, künftig nicht mehr Miete als geschuldet zu verlangen? Oder handelt es sich erst dann um Forderungsabwehr, wenn der Bestellbutton auf der Homepage von wenigermiete mit „Mietsenkung beauftragen“ beschriftet ist?

Rn503

8.1. Argumentation des BGH: Forderungsabwehr setzt ausdrückliches Zahlungsverlangen voraus

In der vorliegenden Entscheidung des BGH heißt es zur Frage der Forderungsabwehr:

„Rn. 30 Die Aufforderung, die im Wohnungsmietvertrag vereinbarte Miete auf das höchstzulässige Maß herabzusetzen, ist nicht als eine – einem registrierten Inkassodienstleister nicht gestattete – Maßnahme der Anspruchsabwehr anzusehen (Senat BGHZ 224, 89 = NJW 2020, 208 Rn. 96, 219). Denn es handelt sich bei ihr nicht um eine Reaktion auf ein Verlangen des Vermieters, sondern um eine in engem Zusammenhang mit der von der Kl. zulässigerweise erhobenen Rüge und dem von ihr geltend gemachten Anspruch auf Rückerstattung zu viel gezahlter Miete stehende Maßnahme, die letztlich dazu dient, für die Zukunft die Geltendmachung weitergehender Rückzahlungsansprüche der Mieter entbehrlich zu machen (…).“[34] (Hervorhebung hinzugefügt).

Rn504

Macht das die Sache klarer? Jedenfalls ist das Kriterium des engen Zusammenhangs nicht neu und schon in wenigermiete I angelegt (vgl. oben in Rn. 354). Es wirkt aber schon wie eine etwas konstruierte Differenzierung, wenn man ein „Verlangen des Vermieters“ fordert (damit die Anspruchsabwehr unzulässig wird?) – was nach dem Kontext ein ausdrückliches Zahlungsverlangen sein muss. Denn Zahlungsverlangen gibt es in Dauerschuldverhältnissen wie Mietverträgen auch, wenn auch der Mieter nicht monatlich ein Zahlungsaufforderungsschreiben zur Mietzahlung bekommt, sondern sich die Zahlungspflicht aus dem Mietvertrag ergibt. Andererseits handelt es sich bei einem Streit um die Mietpreisbremse um etwas, was Auswirkungen auf die künftig zu zahlende Miete hat, und es wäre mindestens lebensfremd, wenn man nach durchgeführter Mietpreisbremse mit Hilfe eines Inkasso-Dienstleisters dann für ein Aufforderungsschreiben an den Vermieter, sich künftig an das Recht zu halten, einen Rechtsanwalt beauftragen müsste. Die Argumentation des BGH, hier auf den engen Zusammenhang zwischen erlaubter Tätigkeit (Rückforderung zu viel gezahlter Miete) und einer damit eng im Zusammenhang stehenden Tätigkeit abzustellen, ist jedenfalls pragmatisch und überzeugend.

Rn505

8.2. Forderungsabwehr gehört zur Inkassotätigkeit

Dabei kann man nicht übersehen, dass die Trennung zwischen Inkasso, also Forderungseinziehung, und Forderungsabwehr kaum sinnvoll durchzuhalten ist. Das zeigt diese Entscheidung. Aber das Problem reicht weiter: Wenigermiete hatte sich in der Auseinandersetzung mit der Rechtsanwaltskammer Berlin wegen des Vorwurfs, sie betreibe unerlaubte Forderungsabwehr, u.a. damit verteidigt, dass überall dort, wo die Nicht-Abwehr einer Forderung in der weiteren Folge zu einer inkassofähigen (Rück-)Forderung führen kann, bereits die Abwehr der Forderung im Wege des Erst-Recht-Schlusses und in verfassungskonformer Auslegung des RDG von der Inkassoerlaubnis abgedeckt sein müsse. Denn es seien keine Sachgründe im Hinblick auf die Schutzzwecke des RDG ersichtlich, die eine Differenzierung zwischen einer so gelagerten Forderungsabwehr und einer (auf die Nicht-Abwehr folgenden) Forderungseinziehung begründen könnten.

Rn506

Dieser Argumentation kann man sich nicht verschließen. Denn wenn ein Mieter erst ohne Anerkennung einer Rechtspflicht auf eine unberechtigte Forderung zahlen muss, um dann einen nichtanwaltlichen Dienstleister mit der Rückforderung beauftragen zu dürfen, dann ist das sachlich nicht nachvollziehbar. So liegt es auch z.B. bei der Abwehr der Pflicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen: Zieht der Vermieter seine unberechtigte Forderung nach Durchführung von Schönheitsreparaturen nicht zurück und führt der Mieter die Arbeiten dann ohne Anerkennung einer Rechtspflicht durch, so entsteht unmittelbar ein Erstattungsanspruch (§ 812 BGB) im Hinblick auf die Kosten der Schönheitsreparaturen des Mieters gegen den Vermieter, der unzweifelhaft im Inkassowege geltend gemacht werden kann. Daher muss bereits die Abwehr der Schönheitsreparaturpflicht von der Inkassoerlaubnis erfasst sein, wenn es sich um das identische Rechtsverhältnis und den gleichen Streitgegenstand handelt.[35]

Rn507

8.3. Verfassungsrechtliche Aspekte der Unterscheidung zwischen Forderungsgeltendmachung und Forderungsabwehr

Der VIII. Senat brauchte sich mit dieser Argumentation nicht zu befassen, weil nach seiner Sicht das Aufforderungsschreiben schon keine Forderungsabwehr war. Um diese weitergehende Argumentation zur Geltung zu bringen, müsste sie ein Gericht dem BVerfG vorlegen, denn eine verfassungskonforme Auslegung des Inkassobegriffs dahingehend, dass auch Forderungsabwehr darunter fällt, würde bedeuten, dass die Abgrenzung zwischen anwaltlicher und nichtanwaltlicher Dienstleistung gar nicht mehr möglich wäre. Das ist im Ergebnis in vielen Bereichen auch gut vertretbar. Aber eine Auslegung, welche faktisch auf eine Nichtanwendung eines Gesetzes hinausläuft, ist dem BVerfG vorbehalten, und es wäre dann Sache des Gesetzgebers, dieses Thema konsistent zu regeln.

Rn508

Ausgehend von der kaum noch verständlichen Differenzierung zwischen Geltendmachung und Abwehr einer Forderung stellt sich aber die Frage, ob diese Differenzierung aus verfassungsrechtlicher Sicht noch haltbar ist. Das Ausgangsbeispiel zeigt, wie schwer es ist, zwischen der Geltendmachung und der Abwehr einer Forderung zu unterscheiden, die auf ein einheitliches Rechtsverhältnis zurückgeht. Worin liegt der Grund für die Ungleichbehandlung?

Rn509

Hier ist nicht der Ort für eine vertiefende verfassungsrechtliche Prüfung, aber prima vista ist es zweifelhaft, nicht nur ein und dieselbe Tätigkeit nur bezogen auf den Status unterschiedlich zu regulieren. Man muss sich außerdem mit Blick auf Art. 12 GG auch fragen, worin die Gründe des Gemeinwohls liegen sollen, nur die Forderungsabwehr der Anwaltschaft vorzubehalten, nicht aber die Forderungsgeltendmachung. Wenn die Berechtigung der Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 GG ursprünglich darin lag, die hohe Qualität der Rechtsberatung durch ein Monopol der Anwaltschaft zu sichern, dann ist dieses Argument inzwischen längst nicht mehr gültig, denn Inkassodienstleister dürfen ja Rechtsberatung vornehmen, wenn auch beschränkt auf die Geltendmachung einer (auch noch nicht entstandenen) Forderung.

Rn510

Was ist an der Forderungsabwehr so besonders oder so anders, dass es der Anwaltschaft vorbehalten bleiben muss? Wenn das RDG mit der Regulierung von Inkasso auch die Schuldner von Forderungen schützen soll, dann läge es eher nahe, bereits die Geltendmachung einer Forderung, die einen Schuldner unter erheblichen Druck setzen kann, Anwälten vorzubehalten, nicht aber die Verteidigung gegen eine solche Forderung. Die Entscheidung, Inkasso nicht den Anwälten vorzubehalten, hat der Gesetzgeber aber schon vor vielen Jahren getroffen, und es sind keine Gründe des Gemeinwohls ersichtlich, diese Entscheidung jetzt zum Schutz einer Berufsgruppe wieder zurückzunehmen.[36]

Rn511

Folglich stehen Verhältnismäßigkeit und Kohärenz in Frage: Denn schon die Eignung der gesetzlichen Beschränkung zur Erreichung des Ziels ist zweifelhaft, aber unabhängig davon ist ein komplettes Verbot nicht erforderlich. Vielmehr reicht eine begleitende Regulierung von Dienstleistern. Denn wenn das eine – Forderungseinziehung – einem regulierten Dienstleister erlaubt ist, dann kann man dem Dienstleister die Kehrseite davon nicht ohne weiteres verbieten, ohne in verfassungsrechtlich tiefe Wasser zu geraten.

Rn512

8.4. Der Gesetzgeber ist nach wie vor gefordert

Der Gesetzgeber hat mit dem Legal-Tech-Gesetz versucht, unter Wahrung der Grundprinzipien des RDG das Konkurrenzverhältnis in den Griff zu bekommen. Das ist ihm leidlich gelungen, aber eben nicht abschließend. In der Begründung zum Legal Tech-Gesetz wurde dafür plädiert, den Inkassobegriff nicht zu weit zu verstehen.[37] Das geschieht hier auch nicht: Bei der Gegenüberstellung von Forderungsbeitreibung und Forderungsabwehr geht es ja nicht um begleitende Tätigkeiten neben der Einziehung einer Forderung, sondern um das Spiegelbild der Einziehung, nämlich der Abwehr einer unberechtigten Forderung, die man rein logisch nicht anders behandeln kann als ihre Geltendmachung. Es geht demnach nicht um die Erweiterung des Begriffs „Inkasso“, sondern um die Erweiterung der Befugnis von Dienstleistern, das Eine (Geltendmachung) betreiben zu dürfen, nicht aber das spiegelbildlich identische Andere (Abwehr).

Rn513

Berücksichtigt man darüber hinaus die Pläne der Ampelkoalition, den Rechtsrahmen für Legal Tech-Unternehmen zu erweitern, erweist sich: Der Konkurrenzkampf wird sich fortsetzen, und die Fragen, welchen Sinn das RDG eigentlich noch hat, werden lauter werden. Das RDG hat seine Zeit gehabt und muss durch ein modernes Regelwerk ersetzt werden, mit dem der Bereich der außergerichtlichen Rechtsdienstleistung reguliert, aber nicht mehr der Anwaltschaft vorbehalten bleibt. Erste Vorschläge dazu gibt es bereits.[38] Das stellt die Unverzichtbarkeit der Anwaltschaft nicht in Frage, sondern bereitet im Gegenteil den Weg zu einer Anwaltschaft im 21. Jahrhundert und der Bewältigung der Herausforderungen der Digitalisierung.

Rn514

9. Der Bestell-Button und 312j BGB

Die vorliegende Entscheidung ist aber auch aus einem anderen Gesichtspunkt von Bedeutung. Der Bestellbutton auf der Website von wenigermiete wies die Formulierung „Mietsenkung beauftragen“ auf. Das war anders als in früheren Fällen, in denen es auf dem Bestellbutton „Auftrag verbindlich erteilen“ hieß. Für die ZK67 ist diese Formulierung schon ein starkes Indiz dafür, dass wenigermiete außerhalb der Inkassolizenz agiere, aber das kann hier dahinstehen. Denn die Zulässigkeit solcher Formulierungen beurteilt sich nach § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB, wonach bei Bestellungen über eine Schaltfläche ein Vertrag nur dann zustande kommt, wenn diese Schaltfläche

„gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern ‚zahlungspflichtig bestellen‘ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist“.

Die Formulierung „Mietsenkung beauftragen“ ist aber möglicherweise keine solche eindeutige Formulierung. Folglich war es in der Revision fraglich, ob die Inkassozession nicht bereits daran gescheitert sei.

Rn515

Dieses Argument hat einiges für sich, ganz unabhängig davon, ob man die paternalistische gesetzliche Regelung für die Beschriftung von Bestellbuttons goutiert oder nicht. Der VIII. Senat erkannte das Argument grundsätzlich an, wollte hier aber wegen der Besonderheiten des Geschäftsmodells von wenigermiete nicht den Wortlaut von § 312j Abs. 3 BGB zugrunde legen, sondern ausgehend vom Schutzzweck entscheiden. Denn mit § 312j BGB, der weit auszulegen sei, werde das Ziel verfolgt, Verbraucher vor Abofallen und ähnlichem zu schützen. Um so etwas gehe es hier aber nicht, weil Mieter nicht in jedem Fall zur Zahlung verpflichtet seien, sondern nur im Erfolgsfall. Im Gegenteil könnte eine solche Formulierung den Mieter – entgegen der Zielsetzung des Gesetzes und der hierdurch umgesetzten Richtlinie – verwirren, weil die Leistung von wenigermiete eben nicht in jedem Fall kostenpflichtig sei, die Buttonaufschrift dies aber nicht zum Ausdruck brächte.[39] Daher sei § 312j BGB nicht anwendbar.[40]

Rn516

Die Vorschrift des § 312j BGB setzt Art. 8 der Verbraucherrechterichtlinie[41] um. Folglich liegt die Zuständigkeit für die Beantwortung von Auslegungsfragen, die sich in einem letztinstanzlichen Verfahren vor einem nationalen Gericht stellen, grundsätzlich beim EuGH (Art. 267 AEUV). Der BGH (a.a.O.) meinte jedoch, darüber selbst entscheiden zu können, ohne die Sache dem EuGH vorlegen zu müssen:

„Entscheidungserhebliche Fragen der Auslegung der RL 2011/83/EU stellen sich insoweit nicht, weil ihre Zielsetzung derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt, so dass von einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union abzusehen ist („acte clair“; grundlegend hierzu EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2021 - C-561/19, NJW 2021, 3303 Rn. 33, 39 ff. - Consorzio Italian Management e Catania Multiservizi SpA).“ (Hervorhebung hinzugefügt).

Rn517

Das war möglicherweise vorschnell. Denn knapp drei Monate später wurde eine Entscheidung des EuGH veröffentlicht, die sich mit der Formulierung auf einem Bestellbutton befasste. Das AG Bottrop hatte dem EuGH die Frage vorgelegt, ob es bei der Auslegung einer Formulierung auf einem Bestellbutton ausschließlich auf den Bestellbutton als solchen ankomme, oder ob man aus den Umständen des Falles Rückschlüsse darauf ziehen könne, dass der Verbraucher die Kostenpflichtigkeit einer Bestellung gar nicht hätte missverstehen können, auch wenn die entsprechenden Begriffe auf den Bestellbutton gefehlt hätten. Nach Auffassung des EuGH kommt es allein auf die Formulierung auf dem Bestellbutton an, nicht aber auf weitere Umstände des Einzelfalls:

„Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der RL 2011/83/EU (…) ist dahin auszulegen, dass es für die Feststellung, ob im Rahmen eines Bestellvorgangs zum Abschluss eines Fernabsatzvertrags auf elektronischem Wege eine auf der Schaltfläche für die Bestellung oder auf einer ähnlichen Funktion verwendete Formulierung wie „Buchung abschließen“ den Worten „zahlungspflichtig bestellen“ im Sinne dieser Bestimmung „entspricht“, allein auf die Worte auf dieser Schaltfläche oder dieser ähnlichen Funktion ankommt.“[42] (Hervorhebung hinzugefügt).

Rn518

Wenn es aber nur auf die Worte auf einer solchen Schaltfläche ankommt, dann ist für eine schutzzweckorientierte Auslegung kein Raum mehr.[43] Für die Fortsetzung des Streits zwischen der ZK67 und dem BGH liegt also in der Luft, dass die ZK67 künftig geneigt sein könnte, an eine Vorlage an den EuGH zu denken, wenn es bei der jetzigen Formulierung auf dem Bestellbutton bleibt.[44] In einer Anmerkung zu der hier besprochenen Entscheidung des BGH, die vor der Veröffentlichung der Entscheidung des EuGH geschrieben wurde, fanden sich Überlegungen, wie eine Schaltfläche von wenigermiete gesetzeskonform formuliert werden könnte:

„Mein Vorschlag, ebenso klar wie relativ, minimiert erkennbare Vertriebsdefizite aufseiten von „wenigermiete.de“ und nimmt den Vorwurf eines jedenfalls in der Breite geringeren Mieterschutzes hin (für Gegner von 3-Wort-Varianten wäre das „gegen“ im Vorschlag durch ein Komma – kein „Wort“, sondern Satzzeichen – ersetzbar): „Bestellen gegen Erfolgshonorar“.“[45]

Rn519

10. Ergebnis

Der Rechtsmarkt präsentiert sich konfus. Das ist nicht erst seit gestern so. Bereits im Jahr 2018 hieß es in einer Anmerkung zu einer Entscheidung der ZK67:

„Das Rechtsberatungsmonopol der Anwaltschaft hat nach den Buchstaben des Gesetzes nur wenige Lücken. Die Praxis freilich sieht anders aus: Rechtsschutzversicherer halten ihre Kunden unter Verstoß gegen § 4 RDG mit „Telefonmediationen“ von der Rechtsdurchsetzung ab, Anwälte arbeiten entgegen § 49 b II 1 BRAO, § 4 a I 1 RVG routinemäßig auf der Basis von Erfolgshonoraren und nicht-anwaltliche Dienstleister vermitteln in erheblichem Umfang Mandate gegen Zahlung von Provisionen, ohne sich um das Verbot des § 49 b III 1 BRAO zu scheren. Die Anwaltskammern, die dem Berufsrecht zur Durchsetzung verhelfen könnten, verharren angesichts dessen in Lethargie.“[46]

Rn520

Das illustriert noch einmal das Problem unseres Mieters im Ausgangsfall. Ob ihm ein Inkassodienstleister helfen darf, hängt davon ab, ob er bereits gezahlt hatte. Wenn das so war, dann darf ein nichtanwaltlicher Dienstleister helfen. Andernfalls nicht. Es gibt keinen vernünftigen Grund für diese rechtspolitisch und verfassungsrechtlich zweifelhafte Differenzierung. Natürlich ist diese unterschiedliche Behandlung ein und desselben Sachverhalts dadurch entstanden, dass innovative Dienstleister auf Basis einer Inkassolizenz Dienstleistungen anbieten, für die ursprünglich die Inkassolizenz „eigentlich“ nicht gedacht war. In der Tat verstand man im Jahr 2007 unter „Inkasso“ nur das Mengen- oder Masseninkasso von Unternehmen gegenüber Verbrauchern. Niemand wäre auf die Idee gekommen, ein solches Inkassounternehmen um Rechtsrat bei der Forderungsabwehr zu bitten. Erst dadurch, dass Inkasso für Verbraucher gegen Unternehmen durchgeführt wurde, ist es dazu gekommen.

Rn521

Geändert haben sich die tatsächlichen Verhältnisse. Aber Gesetze müssen stets daraufhin überprüft werden, ob sie noch zukunftsgeeignet oder bloße Relikte aus alter Zeit sind. Allerdings hatte das Bundesverfassungsgericht bereits in den Entscheidungen Inkasso I und II aus den Jahren 2002 und 2004[47], lange vor Schaffung des RDG, vorgezeichnet, was im Bereich des Inkassos durch nichtanwaltliche Dienstleister zulässig ist und was nicht. Hätte man diese Vorgaben im Jahr 2007 bei der Ablösung des RBerG durch das RDG berücksichtigt, wären der Rechtspraxis die heutigen Ungewissheiten erspart geblieben.

Rn522

Vermutlich liegt die Lösung darin, die außergerichtliche Rechtsberatung nicht mehr ausschließlich den Rechtsanwälten vorzubehalten, sondern wie in anderen europäischen Mitgliedstaaten auch regulierte nichtanwaltliche Rechtsdienstleister zuzulassen. Dass die Anwaltschaft aus Sorge vor der wachsenden Konkurrenz alles tut, um eine solche Entwicklung zu verhindern, ist nicht einmal unverständlich. Es ist aber zu kurzsichtig gedacht und aus Sicht der Rechtsuchenden nicht hilfreich. Gerade im Wohnraummietrecht, wo es wegen der Honorarstruktur des RVG kaum noch anwaltliche Unterstützung für Mieter gibt, wäre es längst Zeit für eine Liberalisierung.

Rn523

 


 

[1]             In diesem Beitrag wird ausschließlich die generische männliche Form verwendet, ohne dass dadurch irgendeine denkbare Form des Sexus ausgeschlossen werden soll.

[2]             Selk, Das Ende guter Rechtsberatung, Editorial in NJW aktuell 5/2019.

[3]             Interview von Hasso Suliak mit Prof. Dr. Markus Artz in LTO vom 15.9.2020: www.lto.de/recht/hintergruende/h/mietgerichtstag-mietendeckel-wohnraummiete-gewerbemiete-minderung-anwaelte-verguetung-corona-schoenheitsreperaturen/.

[4]             Im Zuge der Fertigstellung dieses Beitrags wurde das Werk von Flory, Grenzen inkassodientlicher Rechtsdienstleistungen, Dissertation Köln 2022 veröffentlicht. Die eingehende Analyse war nicht mehr möglich, allerdings geht Flory ausweislich ihrer Schlussthesen von einem engen („traditionellen“) Inkassobegriff aus, der alleine von der Vorstellungswelt des historischen Gesetzgebers geprägt sein soll, vgl. These Nr. 1, S. 271. Mit der nachfolgend behandelten Rechtsprechung ist das nur schwer vereinbar.

[5]         Seinerzeit wurde in Abrede gestellt, dass ein Geschäftsmodell, welches Forderungsbeitreibung mit Kostenfreistellung kombiniere, von der Inkassolizenz gedeckt sei, vgl. Greger, MDR 2018, 897ff.; Kluth, VuR 2018, 403ff.; Henssler, NJW 2019, 545ff.; alle diese Beiträge beriefen sich im Wesentlichen auf einen Beitrag von Valdini, BB 2017, 1609; dagegen schon damals Hartung, BB 2017, 2825 ff.; zusammenfassend Hartung, AnwBl Online 2019, 353; ebenso Tolksdorf, ZIP 2021, 2049; der BGH ist der einschränkenden Auslegung in wenigermiete I (siehe FN. 8) nicht gefolgt, inzwischen ist dieses Geschäftsmodell durch die Klarstellung in § 4 RDG anerkannt.

[6]             BGH, Urteil v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, NJW 2020, 208 (Lexfox/wenigermiete I), dazu Fries, NJW 2020, 193, der fragte, ob nun das „Totenglöcklein“ für das Anwaltsmonopol geläutet habe.

[7]             BGH, Urteil v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, NJW 2020, 208, 219 Rn. 96 (Lexfox/wenigermiete I).

[8]             BGH, Urteil v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, NJW 2020, 208, 228 Rn. 162 (Lexfox/wenigermiete I).

[9]             Dass ein Legal Tech Inkassodienstleister auch für solche Fälle passende Angebote unterbreitet, braucht hier nicht diskutiert zu werden. Es handelt sich aber dann nicht um originäre Inkassotätigkeit, sondern z.B. um das Angebot einer Prozesskostenfinanzierung mit oder ohne Vermittlung eines Anwalts. Vielleicht merkt man das auf der Homepage nicht so direkt, wie die Hilfeleistung rechtlich funktioniert, aber für Verbraucher ist das auch nicht so wichtig.

[10]            Siehe den Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2021 Abschnitt B Rn. 60, S. 33 f., verfügbar unter www.berlin.de/gerichte/landgericht/das-gericht/zustaendigkeiten/gvp-2021-beschlossene-fassung-stand-20201214-final.pdf.

[11]            Bei „wenigermiete“ handelt es sich um den Namen der Homepage, nicht um den Namen des Dienstleisters. Dieser hieß ursprünglich Mietright GmbH und änderte seine Firma erst in Lexfox und danach in Conny. In diesem Beitrag wird der Begriff wenigermiete verwendet, weil er so in der Rechtsprechung bekannt ist.

[12]            Zuletzt LG Berlin, Urteil v. 22.10.2020 – 67 S 167/20, NJOZ 2021, 107 m.w.N. (nicht rechtskräftig, Revision ist beim BGH zu Az. VIII ZR 358/20 anhängig); siehe auch LG Berlin, Urteil v. 29.4.2020 – 64 S 95/19 (Vorinstanz AG Charlottenburg), MMR 2021, 358; LG Berlin, Urteil v. 28.8.2018 – 63 S 1/18, BeckRS 2018, 19885 (Vorinstanz AG Lichtenberg); diese Entscheidung der ZK 63 war diejenige, die in der Revisionsentscheidung des BGH in wenigermiete I aufgehoben wurde.

[13]            LG Berlin, Urteil v. 13.08.2018 – Az. 66 S 18/18, VuR 2018, 466 (Vorinstanz: AG Tempelhof-Kreuzberg); LG Berlin, Urteil v. 22.8.2018 – 65 S 83/18, BeckRS 2018, 24838 (Vorinstanz AG Neukölln); zum Streit zwischen den Berliner Mietberufungskammern vgl. auch die Anm. von Fries, NJW 2018, 2901, 2904 (Anm. zur Entscheidung des LG Berlin v. 26.7.2018 – 67 S 157/18). Ähnlich wie die ZK65 und 66 urteilt die ZK15: Vor einiger Zeit wollte die RAK Berlin einen Unterlassungsanspruch gegen wenigermiete wg. eines behaupteten Verstoßes gegen das RDG durchsetzen, war damit aber nicht erfolgreich, vgl. LG Berlin, Urteil v. 15.1.2019 – 15 O 60/18, BeckRS 2019, 92.

[14]            Die Zivilkammern 63 und 64 haben allerdings, soweit ersichtlich, ihren Widerstand mit Blick auf den Umfang der Inkassolizenz aufgegeben. Die ZK64 hat sich nun auf die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses verlegt und vertritt insoweit eine andere Auffassung als der BGH, vgl. BGH, Urteil vom 23.3.2022 – VIII ZR 133/20, BeckRS 2022, 7988.

[15]            Zusammenfassend Hartung, AnwBl 2021, 152; ders., AnwBl Online 2020, 8.

[16]            BGH, Urteil v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, NJW 2020, 208 (Lexfox/wenigermiete I).

[17]            Überblick der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats bei Petrasincu/Unseld, RDi 2021, 361, 362 f. (Fn. 8).

[18]            BGH, Urteil v. 13.7.2021 – II ZR 84/20 (AirDeal/Sammelklage-Inkasso), NJW 2021, 3046; dazu v. Bernuth, AnwBl 2022, 222; Petrasincu/Unseld, NJW 2022, 1200 ff.; Tolksdorf ZIP 2019, 1401.

[19]            BGH, Urteil v. 9.9.2021 – I ZR 113/20 (Smartlaw), LTZ 2022, 63, mit Anm. Hartung.

[20]            Legal Tech-Gesetz ist die Kurzfassung des Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt, das am 1.10.2021 in Kraft getreten ist und maßgebliche Änderung in BRAO, RVG und RDG eingeführt hat (Stichwort Erfolgshonorare usw.); guter Überblick dazu bei Lührig in AnwBl Online vom 25.6.2021, www.anwaltsblatt.anwaltverein.de/de/anwaeltinnen-anwaelte/berufsrecht/erfolgshonorar-legal-tech-inkasso-gesetz.

[21]            Kritisch zum Urteil des II. Zivilsenats z.B. Prütting, EWiR 2022, 549; Remmertz, RDi 2022, 219; von der Entscheidung des BGH abweichend OLG Schleswig, Urteil v. 11.1.2022 – 7 U 130/21 mit kritischer Anm. Timmermann/Engler, RDi 2022, 217.

[22]            Die Bundestagsentschließungen und deren Hintergrund finden sich bei Römermann, in Tölle/Benedict u.a. (Hrsg.), Selbstbestimmung: Freiheit und Grenzen, Festschrift für Reinhard Singer zum 70. Geburtstag, 2021, S. 561, 563 ff.

[23]            BGH, Urteil v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, NJW 2020, 208, 229 (Lexfox/wenigermiete I); zustimmend Flory (Fn. 6), S. 274 Schlussthese 16.

[24]            Vgl. dazu die kritische Bestandsaufnahme von Kilian, AnwBl 2019, 662 zur missbräuchlichen Verwendung des Begriffs „Organ der Rechtspflege“; zu den Positionen der Anwaltschaft im Verhältnis zu nichtanwaltlichen Rechtsdienstleistern vgl. die Stellungnahme der BRAK Nr. 2 von Januar 2022.

[25]            BGH, Urteil v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, NJW 2020, 208, 229.

[26]            Börstinghaus, NZM 2019, 225.

[27]            BGH, Urteil v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18 (Lexfox/wenigermiete I), NJW 2020, 208; Vorinstanz: LG Berlin, Urteil v. 28.8.2018 – 63 S 1/18, BeckRS 2018, 19885; BGH, Urteil v. 8.4.2020 – VIII ZR 130/19 (Lexfox/wenigermiete II), NJW-RR 2020, 779; Vorinstanz: LG Berlin, Urteil v. 4.4.2019 – 67 S 16/19, BeckRS 2020, 8218; BGH, Urteil v. 6.5.2020 – VIII ZR 120/19, BeckRS 2020, 11460; Vorinstanz: LG Berlin, Urteil v. 4.4.2019 – 67 S 329/18; BGH, v. vom 27.5.2020 – VIII ZR 45/19 (wenigermiete III), NZM 2020, 551; Vorinstanz: LG Berlin, Urteil v. 19.12.2018 – 65 S 190/18; BGH, Versäumnisurteil v. 27.5.2020 – VIII ZR 31/19, BeckRS 2020, 15802; Vorinstanz: LG Berlin, Urteil vom 24.1.2019 – 67 S 277/18; BGH, Teilanerkenntnis- und Schlussurteil vom 27.5.2020 – VIII ZR 129/19, BeckRS 2020, 15829; Vorinstanz LG Berlin, Urteil vom 4.4.2019 – 67 S 352/18; BGH, Versäumnisurteil vom 27.5.2020 – VIII ZR 128/19, BeckRS 2020, 16800; Vorinstanz: LG Berlin, Urteil v. 4.4.2019 – 67 S 365/18; BGH, Versäumnisurteil v. 27.5.2020 – VIII ZR 121/19, BeckRS 2020, 16799; Vorinstanz: LG Berlin, Urteil v. 4.4.2019 – 67 S 318/18.

[28]            BGH, Urteil vom 19.1.2022 – VIII ZR 122/21, BeckRS 2022, 3929 – gegen LG Berlin, Urteil vom 29.4.2021 – 67 S 154/19; BGH, Urteil vom 19.1.2022 – VIII ZR 123/21, NJW-RR 2022, 376 (mit Anmerkung Kappus, NZM 2022, 207); BGH, Urteil vom 19.1.2022 – VIII ZR 124/21, BeckRS 2022, 4371 – gegen LG Berlin, Urteil v. 29.4.2021 – 67 S 144/19; BGH, Urteil v. 19.1.2022 – VIII ZR 196/21, BeckRS 2022, 4751 – gegen LG Berlin, Urteil v. 17.6.2021 - 67 S 119/19; BGH, Versäumnisurteil vom 19.1.2022 – VIII ZR 220/21, BeckRS 2022, 5178 – gegen LG Berlin, Urteil v. 15.7.2021 – 67 S 58/21.

[29]            BGH, Urteil v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, NJW 2020, 208, 218 Rn. 90 (Lexfox/wenigermiete I).

[30]            BGH, Urteil v. 6.5.2020 – VIII ZR 120/19, BeckRS 2020, 11460.

[31]            BVerfG, Urteil v. 5.5.2021 – 1 BvR 526/19, NJW-RR 2021, 1436 Rn. 23.

[32]            BVerfG, Beschluss v. 29.11.2005 – 1 BvR 1542/05, BeckRS 2005, 31096; weitere Nachweise bei BeckOK BVerfGG/von Ungern-Sternberg, 12. Ed. 1.12.2021, BVerfGG § 95 Rn. 26.

[33]            Während der Niederschrift wurde eine weitere Entscheidung des BGH, Urteil vom 30.3.2022 – VIII ZR 279/21 bekannt, mit der eine Entscheidung der ZK67 aufgehoben wurde. Die Formulierungen im BGH-Urteil sind teilweise identisch mit anderen Revisionsentscheidungen des VIII. Senats, offenbar werden auch Textbausteine verwendet.

[34]            BGH, Urteil v. 19.1.2022 – VIII ZR 123/21, BeckRS 2022, 1889 Rn. 30.

[35]            Das LG Berlin (Urteil v. 15.1.2019 – 15 O 60/18, BeckRS 2019, 92; Verfahren der RAK Berlin gegen wenigermiete) musste sich mit dieser Argumentation nicht befassen, weil es schon aus anderen Gründen der Auffassung war, dass keine unzulässige Hilfe bei einer Forderungsabwehr vorliege.

[36] A.A. Flory (FN. 6), S. 274 Schlussthese 15; darauf wird hier nur der Vollständigkeit halber verwiesen. Eine eingehende Auseinandersetzung mit dem gerade erschienenen Werk von Flory kann hier nicht stattfinden.

[37]            v. Bernuth, AnwBl 2022, 222, 223 unter Verweis auf die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 19/27673, S. 39.

[38]            Vgl. Römermann, in Tölle/Benedict u.a. (Hrsg.), Selbstbestimmung: Freiheit und Grenzen, Festschrift für Reinhard Singer zum 70. Geburtstag, 2021, S. 561, 571 ff.; Kluth, LRZ 2022, Rn. 81, 103 ff.; vorher bereits Halmer, REthinking Law 2019, 4.

[39]            BGH, Urteil v. 19.1.2022 – VIII ZR 123/21, NJW-RR 2022, 376, 381 (Rn. 55).

[40]            Das galt nur für diese spezielle Fallkonstellation. Denn mit einem Urteil vom gleichen Tag, VIII ZR 122/21, BeckRS 2022, 3929 (Mietsenkung beauftragen II), hatte der BGH in einer anderen Fallkonstellation entschieden, dass der Bestellbutton in dieser Form nicht ausreiche, dazu Stiegler, NJW 2022, 1421, 1423 Rn. 13.

[41]            Richtlinie 2011/83/EU, ABl. L 304 v. 22.11.2011, 64.

[42]            EuGH, Urteil v. 7.4.2022 – C-249/21, BeckRS 2022, 6787 Rn. 35; dazu Stiegler, NJW 2022, 1421 ff.

[43]            Ähnlich Stiegler, NJW 2022, 1421, 1423 Rn. 12.

[44]        Dass der BGH am gleichen Tage zwei Entscheidungen getroffen hat, in der ein- und derselbe Bestellbutton von wenigermiete einmal als zulässig erachtet wurde (VIII ZR 123/21) und einmal nicht (VIII ZR 122/21), sorgt nicht unbedingt für Rechtssicherheit. Nach Fertigstellung dieses Beitrages wurde bekannt, dass die ZK67 ein weiteres Verfahren wegen dieser Frage ausgesetzt und dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt hat, vgl. LG Berlin Beschluss v. 2.6.2022 – 67 S 259/21, BeckRS 2022, 12182. In der umfangreichen Begründung wendet sich die ZK67 gegen die Annahme eines „acte clair“, denn diese Doktrin scheitere „hier bereits daran, dass die Beantwortung der vorgelegten Rechtsfrage von der veröffentlichten nationalen Instanzrechtsprechung und der nationalen rechtswissenschaftlichen Literatur einhellig anders beurteilt wird als von der Rechtsprechung eines Senats des nationalen Revisionsgerichts“ (vgl. Rn. 66).

[45]            Kappus, NZM 2022, 207, 209.

[46]            Fries, NJW 2018, 2901, 2904.

[47]            BVerfG, Urteil v. 20.2.2002 – 1 BvR 423/99 u.a. (Inkasso I), NJW 2002, 1190; BVerfG, Urteil v. 14.8.2004 – 1 BvR 725/03 (Inkasso II), NJW-RR 2004, 1570.

 

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