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Zitiervorschlag: Heyers, LRZ 2023, Rn. 387, [●], www.lrz.legal/2023Rn387.

Permanente Kurz-URL: LRZ.legal/2023Rn387

Der Glasfaserausbau in Deutschland stockt trotz des erheblichen Bedarfs, der etwa infolge sog. mobilen Arbeitens und der technischen Anforderungen des sog. Home Entertainments entstanden ist; Deutschland liegt im internationalen Vergleich seit Jahren abgeschlagen auf den hinteren Plätzen. Kann diesem Mangel am besten durch Infrastrukturwettbewerb abgeholfen werden? Oder ist den Rufen aus der Politik nach einer „Koordinierung“ des Glasfaserausbaus zu folgen? Der nachfolgende Beitrag analysiert die wettbewerbsrechtlichen Rahmenbedingungen der Debatte de lege lata und de lege ferenda.

1. Problemstellung

Der Glasfaserausbau in Deutschland stockt trotz des erheblichen Bedarfs, der etwa infolge sog. mobilen Arbeitens und der technischen Anforderungen des sog. Home Entertainments entstanden ist; Deutschland liegt im internationalen Vergleich seit Jahren abgeschlagen auf den hinteren Plätzen. Nach einer Statistik der OECD aus dem Sommer 2022 werden beispielsweise in Südkorea, Japan oder Spanien mehr als 80 % der Haushalte unmittelbar durch Glasfaserinfrastruktur versorgt, durch die Daten in großer Bandbreite rund um die Uhr fließen, während in Deutschland nur eine Anschlussquote von 8,1 % besteht.

Rn387

Es fragt sich, wie diesem Missstand abgeholfen werden kann. Auf Grundlage des geltenden Rechts sollte man annehmen, dass Infrastrukturwettbewerb der beste Treiber für Glasfaserwachstum ist.1 Es bestehen schon aufgrund des sog. First-Mover-Advantage vielfältige Anreize zu einem Ausbaustart. Denn „ist ein Gebiet bereits durch Glasfaser bis zum Endkunden erschlossen, ist ein Überbau dieses Netzes durch einen weiteren Anbieter in der Regel nicht zu erwarten. Wer zuerst ausbaut, hat die Endkunden- bzw. Vorleistungsnachfrage nach höheren Bandbreiten schon weitgehend durch sein Netz abgedeckt („First-Mover-Advantage“)“.2 Tatsächlich vereinnahmt gegebenenfalls sogar bereits dasjenige Unternehmen ein Gebiet, das Kundinnen und Kunden durch Verträge an sich gebunden hat, lange bevor wirtschaftlich starke Konkurrentinnen und Konkurrenten – insoweit wird regelmäßig vor allem die Deutsche Telekom genannt – auf den Plan treten (können).

Rn388

Trotz derartiger Vorsprünge gerade vieler kommunaler Unternehmen, die eine Region mit Glasfasernetzen ausbauen wollen und entsprechende Vorkehrungen bereits getroffen oder mit dem Ausbau begonnen haben, fordern einzelne Politikerinnen und Politiker Protektionismus. Es heißt neuerdings etwa, Kommunen sollten das Recht erhalten, mit der Genehmigung eines konkurrierenden Ausbauvorhabens zunächst zuzuwarten, bis sich ein – wohl vor allem: kommunales – Unternehmen hinreichende Vorsprünge erarbeitet hat,3 womit namentlich auf § 127 TKG abgezielt wird, der allerdings nach geltendem Recht eine Genehmigungsfiktion nach Ablauf von drei Monaten statuiert, vgl. § 127 Abs. 3 S. 1 TKG.  Die Forderung, „den Überbau zu untersagen, wenn in einer Region bereits ein Glasfasernetz mit Open-Access-Zugang liegt“,4 ist dagegen offensichtlich überschießend, weil in einem solchen Fall der etablierte Anbieter vor Ort bereits alle Möglichkeiten genutzt hat oder nutzen konnte, um seine Investitionen zu amortisieren. Es dürfte für Konkurrenten dann auch vielfach wirtschaftlich sinnlos sein, ein bestehendes Glasfasernetz zu überbauen.

Rn389

Hintergrund dieser gegen Ausbauwettbewerb gerichteten Absichten sind Befürchtungen „vor den Folgen eines unkoordinierten Glasfaserausbaus in Deutschland“. In Deutschland haben sich zuletzt verschiedene Verbände – Anga, Breko, Buglas, VATM und VKU –5 in einem Brief an Digitalminister Volker Wissing dafür stark gemacht, den Wildwuchs des Wettbewerbs zu ordnen, indem vor allem der Deutschen Telekom Grenzen gesetzt werden sollen. Denn diese und andere Unternehmen „verunsicherten mit vagen Ausbauankündigungen Anwohner“. Mit diesem Vorgehen zerstörten diese – so wird behauptet – Geschäftspläne der ausbauenden Unternehmen und vereitelten deren Ausbauaktivitäten. Zu unterbinden sei – und hiermit ist der sedes materiae wohl berührt – das „unfaire Agieren eines marktbeherrschenden Unternehmens“. Durch Ankündigungen oder den tatsächlichen punktuellen Ausbau nur in besonders lukrativen Gebieten würden Investitions- und Ausbaupläne anderer (insbesondere kommunaler) Unternehmen für die Versorgung ganzer Kommunen im Rahmen einer Mischkalkulation unrentabel; ein Ausbau rechne sich für diese nur, wenn sie ein Gebiet insgesamt mit Glasfaser ausstatten könnten. „Zurück bleiben Kommunen, die am Ende oft nur teilweise von der Telekom ausgebaut werden, und Bürgerinnen und Bürger ohne Glasfaseranschluss.“ Das betreffe mehr als die Hälfte der Postleitzahlen-Regionen Deutschlands.6

Rn390

Dem entgegnen die Anderen, der sog. Überbau mache nur einen Bruchteil des Netzausbaus aus.7 Wohl vor allem diese divergierenden Angaben und Auffassungen haben das Digitalministerium dazu veranlasst, den umstrittenen Doppelausbau durch ein Beratungsunternehmen aus Nordrhein-Westfalen analysieren zu lassen. Konkrete Überbaubeispiele sollen untersucht und eingeordnet werden; die Ergebnisse sollen voraussichtlich am 22. Mai 2023 mit dem Ministerium und den Beteiligten, der BNetzA sowie der öffentlichen Hand bei einem gemeinsamen Termin („Workshop“) präsentiert und diskutiert werden. Schließlich widmet sich inzwischen auch die Monopolkommission des Phänomens des „Doppelausbaus“. In einem aktuellen, in den letzten Tagen an verschiedene Unternehmen bzw. Verbände versandten Fragebogen, den die Monopolkommission für die Anfertigung des Sondergutachtens Telekommunikation, das alle zwei Jahre erscheint, wird der Thematik breiter Raum gegeben.

Rn391

Der Beitrag bewertet die Problematik de lege lata (II.) und de lege ferenda (III.), bevor er mit einem Fazit schließt (IV.).    

Rn392

2. Wettbewerbsrechtliche Bewertung de lege lata

2.1. Kartellrechtlich

Der Vorwurf richtet sich namentlich an das marktbeherrschende Unternehmen der Telekom im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit und lautet zusammenfassend, es behindere wirtschaftlich schwächere Konkurrenz.

Rn393

Als „Behinderung“ wird gewöhnlich jede gegenüber einem Wettbewerber nachteilige Maßnahme aufgefasst.8 Verbände und betroffene Unternehmen berufen sich auf „strategische Manöver“ und „gezielte Strategien“, die der Telekom-Konzern einsetze, um potentielle oder tatsächliche Wettbewerber vom Markt zu „verdrängen“. Unrealistische oder zeitlich nicht zu verwirklichende Ausbauankündigungen hebelten den sog. First-Mover-Advantage der betroffenen Unternehmen aus: Werde beispielsweise angekündigt, ein bereits in der Vorvermarktung befindliches Glasfasernetz in einer bestimmten Region mit einem weiteren Glasfasernetz zu überbauen, so senke der Marktbeherrscher wegen des insgesamt begrenzten Kundenpotentials für Glasfaseranschlüsse die Erlöschancen für das Glasfasernetz des First Movers so sehr, dass der Ausbau durch diesen unwirtschaftlich werde. Dies wirke sich nachteilig auf den Wettbewerb – sowohl auf dem Endkundenmarkt als auch auf den Vorleistungsmärkten – aus, weil sich Qualität und Anzahl der Vorleistungsangebote verringerten und dadurch auch Endkundenprodukte nicht nur teurer, sondern auch qualitativ nicht das mögliche Optimum bieten würden. Infolge einer reinen Ergebniskausalität zwischen Marktmacht und behinderndem Verhalten – so dürfte zu ergänzen sein – sei es für einen Behinderungsmissbrauch i.S.d. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB ausreichend, wenn das missbräuchliche Verhalten gerade wegen der bereits bestehenden Marktmacht zu einer Verstärkung der Marktstellung des Normadressaten bzw. einer weiteren Schwächung der Wettbewerbsstruktur führt (sog. Ergebniskausalität). Tatsächlich ist es nicht erforderlich, dass die Marktmacht das inkriminierte Unternehmen gerade dazu befähigt, sein Verhalten umzusetzen.9  

Rn394

Der Behinderungsbegriff ist allerdings sachlich wertneutral; erst eine sachlich nicht zu rechtfertigende Marktverhaltensweise stempelt diese zu einem Wettbewerbsverstoß. Welche Verhaltensweise noch hinzunehmen ist und welche nicht, soll anhand einer „umfassenden Abwägung der beiderseitigen Individualinteressen unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB zu ermitteln“ sein.10 Zu berücksichtigen sei insbesondere die Zielsetzung des GWB, das auf Sicherung des Leistungswettbewerbs und insbesondere der Offenheit der Marktzugänge gerichtet ist.11

Rn395

Im Rahmen der Abwägung werden in der Praxis einerseits vor allem die Interessen der beeinträchtigten Unternehmen an ungehinderter wettbewerblicher Betätigung und Chancengleichheit im Wettbewerb ins Feld geführt.12 Daraus werden insgesamt kartellrechtliche Unterlassungsansprüche, § 33 Abs. 1 S. 1 Fall 1 GWB, abgeleitet. Andererseits ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch ein marktbeherrschendes Unternehmen nicht daran gehindert, seine geschäftliche Tätigkeit und seinen Absatz nach eigenem Ermessen so zu gestalten, wie es das für wirtschaftlich richtig und sinnvoll erachtet.13

Rn396

Ohne der Würdigung von Verhaltensweisen im Einzelfall vorgreifen zu können und zu wollen, ist freilich zu bedenken, dass bereits der zu einer Rechtsposition stilisierte sog. First-Mover-Advantage kritisch zu betrachten ist. Die Verfestigung eines rein wirtschaftlichen Vorteils zu einer Abwehransprüche begründenden Rechtsposition würde bedeuten, dass derjenige, der als Erster Schritte zur Umsetzung für den Ausbau von Versorgungsinfrastruktur unternimmt, damit durch § 19 Abs. 1, 2  GWB eine Position erhielte, die ihn vor weiterem Wettbewerb durch marktbeherrschende Unternehmen dauerhaft bewahrte. Dies entspricht gerade nicht dem grundlegenden Anliegen des GWB.14 Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen ist stets und zuvörderst die auf Freiheit des Wettbewerbs gerichtete Zielsetzung des Gesetzes zu beachten. Nach diesen Grundsätzen kommt es nicht in Betracht, bestimmte faktische Vorsprünge beim Ausbau eines Versorgungsnetzes als sog. First-Mover-Advantage dauerhaft gegen weiteren Wettbewerb abzusichern. Es dürfte kaum der rechtspolitischen Zielsetzung einer auf Ausbauwettbewerb gegründeten Verdichtung der Glasfaserversorgung in Deutschland entsprechen, wenn bereits symbolische Vorbereitungsakte eines Glasfaserausbaus oder erste Schritte gleichsam zu einer Reservierung ganzer Gebiete führen, der dann womöglich nur ein stark verlangsamtes Ausbautempo ohne Druck des Wettbewerbs folgt. Zu Recht formuliert das BKartA deshalb sinngemäß („ist“),15 dass ein Ausbau jedenfalls mehr voraussetzt als eine Art zeremonielle Manifestation des Baubeginns in Gestalt eines sog. ersten Spatenstichs. Man wird von den betroffenen Unternehmen schon nach den allgemeinen Regeln der Darlegungs- und Beweislast Nachweise in Gestalt konkreter Baufortschritte und erst recht Berechnungen fordern können, warum ganze Ausbaumaßnahmen unwirtschaftlich werden sollen, wenn Konkurrenz droht. Im Einzelnen dürfte dies Vortrag etwa dazu umfassen, dass und welche Kosten aufgeworfen werden, welche Auslastung eines Netzes nach Berechnungen des First Movers erforderlich ist, wann mit einer Amortisierung gerechnet werden kann und warum dies nicht der Fall ist, wenn es lediglich zu einem Teilausbau kommt. Dementsprechende Angaben bleiben – sofern sie überhaupt gemacht werden – freilich sehr häufig an der Oberfläche und erschöpfen sich in allgemeinen Angaben, die sich monetär kaum quantifizieren lassen.16

Rn397

Aber auch bei substantiellen Baufortschritten begründete ein First Mover Advantage richtigerweise keine Ausbaugarantie: Denn die Unternehmen stehen in einem legislativ und administrativ, d.h. kartellbehördlich, gewollten Wettbewerb um den Ausbau zueinander, den man bildlich als eine Art Windhundrennen umschreiben kann, in dem sich entscheidet, welches Unternehmen den Ausbau schneller vorantreibt. Es soll auch – in verbraucherfreundlicher Weise – der Beschleunigung des sozio-ökonomisch dringend erforderlichen und deshalb politisch forcierten Glasfaserausbaus dienen: „Haben in Zukunft aufgrund der zu erwartenden Bedarfssteigerung zwei oder mehr Unternehmen in einer Region die Absicht, hier in Glasfaser zu investieren, ist davon auszugehen, dass sich zwischen diesen ausbauwilligen Unternehmen ein gewisser Wettbewerb um den Ausbau der attraktivsten Gebiete entwickeln wird.“17 Im Gegensatz zu den Rechtsbereichen des Energie-, Fernwärme- und Wasserrechts, in denen natürliche Monopole in Form exklusiver Netz- und Wegerechtskonzessionen bestehen, ist hier also der Wettbewerb zwischen verschiedenen Unternehmen des Glasfaserausbaus eröffnet, der nicht zwingend in ein Monopol münden muss. Denn zu Recht betont das BKartA in wünschenswert differenzierter Art und Weise, dass sich „die Attraktivität von potentiellen Ausbaugebieten für FTTB/H-Netze je nach der Höhe der erforderlichen Ausbaukosten und der Siedlungsdichte der potentiellen Abnehmer unterscheidet. … Außer in urbanen Gebieten mit hoher Siedlungsdichte lohnt sich der Glasfaserausbau zwischen Verteilerkasten und Endkunden insbesondere aufgrund der sehr hohen Tiefbaukosten in der Regel nur für einen einzigen Anbieter …. In sehr ländlichen Gebieten kann selbst der Ausbau eines Netzes ohne Förderung unwirtschaftlich sein.“18

Rn398

Unter Berücksichtigung dieser Gegebenheiten ist das Vorgehen des Digitalministeriums, Glasfaserdoppelausbau näher analysieren zu lassen, einerseits durchaus zu begrüßen; bereits im Mai 2023 sollen Ergebnisse einer Untersuchung konkreter Überbaufälle durch ein ökonomisches Beratungsunternehmen präsentiert und diskutiert werden. Gerade weil die autonome wirtschaftliche Entscheidung jedes Unternehmens Schutzgut des Wettbewerbsrechts ist, bedeutet dies andererseits zugleich, dass jedes Unternehmen fortwährend die ökonomische Sinnhaftigkeit eines Glasfaserausbaus vor Ort zu jedem entscheidungsfordernden Zeitpunkt – etwa bei Beginn der Vorvermarktung, dem Baustart u.a.m. – prüfen (können) muss,19 weil ein Überbau zwar möglicherweise vielfach, aber keineswegs immer und ausnahmslos unwirtschaftlich ist.

Rn399

Gerade diese differenzierte wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit im Wettbewerbsprozess ist nach dem zuvor Gesagten in besonderem Maße schutzwürdig. Der sog. First Mover Advantage ist deshalb wohl nichts anderes als ein Reflex der Entscheidung eines Konkurrenten, auf einen Doppelausbau zu verzichten. Er begründet keine Rechtsposition, sondern bildet eine ökonomische, intersubjektiv wirtschaftlich unterschiedlich zu beurteilende Größe. Das vermeintlich beeinträchtigte Unternehmen hat es durch eine Beschleunigung des Glasfaserausbaus selbst in der Hand, diese Entscheidung zu beeinflussen bzw. zu determinieren. Es ist grundsätzlich seine Sache, effektiv um Kunden zu werben, etwa durch Hervorhebung besonderer Vorzüge, die ein ohnehin lokal verwurzelter Anbieter den Endkunden verschaffen kann (bekanntermaßen etwa durch ortsnahe Ansprechpartner/innen, einen ortsnahen Service, der effektiv und vor allem schnell auch bei technischen Störungen einschreiten kann, was bei Glasfasernetzen zu einem in der Praxis wesentlichen Vorteil geworden ist, u.a.m.), durch bessere Preise für die Endkunden, Vergünstigungen in den ersten Monaten bzw. Jahren für die Endkunden u.v.m.. Insofern ist es auch nicht Aufgabe des Überbauenden, die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit seiner Absichten darzutun, sondern im Zweifel vom Wettbewerb gedeckt, wenn doppelt ausgebaut wird. Es obläge vielmehr dem potentiell beeinträchtigten First Mover gemäß den allgemeinen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast, eine Behinderungsstrategie darzutun und nachzuweisen.

Rn400

Dafür bedürfte es konkreter Anhaltspunkte. Denn aus der Tatsache allein, dass ein Ausbau bei paralleler Erschließung durch ein weiteres Unternehmen möglicherweise unwirtschaftlich wird, so dass das Unternehmen, das den ersten Ausbauschritt getätigt hat, von einem solchen Abstand nehmen müsste, ergibt sich allein keine unbillige Behinderung. Ein derartiger Rückzug vom Ausbau ist eine eigenständige wirtschaftliche Entscheidung des First Movers; entsprechende Entscheidungen, sich gegebenenfalls auch aus dem Wettbewerb zurückzuziehen, sind einem freien Markt mit entsprechenden Wettbewerbsverhältnissen immanent.

Rn401

2.2. Lauterkeitsrechtlich

Wettbewerber vor allem der Telekom, die – wie Gesetzgeber und Kartellamt – gleichermaßen auf dem Boden des Wettbewerbs zu stehen scheinen, monieren freilich nicht nur, dass – im Sinne des vorstehend Ausgeführten – eine „herausgehobene Marktposition nicht ausgenutzt“ werden dürfe, sondern auch, dass der Wettbewerb „nur dann ein Erfolgsmodell“ sein könne, wenn er „fair und respektvoll gelebt“ werde.20

Rn402

Damit wird auf lauterkeitsrechtliche Fragen angespielt, die verschiedene öffentliche Unternehmen in der Vergangenheit adressiert haben. Möglicherweise ist der sog. Behinderungstatbestand (§§ 3, 4 Nr. 4 UWG) einschlägig, dessen rechtliche Beurteilung mit der kartellrechtlichen teilweise korrespondiert. Die in der hier wiedergegebenen Diskussion stehenden Protagonisten sind Wettbewerber im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Anzuknüpfen ist an konkrete geschäftliche Handlungen, deren Unlauterkeit zu prüfen ist; insofern muss der lauterkeitsrechtliche Mitbewerberbegriff „handlungsbezogen“ verstanden werden.21 Soweit sie jeweils Glasfaserausbau anstreben und sich deshalb zwangsläufig mit Mitteilungen an die Öffentlichkeit richten, stehen sie in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zueinander. Dass vor allem kommunale Unternehmen beteiligt sind, ist dabei irrelevant.22 

Rn403

Lauterkeitsrechtlich ist zwar jede mögliche Beeinträchtigung der wettbewerbsrechtlichen Entfaltungsmöglichkeiten eine potentielle Behinderung. Da Vorsprung jedoch Wettbewerb immanent ist, sind nur solche Handlungen zu sanktionieren, die in sog. Verdrängungsabsicht erfolgen.

Rn404

Soweit sich die betroffenen Mitbewerber – wie dargelegt – auf „strategische Manöver“ und gleichsam ein „Rosinenpicken“23 lukrativer Ausbaugebiete beziehen, verdient dies allein freilich kein lauterkeitsrechtliches Verdikt. Denn es ist nicht verwerflich, gewinnoptimiert zu handeln. Auch die – vermeintliche – Egalisierung eines „First-Mover-Advantage“ wäre nichts anderes als ein Nachziehen im Wettbewerb, auf das jedes Unternehmen gefasst sein muss. Es ist herausgefordert, den Glasfaserausbau entsprechend schneller voranzutreiben. Es wäre mit den legislativen,24 judikativen25 und administrativen26 Zielsetzungen nicht einmal ansatzweise in Einklang zu bringen, bestimmten Unternehmen Investitionsvorhaben gleichsam zu monopolisieren. Dadurch würde Glasfaserausbau verlangsamt. „Der Nachteil“, den diese Unternehmen „befürchten, ist die Unwirtschaftlichkeit von Investitionen in ein Glasfasernetz, wenn in demselben Gebiet ein Wettbewerber Glasfaser“ ausbaut. Ihnen geht es „um Planungssicherheit, also im Ergebnis darum, sich vor den negativen wirtschaftlichen Folgen zu schützen, die sich ergäben, wenn sie in ein Glasfasernetz investieren“ und sich erst später „herausstellt, dass ihr geltend gemachter Anspruch nicht gerechtfertigt ist, sie sich also dem Wettbewerb um Glasfaserkunden stellen müssen. Die Antragsgegnerin hiervor zu schützen, ist jedoch nicht Zweck“ lauterkeits- bzw. wettbewerbsrechtlicher Instrumente, die gerade Wettbewerb fördern sollen.27 Im Übrigen gilt, dass bei der Beurteilung eines Unterlassungsanspruchs infolge eines Behinderungsvorwurfs gemäß §§ 8, 3 f. UWG im Rahmen der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung die gleichen Beurteilungskriterien wie im GWB maßgebend sind.28

Rn405

Auch Doppel-Ausbauankündigungen sind an sich keinesfalls zu unterlassen. Die Grenze lauterkeitsrechtswidrigen Verhalten wird erst dann überschritten, wenn ein Unternehmen Ausbaupläne veröffentlicht und Ankündigungen macht, die es aller Voraussicht nach nicht einlösen bzw. verwirklichen kann.29 Das wäre – sofern sich dies tatsächlich belegen lässt – im Übrigen kein Fall einer potentiellen „Behinderung“, sondern einer irreführenden Werbung i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 UWG. Dabei bliebe jedoch ohnehin zu beachten, dass infolge dieser Werbung keineswegs Unterlassung des Glasfaserausbaus überhaupt gefordert werden könnte, sondern nur Unterlassung irreführender Bewerbung des Netzausbaus und der Folgeprodukten bzw. eine entsprechende Richtigstellung.

Rn406

3. De lege ferenda

Demnach ist auf der Grundlage des geltenden Rechts nicht festzustellen, dass es – von den beschriebenen Ausnahmen abgesehen – kartell- und lauterkeitsrechtlichen Bedenken begegnete, wenn Glasfaserunternehmen in Ausbauwettbewerb treten und ein Netz doppelt ausbauen oder dies auch nur ankündigen. Es ist auch nicht erkennbar, dass sich aus dem geltenden Recht eine Stütze für die These des BREKO ableiten ließe, wonach es die „volkswirtschaftlichen Zusammenhänge und die Marktsituation in Deutschland“ geböten, dass es „in einer ersten Phase darum gehe, arbeitsteilig eine möglichst flächendeckende Infrastruktur zu errichten.“30 Dagegen spricht nicht nur der oben beschriebene Rang, den die Regierungsverantwortlichen und das BKartA dem Ausbauwettbewerb zuweisen. Die Auffassung des BREKO gemahnt an die sog. kartellrechtliche Markterschließungsdoktrin. Danach soll das Kartellrecht solchen Verhaltenskoordinierungen nicht entgegenstehen, mit deren Hilfe allein eine wirtschaftlich rentable Markterschließung herbeigeführt und „neuer Wettbewerb eröffnet“31 werden kann.32 Diesen Gedanken könnte man insofern fruchtbar machen, als die gleichsam exklusive Zuweisung bestimmter Gebiete an First Mover unerlässlich sei, um die insbesondere sehr hohen Tiefbaukosten eines Netzbaus amortisieren zu können. Allerdings wären gegen eine solche Sichtweise Bedenken angebracht: Die Tatsache, dass die umstrittenen Ausbaugebiete gleich möglicherweise von mehreren Unternehmen ausgebaut werden (können), spricht recht eindeutig gegen die Notwendigkeit einer wettbewerbsfeindlichen Monopolisierung. Hinzu treten konzeptionelle Bedenken an der Markterschließungsdoktrin durch Kritiker, die zu Recht einen Systembruch und eine Antezipation bzw. Unterminierung der Merkmale des Freistellungstatbestands monieren. Und in der Tat zeigt sich, dass eine Efficiency Defence eine Monopolisierung gar nicht rechtfertigen könnte, weil es nicht nur an der Erforderlichkeit der Wettbewerbsbeschränkung zur Erzielung der Effizienzgewinne fehlt, sondern sowohl Ausbau- als auch Vorleistungswettbewerb insgesamt ausgeschaltet werden, was von einem Effizienzeinwand nicht gedeckt wird.33 

Rn407

Es nimmt nicht Wunder, dass verschiedene Diskutantinnen und Diskutanten deshalb bereits gesetzliche Änderungen angemahnt haben, weil sich auf dem Boden des geltenden Rechts ein Schutz vor Überbau nicht herleiten lässt: Gefordert werden unter anderem Überbauverbote bei geplantem oder vorhandenem Netz mit Open-Access-Zugang oder – was vielfach auf ein gleiches Ergebnis herauslaufen wird – Rechte der Kommunen, Ausbauvorhaben so lange nicht zu genehmigen, bis die gesamte Kommune nicht wenigstens einmal vollständig versorgt ist (wobei dann ein Doppelausbau vielfach ohnehin unwirtschaftlich wäre).34 Diese Vorschläge laufen jedenfalls auf eine Monopolisierung und einen Schutz vor Ausbauwettbewerb hinaus. Was ist davon zu halten?

Rn408

Eine Binsenweisheit ist selbstverständlich, dass ein solch monopolisierendes Gesetz in einer von Wettbewerb geprägten Rechtsordnung und angesichts des von allen Beteiligten bekräftigen Rangs des Ausbauwettbewerbs wenig einheitlich und folgerichtig wäre. Zu beachten ist allerdings, dass die Vorschläge auch darauf hinauslaufen, Open Access-Verpflichtungen für den Ausbauenden vorzusehen, d.h. Mitnutzungsrechte zu statuieren,35 die sich freilich auch aus den §§ 16 ff. TKG bzw. §§ 33 Abs. 1 Alt. 1, 19 Abs. 2 Nrn. 4, 1, Abs. 1 GWB herleiten ließen, jedenfalls sofern – darin dürfte eine der entscheidenden Voraussetzungen liegen – Aufbau und Betrieb paralleler Leitungen ineffizient sind, was, wie gezeigt, nicht ohne Weiteres der Fall ist. Im Übrigen ist Open Access bekanntlich – von den Fällen des öffentlich geförderten Ausbaus, § 155 TKG, einmal abgesehen – nur auf der Basis von Selbstverpflichtungen durchsetzbar.

Rn409

Es trifft zu, dass Endnutzer bei Open Access durch einen Monopolisten aus mehr Produktangeboten auswählen können, dass eine raschere Refinanzierung erfolgen kann und dass auch die Netzauslastung verbessert und die Rentabilität bei einer Steigerung von beispielsweise 40 % auf 80 % Auslastung deutlich gesteigert wird. Wenn allerdings in der aktuellen Debatte behauptet wird, dass sich auf diese Weise „Monopole verhindern“ und „günstigere Preise“ generieren ließen,36 erscheint das als eine reichlich optimistische Prognose. Zunächst einmal ist Open Access derzeit zwar in aller Munde; seine Verbreitung allerdings entspricht – ebenso wie das Interesse daran – nicht dem Rang, den er in der (fach-) öffentlichen Diskussion einnimmt. Beredtes Zeugnis davon geben z.B. die über viele Monate andauernden, ergebnislosen Diskussionen im sog. Gigabitforum der BNetzA. Die fehlende Verbreitung hat – neben zugleich noch darzustellenden Gründen hoher Zugangsentgelte, die einen Doppelausbau vielfach als ökonomisch sinnvoller erscheinen lassen – auch technische Ursachen. Denn die Netztechnologie wird vom Betreiber der Infrastruktur in unveränderlicher Weise vorgegeben; der Nachfrager muss sie nutzen. Wenn z.B. ein Betreiber ein GPON-basiertes Netz (Gigabit Passive Optical Network) errichtet hat und ein Wettbewerber seine Produkte über die aktive Direktverbindung point-to-point vermarktet, ist eine Einspeisung über bestehende Glasfaserrouter in den jeweiligen lokalen Technikstationen bzw. PoPs (Points of Presence) technisch nicht umsetzbar. Hinzu treten eher alltägliche Probleme wie für Vorleistungsnachfrager nicht ad hoc verfügbare Servicetechniker u.a.m.

Rn410

Des Weiteren gingen – wie sich neueren gerichtlichen Entscheidungen auch unzweideutig entnehmen lässt –37 jedenfalls von einer gesetzlichen, monopolartigen Zuweisung eines Ausbaugebietes an ein bestimmtes Unternehmen keine positiven Effekte auf Vorleistungs- und Endkundenmärkte aus, weil das ausbauende Unternehmen in Gestalt der Vorleistungsentgelte Monopolgewinne vereinnahmen kann. In der Folge kann es mit ihnen sodann Endkundenprodukte quersubventionieren, was sich auch durch Preis-Kosten-Scheren-Tests kaum vermeiden ließe. Denn auch ohne Margin Squeeze hat der etablierte Betreiber wirtschaftliche Vorsprünge infolge der Vorleistungsentgelte. Besteht hingegen der – tatsächliche oder potentielle – Druck eines Netzüberbaus durch Wettbewerber, kann der First Mover keine Monopolpreise setzen; zumindest wird der Gewinn, der aus der Exklusivität des Territoriums resultierte, auf ein im Wesentlichen marktliches Niveau reduziert. Infrastrukturwettbewerb gewährleistet also auch angemessene Zugangsentgelte.

Rn411

Schließlich blieben Behauptungen des First Movers bzw. (potentiellen) Monopolisten, auch weniger lukrative Regionen mit Glasfaser zu erschließen und diese über lukrativere Gebiete gleichsam quer zu subventionieren, in der Vergangenheit weithin unbelegt. Es steht vielmehr zu erwarten, dass sich jedes Unternehmen wirtschaftlich rational verhält und lediglich die gewinnträchtigen Regionen durch Glasfaser erschließt. Im Falle einer gesetzlichen Monopolisierung ließe sich nicht mehr gewissermaßen über den Markt feststellen, wo Glasfasernetze in kostendeckender Weise entstehen können und wo Förderung Platz greifen muss. Das zeigt ein Vergleich der beiden Szenarien: Weist man einem Unternehmen ein Ausbaumonopol zu, verlangsamt sich der Glasfaserausbau mangels Infrastrukturwettbewerbs insgesamt. Herrscht dagegen Wettbewerb, so verlangsamt sich der Glasfaserausbau allenfalls in unrentableren Gebieten. Gebiete, die nicht wirtschaftlich zu erschließen sind, werden nicht dadurch schneller erschlossen oder rentabel, dass lukrativere Gebiete gesetzlich gleichsam reserviert werden. Gerade erst aus dem Ausbauwettbewerb ergibt sich, welche Gebiete rentabel erschlossen werden können und welche einer Förderung bedürfen; dass lukrative Gebiete wohl zügiger als weniger rentable Gebiete ausgebaut werden, ist dabei marktlogisch. Gar nicht ausgebaut werden indes nur förderbedürftige Gebiete.

Rn412

4. Fazit

Diese Überlegungen zeigen, dass gesetzliche Exklusivzuweisungen bestimmter Ausbaugebiete oder vergleichbare Lösungen de lege ferenda wenig zielführend sind. Es muss die Freiheit zu einem Überbau bzw. zu einer freien Wahl des Nachfragers bestehen, ob er Open Access in Anspruch nimmt oder parallel baut. De lege lata lassen sich Netzdoppelungen – von Ausnahmefällen unlauteren Verhaltens einmal abgesehen – nicht kartell- oder lauterkeitsrechtlich verhindern. Mitverlegungen sind vielfach keine praktische Option, weil das originär ausbauende Unternehmen verpflichtet ist, bei seiner Schachtung zusätzliche Leerrohre zu verlegen, wodurch zusätzlich zu vergrößerten Aufwänden bei Genehmigungen und Schachtbau die Planungskosten des ursprünglichen Carriers steigen. Diese Kosten kann das Unternehmen erst im Nachhinein von seinen Wettbewerbern einfordern.

Rn413

Insgesamt ist keine vernünftige Alternative zu freiem Wettbewerb schon auf der Infrastrukturebene möglich. Jedes Unternehmen muss frei entscheiden können, ob es ausbaut oder auf Open Access setzt. Durch freien Infrastrukturwettbewerb sind Wettbewerber nicht von einem marktstarken Unternehmen abhängig, sie können also eigenständig planen, handeln und ihre Produkte stärker von der Konkurrenz differenzieren.38 Wettbewerb zwischen parallelen Netzen schafft demnach Auswahlmöglichkeiten bei Qualität und Service zugunsten von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Infrastrukturwettbewerb ist deshalb förderungs- und ausbauwürdig. Er entspricht auch jedenfalls seit der Liberalisierung der Märkte nicht nur dem nationalen, sondern auch dem europarechtlichen Leitbild,39 und es erschiene kaum als angebracht, diesen Zustand vergangenheitsgeneigt umzukehren.

Rn414

Es ist zwar richtig, dass Mitnutzungen durch Open Access-Vereinbarungen dazu beitragen können, dass knappe Planungs- und Ausbaukapazitäten effizienter eingesetzt werden können. Allerdings bestehen Anhaltspunkte dafür, dass sie gesamtwirtschaftlich deutlich geringere Wohlfahrtsgewinne generieren als freier Wettbewerb, wenn Glasfaserausbau gesetzlich monopolisiert wird. Nach welchen Kriterien hier verlässlich zuzuteilen ist, wäre ohnehin unklar. Im Übrigen bleibt zu bedenken, dass sich knappe Tiefbaukapazitäten – die in der Praxis tatsächlich eher selten auftreten – durch vorausschauende Planung bewältigen lassen. Ein Unternehmen wird sich ohnehin nur für einen punktuellen Überbau entscheiden, wenn dieser trotz der (Tiefbau-) Kosten gleichwohl als lukrativ erscheint.

Rn415

Gegen Open Access bei und in Kombination mit Infrastrukturwettbewerb ist dagegen selbstverständlich nichts einzuwenden. Dieser ist ein wesentlicher Garant für Investition in und Wachstum von FTTH. Mit ihm, der auch Kernprinzip von Regulierung und Liberalisierung auf nationaler und europäischer Ebene ist, zu brechen, bedürfte tragfähiger Argumente, die jedenfalls bislang nicht ersichtlich sind.

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* Der Verf. dankt seinem Kollegen Emiel Kowol für sehr wertvolle Anregungen und Diskussionen. Er hat in der Praxis verschiedene kartellrechtliche Verfahren sowohl für öffentliche als auch für privatwirtschaftliche Glasfaserunternehmen geführt. Hier gibt er ausschließlich seine persönliche Auffassung wieder.

1 BKartA, Beschluss vom 4.12.2019, B7-21/18, Rn. 55, wonach Ausbauwettbewerb „zu einer Beschleunigung und Erweiterung der FTTB/H-Infrastrukturausdehnung führt und damit eine stetige qualitative Verbesserung sowohl auf dem Endkunden- als auch auf dem Vorleistungsmarkt bedeutet“. – Sofern hier auf diesen Fall Bezug genommen wird, geschieht dies in Abstraktion vom zugrundeliegenden Einzelfall: Das BKartA legte dem verfahrensgegenständlichen Gemeinschaftsunternehmen weitreichende Verpflichtungen um des Mitbewerberschutzes willen auf, so dass sich gerade hier die Problematik des Doppelausbaus nicht im üblichen Maße stellt.

2 BKartA, Beschluss vom 4.12.2019, B7-21/18, Rn. 8.

3 So Reinhard Brandl (CDU-/CSU-Fraktion), zitiert nach computerbase.de/2023-02/glasfaserausbau-politik-soll-ueberbau-seitens-der-telekom-untersagen (letzter Abruf: 2.5.2023).

4 So Anke Domscheid-Berg, zitiert nach computerbase.de/2023-02/glasfaserausbau-politik-soll-ueberbau-seitens-der-telekom-untersagen (letzter Abruf: 2.5.2023).

5 S. FAZ vom 14.4.2023, S. 22.

6 Vgl. dazu und zu den vorstehenden Zitaten dieses Absatzes Handelsblatt online v. 13.4.2023, abrufbar unter handelsblatt.com/technik/it-internt/glasfasernetz-breitband-gerangel-um-den-glasfaserausbau-der-telekom/29091566.html (letzter Abruf: 01.05.2023). Nach Angaben der FAZ (14.4.2023, S. 22) verweist der BREKO auf einen Überbau in ca. 100 Fällen quer durch Deutschland, insbesondere in Köln, Heilbronn, Wolfenbüttel, Heide, Gablingen, Bobingen, Eichenau, Husum und Ludwigsfelde.

7 So wird der Telekom-Manager Thilo Höllen mit der Angabe zitiert, bei seinem Unternehmen sei nur „unter ein Prozent“ des Ausbaus ein Doppelausbau, vgl. computerbase.de/2023-02/glasfaserausbau-politik-soll-ueberbau-seitens-der-telekom-untersagen (letzter Abruf: 4.5.2023).

8 MüKoWettbewerbsR/Westermann, 4. Aufl. 2022, § 19 Rn. 41 m.w.N.

9 Darüber bestand bereits vor der Entscheidung des BGH in Sachen Facebook (vgl. BGH, Beschl. v. 23.06.2020, KVR 69/19, NZKart 2020, 473, 478 f. = WuW 2020, 525) bzw. der 10. GWB-Novelle Einigkeit, vgl. etwa Immenga/Mestmäcker/Fuchs, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. (2020), § 19 Rn. 234a; Langen/Bunte/Nothdurft, Deutsches Kartellrecht, 14. Aufl. 2022, § 19 GWB Rn. 473; Wiedemann, Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, § 23 Rn. 55.

10 BGH, Urteil vom 03.12.2019 – KZR 29/17, NZKart 2020, 255, 257 Rn. 36 = WuW 2020, 327 – Net Cologne II.

11 St. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12.3.1991 – KZR 26/89, NJW 1991, 2963 = WuW/E BGH 2707, 2716 – Krankentransporte II; BGH, Urteil vom 24.6.2003 – KZR 32/01, NJW-RR 2003, 1348 = WuW/E DE-R 1144, 1146 –Schülertransporte, m.w.N.; LG Hannover, Urteil vom 8.8.2022, 18 O 115/22, S. 11 – Glasfaser für Winsen.

12 Bechtold/Bosch, GWB, 10. Aufl. 2021, § 19 Rn. 18.

13 BGH, Urteil vom 17.03.1998 – KZR 30/96, WuW/E DE-R 134, 136 – Bahnhofsbuchhandel; BGH, Urteil vom 31.01.2012 – KZR 65/10, WuW/E DE-R 3549 Rn. 29.

14 LG Hannover, Urteil vom 08.08.2022 – 18 O 115/22, S. 11 – Glasfaser für Winsen; insoweit bestätigt durch OLG Celle, Urteil vom 01.12.2022 – 13 U 49/22 (Kart), WuW 2023, 45 f.

15 Vgl. oben Fn. 2.

16 BREKO, zitiert nach Handelsblatt online v. 13.4.2023, führt beispielsweise „zusätzliche Koordinierungen mit dem doppelt ausbauenden Unternehmen zur Einhaltung von Mindestabständen“ oder „nicht nur Verunsicherungen auf Seiten der Kommunen, sondern auch auf Seiten der Kundinnen und Kunden“ an, wodurch „Kosten im Bereich des Vertriebs und Marketings“ stiegen (letzter Abruf: 01.05.2023).

17 BKartA, Beschluss vom 4.12.2019 – B7-21/18, Rn. 8.

18 BKartA, Beschluss vom 4.12.2019 – B7-21/18 , Rn. 7 (Hervorhebung d.Verf.).

19 Hierzu wird etwa zählen, ob und inwieweit sich Investitionskosten prospektiv amortisieren lassen, was z.B. vom Ausbauumfang, der Netzauslastung oder der Marktlage (die auch Verfügbarkeit und Preiswürdigkeit von Tiefbaukapazitäten umfasst) abhängig ist.

20 BREKO, Positionspapier „Telekom gefährdet flächendeckenden Glasfaserausbau in Deutschland“ (2023), S. 1.

21 BGH, Urteil vom 17.10.2013 – I ZR 273/12, WRP 2014, 552 Rn. 17 – Werbung für Fremdprodukte; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 2 Rn. 98.

22 Fezer/Büscher/Obergfell, Lauterkeitsrecht – UWG, 3. Aufl. 2016, § 2 Rn. 78.

23 BREKO, Fn. 17, S. 3: „Sofern das doppeltausbauende Unternehmen, wie in vielen Fällen angekündigt, lediglich eine Erschließung besonders lukrativer Adressen vornimmt, besteht bei Wegbrechen des großflächigeren Ausbaus des ursprünglich planenden Unternehmens die Gefahr der Nichterschließung einer Vielzahl von Adressen.“

24 Die Bundesregierung, Gigabitstrategie der Bundesregierung, Stand 13.7.2022, S. 7 (abrufbar unter bmdv.bund.de).

25 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.9.2021 – VI-Kart 5/20 (V), Kart 5/20 (V), juris, Rn. 42.

26 BKartA, Hinweise zur wettbewerbsrechtlichen Bewertung von Kooperationen beim Glasfaserausbau in Deutschland (2010), S. 2: „Infrastrukturwettbewerb ist in den Breitbandmärkten eine wesentliche Grundlage für alle Wettbewerbsparameter wie Preise und Qualität, Service und Vielfalt der angebotenen Dienstleistungen. Beschränkungen des Infrastrukturwettbewerbs wirken sich deshalb konkret auf diese Wettbewerbsparameter in allen betroffenen Märkten aus.“

27 S. hierzu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1.4.2022 – VI-W (Kart) 1/22, S. 7.

28 Vgl. deshalb oben 1. sowie hierzu BGH, Urteil vom 10.12.1985 – KZR 22/85, BGHZ 96, 337, 346 = NJW 1986, 1877 – Abwehrblatt; BGH, Urteil vom 21.2.1989 – KZR 7/88, GRUR 1989, 430 – Krankentransporte.

29 Vgl. hierzu etwa OLG Celle, Urteil vom 1.12.2022 – 13 U 49/22 (Kart), WuW 2023, 45 Rn. 24 ff.

30 Fn. 17, S. 1.

31 Immenga/Mestmäcker/Zimmer, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2019, Art. 101 AEUV Rn. 152.

32 St. Rspr. seit EuGH, Urteil vom 30.6.1966, Rs. 56/65 (Societé Technique Minière (LTM)/Maschinenbau Ulm (MBU).), Slg. 1966, 281, 304.

33 S. hierzu – m.w.N. – etwa von der Groeben/Schwarze/Hatje/Schröter/Bartl, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 102 AEUV Rn. 188.

34 S. beispielsweise MdB A. Domscheit-Berg: „Anti-Überbau-Gesetz“ (mdb.anke.domscheidt-berg.de/medienecho/politiker-fordern-gesetzlichen-verbot-fuer-doppelten-glasfaser-ausbau/); Heuzerath, Politiker fordern gesetzliches Verbot für doppelten Glasfaser-Ausbau, WELT v. 4.2.2023, der unter anderem den digitalpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Brandl wie folgt zitiert: „Wir sollten das TKG dahingehend ergänzen, dass den Kommunen ermöglicht wird, den Überbau eines bestehenden Glasfasernetzes so lange nicht zu genehmigen, bis die gesamte Kommune nicht mindestens einmal mit Glasfaser erschlossen ist.“  

35 Infrastrukturanbieter, die über ein Glasfasernetz verfügen, bieten nach dieser Lösung allen anderen Anbietern von Breitbandprodukten Zugang zu ihrem Netz diskriminierungsfrei und zu marktverhandelten Konditionen an („FRAND“). Dabei kann man zwischen physisch entbündeltem und virtuell entbündeltem Zugang differenzieren. – Gegen eine gesetzliche Verpflichtung zu einem Open Access-Standard insbesondere BT-Drucks. 20/6084, S. 3, unter Hinweis darauf, dass sie „nach erster Einschätzung den Vorgaben des Europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation widersprechen“ würde.

36 S. etwa atene KOM, Open Access kann unnötigen Überbau beenden (24.1.2023), abrufbar unter atenekom.eu/open-access-kann-unnoetigen-ueberbau-beenden/ (letzter Abruf: 1.5.2023).

37 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.9.2021 – VI-Kart 5/20 (V), Kart 5/20 (V), juris, Rn. 134 f.

38 BT-Drucks. 20/6084, S. 2.

39 S. Nigge/Horstmann, MMR 2018, 721, 722 m.w.N.

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