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Zitiervorschlag: Haas, LRZ 2022, Rn. 609, [●], www.lrz.legal/2022Rn609.
Permanente Kurz-URL: LRZ.legal/2022Rn609
Die grundlegende Entscheidung des BGH vom 12. Januar 2022 zur Anpassung der Miete in Gewerbemietverträgen aufgrund von Ladenschließungen im Corona-bedingten Lockdown setzt auf Einzelfallgerechtigkeit und entwickelt dazu abstrakte Leitlinien. Allerdings lässt das Urteil Vermieter und Mieter in der Frage weitgehend auf sich gestellt, wie der jeweilige Mietvertrag im konkreten Fall angepasst und insbesondere um welchen Betrag die Miete herabgesetzt werden soll. Hierfür sind die Auslegungsgrundsätze des BGH weiter zu konkretisieren und die Vertragspraxis anzupassen.
Die COVID-19-Pandemie hat erhebliche Auswirkungen für gewerbliche Mieter und Vermieter. Sie erfordert nicht nur eine Bewältigung vergangener wirtschaftlicher Einschnitte, sondern wird auch die Gestaltung von Gewerbemietverhältnissen für die Zukunft prägen. Um den Mietvertragsparteien hier sinnvolle Leitlinien für die Vertragsgestaltung an die Hand zu geben, bedarf es zunächst einer Bestandsaufnahme der aktuellen Rechtslage zur Anpassung von Gewerbemietverträgen aufgrund pandemiebedingter Geschäftsschließungen.
In den ersten Monaten der Pandemie im Frühjahr 20201 und zum Jahresende 20202 hatte der Gesetzgeber zur Abmilderung der Folgen behördlich angeordneter Betriebsschließungen und -einschränkungen und anderer pandemiebedingter Beeinträchtigungen bereits verschiedene Maßnahmen ergriffen, wie etwa die zeitweise Aussetzung des vermieterseitigen Kündigungsrechts sowie eine erleichterte Anwendung des Ausnahmetatbestandes der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) auf Gewerbemiet- und Pachtverhältnisse (siehe dazu unten unter Ziffer 2.).
Insbesondere der – vom Gesetzgeber angepasste – Anwendungsbereich der Störung der Geschäftsgrundlage und etwaiger Rechtsfolgen war Gegenstand der zu Jahresbeginn mit Spannung erwarteten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH). Der BGH hat am 12. Januar 2022 zu den rechtlichen Folgen staatlicher Schließungsanordnungen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für Gewerbemietverhältnisse, hier für den ersten sog. Lockdown im Frühjahr 2020, grundlegend geurteilt.3 Laut BGH können demnach Mietverträge grundsätzlich aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage angepasst werden. Dabei betonte das Gericht zugleich, dass eine umfassende Abwägung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls unerlässlich sei. Eine pauschale Anpassung der Mietzahlungspflicht (z.B. im Sinne einer hälftigen Teilung zwischen den Parteien) sei rechtsfehlerhaft. Der BGH hat das Urteil der Berufungsinstanz4 aufgehoben und es dorthin zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen (siehe dazu im Einzelnen unten Ziffer 3).
Allerdings lässt der BGH die Mietvertragsparteien weitgehend auf sich gestellt, wenn es um die Frage geht, wie der jeweilige Mietvertrag im konkreten Fall angepasst und insbesondere um welchen Betrag die Miete herabgesetzt werden soll. Vermieter und Mieter sind daher gut beraten, anstelle langfristiger und kostspieliger Gerichtsverfahren Verhandlungslösungen zu verfolgen und mit Hilfe der Kriterien des BGH selbst eine Anpassung des Mietvertrages für die Vergangenheit zu erarbeiten, aber auch für die Zukunft die Risikoverteilung bei weiteren pandemiebedingten Effekten im Mietvertrag klar zu regeln. Hierzu steuert dieser Beitrag einige Auslegungsansätze und Vorschläge für die konkrete Vertragsgestaltung bei (siehe unten Ziffer 4).
Vor dem Grundsatz-Urteil des BGH fiel die rechtliche Verteilung der Pandemierisiken, insbesondere in der erst- und zweitinstanzlichen Rechtsprechung, klar vermieterfreundlich aus:
Die bisherige, d.h. „vor-pandemische“, gesetzliche Risikoverteilung zu den vertraglichen Pflichten von Mietern und Vermietern hatte zunächst auch während der COVID-19-Pandemie Bestand. Deshalb waren Mieter grundsätzlich verpflichtet, die Miete in vollem Umfang zu entrichten. Dies galt auch für die Zeit behördlicher Schließungsanordnungen zum Schutz der Bevölkerung, obwohl Gewerbetreibende durch diese unter Umständen immense Umsatzeinbußen erlitten hatten.
Gesonderte Minderungs-, Stundungs- oder Leistungsverweigerungsrechte aufgrund von Betriebsschließungsanordnungen standen Mietern in der Regel nicht zur Verfügung. In der bisherigen erst- und zweitinstanzlichen Rechtsprechung zu COVID-19-bedingten Ladenschließungen und sonstigen Betriebsbeschränkungen aufgrund behördlicher Verfügungen herrschte weitgehend die Auffassung vor, dass derartige staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie grundsätzlich keine Aufhebung oder erhebliche Minderung der Tauglichkeit der Mietsache zur vertraglich vereinbarten Nutzung und damit keinen Mangel der Mietsache begründeten. Denn es handele sich hierbei nicht um objektbezogene (d.h. Beschränkungen aufgrund der konkreten Beschaffenheit, des Zustandes oder der Lage der Mietsache), sondern um betriebsbezogene Risiken (d.h. das Verwendungsrisiko der Mietsache war in diesem Fall vom Mieter zu tragen). Insbesondere sei es das typische Risiko des Mieters, dass sich seine Gewinnerwartung aufgrund eines nachträglich eintretenden Umstands nicht erfüllt.5Auch eine Befreiung von der Mietzahlungsverpflichtung über Fälle der Unmöglichkeit wurde von der erst- und zweitinstanzlichen Rechtsprechung bisher abgelehnt.6
Konsequent zu Ende gedacht und ohne weitere Billigkeitskorrektur bedeutete dies: Wenn ein Mieter die Miete nicht pünktlich und vollständig zahlte, kam er – in der Regel ohne weitere Mahnung (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB) – in Verzug und musste Verzugszinsen7 zahlen sowie für sonstige Verzugsschäden aufkommen (§ 288 BGB). Der Vermieter konnte bei Nichtleistung der fälligen Miete weiterhin die Mietsicherheit in Anspruch nehmen und den Mietvertrag bei Mietrückständen, die zwei Monatsmieten erreichten, kündigen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. b) BGB). Folglich trafen die wirtschaftlichen Folgen der behördlichen Schließungen aufgrund dieser gesetzlichen Risikoverteilung zunächst die gewerblichen Mieter, wohingegen gewerbliche Vermieter rechtlich betrachtet keinerlei wirtschaftliche Einbußen zu verzeichnen hatten.
Um die harten Folgen dieser grundsätzlichen gesetzlichen Risikoverteilung für die Mieter abzufedern, hatte der Gesetzgeber das o.g. außerordentliche Kündigungsrecht des Vermieters bei Zahlungsverzug des Mieters durch das sog. COVID-19-Gesetz im Frühjahr 2020 zeitweise ausgesetzt, soweit der Mieter im Zeitraum vom 1. April bis zum 30. Juni 2020 die fällige Miete nicht geleistet hatte und die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruhte (Art. 240 § 2 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). Den Zusammenhang zwischen der COVID-19-Pandemie und der Nichtleistung musste der Mieter glaubhaft machen (Art. 240 § 2 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Der Mieter hatte bis zum 30. Juni 2022 Zeit, die vorgenannten Zahlungsrückstände auszugleichen (Art. 240 § 2 Abs. 4 EGBGB). Jedoch konnte der Vermieter bei Zahlungsrückständen weiterhin auf die Mietsicherheit zurückgreifen und seine (Zahlungs-)Ansprüche gerichtlich verfolgen.8 Von der Möglichkeit einer Verlängerung des vorgenannten Aussetzungszeitraums für das Kündigungsrecht des Vermieters hat der Gesetzgeber keinen Gebrauch gemacht.
Im zweiten „Lockdown“ Ende 2020 wurde der Gesetzgeber – wohl auch unter dem Eindruck, dass die Gerichte in der ersten und zweiten Instanz bis dato sowohl einen Mietmangel als auch weitere Billigkeitskorrekturen durch Anwendung etwa des § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) weitgehend abgelehnt hatten9 – erneut tätig. Am 31. Dezember 2020 trat ein neues Gesetz in Kraft, das die Anwendbarkeit des § 313 BGB auf Gewerbemiet- und Pachtverträge bei staatlichen Maßnahmen aufgrund der COVID-19-Pandemie (Art. 240 § 7 EGBGB) sowie eine Beschleunigung diesbezüglicher Gerichtsverfahren (§ 44 EGZPO) regelte.10 Ziel des Gesetzes war eine Stärkung der Verhandlungsposition von Gewerbemietern sowie eine Entlastung der Gerichte, da sich der Gesetzgeber erhoffte, auf diese Weise mehr Vermieter an den Verhandlungstisch zu bringen.11
Insbesondere sah das Gesetz die grundsätzliche (widerlegliche) Vermutung vor, dass die staatlichen Corona-Maßnahmen eine schwerwiegende Veränderung der Vertragsgrundlage bedeuten (Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB)12, was in der Folge auch von den Gerichten aufgegriffen wurde.13 Von der die Vertragsanpassung anstrebenden Partei weiterhin zu beweisen waren und sind die übrigen beiden Elemente des § 313 BGB, namentlich dass (i) die Parteien den Vertrag nicht oder anders abgeschlossen hätten, wenn sie dies beim Abschluss vorhergesehen hätten und (ii) wenigstens einer der Parteien das Festhalten am unveränderten Vertrag im konkreten Einzelfall nicht zugemutet werden kann.14 Die grundsätzliche Subsidiarität der Ausnahmeregelung in § 313 BGB als Durchbrechung des Grundsatzes der Vertragstreue sollte allerdings mit Blick auf vertragliche Vereinbarungen sowie das allgemeine und mietrechtliche Gewährleistungsrecht unangetastet bleiben.15
Der zeitliche Anwendungsbereich wurde dabei nicht beschränkt Die Fälle des ersten COVID-19-bedingten „Lockdowns“ ab März 2020 sind schon vom Wortlaut erfasst. Darüber hinaus dürfte die neue gesetzliche Regelung aber auch für Verträge gelten, die erst nach Bekanntwerden der Pandemie abgeschlossen wurden. Jedoch dürfte in diesen Fällen die gesetzliche Vermutung wohl widerlegbar sein.
Ob das Gesetz wirklich mehr Rechtssicherheit geschaffen hat, erscheint fraglich, da es weiterhin – auch nach dem Urteil des BGH vom 12. Januar 2022 (dazu sogleich) – in jedem Einzelfall mit Hilfe einer Interessenabwägung (ggf. gerichtlich) festzustellen gilt, ob die Weiterzahlung der (vollen) Miete trotz staatlich angeordneter Schließung des Mietgegenstandes für den Mieter zumutbar war.
Der BGH hatte sich Anfang 2022 mit der Frage zu beschäftigen, ob die bisherige gesetzliche Risikoverteilung – modifiziert durch die vorgenannten Maßnahmen des Gesetzgebers – im Einzelfall unbillig ist und korrigiert werden muss. Die Antwort fiel klar aus: Nach dem BGH gilt die gesetzliche Risikoverteilung, nach der der Mieter das Verwendungs- oder Betriebsrisiko für die Mietsache trägt, bei behördlichen Schließungsanordnungen zur Bekämpfung der COVID-19 Pandemie nur eingeschränkt. Denn durch die Pandemie habe sich ein derart außergewöhnliches Risiko im Sinne einer „Systemkrise“ realisiert, dass dieses nicht einer Partei allein zugeordnet werden könne. Die Geschäftsgrundlage der betroffenen Mietverträge sei dadurch schwerwiegend gestört. Auf dieser Grundlage komme in Einzelfällen auch eine Anpassung von Gewerbemietverträgen in Betracht.16 Im Einzelnen:
Die Beklagte mietete von der Klägerin Gewerberäume zum Betrieb eines Textil-Discounters. Diese wurden vom 19. März 2020 bis einschließlich 19. April 2020 aufgrund behördlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19- Pandemie geschlossen. Die Mieterin zahlte daraufhin die Monatsmiete für April 2020 i.H.v. EUR 7.854,00 nicht. In erster Instanz wurde die Beklagte durch das LG Chemnitz zur Zahlung der Miete in voller Höhe verurteilt.17 Das OLG Dresden hob im Rahmen des Berufungsverfahrens das Urteil teilweise auf und entschied, dass die Miete für den Zeitraum der Lockdown-bedingten Schließung pauschal hälftig zu teilen sei; der Vertrag sei nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage entsprechend anzupassen.18
Der BGH hat zunächst Gewährleistungsrechte der Mieterin (insbesondere Mietminderungsrechte, § 536 Abs. 1 BGB) aufgrund staatlicher Betriebsschließungen verneint, da ein Mangel der Mietsache, also die Aufhebung oder eine erhebliche Minderung der Tauglichkeit der Mietsache zur vertraglich vereinbarten Nutzung, nicht gegeben sei. Grundsätzlich sei ein Mangel nur gegeben, wenn die Beschränkungen der vermieteten Sache auf der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der Mietsache beruhen (objektbezogene Umstände) und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen der Mieterin liegen (personen- oder betriebsbezogene Umstände). Im Falle der pandemiebedingten behördlichen Schließungsanordnungen liege ein Mietmangel aufgrund des fehlenden konkreten Objektbezugs nicht vor, so der BGH.19 Die Mietfläche würde grundsätzlich weiterhin wie vereinbart zur Verfügung stehen.20
Der BGH hat indes grundsätzlich die Möglichkeit der Vertragsanpassung aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) bejaht. Ein solcher Anspruch sei grundsätzlich subsidiär zu anderen vertraglichen und gesetzlichen Regelungen, z.B. Gewährleistungsrechten. Er ermögliche unter bestimmten Voraussetzungen eine Anpassung des Vertragsinhalts an veränderte tatsächliche Verhältnisse, um einen Ausgleich zwischen dem Bestands- und dem Erfüllungsinteresse der einen und dem Anpassungs- oder Beendigungsinteresse der anderen Partei zu schaffen.
Die COVID-19-Pandemie und die daraufhin ergangene behördliche Schließungsanordnung der Gewerbefläche vom 19. März 2020 bis zum 19. April 2020 stelle eine schwerwiegende Änderung der Vertragsgrundlage dar. Dafür spreche auch die nach dem zweiten Lockdown Ende 2020 neu geschaffene Vorschrift des Art. 240 § 7 EGBGB mit ihrer Vermutung, dass eine schwerwiegende Änderung der Vertragsgrundlage vorliegt, wenn Gewerberäume infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb durch die Mieter nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar sind (s.o. Ziffer 2.3).21
Der BGH nahm außerdem an, dass die Parteien den Mietvertrag mit einem anderen Inhalt abgeschlossen hätten, wenn sie bei dem viele Jahre zurückliegenden Vertragsschluss die Möglichkeit der Pandemie und die damit verbundene Gefahr einer hoheitlich angeordneten Betriebsschließung vorausgesehen hätten. Es sei anzunehmen, dass redliche Mietvertragsparteien für diesen Fall das damit verbundene wirtschaftliche Risiko nicht einseitig zu Lasten des Mieters geregelt, sondern in dem Vertrag für diesen Fall eine Möglichkeit zur Mietanpassung vorgesehen hätten.22
Schließlich legte der BGH dar, welche Kriterien für eine etwaige Vertragsanpassung berücksichtigt werden sollen. Denn hier bedarf es einer Interessenabwägung, ob und inwieweit dem Mieter das Festhalten am unveränderten Vertrag unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht zugemutet werden kann.23 Der BGH stellte dabei heraus, dass die Betriebsschließung aufgrund der behördlichen Verfügung über das gewöhnliche Verwendungsrisiko hinausging. Durch die COVID-19-Pandemie habe sich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht, das von der mietvertraglichen Risikoverteilung ohne eine entsprechende vertragliche Regelung nicht erfasst werde.24 Das damit verbundene Risiko könne regelmäßig keiner Vertragspartei allein zugewiesen werden. Eine pauschale Betrachtungsweise im Sinne einer hälftigen Teilung der Miete – wie von der Vorinstanz angenommen – erfülle die Anforderungen der Zumutbarkeitsprüfung aber nicht. Es bedürfe vielmehr einer umfassenden Abwägung im Einzelfall.25
Dabei seien die der Mieterin tatsächlich entstandenen Nachteile durch die Geschäftsschließung und deren Dauer zu berücksichtigen. Der BGH bezog sich dabei im Wesentlichen auf mögliche Umsatzeinbußen der Mieterin. Es sei aber nur auf das konkrete Mietobjekt, nicht hingegen auf den Konzernumsatz abzustellen. Weiterhin müsse in die Abwägung einfließen, welche Maßnahmen die Mieterin ergriffen habe oder hätte ergreifen können, um drohende Verluste zu vermindern. Es seien grundsätzlich auch die finanziellen Vorteile der Mieterin zu berücksichtigen, die diese durch staatliche Leistungen zur Kompensation pandemiebedingter Nachteile erhalten habe. Ferner müssten (zu erwartende) Leistungen aus einer Betriebsversicherung berücksichtigt werden. Etwaige Darlehen sollen aber außer Betracht bleiben. Der BGH sah es nicht als Voraussetzung für einen Vertragsanpassungsanspruch an, dass bei der Mieterin eine Existenzgefährdung vorliegt. Schließlich seien auch die Interessen des Vermieters bei der Abwägung in den Blick zu nehmen, ohne dass der BGH hierzu nähere Ausführungen gemacht hat.26
Der BGH hat das Urteil des OLG Dresden aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an dieses zurückverwiesen. Das OLG hat nunmehr zu prüfen, welche konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen die Geschäftsschließung in dem streitgegenständlichen Zeitraum für die Beklagte hatte und ob diese Nachteile ein Ausmaß erreicht haben, das eine Anpassung des Mietvertrags erforderlich macht. Soweit dies der Fall ist, muss das OLG eine etwaige Reduzierung der Miete ebenfalls anhand der konkreten Einzelfallumstände (und eben nicht pauschal) bemessen.27
Die Grundsatzentscheidung des BGH ist unter den folgenden Aspekten zu begrüßen: Zum einen hat der BGH sowohl die Interessen der Mieter als auch die der Vermieter und deren unterschiedliche Ausgangssituation im Einzelfall berücksichtigt, anstatt die – auf den ersten Blick vermeintlich einfachere – Pauschallösung zu wählen. Zum anderen wurden Vermietern und Mietern einige Leitlinien an die Hand gegeben, die im Rahmen der Abwägungsentscheidung Berücksichtigung finden sollen und für die Klärung weiterer Fälle nun die Richtschnur bilden werden.
Allerdings hat der BGH die Mietvertragsparteien sowohl für den Prozess als auch für die Details der konkreten Vertragsanpassung weitgehend auf sich gestellt und damit die allseitig gewünschte Rechtsklarheit und Rechtssicherheit nicht in allen Bereichen schaffen können. Denn auch die Grundsätze des BGH zur Vertragsanpassung dürften in zukünftigen Fällen wiederum zu Auslegungsschwierigkeiten und ggf. sogar zu weiteren Streitigkeiten führen.28 Dennoch hat der BGH durch die Auslegungskriterien zumindest ein Mehr an Rechtssicherheit geschaffen. Daher erschiene es etwas wohlfeil, dem BGH eine – nach berechtigter Ablehnung pauschaler Lösungen – nahezu denklogische Lückenhaftigkeit seiner Entscheidung vorzuwerfen. Denn abschließende – ggf. auch pauschale – Lösungen für eine Vielzahl von Einzelfällen sollte am Ende der Gesetzgeber treffen.
Solange der Gesetzgeber hier nichts weiter unternimmt (wofür einiges spricht, siehe zu den bisherigen, eher zurückhaltenden gesetzgeberischen Maßnahmen oben Ziffer 2.2 und 2.3) und auch die gerichtliche Praxis noch keine verallgemeinerungsfähigen Trends aufgrund einer Vielzahl von Einzelfallentscheidungen hervorgebracht hat, bleibt den Vertragsparteien nichts anderes als entweder – auf Basis der Grundsätze des BGH – weitere (höchst-)richterliche Entscheidungen ihres jeweiligen Einzelfalls abzuwarten29 oder ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und die Themen der Vergangenheit mit Hilfe der Grundsätze des BGH zu lösen, in Mietvertragsnachträgen zu fixieren und im Übrigen die Risikoverteilung für pandemiebedingte Fälle in zukunftsgerichteten Vertragsklauseln abzubilden („Hilfe zur Selbsthilfe“).
Einfallstor für die Anwendung der Zumutbarkeitskriterien des BGH ist natürlich, dass im konkreten Einzelfall dem Grunde nach ein Anspruch auf Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage besteht. Dies dürfte – in Abwesenheit einer gesonderten vertraglichen Risikotragung – bei pandemiebedingten Schließungsanordnungen von Einzelhandels- und Hotelimmobilien, Restaurants, Messen und sonstigen Freizeiteinrichtungen (z. B. Fitnessstudios30), in denen der Mieter sein Geschäft im unmittelbaren Kundenkontakt verfolgt, regelmäßig gegeben sein; schwieriger bis fernliegend allerdings bei Büro-, Industrie- oder sonstigen Spezialimmobilien (z. B. im Gesundheitsbereich), da hier in der Regel wohl kein signifikanter Umsatzeinbruch vorliegt.31 Darüber hinaus kann eine Störung der Geschäftsgrundlage ggf. nicht nur bei Komplettschließungen gegeben sein, sondern auch bei Beschränkungen wegen 2G / 2G+, sofern die Kundenfrequenz so stark einbricht, dass es einer Geschäftsschließung gleichkommt.32
Unabhängig davon, ob sich die Mietvertragsparteien auf einen langwierigen Rechtsstreit zur Entscheidung über eine Anpassung der Miete für die Vergangenheit oder für eine – in den meisten Fällen wohl ratsamere – Verhandlungslösung entscheiden, kommt es entscheidend sowohl auf die praktische Anwendung und Auslegung der Grundsätze des BGH zur Zumutbarkeit der Vertragsanpassung an als auch auf den klaren Nachweis der für die Anpassung relevanten Fakten durch die jeweils beweisbelastete Partei. Die Darlegungs- und Beweislast der Unzumutbarkeit trägt die Partei, die sich auf die Unzumutbarkeit beruft, d.h. der Mieter muss die Umstände beweisen, die zu einer Mietreduktion führen könnten. In der Regel ist die Partei, die eine Vertragsanpassung anstrebt, daher gut beraten, volle Transparenz walten zu lassen und alles offen zu legen, was die Unzumutbarkeit des Festhaltens am konkreten Vertrag begründen könnte. Denn wie der BGH deutlich gemacht hat, liegt der Kern einer etwaigen Vertragsanpassung für beide Mietvertragsparteien darin, ihre erlittenen Belastungen und berechtigten Interessen im Verhandlungs- oder Gerichtsprozess hinreichend darzulegen.33 Im Einzelnen ist bei der Beantwortung der dafür entscheidenden Frage, welche wirtschaftlichen Auswirkungen die Geschäftsschließung in dem betroffenen Zeitraum für den Mieter hatte und ob diese Nachteile eine Dimension erreicht haben, die eine Anpassung des Mietvertrages erfordert, Folgendes zu beachten:
Für eine Vertragsanpassung im Wege der Mietreduktion bedarf es grundsätzlich eines starken Umsatzrückgangs auf Objektebene,34 d.h. es ist abzuwägen, ob ggf. auch eine Stundung ausgereicht hätte.35 Dies dürfte wohl dann nicht der Fall sein, wenn der Mieter zwar die Miete für einen begrenzten Zeitraum nicht, dann aber für den Rest des Jahres gezahlt hat (so wie in dem der BGH-Entscheidung vom 12. Januar 2022 zugrundeliegenden Fall).36
Für den Nachweis kausaler Nachteile durch die Geschäftsschließung (primär wohl die konkrete Umsatzeinbuße) und deren Dauer treffen den Mieter große Darlegungslasten für die Ebene des konkreten Mietobjekts37: Neben der Aufstellung aller Verbindlichkeiten, Forderungen, Warenvorräte und Kapitalrücklagen sollte der Mieter für den betroffenen Zeitraum und einen Vergleichszeitraum im Vorjahr wirtschaftliche Kennziffern offenlegen, die ein Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer testiert hat, insbesondere das Brutto- / Nettobetriebsergebnis zur Offenlegung von Ersparnissen z. B. aufgrund geringerer Personalkosten oder reduzierten Wareneinsatzes.38 Ein erheblicher Kundenrückgang erscheint zwar auch grundsätzlich als kausaler Nachteil der Geschäftsschließung, stellt den Mieter aber vor größere Hindernisse, dies und dessen Wirkung auf seine Umsätze nachzuweisen.
Darüber hinaus sollte der Mieter möglichst umfassenden Nachweis darüber führen, welche Maßnahmen zur Verhinderung / Minderung der Nachteile ergriffen wurden, z. B. Ausgleich oder zumindest Reduzierung des Umsatzrückgangs durch Außer-Haus-Verkauf oder Umstellung auf Onlinehandel, da eine Überkompensation des Mieters zu vermeiden ist.39 Ebenso dürfte es auch eine Rolle spielen, inwieweit der Mieter das Mietobjekt z. B. als Warenlager nutzen konnte und somit die Mietsache für ihn auch für die Zeit der Schließung zumindest einen teilweisen Gebrauchswert hatte (wobei verbrauchsabhängige Kosten, die stets vom Mieter zu zahlen sind, ohnehin außer Betracht bleiben). Schließlich hat der Mieter darüber Nachweis zu führen, inwieweit er Kurzarbeit oder Freistellung seiner Mitarbeitenden anordnen konnte, ob und in welcher Höhe er staatliche Finanzierungshilfen erhalten hat (soweit diese als verlorene Zuschüsse und nicht als Darlehen ausgegeben wurden) bzw. wie er sich konkret darum bemüht hat, derartige Finanzierungshilfen zu erhalten.
Leistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung muss sich der Mieter ebenfalls anrechnen lassen. Allerdings dürften solche Ansprüche im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie nach einem weiteren BGH-Urteil vom 26. Januar 2022 weitgehend ausscheiden. Hier hatte der BGH die Ansprüche eines Gastronomen abgelehnt, der wegen Corona seinen Betrieb nicht öffnen und dafür seine Versicherung in Anspruch nehmen wollte, da in den Versicherungsbedingungen ein abschließender Katalog von Krankheitserregern enthalten war, der weder das Coronavirus noch die Krankheit COVID-19 aufführte.40 Künftige Betriebsausfallversicherungen dürften das Risiko der COVID-19-Pandemie, aber ggf. auch künftiger Pandemien, vermutlich sogar explizit ausschließen mit dem Ergebnis, dass die Mietvertragsparteien in diesem Punkt weiterhin auf sich gestellt sein werden.
Schließlich hat der BGH auch dazu aufgerufen, die Interessen des Vermieters in den Blick zu nehmen, allerdings ohne dies in seinem Urteil näher zu konkretisieren. Aus Vermietersicht dürfte vor allem das Interesse an möglichst stabilen Cashflows nicht nur für die Bedienung der Darlehensraten, sondern auch für die Einhaltung der mit der finanzierenden Bank vereinbarten Kennziffern einer laufenden Immobilienfinanzierung eine Rolle spielen. Auch hat der Vermieter Betriebskosten für die Immobilie, die er mit Hilfe der Betriebskostenvorauszahlungen der Mieter decken muss. Schließlich schlägt auch ein potenzieller Wertverlust der Immobilie zu Buche, wenn Mieten nicht vollständig gezahlt werden, wobei für den „Wert“ eines Mietvertrages insbesondere Faktoren wie die konkrete Laufzeit, die Miethöhe und etwaige Kündigungsmöglichkeiten ausschlaggebend sein dürften.
Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass bei Mietern und Vermietern ein großer Prüfungs- und Darlegungsaufwand entsteht, insbesondere wenn entsprechende Mietvertragsanpassungen in gerichtlichen Verfahren verfolgt werden sollen. Selbst wenn nicht jede Mietvertragspartei darin eine „Einladung zu Dramatisierungen und Zuspitzungen“41 erblickt, sind vernünftige Parteien angesichts kostspieliger und langwieriger gerichtlicher Detailprüfungen mit ungewissem Ausgang wohl besser beraten, sogleich Verhandlungslösungen zu suchen, um Aufwand und Ertrag in ein angemesseneres Verhältnis zu setzen. Zwar dürfte auch hier für die Überzeugung der Gegenseite von der eigenen Verhandlungsposition ein gewisser Druck zur Offenlegung entstehen, allerdings sind die Parteien flexibler, die notwendige Transparenz auf der einen und den Schutz von Geschäftsgeheimnissen und Datenschutz auf der anderen Seite in Einklang zu bringen.
Für die Vertragsgestaltung bieten sich – je nach Interessenlage – einige Möglichkeiten, um die Folgen der COVID-19-Pandemie für die Vergangenheit, aber ggf. auch für die Zukunft zu regeln:
Die Präambel des Mietvertrags(-nachtrags) sollte hier die Richtung mit Blick auf die von den Parteien beabsichtigte Risikoverteilung vorgeben. Sie sollte insbesondere sowohl auf die COVID-19-Pandemie als auch auf ihren derzeit nicht absehbaren weiteren Verlauf abstellen sowie darauf, ob und inwieweit bisherige und künftige Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb des Mieters zu berücksichtigen sind. Im Sinne des Vermieters kann man die Geschäftsgrundlage des Mietvertrags bereits in der Präambel dahingehend festlegen, dass Art. 240 § 7 EGBGB, der bisherige (und – im Falle einer weiteren Corona-Welle auch künftige) Verlauf dieser Pandemie und mögliche künftige gesetzliche Entwicklungen keinen weiteren Einfluss auf die Verpflichtungen der Parteien aus dem Mietvertrag haben sollen und den Mieter künftig insbesondere nicht zur einseitigen Reduzierung oder Stundung der Miete berechtigen.
Zwar ließe sich argumentieren, dass diese Vermutungswirkung ohnehin für künftige pandemische Vorfälle ausgeschlossen sein dürfte, da auch die rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken der COVID-19-Pandemie für Gewerbetreibende nunmehr als bekannt gelten dürften. Jedoch gebietet wohl die anwaltliche Vorsicht, klare Regelungen über die Risikoallokation zwischen den Parteien im weiteren Verlauf der COVID-19-Pandemie (und ggf. ähnlich gelagerter Pandemie-Szenarien) zu treffen.
Zugunsten des Mieters sind darüber hinaus Regelungen über Erlasse, (zinslose) Stundungen oder flexiblere Mietzahlungsmodelle, z. B. Verringerung der Festmieten und Umstellung auf eine reine oder anteilige Umsatzmiete, denkbar (wobei reine Umsatzmieten den regulierten Vermietern, die keine Betreiberrisiken übernehmen dürfen, versperrt sind). Etwaige Stundungen (ggf. auch in Kombination mit Ratenzahlungsmodellen) oder Erlasse von Mietforderungen können unter die auflösende Bedingung des Verzugs des Mieters mit der Mietzahlung und daraus folgender Kündigung des Vermieters aus wichtigem Grund gestellt werden mit der Folge, dass die Stundung dann rückwirkend entfiele und der Mieter zur sofortigen Zahlung verpflichtet wäre. Umgekehrt hieße dies aber auch, dass für den Zeitraum der Stundung und der ggf. ratenmäßigen Rückzahlung die vermieterseitigen Kündigungsrechte wegen Zahlungsverzugs ausgeschlossen wären, soweit die Ratenzahlungen der gestundeten Beträge pünktlich geleistet werden.
Darüber hinaus wäre – je nach Interessenlage – als Zugeständnis an den Mieter mit Blick auf künftige pandemiebedingte Einschränkungen auch ein freier Einsatz von mietfreien Zeiten während der gesamten Laufzeit des Mietvertrages oder eine Vereinbarung von Mietreduktionen bei nachweislich signifikanten Umsatzeinbrüchen des Mieters denkbar. Darüber hinaus wären im Falle erneuter Lockdowns eine zeitweise Aussetzung der Betriebspflicht sowie Lockerungen etwaiger Beschränkungen des Mieters zur Untervermietung der Mietsache für den Mieter unter Umständen hilfreich.
Im Gegenzug für derartige Zugeständnisse an den Mieter im Wege von Erlassen oder Stundungen könnten zugunsten des Vermieters je nach Interessenlage entweder Sonderkündigungsrechte für einen bestimmten Kündigungszeitraum oder aber im umgekehrten Fall eine vorzeitige Verlängerung der Festlaufzeit des Mietvertrages vorgesehen werden. Weiterhin dürfte der Vermieter auch an der Vereinbarung einer Verjährungshemmung während einer etwaigen Stundung hinsichtlich des Anspruchs des Vermieters auf Zahlung der Miete interessiert sein. Außerdem sind nach einer Erholung des Geschäfts des Mieters Umsatz- oder Gewinnbeteiligungen zugunsten des Vermieters denkbar („Besserungsschein“), um Einbußen des Vermieters durch etwaige Mietreduktionen wieder aufzuholen.
Darüber hinaus dürfte dem Vermieter sehr daran gelegen sein, die vorhandene Mietsicherheit aufzustocken und/oder sogar gesonderte Sicherheiten für derartige Krisenfälle, wie etwa Konzernbürgschaften oder harte Patronatserklärungen zu verlangen. Insbesondere bei Spezialimmobilien, wie etwa Hotels, aber auch bei Einzelhandelsimmobilien mit starkem Umsatzmietelement sollten aus Vermietersicht die als Indikator für die Realisierbarkeit der vereinbarten Miete wichtigen mieterseitigen Reporting-Pflichten über die finanzielle Situation des Betriebs des Mieters erweitert werden bzw. ggf. in kürzeren Intervallen als bisher stattfinden.
Bei der Vermietung vom Reißbrett (sog. Forward Lease) stellt sich insbesondere die Frage der Behandlung von pandemiebedingten „Störfällen“ im Bauablauf. So sollte aus Sicht des Vermieters klargestellt werden, dass die COVID-19-Pandemie in ihrem aktuellen und ggf. auch weiteren Verlauf einen Fall höherer Gewalt i. S. v. § 6 Abs. 2 Nr. 1 lit. c VOB/B darstellt, z. B. wenn es um die Frage des Vertretenmüssens des Vermieters bei Verzögerungen des Vermieterausbaus geht. Aus Vermietersicht sollte sich der Begriff der höheren Gewalt auch auf behördliche (Allgemein-) Verfügungen etc. sowie Verzögerungen von Materiallieferungen oder den Ausfall von Beschäftigten beziehen, dies zumindest auch für den Fall, dass fristgerechter Ersatz unter angemessenem Aufwand nicht zur Verfügung steht. Letztere Fälle dürften nicht nur unter dem Eindruck der COVID-19-Pandemie, sondern auch aufgrund Baustoffmangels, gestörter Lieferketten und drohender Energielieferungsengpässe, insbesondere als Folge des Ukraine-Kriegs, besondere tagesaktuelle Relevanz haben.
Aus Mietersicht erscheint es vor diesem Hintergrund angebracht, die Berufung des Vermieters auf höhere Gewalt zumindest insoweit einzuschränken, dass entsprechende Bemühens-Verpflichtungen des Vermieters gelten sollen, die dieser nachweislich zu erfüllen hat (z. B. alternative Planungs- und Besprechungsformate, Planungsbeschleunigungen und sonstige zumutbare Maßnahmen, um die Auswirkungen zu minimieren und Verzögerungen aufzuholen). Bei andauernden Beeinträchtigungen trotz dieser Maßnahmen ließe sich im Sinne einer ausgleichenden Lösung festlegen, dass etwaige Störungen von keiner Partei zu vertreten sind und der Terminplan entsprechend anzupassen ist. Innerhalb einer bestimmten Frist nach Entfall der Störungen sollten die Parteien auch eine schriftliche Vereinbarung mit einer Aktualisierung zum Projekt-Zeitplan schließen.
Das Urteil des BGH zu COVID-19-bedingten Geschäftsschließungen hat insgesamt zumindest vorläufig ein Mehr an Rechtssicherheit und -klarheit gebracht. Sollten Gewerbemieter bei ihren Vermietern vorstellig werden und eine Reduktion der Miete im Wege der Vertragsanpassung für die Zeit des Lockdowns verlangen, können die vom BGH aufgestellten Kriterien helfen, um sich über eine zukünftige oder ggf. rückwirkende Vertragsanpassung gütlich zu einigen.
Mieter sollten dabei nicht selbst eine Kürzung der Miete oder eine Aufrechnung vornehmen, um einen potenziellen Kündigungsgrund zu vermeiden. Vielmehr sollten einvernehmliche Lösungen mit dem Vermieter im Sinne einer Mietpartnerschaft angestrebt werden – auch um schnell und ohne langwierige und kostspielige Gerichtsverfahren Klarheit zu schaffen und ein Mietverhältnis vertrauensvoll fortsetzen zu können. Zudem dürfte es für einen Gewerbemieter aufwändig sein, die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Mietanpassung in einem Gerichtsverfahren zu beweisen. Sollten Mieter für die Vergangenheit eine Vertragsanpassung verlangen, ohne eine solche für die Zeit eines oder beider Lockdowns zeitnah geltend gemacht oder ohne zumindest die Miete unter Vorbehalt gezahlt zu haben, könnte dies ggf. gegen eine Anpassung der Miete sprechen. Diese Fragen hat der BGH aber in seinem Urteil nicht weiter behandelt, sodass hierzu weitere gerichtliche Auseinandersetzungen anstehen dürften.
Insgesamt sorgt diese erste höchstrichterliche Entscheidung daher keinesfalls abschließend für Rechtssicherheit und -klarheit in diesem Bereich. Beim BGH sind weitere Revisionsverfahren mit ähnlich gelagerten Sachverhalten und Problematiken anhängig.42 Eine ergänzende Klärung weiterer Fragen ist daher zeitnah zu erwarten. Ob darüber hinaus eine Überlastung der Gerichte droht, weil nunmehr Mietvertragsparteien in einer Vielzahl von Fällen anhand der Kriterien des BGH eine gerichtliche Klärung des jeweiligen Einzelfalls anstreben, erscheint derzeit schwer abzuschätzen. Fakt ist, dass auch schon vor der Entscheidung des BGH eine Vielzahl von Mietvertragsparteien eher Verhandlungslösungen als gerichtliche Klärung gesucht haben und auch das Urteil des BGH hieran nichts ändern, sondern diesen Trend tendenziell noch verstärken dürfte.
Zu beachten bleibt jedoch, dass nicht allein der BGH, sondern gerade auch der Gesetzgeber für mehr Rechtssicherheit und -klarheit sorgen könnte. Dies ist derzeit nicht zu erwarten. Denn der Gesetzgeber hat bisherige Chancen zur Schaffung von klaren Lösungen für eine Vielzahl von Fällen nicht wahrgenommen, sondern hat es bislang bei punktuellen Eingriffen wie der temporären Kündigungssperre im ersten Lockdown 2020 sowie der Beweislastumkehr zugunsten der Mieter (Folgen der COVID-19 Pandemie als schwerwiegende Störung der Geschäftsgrundlage) im zweiten Lockdown 2020 belassen. Der Gesetzgeber könnte – sofern er keine pauschale Regelung zur Risikoverteilung für den Fall staatlicher Betriebsschließungen trifft – zumindest die Kriterien, die im Rahmen des Vertragsanpassungsanspruchs zu berücksichtigen sind (z. B. auch die Mindestdauer eines „Lockdowns“), exemplarisch regeln. Dies wäre nicht nur für die betroffenen Mietvertragsparteien, sondern auch für die nun mit einer Vielzahl derartiger Fälle befassten Gerichte eine willkommene Einschätzungshilfe.
Bis dahin sind die Mietvertragsparteien erst einmal weiter auf sich gestellt und es gilt der Grundsatz der „Hilfe zur Selbsthilfe“: Ausgewogenes Verhandeln über die vergangenen Pandemiewirkungen und kluges Vorsorgen für den weiteren Verlauf der Pandemie und künftige Pandemiefälle erscheint derzeit als der Königsweg für Vermieter und Mieter. Vermieter und Mieter saßen und sitzen während der Pandemie zwar nicht im selben Boot, aber im selben Sturm. Hier dürften partnerschaftliche Lösungen am weitesten führen, gepaart mit der Einsicht, dass man in weltpolitisch wie wirtschaftlich unruhigen Zeiten auch mit den Erkenntnissen aus der COVID-19-Pandemie in Zukunft nicht alles Unwägbare vorhersehen und vorab regeln können wird.