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Zitiervorschlag: Bu/Ruhl, LRZ 2024, Rn. 683, [●], www.lrz.legal/2024Rn683.
Permanente Kurz-URL: LRZ.legal/2024Rn683
Trotz geopolitischer Spannungen und einer De-Risking-Strategie der Bundesregierung und der EU ist China weiterhin eines der wichtigsten Zielländer für deutsche Investitionen. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die aktuellen rechtlichen Hürden und Rahmenbedingungen für ausländische Investitionen in China. Dabei wird insbesondere auf die jüngste Reform des chinesischen Gesellschaftsgesetzes und auf das Marktzugangsregime des Auslandsinvestitionsgesetzes eingegangen.
Im Jahr 2023 sind die Kapitalzuflüsse aus dem Ausland nach Deutschland auf den niedrigsten Stand seit 30 Jahren gesunken. Gleichzeitig haben die Investitionen aus Deutschland zugenommen. Die neuen Direktinvestitionen der deutschen Wirtschaft in China erreichten 2023 ein noch nie dagewesenes Niveau.1 Auf den ersten Blick verwundert dieser Anstieg, da die Bundesregierung gleichzeitig vor den Risiken des chinesischen Investitionsumfelds warnt und sogar eine eigene China-Strategie vorgestellt hat.2 Zudem hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz bereits einem deutschen Unternehmen die Verlängerung von Investitionsgarantien für eine Investition in China verweigert.3 Der Anstieg trotz wirtschaftspolitischer Spannungen und rechtlicher Risiken hat mehrere Gründe. Zum einen handelt es sich bei den zusätzlichen Investitionen ausschließlich um reinvestierte Gewinne von ausländisch investierten Unternehmen (FIEs) in China. Dennoch ist der Anteil Chinas an den weltweiten deutschen Direktinvestitionsströmen auf 10,3 Prozent gestiegen, was gegen eine Diversifizierungstendenz und damit gegen ein De-Risking der Abhängigkeiten der deutschen Wirtschaft von China spricht. Auf der anderen Seite zeigt sich aber auch, dass die Abflüsse aus China zugenommen haben. Schließlich wurden in den letzten Jahren mehr Beteiligungen in China abgebaut als durch Kapitalzuflüsse aus Deutschland neu aufgebaut wurden.4 Dabei zeigt sich auch eine Spaltung zwischen Großunternehmen und KMU, die sich zunehmend aus dem chinesischen Markt zurückziehen.5
Von chinesischer Seite selbst kommen widersprüchliche Signale: Einerseits die Bekräftigung, FDI in China zu begrüßen, nicht zuletzt durch die Verabschiedung des Auslandsinvestitionsgesetzes (AuslInvG), andererseits die Verschärfung und Zunahme sicherheitsrelevanter Gesetze, die zu Verunsicherung und Besorgnis bei ausländischen Investoren führen.
Die rechtlichen Herausforderungen für ausländische Investoren sind denkbar zahlreich, weshalb der vorliegende Beitrag nur die für die Strukturierung von Investitionsprojekten unmittelbar relevanten Gesetze wie das AuslInvG und die am 1.7.2024 in Kraft gesetzten umfassenden Änderungen des Gesellschaftsgesetzes (GesG) miteinbeziehen wird. Miteingeschlossen sind Erläuterungen zum grenzüberschreitenden Datentransfer und zu sicherheitsrelevanten Rechtsnormen. Auf Themen, die zwar für Investitionsvorhaben in China wichtig sind, aber eher zu den allgemeinen Rahmenbedingungen gehören, wie der Schutz geistiger Eigentumsrechte, ESG, wird aus Platzgründen nicht eingegangen.
Zunächst widmet sich der Beitrag der Steuerung des Marktzugangs ausländischer Investitionen und beleuchtet die einzelnen Hürden und Beschränkungen, welche ausländische Investoren überwinden müssen. Zudem wird auch auf das neue Regime der handelspolitischen Gegenmaßnahmen eingegangen, die im Zuge aktueller geopolitischer Spannungen in den Vordergrund geraten sind. Darauf folgt ein Überblick über Fragen der gesellschaftsrechtlichen Strukturierung eines Investitionsvorhabens im Kontext des Umwandlungsgebots bestehender FIEs durch das AuslInvG und im Kontext der Novellierung des GesG. Schließlich enthält der Beitrag einen Abschnitt über aktuelle Regelungen zum grenzüberschreitenden Datentransfer. Zuletzt wird die sicherheitsrelevante Gesetzgebung erläutert.
Es gibt eine Reihe verschiedener Instrumente, die den Marktzugang für ausländische Investitionen steuern. Durch den Erlass des AuslInvG Anfang 2020 haben sich einige wichtige Änderungen für die Steuerung des Marktzugangs ausländischer Investitionen ergeben. Die grundlegendste Änderung stellt die Abschaffung des MOFCOM-Genehmigungsverfahrens für ausländische Investitionen dar. Zuvor musste die Gründung eines ausländisch investierten Unternehmens (FIE), welches in den beschränkten Bereich des Investitionskatalogs fiel, vorab vom chinesischen Handelsministerium (MOFCOM) genehmigt werden.6 Mit dem Erlass des AuslInvG wurde dieses Genehmigungserfordernis abgeschafft und damit eine bedeutende Hürde im Investitionsprozess beseitigt. Diese Erleichterung des Marktzugangs wurde von der Einführung verschiedener Kontrollinstrumente begleitet. Zu nennen sind hier einmal die umfassende nationale Sicherheitsüberprüfung ausländischer Investitionen7 und die Etablierung des Informationsmanagementregimes.8
Mit der Einführung der Inländerbehandlung vor der Zulassung in Verbindung mit einer Negativliste in § 4 AuslInvG sollen nun ausländische Investoren im Hinblick auf den Marktzugang mit inländischen Investoren gleichgestellt werden, es sei denn, der Investor investiert in einen Bereich, der in die aktuelle Negativliste aufgenommen worden ist. Dieses System setzt das seit Jahrzehnten bestehende Katalogsystem für ausländische Investitionen fort.9 In ihr sind zwei Kategorien enthalten: die Kategorie der beschränkten Investitionen und Kategorie der verbotenen Investitionen. Für Investitionen, die in Bereiche außerhalb der Liste fallen, gelten in der Regel dieselben rechtlichen Rahmenbedingungen wie bei inländischen Investitionen. Die Negativliste kann immer wieder aktualisiert werden, indem Bereiche von der Liste gestrichen oder hinzugefügt werden, je nach aktueller Industriepolitik.10
Nachdem der Finanzdienstleistungssektor 2020 von der Negativliste gestrichen wurde, bleiben Investitionsbeschränkungen u.a. in den Bereichen Landwirtschaft, Rohstoffgewinnung, Herstellung, Groß- und Einzelhandel, Informationsübertragung, Software und informationstechnische Dienstleistungen, Bildungswesen und wissenschaftliche Forschung.11
In den Pilot-Freihandelszonen werden eigene Negativlisten erlassen. Neben der Negativliste, die sich nur an ausländische Investoren richtet, gibt es auch eine allgemeine Marktzugangsliste, die sowohl für inländische als auch ausländische Investoren gilt.12 Für die darin aufgelisteten Bereiche gelten bestimmte Lizenzanforderungen. Zusätzlich gibt es die Liste der geförderten Industrien, die Bereiche auflistet, in denen ausländische Investitionen durch staatliche Anreize wie Steuervergünstigungen begünstigt werden.13 Insgesamt müssen ausländische Investoren vier Listen im Blick behalten: Die Negativliste, die Negativliste in den Pilot-Freihandelszonen, die Marktzugangsliste und die Liste der geförderten Industrien.
Die chinesische Regierung verfolgt seit der Amtsübernahme von Xi Jinping als Staatspräsident eine umfassende Sicherheitsstrategie. In der Folge ist es zu einer Zunahme an sicherheitsbezogener Gesetzgebung gekommen, und der Begriff der nationalen Sicherheit an sich wurde erweitert.14 Eine Sicherheitsüberprüfung gab es vor Erlass des AuslInvG lediglich für M&A-Transaktionen, an denen ein ausländischer Investor beteiligt war.15 Das AuslInvG sieht eine umfassende Sicherheitsüberprüfung vor, die nicht nur auf M&A-Transaktionen sondern auch auf Greenfield-Investitionen Anwendung findet Die Einführung einer umfassenden Sicherheitsüberprüfung für ausländische Investitionen steht im direkten Zusammenhang mit der Marktöffnung im Rahmen des AuslInvG und der Abschaffung des MOFCOM-Genehmigungsverfahrens.16 Sie ermöglicht den Wandel von einer Micro- zu einer Makroregulierung ausländischer Investitionen in China. Die Zunahme der Berücksichtigung von Sicherheitsaspekten und staatlichen Kontrollinstrumenten im Hinblick auf ausländische Investitionen ist nicht nur ein chinesisches Phänomen, sondern ein globaler Trend.17
Während das AuslInvG selbst nur eine allgemeine Vorschrift zur Sicherheitsüberprüfung vorsieht, haben die NDRC und das MOFCOM ca. ein Jahr nach Erlass des Gesetzes Maßnahmen zur Sicherheitsüberprüfung ausländischer Investitionen erlassen, in denen detaillierte Bestimmungen zum Anwendungsbereich und Verfahren der Sicherheitsüberprüfung festgesetzt sind. § 2 der Maßnahmen bestimmt, dass ausländische Investitionen, die sich auf die nationale Sicherheit auswirken oder auswirken können, einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden. Im Rahmen der umfassenden nationalen Sicherheitsstrategie18 hat sich der Sicherheitsbegriff erheblich erweitert und umfasst neben traditionellen Sicherheitskonzepten beispielsweise auch kulturelle, wirtschaftliche und soziale Sicherheit.19 Der Begriff der ausländischen Investitionen ist ebenfalls weit gefasst und bezieht sowohl Greenfield-Investitionen als auch M&A-Transaktionen in den Anwendungsbereich der Sicherheitsüberprüfung mit ein. Es ist davon auszugehen, dass auch Variable Interest Entities (VIEs) als „weitere Formen“ ausländischer Investitionen vom Anwendungsbereich umfasst sind, da die Sicherheitsüberprüfung andernfalls leicht umgangen werden könnte.20 Darüber hinaus sind auch alle Investitionen eingeschlossen, die ein ausländischer Investor in China auf andere Art und Weise tätigt.21
In § 4 der Maßnahmen werden die Umstände erläutert, die eine Antragspflicht zur Durchführung einer Sicherheitsüberprüfung beim ausländischen Investor auslösen. Dabei wird zwischen Investitionen in Schlüsselindustrien und Investitionen in militärische Industrien unterschieden. Eine Investition in eine militärische Industrie löst automatisch eine Antragspflicht aus, ohne dass eine bestimmte Investitionsschwelle oder ein Anteil erreicht werden muss. Eine Investition in eine Schlüsselindustrie löst hingegen erst dann eine Antragspflicht aus, wenn der ausländische Investor hierdurch die Kontrolle über das Unternehmen erhält, in das investiert wird. Als Schlüsselindustrien sind nach den Maßnahmen wichtige landwirtschaftliche Erzeugnisse, wichtige Energie- und Rohstoffquellen, die Herstellung kritischer Ausrüstungen, wichtige Infrastruktur, wichtige Transportdienstleistungen, wichtige Kulturprodukte und -dienstleistungen, wichtige Informationstechnologie- und Internetprodukte und -dienstleistungen, wichtige Finanzdienstleistungen, Schlüsseltechnologie oder andere wichtige Bereiche im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit aufgeführt. Neben dem ausländischen Investor kann die Überprüfungsbehörde selbst ex officio22 oder auf Vorschlag eines Dritten23 eine Überprüfung einleiten.
Innerhalb von 15 Werktagen nachdem die notwendigen Unterlagen durch den ausländischen Investor eingereicht worden sind, teilt das Arbeitsbüro mit, ob eine Sicherheitsüberprüfung notwendig ist oder nicht.24 Die darauffolgende Prüfung ist in eine allgemeine und eine spezielle Prüfung unterteilt. In der ersten Phase, die nicht länger als 30 Werktage bis zu einer Entscheidung dauern soll, findet die allgemeine Prüfung statt.25 Stellt sich dort heraus, dass die Investition die nationale Sicherheit gefährdet oder gefährden könnte, wird in einer zweiten Phase die spezielle Prüfung eingeleitet.26 Am Ende der der speziellen Prüfung, die nicht länger als 60 Werktage in Anspruch nehmen soll,27 kann das Arbeitsbüro die Investition entweder ablehnen, bedingt freigeben oder freigeben.28
Die Hauptkritik an der Sicherheitsüberprüfung richtet sich gegen den unbestimmten Anwendungsbereich der Sicherheitsüberprüfung, der ein Einfallstor für unvorhersehbare und willkürliche Entscheidungen der Überprüfungsbehörden bietet.29 Diese Problematik wird dadurch verschärft, dass es keine innerstaatliche Rechtsschutzmöglichkeit gegen eine Überprüfungsentscheidung gibt.30 Es besteht die Gefahr, dass im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung Investitionsbeschränkungen auf intransparente Weise auferlegt werden. Während das Negativlistensystem die Regulierung ausländischer Investitionen vereinheitlichen und so Einzelfallentscheidungen chinesischer Behörden reduzieren soll, könnte die Sicherheitsüberprüfung die Regulierung ausländischer Investitionen unvorhersehbarer machen. Insbesondere im Rahmen einer bedingten Freigabe des Investitionsvorhabens kann die zuständige Behörde bestimmte Bedingungen wie beispielsweise Anforderungen an die Unternehmensstruktur auferlegen, die sonst für bestimmte Investitionen einheitlich und transparent in der Negativliste enthalten sind.
Im Rahmen der Abschaffung des MOFCOM-Genehmigungsverfahrens wurde das Informationssystem für ausländische Investitionen ausgebaut, wodurch neue nachgelagerte Meldepflichten entstanden sind.31 Zuvor wurden Informationen über ausländische Unternehmen hauptsächlich von den Marktregulierungsbehörden SAMR und MOFCOM über ihre jeweiligen Systeme gesammelt.32 Nach der Regelung des AuslInvG sind ausländische Investoren nur noch verpflichtet, Informationen in die Systeme der obersten Marktaufsichtsbehörde SAMR einzureichen. Diese Systeme sind zum einen das Unternehmensregistrierungssystem und zum anderen das Publizitätssystem für Unternehmenskreditinformationen (Publizitätssystem).33
Das Notifizierungsverfahren nach der Gründung erfordert die Offenlegung von Informationen im Erstbericht, die im Rahmen des nun abgeschafften FIE-Genehmigungsverfahrens vor der Gründung eingereicht wurden.34 Der Antragsteller muss bei der Registrierung oder Änderung der Eintragung einer FIE den Erst- oder Änderungsbericht über ausländische Investitionen ausfüllen und beim Unternehmensregistrierungssystem einreichen.35 Die Registrierungsbehörden führen im Anschluss daran lediglich eine formelle Prüfung der entsprechenden Antragsunterlagen durch.36 Das Notifizierungsverfahren dient daher ausschließlich der Information der zuständigen Behörde und nicht der Erlangung einer behördlichen Genehmigung oder Bestätigung nach inhaltlicher oder formaler Prüfung.37 Im Gegensatz zum Genehmigungssystem ist das Notifizierungsverfahren schließlich keine Voraussetzung für die Gründung oder Änderung einer ausländischen Investition.38
Das Publikationssystem ermöglicht es verschiedenen Verwaltungsbehörden sowie der Öffentlichkeit, Basisdaten über alle Unternehmen in China auszutauschen.39 Gleichzeitig bietet es der Öffentlichkeit elektronischen Zugang zu den offiziellen Registrierungsdaten aller juristischen Personen in China. 40 Ausländische Investoren sind verpflichtet, regelmäßige und anlassbezogene Aktualisierungen an das Online-System der Handelsbehörden und das Publikationssystem für unternehmensbezogene Kreditinformationen zu melden.41 Des weiteren verlangt das neue Investitionsmeldesystem die Einreichung eines Jahresberichts.42
§ 40 AuslInvG verankert auf gesetzlicher Ebene die Möglichkeit, geeignete handelspolitische Gegenmaßnahmen zu ergreifen, wenn ein anderes Land diskriminierende Maßnahmen, wie bspw. Sanktionen, gegen China einsetzt. In diesem Zuge hat der chinesische Gesetzgeber verschiedene Rechtsakte erlassen, die eine Rechtsgrundlage für solche Gegenmaßnahmen darstellen und geeignet sind, den Zugang zu ausländischen Investitionen zu beschränken oder zu verhindern.
Die wichtigsten Rechtsakte, auf die sich handelspolitische Gegenmaßnahmen stützen können, sind das Exportkontrollgesetz43, die Bestimmungen über die Liste unzuverlässiger Unternehmen44, die Blockierungsmaßnahmen45 und das Antisanktionsgesetz46.
Das im Oktober 2020 verabschiedete Exportkontrollgesetz stellt erstmals eine einheitliche gesetzliche Grundlage für Exportkontrollen dar und ergänzt das bisher fragmentarische System.47 Dieses Gesetz ermöglicht es China, gleichwertige Maßnahmen gegen Länder oder Regionen zu ergreifen, die Exportkontrollen dazu einsetzen, Chinas nationale Sicherheit und Interessen zu gefährden.48
Die Liste unzuverlässiger Unternehmen (Unreliable Entity List, UEL) ermöglicht es, Sanktionen gegen ausländische Unternehmen zu richten, die Chinas nationalen Interessen schaden.49 Sanktionen gegen Unternehmen auf der UEL können u.a. die Beschränkung oder das Verbot der Teilnahme an China-bezogenen Import- oder Exportaktivitäten, die Beschränkung oder das Verbot von Investitionen in China sowie die Verhängung von Geldstrafen umfassen.50 Im schlimmsten Fall können sie den vorübergehenden oder dauerhaften Ausschluss ausländischer Investoren vom chinesischen Markt bedeuten.51
Die Blockierungsmaßnahmen ermöglichen es dem MOFCOM, Verbotsverfügungen zu erlassen, die es chinesischen Personen verbieten, bestimmte ausländische Gesetze und Maßnahmen zu befolgen, die als ungerechtfertigt angesehen werden und die legitimen Rechte und Interessen Chinas beeinträchtigen.52 Die Blockierungsmaßnahmen weisen eine starke Ähnlichkeit zu dem Blocking Statute der EU auf.53
Das im Juni 2021 verabschiedete Antisanktionsgesetz (ASG) dient dazu, Gegenmaßnahmen gegen ausländische Sanktionen zu ergreifen, die gegen internationales Recht verstoßen und sich in Chinas innere Angelegenheiten einmischen.54 Das ASG ermöglicht es, Personen und Organisationen, die an der Formulierung, Entscheidung oder Umsetzung ausländischer Sanktionen beteiligt sind, auf eine Antisanktionsliste zu setzen (§ 4 ASG). Gegen die gelisteten Personen und Organisationen oder deren Partner können Gegenmaßnahmen wie bspw. Einreiseverweigerungen, Vermögenssperren, Transaktionsverbote und ähnliche Maßnahmen verhängt werden, die im schlimmsten Fall zum Verlust des Marktzugangs führen.55
Handelspolitische Gegenmaßnahmen, insbesondere das chinesische Anti-Sanktionsregime, stellen für ausländische Investoren in China ein erhebliches politisches Risiko dar. Viele dieser Investoren unterhalten auch Geschäftsbeziehungen zu anderen Industriestaaten wie den USA und einigen europäischen Ländern. Bei Konflikten zwischen diesen Staaten und China stehen die Unternehmen vor dem Dilemma, sich entweder den Sanktionen gegen China zu unterwerfen und dadurch möglichen Gegenmaßnahmen ausgesetzt zu sein oder sich nicht zu unterwerfen und die Konsequenzen dafür zu tragen.56 Nachdem China bislang kaum von Gegenmaßnahmen gegen ausländische Unternehmen Gebrauch gemacht hat, setzte MOFCOM im Februar 2023 erstmals zwei Unternehmen auf die UEL. Dabei handelte es sich um US-amerikanische Unternehmen im Bereich der Rüstungs- und Verteidigungsindustrie, Lockheed Martin Corporation und Raytheon Missiles & Defense.57 Generell genügt allein die Androhung von Gegenmaßnahmen, um ausländische Unternehmen unter Druck zu setzen und zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen.58
In der Vergangenheit herrschte der sog. Dualismus des Gesellschaftsrechts in China, dem mit der Verabschiedung des AuslInvG ein Ende gesetzt werden soll. Bis zum Erlass des AuslInvG haben auf die Gründung und Organisation von FIEs Spezialgesetze Anwendung gefunden, die aus dem Contractual Joint Venture Gesetz59, dem Equity Joint Venture Gesetz60 und dem Wholly Foreign Owned Enterprise Gesetz bestanden.61 Je nach Struktur der FIE fanden die unterschiedlichen Gesetze jeweils Anwendung. Diese sog. „drei Unternehmensgesetze“ mit ihren Durchführungsbestimmungen enthielten Spezialregelungen für FIEs. Das GesG hat auf FIEs lediglich ergänzend Anwendung gefunden.62 Dieses dualistische System63 zwischen inländischen Unternehmen und FIEs wurde mit der Inländerbehandlungsgarantie vor der Zulassung im AuslInvG aufgelöst. Das GesG und das Partnerschaftsunternehmensgesetz finden demnach einheitlich auf alle Unternehmen in China Anwendung (§ 31 AuslInvG).
Das AuslInvG sieht eine Fünf-Jahresfrist für die Umwandlung der FIEs nach den FIE-Gesetzen zu FIEs in Einklang mit dem GesG vor, die Ende 2024 abläuft.64 Aus diesem Grund verwundert es nicht, dass die jüngste Totalrevision des GesG, welche am 1.7.2024 in Kraft getreten ist und als die bedeutendste Neuerung des chinesischen Privatrechts nach der Verkündung des chinesischen Zivilgesetzbuches (ZGB) bezeichnet werden kann, auch im Ausland auf großes Interesse gestoßen ist. Angesichts des Umfangs des Beitrags wird an dieser Stelle nur auf die Änderungen eingegangen, die für FIEs von besonderer Relevanz sind. Es wird daher schwerpunktmäßig die geänderte Rechtslage zu einer GmbH vorgestellt, da die FIEs meistens die GmbH als Gesellschaftsform gewählt haben.
Eine der wichtigsten und umstrittensten Änderungen des GesG betrifft die Anforderungen an die Kapitalaufbringung bei der Gesellschaftsgründung. Trotz des Ausbaus des Normenstandes sind die einschlägigen chinesischen Regelungen im Vergleich zum deutschen GmbHG nach wie vor lückenhaft, was vielerorts eine weitere Klarstellung und Ergänzung durch die Rechtsprechung und Umsetzungsverordnungen erfordert. Am 1.7.2024 ist bereits die allererste Umsetzungsverordnung zum registrierten Kapital (Stammkapital) in Kraft gesetzt.65
Die Reform des Stammkapitals aus dem Jahr 2014, die die Verpflichtung zur tatsächlichen Aufbringung zum Zeitpunkt der Gesellschaftsgründung abgeschafft und nur noch eine Verpflichtung der Aufbringung nach den in der Satzung festgelegten Fristen vorgesehen hat, wird im neuen GesG teilweise rückgängig gemacht. § 47 Satz 2 GesG n.F. schreibt vor, dass der Gesellschafter einer GmbH die von ihm übernommene Kapitaleinlage innerhalb von fünf Jahren ab dem satzungsmäßig festgelegten Tag der Gesellschaftsgründung zu erbringen hat. Bei Aktiengesellschaften müssen die Gründer sogar die übernommenen Einlagen vor der Gründung in voller Höhe erbringen (§ 98 Abs. 1 GesG). Diese Änderungen schränken die Gestaltungsfreiheit von Unternehmensgründern stark ein und werden deshalb heftig kritisiert.66 Der ausschlaggebende Grund für die Rückkehr zur zwingenden Kapitalaufbringung bei der Gesellschaftsgründung soll der Missbrauch der gestreckten Kapitaleinzahlung und die dadurch verursachte Vermögensarmut von Unternehmen sein.67
Es wird sich noch zeigen, ob diese Reform zielführend ist. Denn es ist erstens kein Mindestkapital für die Gründung einer GmbH vorgesehen. Jedoch setzt die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungsverfahren oder Entfaltung von Tätigkeiten auf Internetplattformen oder im Bau-, Finanz und Versicherungssektor usw. oft voraus, dass die Gesellschaft über ein bestimmtes Stammkapital verfügt. Somit wird die Pflicht zur tatsächlichen Kapitalaufbringung die Gesellschaftsgründung belasten. Zweitens sind mehrere Fragen über die Haftung für die Einlageverpflichtung noch unklar, unten zu sehen unter dem Punkt (3.2.2). Zuletzt ist zu befürchten, dass die Einlageverpflichtung durch die (unzulässige) Kapitalrückgewähr an Gesellschafter umgangen wird. Die Kapitalentziehung war vor 2013 in China noch ausgeprägter, als die vollständige Kapitalaufbringung im Zeitpunkt Gesellschaftsgründung zwingend erforderlich war.68
Die Übergangsregelung für Bestandsgesellschaften, die vor dem 30.6.2024 gegründet wurden, differenziert zwischen GmbHs und AGs. GmbHs, bei denen die Frist für die vollständige Einzahlung des Stammkapitals über den 1.7.2032 hinausläuft, müssen vor dem 30.6.2027 diese auf den 1.7.2032 vorverlegen und in die Satzung aufnehmen. Hingegen müssen Gründer von AGs das von ihnen übernommene Kapital bis zum 30.6.2027 vollständig aufbringen.69 Berichten zufolge handelt es sich bei 17% der bestehenden FIEs in Shanghai um Bestandgesellschaften.70
Für die Durchsetzung der Einlageverpflichtung ist in erster Linie der Vorstand zuständig (§ 51 Abs. 1 GesG). Dieser ist verpflichtet, nach der Gesellschaftsgründung die Kapitalaufbringung zu überprüfen und die Gesellschaft zu veranlassen, den säumigen Gesellschafter abzumahnen. Versäumt es das zuständige Vorstandsmitglied, dieser Pflicht nachzukommen, haftet er (also nicht der gesamte Vorstand; vgl. unten 3.2.4) für den der Gesellschaft dadurch zugefügten Schaden (§ 51 Abs. 2 GesG). Wird bei der Gründung der Gesellschaft die Bareinlage nicht satzungsgemäß geleistet oder hat die geleistete Sacheinlage deutlich weniger Wert, haften die übrigen Gründer innerhalb des Fehlbetrags der Gesellschaft gegenüber als Gesamtschuldner (§§ 49, 50 GesG). Die Klärung der Frage, ob die übrigen Gesellschafter von einem Gesellschafter, der seiner Einlageverpflichtung nicht oder nicht satzungsgemäß nachkommt, Schadensersatz verlangen können, ist allerdings nicht mehr im GesG (wie zunächst vorgesehen) geregelt, sondern wird dem Gründungsvertrag überlassen.71 Offen ist auch noch die Frage, ob die Gründungsgesellschafter selbst dann für die fehlende Einlage haften, nachdem der betroffene Gesellschafter seinen Gesellschaftsanteil veräußert hat.72
Neu eingeführt ist ein Ausschlussverfahren (§ 52 Abs. 1 GesG), welches dem Kaduzierungsverfahren i.S.v. § 21 I GmbHG nachgebaut ist. Die Gesellschaft kann kraft eines Vorstandbeschlusses den Gesellschaftsanteil des säumigen Gesellschafters, dessen korrespondierende Kapitaleinlage innerhalb der Nachfrist nicht aufgebracht wird, für verlustig erklären. Der Wortlaut von § 52 Abs. 1 GesG legt nahe, dass dieser auf Bar- und Sacheinlage Anwendung findet.73 Anders als § 21 Abs. 2 GmbHG verliert der säumige Gesellschafter jedoch nicht den Gesellschaftsanteil, dessen korrespondierende Kapitaleinlage geleistet worden ist. Dementsprechend fehlt dem Ausschlussverfahren der sanktionierende Charakter. Gemäß § 17 Abs. 1 der Auslegung zum GesG III (2020)74 ist ein vollständiger Ausschluss des Gesellschafters erst dann zulässig, wenn er gar kein Kapital aufbringt oder das eingezahlte Kapital vollständig an sich zurückzahlen lässt. In allen anderen Fällen wird lediglich der für verlustig erklärte Gesellschaftsanteil entweder veräußert oder durch eine Kapitalreduktion erloschen, so dass die geleistete Kapitaleinlage dem Gesellschafter noch erhalten bleibt (§ 52 Abs. 1, 2 Satz 1 GesG). Das GesG schweigt darüber, wer die Veräußerung wie zu organisieren hat. Die Veräußerung der Gesellschaftsanteile setzt nach der Revision des GesG nicht mehr die Zustimmung der Gesellschafter voraus, die allerdings nach wie vor ein Vorkaufsrecht haben (§ 84 Abs. 2 GesG). Erfolgt weder die Veräußerung noch die Kapitalreduktion innerhalb von sechs Monaten, müssen die übrigen Gesellschafter gemäß ihrer eigenen Gesellschaftsanteile den Fehlbetrag in voller Höhe einzahlen (§ 52 Abs. 2 Satz 2 GesG), wobei der Kreis der übrigen Gesellschafter noch durch die Rechtsprechung geklärt werden muss. Nicht geregelt ist die Situation, in der einer der übrigen Gesellschafter dazu nicht im Stande ist. In dem Umfang, in welchem die Kapitalaufbringung nicht anderweitig durch den Erwerber bzw. die übrigen Gesellschafter erfolgt oder durch die Kapitalreduktion erledigt wird, besteht die Einlageverpflichtung des säumigen Gesellschafters weiterhin.75 Zudem erlaubt § 16 der Auslegung zum GesG III (2020) die Einschränkung der Rechte des säumigen Gesellschafters durch die Satzung oder einen Gesellschafterbeschluss.
Kann die Gesellschaft fällige Verbindlichkeiten nicht begleichen, dürfen sowohl die Gesellschaft als auch deren Gläubiger einen Gesellschafter auffordern, seine ausstehende Kapitaleinlage vor deren Fälligkeit aufzubringen (§ 54 GesG). Diese Vorschrift wirft mehrere Fragen auf: erstens ist es unklar, ob dem Vorstand die Pflicht obliegt, die vorzeitige Kapitaleinbringung einzufordern.76 Es wird argumentiert, dass Liquiditätsprobleme einer Gesellschaft am kostengünstigen durch die vorzeitige Zahlung der Kapitaleinlage bewältigt werden können, weshalb die Sorgfaltspflicht den Vorstand dazu anhält, zur Zahlung aufzufordern.77 Zweitens ist es unklar, inwiefern es einem Gläubiger der Gesellschaft erlaubt ist, die vorzeitige Kapitalaufbringung zu verlangen, wenn die Gesellschaft kurz vor dem Konkurs steht. Wenn die vorzeitig geleistete Kapitaleinlage zur Befriedigung eines Gläubigers herangezogen wird, kann dies eine anfechtbare inkongruente Deckung darstellen (§ 32 Unternehmenskonkursgesetz). In der Literatur wird § 54 GesG dahingehend kritisiert, dass dem Gläubiger nicht ohne weiteres das Recht zusteht, vom säumigen Gesellschafter die vorzeitige Kapitalaufbringung einzufordern, da er mit dem Gesellschafter in keinerlei Beziehung steht. Vielmehr sei eine teleologische Reduktion erforderlich. Dementsprechend könne der Gläubiger subsidiär, kraft des Subrogationsrechts, vom säumigen Gesellschafter die Kapitaleinzahlung verlangen, wenn die Gesellschaft versäumt, die ausstehende Kapitaleinlage selber einzuziehen.78 Dieser Interpretation wird in der Lehre jedoch wiederum dahingehend in Frage gestellt, als dass die Aufforderung durch die Gesellschaft nicht sämtlichen Gläubigern zugutekommen wird, da die Kapitaleinlage nicht der Gesellschaft, sondern nur dem klagenden Gläubiger zufließen soll.79 Diese Frage muss noch durch die Rechtsprechung geklärt werden.
Höchst umstritten ist die Haftung der Rechtsvorgänger, die bislang in der Rechtsprechung unterschiedlich gehandhabt wird.80 Gemäß § 88 Abs. 1 GesG geht die Einlageverpflichtung grundsätzlich vom Veräußerer auf den Erwerber über, wenn der Einlageanspruch im Zeitpunkt der Veräußerung noch nicht fällig ist. Der Veräußerer haftet subsidiär, nämlich nur, wenn der Erwerber dieser Pflicht bei Fälligkeit nicht nachkommt und zahlungsunfähig ist, wobei noch zu klären ist, ob die Zahlungsfähigkeit nach dem Cashflow oder dem Haftungsvermögen beurteilt wird.81 Der Veräußerer haftet lediglich erst dann mit dem Erwerber als Gesamtschuldner, wenn der Rückstand der Bareinlage bzw. der Minderwert der Sacheinlage bereits im Zeitpunkt der Veräußerung (also bei Abschluss des Veräußerungsvertrags) bestand und der Erwerber diesen Mangel kannte oder hätte kennen sollen (§ 88 Abs. 2 Satz 1 GesG). Da die Gesellschaft dem Gesellschafter eine Bescheinigung der Einlageaufbringung ausstellt, ist davon auszugehen, dass der Erwerber zumindest die Säumnis der Einlageaufbringung kennen musste.82 Hingegen wird bei Sacheinlagen die Bescheinigung aufgrund des Sachverständigengutachtens ausgefertigt, so dass der Erwerber nicht ohne weiteres einen Mangel der Werthaltigkeit erkennen und somit gutgläubig sein kann.83
Fraglich ist, ob der Veräußerer nach der Leistung der Einlage den Erwerber in Regress nehmen kann. Zwar wird die Meinung vertreten,84 dass der Regress ohne eine vertragliche Regelung ausgeschlossen ist, jedoch steht dem in Anspruch genommenen Gesamtschuldner gemäß § 519 Abs. 2 ZGB ein Ausgleichsanspruch zu. Es widerspricht auch dem Billigkeitsgedanken, wenn der Erwerber die Gesellschaftsanteile behalten darf, während der Veräußerer die fehlende Einlage zahlen muss.85 Problematisch ist das Fehlen einer Regelung, welche die Haftung der Rechtsvorgänger ausdrücklich als zwingend vorsieht.
Die Einrichtung von Gesellschaftsorgane erfährt durch die Revision des GesG eine wesentliche Umstellung. Insbesondere wird das Kontrollorgan reformiert und den Gesellschaftern eine Wahl zwischen Audit Committee, Aufsichtsrat bzw. Verzicht auf die Einrichtung eines Kontrollorgans ermöglicht. Da der Aufsichtsrat gemäß § 78 GesG nicht mit ausreichenden Befugnissen ausgestattet ist, wird eine Reform nach dessen Verstärkung oder umgekehrt dessen Abschaffung seit geraumer Zeit gefordert.86
Über die Funktion des Vorstandes herrscht in China eine große Meinungsverschiedenheit: § 81 ZGB definiert den Vorstand als das umsetzende Organ, während dieser in der Literatur als das Macht- bzw. Kontrollorgan angesehen wird, wenn kein Aufsichtsrat eingerichtet ist.87 Faktisch führt oft das Managementteam und nicht etwa der Vorstand das tägliche Geschäft und fasst diesbezüglich auch wichtige Entscheidungen.88 Zudem werden chinesische Gesellschaften häufig durch einen Großgesellschafter dominiert, der auch den Vorstand und damit die unabhängige Vorstandsmitglieder bzw. das Audit Committee des Vorstandes kontrolliert,89 so dass die Aufsicht einen anderen Schwerpunkt haben soll. Zu verhindern ist nämlich vor allem der Machtmissbrauch durch Großgesellschafter zulasten der Gesellschaft, der Kleingesellschafter und Gläubiger und nicht etwa der Verletzung der Sorgfaltspflicht durch den Vorstand.
Eine GmbH darf entweder einen Aufsichtsrat oder ein Audit Committee einrichten, welches innerhalb des Vorstands mit Vorstandsmitgliedern konstituiert wird und mit den Befugnissen des Aufsichtsrates betraut ist (§ 69 Satz 1 GesG). Da sich das Audit Committee aus Vorstandsmitgliedern zusammengesetzt, wird die Auffassung vertreten, dass dieses Komitee nicht nur die Rechtskonformität, sondern auch die Angemessenheit der Ermessensentscheidungen des Vorstandes zu prüfen hat und somit über die Kontrolldichte des Aufsichtsrates hinausgeht.90 GmbHs mit über 300 Beschäftigten, die nicht als kleine Gesellschaft eingestuft werden (vgl. 3.3.2), sind verpflichtet, Arbeitnehmervertreter wählen zu lassen und diese in den Vorstand und Aufsichtsrat aufzunehmen (§ 68 Abs. 1 Satz 2 GesG). Arbeitnehmermitglieder des Vorstands können in das Audit Committee entsandt werden (§ 69 Satz 2 GesG). Da das Audit Committee mindestens drei Mitglieder haben muss, eignet es sich nur für Gesellschaften mit größerem Vorstand.
Kleine GmbHs und GmbHs mit wenigen Gesellschaftern dürfen ein einziges Aufsichtsratsmitglied ernennen und mit einem einstimmigen Gesellschafterbeschluss auch ohne die Konstituierung eines Audit Committee auf die Einrichtung des Aufsichtsrates bzw. Aufsichtsperson verzichten (§ 83 GesG). Als Rechtfertigung dafür wird angegeben, dass 91% der GmbHs weniger als fünf Gesellschafter haben und die Gesellschafter die Aufsichtsfunktion selbst ausüben können.91 Kleine Gesellschaften dürfen auch ein einziges Mitglied für den Vorstand bestimmen, der gleichzeitig als Manager arbeiten kann, statt ein mehrköpfiges Gremium einzurichten (§ 75 GesG).
Die Haftung der Gesellschaftsorgane und leitender Manager wird durch die jüngste Revision gestärkt. Erstmalig ausdrücklich vorgesehen ist der Inhalt und Maßstab der Treue- und Sorgfaltspflicht des Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieds und leitender Manager durch § 180 Abs. 1, 2 GesG. Diese ergänzt die bestehenden spezifischen Haftungstatbestände wie die für die unzulässige Kapitalrückzahlung an Gesellschafter (§ 53 Abs. 2 GesG), Verletzung der Einlageverpflichtung (vgl. oben 3.2.2), unzulässige Gewinnverteilung und Kapitalreduktion (§§ 211, 226 GesG) sowie mangelnde rechtzeitige Liquidation (§ 232 Abs. 2 GesG). Bezüglich der Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft haften die verantwortlichen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder und leitenden Manager nicht allgemein für jede Verletzung der Treue- und Fleißpflicht, sondern nur, wenn die Handlung zugleich rechts- oder satzungswidrig ist (§ 188 GesG).92 Die Schadloshaltung des Vorstandes bei der Innenhaftung gemäß § 188 GesG ist nach einer Lehrmeinung unzulässig.93
Bezüglich der Außenhaftung gegenüber einem Dritten haften die verantwortlichen Vorstandsmitglieder und leitenden Manager zusammen mit der Gesellschaft neben den obig genannten spezifischen Szenarien in zwei Situationen: erstens gemäß § 190 GesG für ihre rechtswidrigen oder satzungswidrigen Handlungen, die einem Gesellschafter Schaden zugefügt haben; und zweitens für ihre vorsätzlichen oder grobe fahrlässigen Amtshandlungen, die einem Dritten Schaden zugefügt haben (§ 191 GesG). Jedoch sind Klagen gegen den Vorstand bzw. leitende Manager noch eher selten in China.94 Der neu eingefügte § 193 I GesG erlaubt der Gesellschaft ausdrücklich, Versicherungspolicen für Vorstandsmitglieder zu erwerben, was die Haftung des Vorstands nochmals abfedern kann.
Die Haftung des Vorstandes wird anscheinend nicht als eine Gesamthaftung konzipiert, sondern als eine individuelle Haftung des Vorstandmitglieds, welches unmittelbar für die Pflichtverletzung verantwortlich ist. Jedoch begegnet man demselben Problem wie im deutschen Recht, dass die Kausalität zwischen der Handlung eines bestimmten Vorstandsmitglieds mit dem Schaden nicht nachgewiesen werden kann, wenn die Pflichtverletzung durch kollegiale Entscheidungen des Vorstandes begangen wird. Hierzu ist anzumerken, dass ein Vorstandsmitglied von der Haftung befreit wird, wenn es gegen einen Beschluss gestimmt hat und dies im Sitzungsprotokoll dokumentiert ist (§ 125 II GesG).95 Vorstellbar für eine individuelle Haftung ist die Situation, in der ein Vorstandsmitglied gleichzeitig mit der Führung des Tagesgeschäft betraut ist und in dieser Position gegen seine Sorgfaltspflicht verstößt.
Mit der Reform werden Transaktion mit nahestehenden Personen strenger reguliert, indem der Umfang der nahestehenden Personen erweitert und die Berichtspflicht über Geschäfte mit nahestehenden Personen und der Ausschluss bei Abstimmungen eingeführt wurde (§ 139 GesG).
Das Umwandlungsgebot betrifft hauptsächlich ausländisch investierte Gemeinschaftsunternehmen (Joint Ventures), deren jeweilige Gesetze Spezialregelungen zur Corporate Governance enthalten haben, die sich von denen im GesG unterscheiden. Die Corporate Governance von hundertprozentigen Tochtergesellschaften richtete sich bereits vor dem Erlass des AuslInvG weitgehend nach den Regelungen des GesG.96 Die Rechte von Minderheitsinvestoren können durch das Umwandlungsgebot beeinträchtigt werden, insbesondere wenn es um bisher durch das FIE-Gesetz gewährte Vetorechte geht.97 Beispielsweise hatte ein Investor nach dem EJV-Gesetz ein Vetorecht gegen die Übertragung von Anteilen durch einen Mitinvestor (§ 20 EJV-VO). Die Abschaffung des EJV-Gesetzes bedeutet, dass ein Investor kein gesetzliches Vetorecht mehr hat, um die Übertragung der Anteile an Dritte durch einen Mitinvestor zu verhindern.98
§46 DVOAuslInvG stellt zunächst einmal klar, dass nach der Anpassung der Organisationsformen und -strukturen bestehender FIEs gemäß dem Gesetz die in den ursprünglichen EJV- oder CJV-Verträgen festgelegten Modalitäten für Anteilsübertragungen, Ertragsverteilungen und die Verteilung des Restvermögens weiterhin gültig bleiben können. Fehlen vertragliche Vereinbarungen zu den Rechten der JV-Partner, müssen Anpassungen im Einklang mit dem GesG vorgenommen werden, welche die Zustimmung aller Gesellschafter erfordern.99
Die Umwandlung eines EJV nach dem EJV-Gesetz in eine GmbH nach dem GesG bedeutet, dass neue Organe geschaffen werden müssen. Das wichtigste Entscheidungsgremium einer GmbH nach dem GesG ist die Gesellschafterversammlung.100 Darüber hinaus gibt es einen Vorstand, aus mindestens drei Mitgliedern, zu denen auch ein Vertreter der Arbeitnehmer der Gesellschaft gehören kann.101 Bei dem Aufsichtsorgan können FIEs von den oben genannten Lockerungen profitieren (3.3.2), da sie in der Regel wenige Gesellschafter haben.
Alternativ zu einer Umwandlung kann das JV auch aufgelöst und liquidiert werden. Ist im Hinblick auf die Verteilung der Gewinne und des Restvermögens zwischen den Anteilseignern eine Vereinbarung getroffen worden, so gilt diese nach § 46 DVOAuslInvG auch weiterhin. Falls keine Vereinbarung getroffen wurde, so wird das nach Tilgung aller Schulden verbleibende Vermögen unter allen Parteien des JV entsprechend ihrem Anteil an der Kapitaleinlage aufgeteilt.102
Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Änderungen der Revision, die kurz vor Ablauf der Umwandlungsfrist eingeführt worden sind, keinen großen Einfluss auf den Umstrukturierungsprozess der FIEs haben werden. Schließlich bleibt es bei dem bisherigen organisatorischen Aufbau, in dem die Gesellschafterversammlung weiterhin die höchste Autorität hat, wobei sie bestimmte Aufgaben an den Vorstand delegieren kann (§ 67 GesG). Darüber hinaus wurden bestimmte Verantwortlichkeiten vom Aufgabenbereich der Hauptversammlung in den Aufgabenbereich des Vorstands verschoben. Beispielsweise die Festlegung der operativen Leitlinien und Investitionspläne des Unternehmens, die Ausarbeitung von Plänen zur Gewinnverteilung und Verlustsanierung des Unternehmens, die Ausarbeitung von Plänen des Unternehmens zur Erhöhung oder Herabsetzung des Stammkapitals sowie zur Emission von Unternehmensanleihen (§ 67 GesG).
Die Regulierung des grenzüberschreitenden Datentransfers hat breite Aufmerksamkeit im Rahmen der EU-Gesetzgebung und dem Erlass der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) erlangt. Bestimmungen zum grenzüberschreitenden Datentransfer haben nicht nur ihre Rechtswirkung auf Vorgänge innerhalb der EU entfaltet, sondern auch Unternehmen außerhalb der EU dazu bewegt, ihre Prozesse an die Vorgaben der DSGVO anzupassen. Diese Erweiterung des Wirkungskreises wird seither als „Brüssel-Effekt“ bezeichnet.103 Kurz darauf hat auch China begonnen, die datenschutzrechtliche Gesetzgebung zu verstärken und verschiedene Rechtsakte erlassen, welche die grenzüberschreitenden Datentransfer regulieren und denen sich wiederrum ausländische Unternehmen, die in China Geschäftstätigkeit ausüben wollen, anpassen müssen.
Ähnlich wie in der DGSVO setzen die chinesischen Rechtsnormen bestimmte Datenlokalisierungsanforderungen fest. Die einzelnen Bestimmungen sind jedoch nicht in einem einheitlichen Rechtsakt enthalten, sondern auf insgesamt sechs verschiedene verteilt: (1) das Staatssicherheitsgesetz,104 (2) das Cybersicherheitsgesetz,105 (3) das Datensicherheitsgesetz,106 (4) das Gesetz über den Schutz personenbezogener Daten,107 (5) die Maßnahmen für die Cybersicherheitsprüfung108 und (6) die Maßnahmen zur Sicherheitsbewertung ausgehender Datentransfers109.110
§ 31 Datensicherheitsgesetz bestimmt, dass das Sicherheitsmanagement bei der grenzüberschreitenden Übertragung wichtiger Daten, die von Betreibern wichtiger Informationsinfrastrukturen während ihrer Tätigkeit im Hoheitsgebiet der VR China gesammelt und erzeugt werden, dem Cybersicherheitsgesetz unterliegt. Als zentrale Vorschrift schreibt § 37 Cybersicherheitsgesetz vor, dass personenbezogene Informationen und wichtige Daten, die von Betreibern kritischer Informationsinfrastrukturen während ihrer Tätigkeit im Hoheitsgebiet der VR China gesammelt und erstellt werden, in China zu speichern sind. Falls es aufgrund geschäftlicher Erfordernisse notwendig ist, solche Informationen und Daten an Parteien im Ausland weiterzugeben, muss zunächst eine Sicherheitsbewertung durchgeführt werden.111 Das Datensicherheitsgesetz sieht eine Datensicherheitsprüfung zur Überprüfung von Datenverarbeitungsaktivitäten vor, welche die nationale Sicherheit betreffen oder betreffen könnten.112 Darüber hinaus regelt § 25 Datensicherheitsgesetz, dass der Staat gemäß dem Gesetz eine Ausfuhrkontrolle für Daten durchführt, die als kontrollierte Güter im Zusammenhang mit dem Schutz der nationalen Sicherheit und Interessen und der Erfüllung internationaler Verpflichtungen gelten.
Darüber hinaus bestimmt § 4 der Maßnahmen zur Sicherheitsbewertung des ausgehenden Datentransfers, dass für die Übermittlung von Daten ins Ausland unter folgenden Umständen ein sog. Datenverarbeiter eine Sicherheitsbewertung beantragen muss: (1) Der Datenverarbeiter übermittelt wichtige Daten ins Ausland; (2) der Betreiber einer kritischen Informationsinfrastruktur oder der Datenverarbeiter, der die personenbezogenen Daten von mehr als einer Million Menschen verarbeitet hat, übermittelt personenbezogene Daten ins Ausland; (3) der Datenverarbeiter, der seit dem 1. Januar des Vorjahres kumulativ die persönlichen Daten von mehr als 100.000 Personen oder die sensiblen persönlichen Daten von mehr als 10.000 Personen geliefert hat, liefert persönliche Daten ins Ausland sowie (4) jeder andere Umstand, bei dem die nationale Cyberspace-Verwaltung einen Antrag auf Sicherheitsbewertung der ausgehenden Datenübermittlung verlangt. Der Anwendungsbereich der Sicherheitsbewertung ist demnach weit und unbestimmt gefasst. Ein Faktor für die Sicherheitsbewertung ist der Standard des Datenschutzes in dem Land, in das die Daten übermittelt werden. Danach wird beurteilt, ob das Datenschutzniveau des Empfängers im Ausland den Anforderungen der Rechts- und Verwaltungsvorschriften und den verbindlichen nationalen Standards der Volksrepublik China entspricht.113 Artikel 45 DSGVO sieht im Vergleich dazu beispielsweise einen Angemessenheitsbeschluss vor, auf dessen Grundlage personenbezogene Daten an ein Drittland übermittelt werden dürfen. Ein solcher Angemessenheitsbeschluss erfolgt, wenn die EU-Kommission beschlossen hat, dass das betreffende Drittland ein angemessenes Schutzniveau bietet.114
Nach § 2 der Maßnahmen für die Cybersicherheitsprüfung ist eine Überprüfung der Cybersicherheit durchzuführen, wenn ein Betreiber kritischer Informationsinfrastrukturen Netzprodukte und -dienste erwirbt oder ein Betreiber einer Online-Plattform Datenverarbeitungen durchführt, welche die nationale Sicherheit berühren oder berühren können. Betreiber von Online-Plattformen, die über mehr als 1 Million personenbezogene Daten von Nutzern verfügen, müssen sich zur Überprüfung der Cybersicherheit an das Amt für Cybersicherheit wenden, wenn sie im Ausland an die Börse gehen.115 Ein Faktor für die Bewertung des Sicherheitsrisikos ist das Risiko, dass Schlüsseldaten, wichtige Daten oder eine große Menge an persönlichen Informationen gestohlen, geleakt, beschädigt, illegal verwendet oder illegal in ein anderes Land oder eine andere Gerichtsbarkeit übertragen werden.
Regulierungen, die den grenzüberschreitenden Datentransfer betreffen, können auch die Interessen ausländischer Investoren berühren. Daher hat sich in den letzten Jahren ein spezielles Rechts- und Forschungsgebiet im internationalen Wirtschaftsrecht entwickelt, welches den Fokus auf das Datenrecht legt. Schließlich wurden in den letzten Jahren erstmals internationale Handels- und Wirtschaftsabkommen abgeschlossen, die datenrechtliche Bestimmungen enthalten und sich auf den grenzüberschreitenden Datentransfer beziehen. Diese Abkommen werden auch als „digital economy agreements“ (DEAs) bezeichnet.116 Das größte Abkommen, welches auch China als Vertragspartei beigetreten ist, ist RCEP. In einem Unterabschnitt zum elektronischen Handel gibt es eine Vorschrift zur Datenlokalisierung. Diese legt fest, dass keine Vertragspartei von einer erfassten Person verlangen darf, dass sie Datenverarbeitungsanlagen im Gebiet dieser Vertragspartei als Voraussetzung von Geschäften nutzt oder errichtet.117 Jedoch gilt diese Vorschrift nicht vorbehaltlos, sondern in Verbindung mit einem Ausnahmetatbestand. So sind beispielsweise noch immer Maßnahmen zulässig, welche die Vertragspartei zur Erreichung eines legitimen Ziels der öffentlichen Ordnung oder zum Schutz ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen für erforderlich hält.118 Darüber hinaus sieht RCEP vor, dass eine Vertragspartei die grenzüberschreitende Übermittlung von Informationen auf elektronischem Wege nicht unterbinden darf, wenn diese Tätigkeit der Ausübung der Geschäftstätigkeit einer erfassten Person dient.119 Auch hier werden Maßnahmen ausgenommen, die einem legitimen Ziel der öffentlichen Ordnung oder dem Schutz ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen dienen.120 Es ist daher davon auszugehen, dass die rechtlichen Maßnahmen und Anforderungen Chinas im Hinblick auf Datenlokalisierung im Einklang mit den Verpflichtungen aus dem internationalen Handelsrecht stehen.
Für ausländische Investoren besorgniserregend könnte die Stärkung der sicherheitsrelevanten Gesetze wirken. So wurden das Antispionagegesetz zum 1.7.2023 und das Staatsgeheimnisschutzgesetz zum 1.5.2024 revidiert. Insgesamt stellt die sicherheitsrelevante Gesetzgebung einen Schwerpunkt der Legislative in der letzten Dekade dar. Dies entspricht auch der Vorstellung der derzeitigen politischen Führung Chinas über das Recht als ein Instrument der Herrschaft. Zudem bestand scheinbar ein konkreter Anlass, das Staatsgeheimnisschutzgesetz zu verschärfen, nachdem Berichten zufolge hochvertrauliche Informationen über chinesische Raketentruppe preisgegeben und auch im Ausland online gestellt wurden.121 Selbst wenn Razzien gegen FIE und Festnahme von ausländischen Investoren bislang meistens als politisch gesteuertes außergewöhnliches Mittel angewandt wurden, steht die Befürchtung im Raum, dass die weit und vage formulierten Gesetze den Zugang zu Informationen über die chinesische Wirtschaft erschweren werden. Ebenfalls wird der Compliance-Aufwand dadurch erhöht.
Ausländische Investoren in China müssen sich auf einen sich ständig verändernden Rechtsrahmen und ein dynamisches wirtschaftspolitisches Umfeld einstellen. Rechtliche Lockerungen oder Marktöffnungen werden stets von Kontrollmechanismen im Hintergrund begleitet. Hinzu kommt ein handelspolitischer Werkzeugkasten, der im Kontext geopolitischer Spannungen und Konflikte gegen deutsche Investoren zum Einsatz kommen kann. Sicherheitspolitische Erwägungen spielen nicht nur in China eine immer größere Rolle bei der Regulierung des internationalen Wirtschaftsverkehrs und der Konzeption von Außenwirtschaftsrecht. De-Risking bedeutet nicht notwendigerweise, dass deutsche Unternehmen sich aus China zurückziehen, sondern dass sie sich der politischen und rechtlichen Risiken bewusstwerden und diese in ein Investitionsvorhaben einkalkulieren.