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Im Zuge der BGB-Digitalreform Anfang 2022 hat der Gesetzgeber in § 327a Abs. 3 BGB einen wichtigen Wegweiser aufgestellt. An dieser Vorschrift entscheidet sich, inwieweit sich Kombinationsverträge mit einem teilweise körperlichen und teilweise digitalen Vertragsgegenstand ausschließlich nach dem reformierten Kaufrecht oder auch nach dem neuen Digitale-Produkte-Recht beurteilen. Die Kontur des dafür geschaffenen Begriffs der Ware mit digitalen Elementen ist allerdings unscharf. Die folgende Darstellung diskutiert denkbare Kriterien für die Subsumtion unter diesen Begriff und leistet damit einen Beitrag zu einem besseren Verständnis der Vorschrift.

1. Einführung

Die europäische Digitale-Inhalte-Richtlinie1 hat den deutschen Gesetzgeber veranlasst, das zuvor bereits mehrschichtige Schuldrechtssystem um eine weitere Ebene zu ergänzen. Neben die in den §§ 312 ff. BGB niedergelegten Sonderregeln für bestimmte Vertragspartnerrollen und die in den §§ 433 ff. BGB beheimateten Spezialregeln für unterschiedliche Vertragstypen tritt seither in den §§ 327 ff. BGB die neue Kategorie der Verträge über digitale Produkte, die eine zweite Dimension von Vertragstypen eröffnet, die sich mit den im Schuldrecht BT formierten Vertragstypen teilweise überschneiden. Insbesondere im Hinblick auf die Mängelgewährleistung hat diese Überlagerung hat zur Folge, dass es Regeln dafür geben muss, welche Anspruchsgrundlagen in welchen Fällen den Vorrang erhalten.

Rn497

Im Grundsatz hat sich der Gesetzgeber hier für eine gespaltene Betrachtung kombinierter Vertragsgegenstände entschieden: Für die rechtliche Beurteilung des digitalen Vertragsgegenstands sollen primär die §§ 327b ff. BGB greifen,2 während sich der körperliche Vertragsgegenstand ausschließlich nach den klassischen Regeln des Schuldrecht BT beurteilt. Entsprechende Scharnierregeln finden sich in den §§ 327a Abs. 1 und 2, 516a, 578b, 620 Abs. 4 und 650 Abs. 2-4 BGB. Dieser Grundsatz erfährt allerdings eine wichtige Ausnahme: Für bestimmte Kaufverträge über digitale Produkte gilt auch im Hinblick auf den digitalen Vertragsgegenstand ausschließlich das Kaufrecht, das man zu diesem Zweck auch für Digitalsachverhalte ertüchtigt hat. Die zentrale Norm für diese Ausnahme findet sich in § 327a Abs. 3 BGB. Danach ist das Kaufrecht ausschließlich anwendbar, wenn die Sache ohne das digitale Produkt nicht funktionieren kann.

Rn498

Nicht immer macht es einen Unterschied, ob diese Ausnahme greift und die Anwendung der §§ 327b ff. BGB ausschließt. Schließlich gibt es im Digitale-Produkte-Recht und im Kaufrecht sehr ähnliche Mängelbegriffe und sehr ähnliche Gewährleistungsrechte. Dennoch ist eine treffende Subsumtion unter die Vorschrift von mehr als nur akademischer Bedeutung: Im Unterschied zum kaufrechtlichen Sachmangelbegriff umfasst der digitalproduktrechtliche Mangelbegriff in § 327e Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB auch die Nichtbereitstellung eines vereinbarten Kundendiensts sowie in § 327e Abs. 3 S. 1 Nr. 6 BGB auch die Nichtbereitstellung der neuesten verfügbaren Version des Produkts. Zudem bejaht das Digitale-Produkte-Recht in § 327g BGB einen Rechtsmangel bereits bei Nicht-Nutzbarkeit des Produkts, statuiert in § 327r BGB hohe Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Produktänderungen und regelt in §§ 327o und 327p BGB digitalspezifisch ausdifferenzierte Rechtsfolgen der Vertragsbeendigung, die sich grundlegend vom Rücktrittsfolgenrecht der §§ 346 ff. BGB unterscheiden.3 Eine möglichst klare Kontur des gesetzlichen Wegweisers in § 327a Abs. 3 S. 1 BGB ist daher letztlich doch von großem Interesse.

Rn499

2. Waren mit digitalen Elementen

Die Entscheidung über die alleinige Anwendung des Kaufrechts hängt am neu eingeführten Begriff der Waren mit digitalen Elementen in § 327 Abs. 3 S. 1 BGB, der die Vorgabe aus Art. 2 Nr. 3 und Art. 3 Abs. 4 der Digitale-Inhalte-Richtlinie wortgleich umsetzt. Um eine Ware mit digitalen Elementen handelt es sich dann, wenn eine bewegliche Sache4 ihre Funktionen nicht ohne das mitverkaufte digitale Produkt erfüllen kann. Ist dies der Fall, sind die §§ 327 ff. BGB aus dem Spiel und es findet ausschließlich Kaufrecht Anwendung. Nur wenn das digitale Produkt in dieser Weise funktionsnotwendig ist, versagt ihm das Gesetz die Anerkennung als eigenständiges Vertragselement und ordnet es dem Kaufrecht unter.5

Rn500

Weil im beginnenden Internet der Dinge immer mehr Gegenstände Daten verarbeiten und sich über Software steuern oder in ihren Funktionen erweitern lassen, wächst die Zahl derjenigen Vertragsgegenstände stetig, deren Einordnung als Waren mit digitalen Elementen man zumindest diskutieren kann. Unstreitig unter diesen Begriff fallen vorinstallierte Betriebssysteme wie etwa iOS auf einem Apple-Smartphone, ohne das sich ein solches Gerät allenfalls als Briefbeschwerer eignet. Die Digitale-Inhalte-Richtlinie6 nennt als Beispiele darüber hinaus ein Smart-TV-Gerät mit einer bei Vertragsschluss mitgebuchten Video-Anwendung, ein Smartphone mit der darauf installierten Alarm- und Kamerasoftware sowie eine Smartwatch und die zugehörige, auf einem Smartphone betriebene Steueranwendung.

Rn501

An diesen Beispielen lässt sich bereits erkennen, dass eine Sache nicht erst dann als Ware mit digitalen Elementen einzuordnen sein soll, wenn nur das digitale Produkt ihr überhaupt Leben einhauchen kann. Vielmehr zeigen die Beispiele von Alarm- und Kamerasoftware, dass auch nicht-zentrale Anwendungen als funktionsnotwendig im Sinne von § 327a Abs. 3 S. 1 BGB gelten können. Das wiederum wirft die Frage auf, unter welchen Umständen ein digitales Produkt überhaupt einmal nicht funktionsnotwendig für die mitverkaufte Sache sein könnte. Wäre nämlich jede in der Sache enthaltene oder mit ihr verbundene Software funktionsnotwendig, hätte sich der Gesetzgeber diese Tatbestandsvoraussetzung auch sparen und in § 327a Abs. 3 S. 1 BGB einfach jegliche Kaufverträge von der Grundregel des § 327a Abs. 2 BGB ausnehmen können.

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3. Kriterien für die Funktionsnotwendigkeit eines digitalen Produkts

Grundsätzlich wäre es möglich, die Frage nach der Funktionsnotwendigkeit eines digitalen Produkts einer freien Bewertung des Einzelfalls zu überlassen7 und dabei § 327a Abs. 3 BGB mit dem Ziel eines weitgehenden Verbraucherschutzes möglichst eng auszulegen.8 Diese Herangehensweise erscheint allerdings nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung ähnlicher Fälle dogmatisch unbefriedigend. Begibt man sich vor diesem Hintergrund auf die Suche nach einem tragfähigen Kriterium für die Funktionsnotwendigkeit digitaler Produkte, sind verschiedene Ansatzpunkte denkbar.

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3.1. Unterscheidung nach der Bedeutung des digitalen Elements

Eine mögliche Deutung des § 327a Abs. 3 S. 1 BGB besteht darin, die Kaufsache nur dann als Ware mit digitalen Elementen anzusehen, wenn das digitale Produkt eine wesentliche Funktion für die Nutzung der Sache eröffnet.9 Aus dieser Perspektive heraus wäre ein Smartphone im Hinblick auf die Telefonfunktion, die Browser-App und das Mailprogramm eine Ware mit digitalen Elementen im Sinne des § 327a Abs. 3 S. 1 BGB, während der Kompass und das Maßband als nicht funktionsnotwendig gälten und insoweit §§ 327b ff. BGB Anwendung fänden; über die Einordnung von Wetter-App10 und Schrittzähler könnte man streiten. Bei einer smarten Waschmaschine gälte die Bedien-App als nicht funktionsnotwendig, wenn bei ihrem Ausfall der Betrieb des Geräts unter Inkaufnahme geringerer Energieeffizienz noch möglich wäre. Und ebenso wäre das Navigationssystem eines Autos als nicht funktionsnotwendig anzusehen, solange sich das Fahrzeug auch ohne diese Software steuern ließe.

Rn504

Für diese Grenzziehung spricht, dass sie das Kaufrecht zu Gunsten des Digitale-Produkte-Rechts ein Stück weit zurückdrängt, was im Hinblick auf die oben11 erwähnten kundenfreundlichen Regelungen der §§ 327b ff. BGB dem gerade im Europarecht deutlich akzentuierten Ziel eines effektiven Verbraucherschutzes entgegenkäme. Hinzu kommt, dass in § 327a Abs. 3 BGB von Funktionen der Ware und nicht von Funktionen des digitalen Produkts die Rede ist.12 Und solange eine Waschmaschine noch waschen und ein Auto noch fahren kann, scheinen diese Funktionen unbeeinträchtigt zu sein.

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Gerade an dieser Stelle kann man indessen auch einen anderen Blickwinkel einnehmen: Die Zeiten, in denen Fahrzeuge nur rollen und Telefone nur Gespräche aufbauen konnten, sind längst vorbei. Autos sind heute Fortbewegungsmittel, Unterhaltungsort und Fahrassistent in einem, Smartphones fungieren als universelle Fernbedienung, Kreditkarte, Scanner und Diktiergerät zugleich. Das Verkäuferversprechen für diese Produkte ist entsprechend breiter geworden, die aufgerufenen Preise sind entsprechend gestiegen. Die Verkehrsanschauung gerade jüngerer Generationen nimmt physische Geräte und digitale Produkte geradezu selbstverständlich als Einheit wahr.

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Vor allem aber hat der europäische Gesetzgeber die Einführung eines Wesentlichkeitskriteriums erwogen, dann aber verworfen: Im Zuge der politischen Willensbildung hatte der Ratsvorsitz im Sommer 2017 einen Kompromissvorschlag für die Digitale-Inhalte-Richtlinie vorgelegt, nach dessen Art. 2 Abs. 12 und Art. 3 Abs. 3a  das Kaufrecht nur Anwendung finden sollte, wenn die Kaufsache ohne das digitale Produkt ihrer wichtigsten Funktionen beraubt oder gänzlich unbrauchbar würde;13 und diesen Vorschlag hat sich der europäische Gesetzgeber letztlich gerade nicht zu eigen gemacht. Das spricht dafür, Kaufsachen auch im Hinblick auf digitale Produkte mit Funktionen von untergeordneter Wichtigkeit nicht von vornherein aus dem Begriff der Waren mit digitalen Elementen im Sinne von § 327a Abs. 3 S. 1 BGB auszunehmen.14

Rn507

Dieses Verständnis entspricht letztlich auch dem Wortlaut der Vorschrift, die Funktionen nicht in wesentliche und unwesentliche unterteilt. Mit dieser Lesart lässt sich zudem die in ihrer Kontur ihrerseits unscharfe Grenzziehung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Funktionen vermeiden. Welche Funktion für eine Nutzerin interessant ist, ist schließlich eine höchst subjektive Frage. Die ins Smartphone integrierte Wasserwaage mag für manche ein nutzloses Gimmick, für andere aber ein entscheidendes Kaufargument sein.

Rn508

3.2. Unterscheidung nach der Reichweite des Funktionsverlusts

Akzeptiert man die Entscheidung des europäischen Gesetzgebers, nicht auf die Wichtigkeit oder Wesentlichkeit des digitalen Produkts abzustellen, kommt alternativ in Betracht, nur dort von Waren mit digitalen Elementen zu sprechen, wo ein Ausfall des digitalen Produkts dazu führt, dass der körperliche Gegenstand sämtliche Funktionen verliert.15 Für dieses Begriffsverständnis spricht, dass der Wortlaut des § 327a Abs. 3 S. 1 BGB nicht von einer Funktionseinschränkung, sondern davon spricht, dass die Ware ihre Funktionen ohne das digitale Produkt nicht (womöglich also: gar nicht) mehr erfüllen kann. Aus dieser Perspektive wäre eine Smartwatch eine Ware mit digitalen Elementen im Hinblick auf ihr Betriebssystem, nicht aber im Hinblick auf die damit verbundene Gesundheitskalender-App.

Rn509

Diese der Anerkennung eines Wesentlichkeitskriteriums nicht unähnliche Auslegung führt für viele Beispiele zu einleuchtenden Ergebnissen. Es mag sich aber ein Störgefühl einstellen, wenn die Einordnung als Ware mit digitalen Elementen trotz integraler Bedeutung des digitalen Produkts bei dessen Ausfall am Verbleiben einer untergeordneten Restfunktion scheitert. So wäre bei diesem Begriffsverständnis etwa ein IoT-Gegenstand ausgerechnet im Hinblick auf seine Netzverbindungssoftware keine Ware mit digitalen Elementen, wenn bei Wegfall dieser Software noch eine offline nutzbare Nebenfunktion wie eine Kamera funktionsfähig bliebe.

Rn510

3.3. Unterscheidung nach der Prägkraft des digitalen Elements

Die zuletzt genannten Fälle lassen sich demgegenüber in den Begriff der Waren mit digitalen Elementen mit einbeziehen, wenn man im digitalen Produkt keine Vorbedingung für jegliche Warenfunktionen sucht, sondern entscheidend darauf abstellt, wie sehr das digitale Produkt den körperlichen Kaufgegenstand prägt. Um eine Ware mit digitalen Elementen würde es sich bei diesem Normverständnis handeln, wenn die Kaufsache durch das digitale Produkt nicht nur eine mäßige Aufwertung erführe, sondern einen ganz neuen Charakter annähme und eine sprunghaft andere Qualität erhielte. Das wäre etwa bei einer Spielekonsole zu bejahen, die durch einen verknüpften Dienst den Zugang zu Spielwelten mit Beteiligung anderer Nutzer eröffnet.

Rn511

Diese Lesart von § 327a Abs. 3 S. 1 BGB hat den Vorteil, dass sie die im Laufe des europäischen Gesetzgebungsverfahrens verworfene Unterscheidung nach der Bedeutung des digitalen Elements vermeidet, auch wenn ihr eine gewisse Verwandtschaft zu dieser Herangehensweise erhalten bleibt. Allerdings fehlt es im Wortlaut des § 327a Abs. 3 S. 1 BGB an einem Anhaltspunkt, an dem sich die Unterscheidung nach der Prägkraft des digitalen Produkts festmachen lässt. Zudem erscheint hier manche Subsumtion kontraintuitiv: So würde ein zusätzlich aufgespielter Cembalosound für ein E-Piano einer bachaffinen Pianistin womöglich neue Klangwelten und die alleinige Anwendbarkeit des Kaufrechts eröffnen, der Unterschied zum deutlich weniger prägenden zusätzlich aufgespielten Klingelton eines Handys erscheint allerdings begründungsbedürftig.

Rn512

3.4. Unterscheidung nach der Ersetzbarkeit des digitalen Elements

Wer danach eine Differenzierung abhängig von Bedeutung oder Prägkraft des digitalen Produkts nicht befürwortet, könnte alternativ erwägen, eine Ware mit digitalem Element dort anzunehmen, wo die Verschmelzung von Sache und digitalem Produkt so eng ist, dass sich die der Kundin versprochene Funktion selbst durch ein anderes digitales Produkt nicht einrichten lässt.

Rn513

Eine Ware mit digitalem Element wäre danach etwa zu bejahen, wenn sich ein Smartphone ausschließlich mit dem hauseigenen Betriebssystem der Verkäuferin nutzen ließe oder wenn sich eine Lampe nur mit der Steuersoftware der Verkäuferin bedienen ließe. Demgegenüber gälte das digitale Produkt nicht als funktionsnotwendig, wo sich beispielsweise der Ausfall einer Wetter-App, vielleicht sogar das Fehlen eines Betriebssystems durch ein gleichwertiges Fremdprodukt kompensieren ließe.

Rn514

Für dieses Verständnis von § 327a Abs. 3 S. 1 BGB lässt sich immerhin der Wortlaut der Vorschrift ins Feld führen: Danach handelt es sich nur dann um eine Sache mit digitalen Elementen, wenn die Waren die versprochenen Funktionen ohne diese digitalen Produkte (des Verkäufers) nicht erfüllen können. Insbesondere bei Waren, die nicht spezifisch auf die digitalen Produkte des Verkäufers angewiesen sind, sondern auch mit Produkten anderer Anbieter arbeiten können, ist diese Wortlautvoraussetzung streng genommen nicht erfüllt.

Rn515

Diese Lesart wird zwar weder vom europäischen noch vom deutschen Gesetzgeber angedeutet, deren Erwägungen sind aber insgesamt dünn und lassen Raum für eine entsprechende Auslegung. Die Unterscheidung nach ersetzbaren oder alternativlosen digitalen Produkten lässt sich zudem stützen durch einen Vergleich mit Kombinationen rein körperlicher Kaufsachen: Wer ein Set aus Rasierer und Klingen bestellt, wird auf eine über die Möglichkeiten von § 327c Abs. 7 und § 327m Abs. 5 BGB hinaus einheitliche Behandlung des gesamten Sets pochen, wenn die Rasierer nur mit den bestellten Klingen funktionieren. Wer hingegen ein Set aus Tischtennisschläger und -bällen kauft, wird mit einer gespaltenen rechtlichen Behandlung beider Kaufgegenstände17 gut leben können.

Rn516

3.5. Faktischer Vorrang des Kaufrechts

Wer keiner der vorgenannten Einordnungen folgt, kommt kaum darum herum, den Begriff der Waren mit digitalen Elementen sehr weit zu verstehen und jegliche Funktionsrelevanz des digitalen Produkts sogleich zum Ausschluss der §§ 327b ff. BGB führen zu lassen. Auch der Umgang mit standardmäßig vorinstallierter und von Kunden nie bemerkter Nischensoftware beurteilt sich dann nach dem Kaufrecht. Das entspricht immerhin einer vom europäischen Gesetzgeber für das vertragliche Kriterium geäußerten Grundhaltung, dem Kaufrecht im Zweifel den Vorzug zu gewähren.18

Rn517

Wo ein körperlicher Gegenstand in Kombination mit einem digitalen Produkt verkauft wird, bleiben danach im Wesentlichen nur noch drei Anwendungsfälle für die §§ 327b ff. BGB. Erstens sind dies Fälle, in denen das digitale Produkt nicht in die Kaufsache integriert, sondern nur angebunden ist und dort nicht Funktionen der Kaufsache unterstützt, sondern ausschließlich Eigenfunktionen entfaltet; eine mit einem Kühlschrank verbundene Energieverbrauchs-App ließe sich etwa darunter subsumieren. Zweitens sind es Fälle, in denen entgegen der Vermutung des § 327a Abs. 3 S. 2 BGB der Kaufvertrag gerade nicht auch die Bereitstellung eines digitalen Produkts verspricht und den Vertrag auch nicht nachträglich dahingehend ändert.19 Und drittens können smarte Immobilien wegen des Waren-Begriffs aus § 241a Abs. 1 BGB nicht Waren, sondern nur Sachen mit digitalen Elementen sein und beurteilen sich daher stets nach § 327a Abs. 2 BGB. Nennenswerte Praxisrelevanz dürfte allenfalls der letzte dieser drei Fälle erreichen. Außerhalb dessen beschränkt sich der Anwendungsbereich der §§ 327b-327u BGB bei diesem Begriffsverständnis effektiv auf die Vertragstypen außerhalb des Kaufs, namentlich die Schenkung und Miete digitaler Produkte sowie die Erbringung digitaler Dienstleistungen.

Rn518

4. Fazit

Der Wegweiser an der Grenze zwischen Digitale-Produkte-Recht und Kaufrecht in § 327a Abs. 3 BGB gewährleistet nicht maximalen Verbraucherschutz, sondern vor allem einen Vorrang des Kaufrechts in Fällen mit enger Verbindung zwischen Kaufsache und zugleich verkauften digitalen Produkten. Das führt nicht unbedingt zu passgenauen Regeln für die digitalen Elemente, dafür aber immerhin zu einer einfacheren, weil nicht gespaltenen Rechtsprüfung. Bei anderen Vertragstypen – wie etwa einer Miete digitaler Produkte – bleibt es dabei, dass auch das Digitale-Produkte-Recht Anwendung findet. Ein systematischer Unterschied zum Kaufrecht, der diese Ungleichbehandlung verschiedener Vertragstypen rechtfertigen würde, ist freilich nicht ersichtlich; die Entwicklung erklärt sich allein aus der großen Bedeutung eines harmonisierten Verbrauchsgüterkaufrechts für die Europäische Union. Diese systematischen Verzerrungen dürfte erst in mittlerer Zukunft ein einheitliches europäisches Zivilgesetzbuch glätten.

Rn519

1 Richtlinie (EU) 2019/770 vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (ABl. L 136, 22.5.2019, S. 1; L 305 vom 26.11.2019, S. 62).

2 Zusätzlich gelten auch einige Vorschriften des Schuldrecht BT, vgl. §§ 453 Abs. 1 S. 2, 548a, 580a Abs. 3 BGB.

3 Weitere Friktionen zwischen beiden Systemen finden sich bei Tonner, VuR 2019, 363, 369; Buchmann/Panfili, LRZ 2022 Rn. 924, 964 f., lrz.legal/2022Rn924. Demgegenüber sieht Bittner, VuR 2022, 9, 11 keine Unterschiede im Verbraucherschutzniveau beider Regelungsbereiche.

4 Genau genommen fallen unter den Begriff nur solche beweglichen Sachen, die nicht auf Grund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder anderen gerichtlichen Maßnahmen verkauft werden, § 241a Abs. 1 BGB.

5 Neben dem hier eingehend untersuchten funktionalen Kriterium hängt die Subsumtion unter § 327a Abs. 3 BGB auch noch an einem vertraglichen Kriterium, wonach die Bereitstellung des digitalen Produkts vertraglich geschuldet sein muss. Nicht zuletzt wegen der dafür streitenden Vermutung des § 327a Abs. 3 S. 2 BGB erscheint das funktionale Kriterium allerdings deutlich wichtiger. Insgesamt kritisch zu diesen sich überlagernden Kriterien Martens, Schuldrechtsdigitalisierung, 2022, Rn. 212.

6 Erwägungsgrund 21 der Digitale-Inhalte-Richtlinie 2019/770; ebenso Erwägungsgrund 15 der Warenkaufrichtlinie 2019/771.

7 Der Gesetzgeber jedenfalls gibt hier keine Anhaltspunkte mit auf den Weg, BT-Drs. 19/27653, S. 47.

8 In diese Richtung Gansmeier/Kochendörfer, ZfPW 2022, 1, 14 f.

9 In diese Richtung Lorenz, NJW 2021, 2065 Rn. 32; Dubovitskaya, MMR 2022, 3, 4; Felsch/Kremer/Wagener, MMR 2022, 18, 19; Buchmann/Panfili, LRZ 2022 Rn. 924, 969, lrz.legal/2022Rn924.

10 Gegen eine Einordnung eines Smartphones mit Wetter-App als Ware mit digitalem Element Dubovitskaya, MMR 2022, 3, 4.

11 Siehe oben unter Gliederungsziffer 1. am Ende.

12 Dubovitskaya MMR 2022, 3, 4 betont mit gutem Grund, dass es um das Funktionieren der Hardware geht.

13 EU-Dossier 2015/0287 (COD), Ratsdokument 9901/17 ADD 1, S. 7 und 9.

14 Metzger, in: MüKo BGB, 9. Aufl. 2022, § 327a Rn. 12; Martens, Schuldrechtsdigitalisierung, 2022, Rn. 212; jeweils mit der Motivation, das weniger vorteilhafte Kaufrecht nicht ausgerechnet im Hinblick auf die wichtigen digitalen Produkte zur Anwendung zu bringen. In diese Richtung auch Kaesling, in: jurisPK-BGB, 3/2023, § 327a Rn. 9.

15 Metzger, in: MüKo BGB, 9. Aufl. 2022, § 327a Rn. 12.

16 Mayer/Möllnitz, RDi 2021, 333 Rn. 27; dem folgend und noch deutlicher Bernzen/Specht-Riemenschneider, in: Erman, BGB, 8/2022, § 327a Rn. 27.

17 Die bei durchweg körperlichen Kaufgegenständen nicht veranlasst ist.

18 Erwägungsgrund 21 der Digitale-Inhalte-Richtlinie 2019/770. Kaesling, in: jurisPK-BGB, 3/2023, § 327a Rn. 9 äußert darüber hinaus, das Schutzniveau des Kaufrechts sei insgesamt ausreichend.

19 Bezeichnenderweise scheitern die in Erwägungsgrund 22 der Digitale-Inhalte-Richtlinie 2019/770 und Erwägungsgrund 16 der Warenkauf-Richtlinie 2019/771 genannten Beispielsfälle der EU nie am funktionalen, sondern stets am vertraglichen Kriterium, und selbst hier findet die EU nur Beispielsfälle, in denen das digitale Produkt von einem Dritten bereit gestellt wird.

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