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Zitiervorschlag: Buchmann/Panfili, LRZ 2022, Rn. 924, [●], www.lrz.legal/2022Rn924.

Permanente Kurz-URL: LRZ.legal/2022Rn924

Mit der Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie und der Warenkaufrichtlinie ist das BGB digital geworden. Unternehmer müssen die neuen Regelungen bei Verträgen mit Verbrauchern längst berücksichtigen, der Markt hat sich darauf aber noch nicht hinreichend eingestellt. An verschiedenen Beispielen werden die Herausforderungen des neuen Schuldrechts sowie deren praktische Relevanz dargestellt.

Mit der Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie1 und der Warenkauf-Richtlinie2 durch den deutschen Gesetzgeber ist das digitale Zeitalter endgültig im BGB angekommen. Am 1.1.2022 sind sowohl das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen3 als auch das Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags4 in Kraft getreten.

Rn924

Durch ersteres Gesetz haben insbesondere die §§ 327 ff. BGB, betreffend die Bereitstellung digitaler Produkte, Einzug in das BGB gefunden. Das zweitgenannte Gesetz hat für Änderungen im Kaufrecht gesorgt. Neben dem neuen Mangelbegriff in § 434 BGB, wodurch nun subjektive und objektive Anforderungen an die Kaufsache auf gleicher Stufe stehen, wurden auch die §§ 475b ff. BGB und damit Regelungen zu Waren mit digitalen Elementen eingeführt.

Rn925

Ziel dieses Beitrags ist es, die Auswirkungen der Gesetzesänderungen und die sich hieraus ergebenden Herausforderungen anhand von hypothetischen Fallbeispielen zu illustrieren. Gerichtsentscheidungen zum neuen Schuldrecht waren zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht bekannt. Der Versuch der Autoren, die nachstehenden Fallbeispiele anhand des neuen Rechts zu lösen, stellt folglich nur einen ersten Aufschlag ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder alleinige Richtigkeit dar und soll die Aufmerksamkeit der Leserschaft auf die im neuen Recht verankerten Problemfelder lenken.

Rn926

1. Gesetz zur Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie

Das Gesetz zur Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie hat vor allem im allgemeinen Teil des Schuldrechts wesentliche Neuerungen mit sich gebracht. § 312 BGB, der den Anwendungsbereich spezieller Verbraucherschutzregelungen normiert, wurde in Abs. 1a um das Konzept des „Bezahlens mit Daten“ erweitert, welches seit dessen Einführung große Aufmerksamkeit5 erfahren hat. Das Herzstück des Gesetzes zur Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie bilden jedoch die §§ 327 ff. BGB und der damit neu eingeführte „Vertrag über digitale Produkte“.

Rn927

Die neuen §§ 327 ff. BGB werfen für den Rechtsanwender eine Reihe von Fragen auf. Der Rechtsanwender wird zunächst prüfen müssen, ob ein Vertrag vorliegt, der den Anwendungsbereich dieser neuen Vorschriften eröffnet. Maßgeblich für die Einordnung unter die §§ 327 ff. BGB, die das Vorliegen eines Verbrauchervertrages i.S.v. § 310 Abs. 3 BGB voraussetzen, ist nämlich nicht mehr allein die Frage, ob der Verbraucher einen Vertrag gegen Zahlung eines Preises eingeht. Denn für die Bejahung eines Verbrauchervertrages genügt gemäß § 327 Abs. 3 BGB vielmehr, dass der Verbraucher dem Unternehmer personenbezogene Daten bereitstellt oder sich hierzu verpflichtet. Auch die daran anschließenden Fragen hinsichtlich Vertragstyp und Vertragsmäßigkeit des digitalen Produkts erhalten im Lichte der §§ 327 ff. BGB eine neue Bedeutung. Diese Themen sollen anhand des folgenden Beispiels veranschaulicht werden.

Rn928

Beispiel 1: Verbraucher V lädt sich die Wetter-App des Unternehmers U auf sein Smartphone. Sodann muss er zwischen einer Bezahlung von 6,99 Euro pro Monat oder einer Einwilligung zur umfangreichen Nutzung seiner personenbezogenen Daten wählen. V entscheidet sich für Letzteres. Als V am Donnerstag in der App sieht, dass das Wetter am Wochenende fantastisch werden soll, mietet er am Bodensee eine kleine Yacht und ein Hotel. Am Wochenende stürmt und regnet es dann aber. V ist empört.

Rn929

1.1. Vertragsschluss

Gemäß § 327 Abs. 1 S. 1 BGB sind die §§ 327 ff. BGB auf Verbraucherverträge anzuwenden, die die Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen (vom deutschen Gesetzgeber legaldefiniert als „digitale Produkte“) durch den Unternehmer gegen Zahlung eines Preises zum Gegenstand haben. Gemäß § 327 Abs. 3 BGB gilt dies auch bei Verbraucherverträgen über die Bereitstellung digitaler Produkte, bei denen der Verbraucher dem Unternehmer personenbezogene Daten bereitstellt oder sich zu deren Bereitstellung verpflichtet, sofern nicht die Voraussetzungen des § 312 Abs. 1a S. 2 BGB vorliegen. § 327 Abs. 3 BGB erstreckt damit die Anwendbarkeit der §§ 327 ff. BGB auf Verbraucherverträge, bei denen der Verbraucher „mit Daten bezahlt“.

Rn930

Maßgeblich für die Anwendbarkeit der §§ 327 ff. BGB ist folglich zunächst das Vorliegen eines Verbrauchervertrages i.S.d. § 310 Abs. 3 BGB und damit eines Vertrages zwischen einem Unternehmer (§ 14 BGB) und einem Verbraucher (§ 13 BGB).

Rn931

Während die Unternehmer- und Verbrauchereigenschaft von V und U in Beispiel 1 ohne Weiteres bejaht werden kann, bedarf die Frage des Vertragsschlusses einer näheren Erörterung. Denn gemäß Art. 3 Abs. 10 der Digitale-Inhalte-Richtlinie bleibt die Frage, wann ein Vertrag geschlossen wird, dem Recht der Mitgliedstaaten vorbehalten. Das Vorliegen eines Vertragsschlusses ist damit gemäß den §§ 145 ff. BGB nach objektiven Kriterien (§§ 133, 157 BGB) unter Zugrundelegung sämtlicher Umstände des Einzelfalles6 zu ermitteln, und zwar auch dann, wenn es um ein „Bezahlen mit Daten“ geht.7

Rn932

Entscheidend für die Beurteilung, ob V und U einen Vertrag geschlossen haben, ist das Vorliegen eines Rechtsbindungswillens. In Beispiel 1 kann dies bejaht werden: U möchte sich zur Bereitstellung der Wetter-App verpflichten, V erklärt sich hingegen zur Bereitstellung seiner personenbezogenen Daten bereit und erwartet im Gegenzug (so wie er dies erwarten würde, wenn er den Preis i.H.v. 6,99 Euro bezahlt hätte) den uneingeschränkten Zugriff auf die App und deren Mangelfreiheit.

Rn933

Dass die Rechtslage hinsichtlich der Frage des Vertragsschlusses nicht immer so eindeutig ist, zeigt allerdings eine Abwandlung des obigen Beispiels:

Rn934

Abwandlung: Die Wetterinformationen werden von U jederzeit auf einer Website zur Verfügung gestellt, wobei es für V möglich ist, einer Verarbeitung seiner Daten mittels Analyse- und Werbe-Cookies zu widersprechen, ohne dass sich der Nutzungsumfang verändert. V ruft die Website auf und stimmt dem Setzen von Analyse- und Werbe-Cookies zu.

Rn935

Nach der Begründung zum Gesetzesentwurf8 kann für die Annahme eines Vertragsschlusses u.a. sprechen, dass der Unternehmer mit dem Einsatz von Tracking-Technologien und der nachfolgenden Anzeige personalisierter Werbung wirtschaftliche Vorteile anstrebt. Würde man dieser (sehr weiten) Ansicht folgen, käme es damit faktisch bei jedem Webseiten-Aufruf zu einem Vertragsschluss zwischen dem Webseiten-Betreiber und dem Verbraucher, sofern der Unternehmer Trackingtools einsetzt und der Besucher deren Nutzung zustimmt. Folge dieser Auslegung wären massenhafte Vertragsschlüsse.9

Rn936

Diese Ansicht dürfte zu weit gehen.10 Maßgeblich für das Vorliegen eines Vertragsschlusses sollte vielmehr sein, welchen Erklärungsgehalt V der eigenen Willenserklärung, mit der er im obigen Beispiel dem Setzen von Analysecookies zustimmt, zumisst. Zu berücksichtigen ist insoweit zum einen, dass in der obigen Abwandlung die Bereitstellung der personenbezogenen Daten durch V auf den Nutzungsumfang der Webseite, d.h. auf die von U bereitgestellte Leistung, keinerlei Einfluss hat. Andererseits muss in diesem Kontext bedacht werden, dass Webseiten-Besucher zu einer aktiven Einwilligung in das Setzen von Analysecookies aus datenschutzrechtlichen Gründen sowie gemäß § 15 Abs. 3 TMG bzw. § 25 Abs. 1 TTDSG bereits vor Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie verpflichtet waren. Besucher haben daher bislang ihrer Auswahl im Cookie-Consent-Manager auf der Webseite eines Webseitenbetreibers eine rein datenschutzrechtliche Bedeutung zugemessen.11 Die Einführung von § 327 Abs. 3 BGB dürfte jedenfalls für den Durchschnittsverbraucher an der von ihm intendierten Reichweite seiner Erklärung (rein datenschutzrechtliche Zustimmung in das Setzen von Cookies) nichts geändert haben. Ein auf den Abschluss eines Vertrags über die Bereitstellung der Wetterinformationen gerichteter Rechtbindungswille des V ist in der obigen Abwandlung daher eher zu verneinen, ein Vertrauen des V auf die Bereitstellung der Wetterinformationen durch U und deren Mangelfreiheit im Sinne eines „do ut des“ Verhältnisses ebenso.

Rn937

1.2. Vertragstyp, Digitales Produkt, Bezahlen mit Daten

Bedeutend für die Anwendbarkeit der §§ 327 ff. BGB ist auch die rechtliche Einordnung der Leistung und Gegenleistung geworden.

Rn938

Zwar drängt sich in Beispiel 1 die Frage auf, welcher Vertragstyp einschlägig ist. Die Beantwortung auch dieser Frage wird jedoch dem nationalen Recht überlassen, wobei es für die Anwendbarkeit der §§ 327 ff. BGB keine Rolle spielt, welche Art von Vertrag dem App-Download zugrundliegt. Ein neuer Vertragstyp wird durch die §§ 327 ff. BGB nicht geschaffen.12 Die Frage der Anwendbarkeit der §§ 327 ff. BGB beurteilt sich damit nicht danach, ob dem App-Download ein Kaufvertrag zugrunde liegt oder etwa ein Mietvertrag oder ein Vertrag sui generis.13 Entscheidend ist vielmehr, ob Gegenstand des Verbrauchervertrags für den Unternehmer die Bereitstellung eines digitalen Produkts ist und, auf Seiten des Verbrauchers, die Zahlung eines Preises oder die Bereitstellung bzw. Verpflichtung zur Bereitstellung personenbezogener Daten.

Rn939

Die §§ 327 ff. BGB setzen einen Verbrauchervertrag über die Bereitstellung eines „digitalen Produkts“ voraus. Der deutsche Gesetzgeber hat diesen in der Digitale-Inhalte-Richtlinie nicht vorgesehen Begriff als Oberbegriff für digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen eingeführt. § 327 Abs. 2 S. 1 BGB definiert digitale Inhalte als Daten, die in digitaler Form erstellt und bereitgestellt werden. Digitale Dienstleistungen sind hingegen gem. § 327 Abs. 2 S. 2 BGB die, die Erstellung, Verarbeitung oder Speicherung von Daten in digitaler Form oder den Zugang zu solchen Daten ermöglichen oder die gemeinsame Nutzung der vom Verbraucher oder von anderen Nutzern der entsprechenden Dienstleistung in digitaler Form hochgeladenen oder erstellten Daten oder sonstige Interaktion mit diesen Daten ermöglichen. Während der Begriff der „digitalen Dienstleistung“ u.a. Software-as-a-Service-Lösungen, Streaming-Dienste und sonstige Dienste, die in einer Cloud-Computing-Umgebung und in sozialen Medien angeboten werden, erfasst14, fallen unter den Begriff des digitalen Inhalts u.a. Computerdateien, Audio- und Videodateien sowie Applikationen, die auf dem Endgerät des Verbrauchers gespeichert werden.15 Gegenstand des zwischen V und U bestehenden Verbrauchervertrags ist damit in Beispiel 1 auf Seiten von U die Bereitstellung eines digitalen Inhalts i.S.d. § 327 Abs. 2 S. 1 BGB.

Rn940

Interessanter ist die Frage, wie der Vertrag aus Sicht des V zu werten ist. Viele auf den ersten Blick unentgeltliche Online-Geschäftsmodelle werden heutzutage dadurch finanziert, dass der Verbraucher dem Unternehmer personenbezogene Daten zur Verfügung stellt, die dieser anschließend mithilfe von Tracking-Tools zu seinen Gunsten verarbeitet. Zwar stehen zum Schutz des Verbrauchers in diesem Fall verschiedene datenschutzrechtlichen Instrumente zur Verfügung. Vertragliche Rechtsbehelfe waren jedoch bislang nur rudimentär geregelt.16 Deshalb hielt es der europäische Gesetzgeber für notwendig, diesen Bereich zu regeln.17

Rn941

Der neue, im allgemeinen Schuldrecht verankerte § 327 Abs. 3 BGB regelt, dass die Vorschriften über digitale Produkte auch dann Anwendung finden, wenn der Verbraucher personenbezogene Daten bereitstellt oder sich zu deren Bereitstellung verpflichtet. Damit sollen auch personenbezogene Daten ein handelbares wirtschaftliches Gut darstellen können, die, sofern die Bereitstellung eines digitalen Produkts betroffen ist, zulasten des Unternehmers dieselben Pflichten begründen, die auch im Falle einer Geldzahlung des Verbrauchers bestehen.

Rn942

Der deutsche Gesetzgeber hat allerdings bewusst darauf verzichtet, das Bezahlen mit Daten rechtsdogmatisch einzuordnen.18 Während in § 327 Abs. 1 BGB von einer Bereitstellung des digitalen Produkts „gegen“ Zahlung eines Preises die Rede ist, fehlt eine solche Verknüpfung in Abs. 3. Unerheblich ist nach der Ansicht des deutschen Gesetzgebers die schuldrechtliche Einordnung der Bereitstellung personenbezogener Daten durch den Verbraucher oder deren Zusage. Auf die Frage, ob es sich hierbei „um eine (Gegen-)Leistung handelt und ob diese im Gegenseitigkeitsverhältnis steht oder nicht“19, kommt es für die Anwendbarkeit von § 327 Abs. 3 BGB folglich nicht an. Eine im Synallagma stehende Gegenleistung ist nicht erforderlich. Dies schwächt zwar die Position des Unternehmers. Die Gewährung eines gerichtlich durchsetzbaren Anspruchs zugunsten des Unternehmers auf Herausgabe der personenbezogenen Daten wäre aber datenschutzrechtlich kaum zu vertreten gewesen.20

Rn943

Für Beispiel 1 lässt sich damit feststellen, dass der Anwendungsbereich der §§ 327 ff. BGB über § 327 Abs. 3 BGB eröffnet ist. V hat in die umfangreiche Nutzung seiner personenbezogenen Daten eingewilligt. Unschädlich ist hierbei, dass seitens V keine aktive Übermittlung seiner personenbezogenen Daten an U erfolgt. Für die „Bereitstellung“ personenbezogener Daten und damit die Anwendbarkeit von § 327 Abs. 3 BGB reicht es aus, dass V U den Zugang zu seinen Daten (bspw. mittels Cookies) aktiv verschafft hat und im Übrigen die Datenverarbeitung durch U zulässt.21

Rn944

Der Anwendungsbereich der §§ 327 ff. BGB ist vorliegend auch nicht durch die Ausnahmeregelung in § 327 Abs. 3 i.V.m. § 312 Abs. 1a S. 2 BGB ausgeschlossen. Hiernach ist eine Anwendbarkeit der §§ 327 ff. BGB zu verneinen, wenn der Unternehmer die vom Verbraucher bereitgestellten personenbezogenen Daten ausschließlich verarbeitet, um seine Leistungspflicht oder an ihn gestellte rechtliche Anforderungen zu erfüllen, und sie zu keinem anderen Zweck verarbeitet.

Rn945

Nach Ansicht des Gesetzgebers seien – obwohl wie von ihm richtig erkannt weder die Digitale-Inhalte-Richtlinie noch die Modernisierungsrichtlinie hierauf Bezug nehmen – von der Ausnahmeregelung in § 312 Abs. 1a S. 2 BGB insbesondere Datenverarbeitungen gemäß Art. 6 Abs. 1 S 1 lit. b DSGVO (Vertragserfüllung) und Art. 6 Abs.1 S. 1 lit. c und e DSGVO erfasst.22 Der Hinweis des Gesetzgebers auf Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b. DSGVO erfolgt jedoch, wie sich im Folgenden zeigen wird, zu pauschal.

Rn946

Zwar könnte man auf den ersten Blick sagen, dass die Bereitstellung der Daten durch V für die Vertragserfüllung erforderlich ist, denn schließlich handelt es sich bei dem Verbrauchervertrag um einen Vertrag, bei dem V die Leistung des U bewusst mit seinen Daten bezahlt. Maßgeblich für Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DSGVO ist die Frage, ob die Datenverarbeitung „für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist“, erforderlich ist. Die Bereitstellung der Daten ist damit aus Sicht des V erforderlich, da die Zahlung eines Preises für ihn als Alternative nicht in Betracht kommt und die Bereitstellung der Daten damit der Erfüllung des mit U geschlossenen Vertrags dient. Anders als im Falle des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DSGVO, nach dessen offenen Formulierung auf die „Erfüllung eines Vertrags“ als solche und damit auf die Leistungen beider Vertragsparteien abzustellen ist, ist aber ausweislich des Wortlauts des § 312 Abs. 1 S. 2 BGB Gegenstand der Beurteilung allein die Leistungspflicht des Unternehmers. § 312 Abs. 1 S. 2 BGB greift damit kürzer als Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DSGVO. Dass in Beispiel 1 die Verarbeitung der personenbezogenen Daten von V für die Erbringung der Leistungspflicht von U, nämlich zur Bereitstellung der Wetter-App, gerade nicht erforderlich ist, zeigt aber, dass eine Bereitstellung der App auch gegen Zahlung einer monatlichen Gebühr unter Verzicht auf die Bereitstellung personenbezogener Daten möglich ist. Die Ausnahmeregelung in § 327 Abs. 3 i.V.m. § 312 Abs. 1a S. 2 BGB ist damit nicht anwendbar und der Anwendungsbereich der §§ 327 ff. BGB eröffnet.

Rn947

1.3. Vertragsmäßigkeit

Beispiel 1 wirft die Frage auf, wann digitale Inhalte oder Dienstleistungen vertragsgemäß sind. Der deutsche Gesetzgeber hat die Regelungen der Digitale-Inhalte-Richtlinie zur Vertragsgemäßheit in §§ 327d ff. BGB umgesetzt. Hiernach ist ein digitales Produkt vertragsgemäß, wenn es den subjektiven und objektiven Anforderungen gemäß § 327e BGB entspricht und frei von Rechtsmängeln i.S.d. § 327g BGB ist.23 Dem Verbraucher sind zudem gemäß § 327f BGB die für den Erhalt der Vertragsgemäßheit erforderlichen Aktualisierungen bereitzustellen.24

Rn948

327e BGB stellt subjektive und objektive Anordnungen an das digitale Produkt auf dieselbe Stufe.25 Damit setzt der deutsche Gesetzgeber Art. 8 der Digitale-Inhalte-Richtlinie um, wonach die objektiven Anforderungen „zusätzlich“ zu den subjektiven Anforderungen gemäß Art. 7 der Richtlinie einzuhalten sind. Mit dieser Regelung wollte der europäische Gesetzgeber sicherstellen, dass objektive Standards von digitalen Produkten nur unter besonderen Voraussetzungen durch individuelle Vereinbarungen abgesenkt werden können.26 § 327e BGB wird dementsprechend durch § 327h BGB flankiert, der – um dem entsprechenden Willen des europäischen Gesetzgebers in Art. 8 Abs. 5 der Digitale-Inhalte-Richtlinie nachzukommen – die Voraussetzungen verschärft, unter welchen die Vertragsparteien Abweichungen von den objektiven Anforderungen individuell abweichen können.

Rn949

In Beispiel 1 haben V und U hinsichtlich der Wetter-App keine individuellen Vereinbarungen getroffen, so dass die Vertragsmäßigkeit der App allein anhand der objektiven Anforderungen i.S.d. § 327e Abs. 3 BGB zu beurteilen ist. Maßgeblich ist insoweit insbesondere § 327e Abs. 3 Nr. 1 BGB, wonach das digitale Produkt den objektiven Anforderungen entspricht, wenn es sich für die gewöhnliche Verwendung eignet. Gemäß Begründung zum Gesetzesentwurf ist die „Eignung für die gewöhnliche Verwendung“ anhand der Verkehrsanschauung zu ermitteln, wobei Maßstab hierfür insbesondere die Zwecke sind, für die digitale Produkte derselben Art in der Regel genutzt werden.27 Übertragen auf den obigen Fall in Beispiel 1 wird der Rechtsanwender daher überprüfen müssen, ob der durchschnittliche Nutzer von einer Wetter-App erwartet, dass die Wettervorhersage fehlerfrei richtig ist und aufgrund dieser Erwartung Dispositionen trifft. Hier liegt ein ganz neuer Problemschwerpunkt, der die Praxis intensiv beschäftigen wird.

Rn950

1.4. Folgen datenschutzrechtlicher Erklärungen auf das Vertragsverhältnis

Erwähnenswert ist auch die datenschutzrechtliche Verflechtung, die sich bei digitalen Produkten im Falle des Bezahlens mit Daten ergibt.

Rn951

Der deutsche Gesetzgeber stellt insoweit klar, dass es für die Anwendbarkeit der §§ 327 ff. BGB auf die datenschutzrechtliche Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung nicht ankommt.28 Dies ist zu begrüßen, denn der Verbraucher wird oftmals nicht in der Lage sein zu beurteilen, ob sich der Unternehmer an die Anforderungen der DSGVO hält.29 Ihm im Falle einer unzulässigen Datenverarbeitung auch die sich aus den §§ 327 ff. BGB ergebenden Rechte zu verwehren, würde zudem den Verbraucher doppelt treffen.

Rn952

Dieser Trennung zwischen Datenschutzrecht und Vertragsrecht folgend, regelt § 327q Abs. 1 BGB, dass die Ausübung von datenschutzrechtlichen Betroffenenrechten und die Abgabe datenschutzrechtlicher Erklärungen des Verbrauchers nach Vertragsschluss die Wirksamkeit des Vertrags unberührt lassen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sieht jedoch § 327q Abs. 2 BGB für den Fall vor, dass der Verbraucher eine von ihm erteilte datenschutzrechtliche Einwilligung widerruft oder er einer weiteren Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten widerspricht. Übt der Verbraucher eines dieser Rechte aus, so kann der Unternehmer einen Vertrag, der ihn zu einer Reihe einzelner Bereitstellungen digitaler Produkte oder zur dauerhaften Bereitstellung eines digitalen Produkts verpflichtet, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn ihm unter Berücksichtigung des weiterhin zulässigen Umfangs der Datenverarbeitung und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum vereinbarten Vertragsende oder bis zum Ablauf einer gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Rn953

Damit hat der deutsche Gesetzgeber aus Eigeninitiative (eine entsprechende Regelung sieht die Digitale-Inhalte-Richtlinie nicht vor) eine problematische Regelung eingeführt. Was auf den ersten Blick als eine faire Lösung erscheinen mag, die die wirtschaftlichen Interessen und Dispositionen des Unternehmers berücksichtigt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als eine möglicherweise dem in Art. 7 As. 4 DSGVO normierten Kopplungsverbot zuwiderlaufende Regelung.

Rn954

Das in § 327q Abs. 2 BGB erwähnte Recht auf Widerruf der Einwilligungserklärung ist in Art. 7 Abs. 3 DSGVO verankert. Macht der Verbraucher von diesem datenschutzrechtlichen Recht Gebrauch, so steht dem Unternehmer unter den in § 327q Abs. 2 BGB genannten Umständen ein Kündigungsrecht zu. Die Zwangslage, in die sich der Verbraucher durch diese Regelung begibt, hat der Gesetzgeber wohl nicht erkannt: Übt der Verbraucher sein Widerrufsrecht aus, droht ihm der Verlust der vom Unternehmer zu erbringenden vertraglichen Leistung. Will er andererseits eine Vertragskündigung nicht riskieren, muss er in die von ihm eigentlich nunmehr ungewollte Datenverarbeitung durch den Unternehmer weiter einwilligen. Dies steht im Konflikt zu dem datenschutzrechtlichen Kopplungsverbot aus Art. 7 Abs. 4 DSGVO, wonach die Freiwilligkeit der Hingabe von personenbezogenen Daten wohl nicht gegeben ist, sofern die Vertragserfüllung, für die der Verarbeitungsvorgang nicht erforderlich ist, dennoch davon abhängig gemacht wird. Denn die Tatsache, dass der Betroffene gemäß Art. 7 Abs. 3 DSGVO eine einmal (freiwillig) erteilte Einwilligung jederzeit widerrufen kann, zeigt, dass der sich aus Art. 7 Abs. 4 DSGVO ergebende Grundsatz der Freiwilligkeit nicht nur bei erstmaliger Erteilung der Einwilligung in die Datenverarbeitung gewährleistet sein muss, sondern dass eine einmal erteilte Einwilligung auch freiwillig aufrechterhalten werden muss.

Rn955

Gerade dies kann aber die Regelung in § 327 Abs. 2 BGB nicht gewährleisten. Darüber hilft auch nicht der einschränkende Hinweis in § 327 Abs. 2 BGB über die „beiderseitigen Interessen“ hinweg, da die abschreckende Wirkung bereits genügt, um den Verbraucher an der Ausübung seiner datenschutzrechtlichen Rechte zu hindern. Aufgrund des Verstoßes gegen das datenschutzrechtliche Kopplungsverbot darf § 327q Abs. 2 BGB folglich nicht angewandt werden.

Rn956

2. Gesetz zur Umsetzung der Warenkauf-Richtlinie

Anders als das Gesetz zur Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie, das vornehmlich Neuerungen im allgemeinen Schuldrecht mit sich gebracht hat, hat das Gesetz zur Umsetzung der Warenkauf-Richtlinie wesentliche Änderungen im Kaufrecht und damit im besonderen Schuldrecht zur Folge. Zentrale Änderungen wurden nicht nur in § 434 BGB (Sachmangel) umgesetzt, sondern auch mit der Einführung der § 475b-475e BGB (Sachmangel einer Ware mit digitalen Elementen, Rücktritt und Schadensersatz, Verjährung) bewirkt.

Rn957

Insbesondere die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Vorliegens eines Verbrauchervertrags über eine Ware mit digitalen Elementen sollen im folgenden Abschnitt anhand verschiedener Beispielfälle erläutert werden. Einen Schwerpunkt bildet hierbei die Abgrenzung zwischen dem Anwendungsbereich der §§ 327 ff. BGB und der §§ 475b ff. BGB. Anhand der Beispiele sollen aber auch die vertraglichen Rechtsbehelfe des Verbrauchers und insbesondere auch die neu eingeführte Aktualisierungspflicht erläutert werden.

Rn958

2.1. Abgrenzung des Anwendungsbereichs von §§ 327 ff. BGB und §§ 475b ff. BGB

Beispiel 2: Verbraucher V kauft bei Unternehmer U ein neues Elektro-Auto des Herstellers H. Alles funktioniert tadellos, nur die Schnittstelle zur Verbindung seines Mobiltelefons mit dem Auto nicht. V rügt dies bei U. U installiert ein Update. Das Problem wird dadurch allerdings nicht behoben, weil Lehrling L das Update falsch einspielt, was sich durch eine erneute (richtige) Installation sofort beheben lassen würde. V hat mittlerweile die Lust an dem Auto verloren.

Rn959

Gemäß § 327a Abs. 3 S. 1 BGB sind die §§ 327 ff. BGB nicht auf Kaufverträge über Waren anzuwenden, die in einer Weise digitale Produkte enthalten oder mit ihnen verbunden sind, dass die Waren ihre Funktionen ohne diese digitalen Produkte nicht erfüllen können. Diese von dem Gesetzgeber als „Waren mit digitalen Elementen“ legaldefinierten Waren unterliegen den Vorschriften zum Verbrauchsgüterkauf (§§ 475a ff. BGB) mit der Folge, dass die typenübergreifenden Bestimmungen der §§ 327 ff. BGB keine Anwendung finden.

Rn960

Die Beantwortung der Frage, ob es sich bei einem Verbrauchervertrag um einen Vertrag über die Bereitstellung eines digitalen Produkts i.S.d. §§ 327 ff. BGB oder um einen Vertrag über den Kauf einer Ware mit digitalen Elementen i.S.d. §§ 475b ff. BGB handelt, hat damit für den Rechtsanwender eine grundlegende Bedeutung, da an die rechtliche Einordnung im Falle eines Mangels unterschiedliche Bestimmungen anknüpfen.

Rn961

Gemäß § 475b Abs. 2 BGB ist eine Ware mit digitalen Elementen frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang und in Bezug auf eine Aktualisierungspflicht auch während des maßgeblichen Zeitraums den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen, den Montageanforderungen und den Installationsanforderungen entspricht. In ähnlicher Weise ist ein digitales Produkt gemäß § 327e Abs. 1 BGB frei von Produktmängeln, wenn es den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Anforderungen an die Integration entspricht.

Rn962

Ist ein digitales Produkt mangelhaft, so kann der Verbraucher gemäß § 327i Nr. 1 i.V.m. § 327l Abs. 1 BGB zunächst von dem Unternehmer Nacherfüllung verlangen. Entsprechendes gilt bei einem Sachmangel der Ware mit digitalen Elementen, wobei es in beiden Fällen einer Fristsetzung nicht bedarf. Sowohl gemäß § 327l Abs. 1 S. 2 BGB als auch gemäß § 475d Abs. 1 Nr. 1 BGB hat der Unternehmer die Nacherfüllung innerhalb einer „angemessenen“ Frist ab dem Zeitpunkt vorzunehmen, zu dem der Verbraucher ihn über den Mangel in Kenntnis gesetzt hat.

Rn963

Ein wesentlicher Unterschied der beiden Rechtsregime wird allerdings erkennbar, wenn – wie im obigen Beispiel – nach dem Versuch des Unternehmers, den Mangel zu beseitigen, sich weiterhin ein Mangel zeigt. Gemäß § 327m Abs. 1 Nr. 3 BGB kann nämlich der Verbraucher einen Vertrag über die Bereitstellung eines digitalen Produkt gemäß § 327o BGB beenden, wenn sich trotz der vom Unternehmer versuchten Nacherfüllung ein Mangel zeigt. Das Beendigungsrecht entsteht zum einen im Falle eines erfolglosen Nacherfüllungsversuchs durch den Unternehmer hinsichtlich des durch den Verbraucher geltend gemachten Mangels, zum anderen aber auch dann, wenn zwar der ursprünglich geltend gemachte Mangel erfolgreich beseitigt wurde, sich nach der Nacherfüllung aber ein anderer, neuer Mangel zeigt.30 Folge dieser Regelung ist, dass der Unternehmer nur eine Chance hat, das digitale Produkt in einen vertragsgemäßen Zustand zu versetzen.

Rn964

Auch § 475d Abs. 1 Nr. 2 BGB regelt, dass ein Rücktritt vom Vertrag möglich ist, wenn sich trotz der vom Unternehmer versuchten Nacherfüllung ein (gegebenenfalls anderer) Mangel zeigt. Die mit § 327m Abs. 1 Nr. 3 BGB identische Formulierung könnte daher darauf hindeuten, dass auch gemäß § 475d Abs. 1 Nr. 2 BGB der Unternehmer grundsätzlich nur eine Möglichkeit zur Nacherfüllung hat. Diese Auslegung greift aber zu kurz. Denn im Unterschied zur Digitale-Inhalte-Richtlinie, die eine solche Einschränkung nicht vorsieht, geht aus Erwägungsgrund 52 der Warenkauf-Richtlinie hervor, dass der Unternehmer in bestimmten Fällen sein Recht zur zweiten Andienung mehrfach ausüben kann. Die Anzahl der ihm zustehenden Nacherfüllungsversuche ist hiernach anhand aller Umstände des Falles wie Art und Wert der Waren und Art und Bedeutung der Vertragswidrigkeit zu bestimmen, wobei es insbesondere bei teuren oder komplexen Waren gerechtfertigt sein kann, dem Verkäufer einen weiteren Versuch zur Nacherfüllung zu gestatten.31

Rn965

Ob eine Ware mit digitalen Elementen vorliegt, ist anhand zweier Kriterien zu prüfen. Nach der Begründung zum Gesetzesentwurf zu § 327a Abs. 3 S. 1 BGB fallen digitale Produkte in den Anwendungsbereich der §§ 475b, 475c BGB, wenn bei Fehlen des digitalen Produkts die Ware mit digitalen Elementen ihre Funktion nicht erfüllen kann (sog. „funktionales“ Kriterium) und wenn das digitale Produkt unter dem Kaufvertrag über die Ware mit digitalen Elementen bereitgestellt wird (sog. „vertragliches“ Kriterium).32 Sind nicht beide Kriterien kumulativ erfüllt, sind gemäß § 327a Abs. 2 S. 2 BGB auf die Bestandteile des Vertrags, welche die digitalen Produkte betreffen, die §§ 327 ff. BGB anwendbar.

Rn966

Als Beispiele für Waren mit digitalen Elementen nennt der Gesetzgeber ein Smart-TV, das laut Werbung eine bestimmte Video-Anwendung enthält, oder ein Smartphone, das mit einem vorinstallierten und für den Betrieb des Geräts notwendigen Betriebssystem verkauft wird. Die Frage, wann eine Ware ohne das digitale Element nicht ihre Funktion erfüllen kann, kann allerdings nicht immer so eindeutig beantwortet werden und wirft erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten auf. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Vertrag zu dem digitalen Element schweigt und dessen Bereitstellung im Vertrag nicht ausdrücklich vorgesehen ist33 und das funktionale Kriterium damit den Schwerpunkt der Prüfung bildet. Denn dies wirft die Frage auf, ob von einer Ware mit digitalen Elementen bereits dann ausgegangen werden kann, wenn durch die Fehlerhaftigkeit des digitalen Produkts eine bloße Nebenfunktion der Ware nicht mehr erfüllt werden kann, oder ob eine Hauptfunktion derselben beeinträchtigt sein muss.34 Sowohl die Warenkaufrichtlinie als auch die Begründung zum Gesetzesentwurf bieten insoweit keine klarstellende Hilfe. Wollte man auf die Hauptfunktion der Ware mit digitalen Elementen abstellen, so wäre für Beispiel 2 festzuhalten, dass das Fahrzeug des V seine Hauptfunktion (Ermöglichung der Fortbewegung) trotz der fehlerhaften Schnittstelle weiterhin erfüllen kann.35 Mangels Vorliegen des funktionalen Kriteriums wäre die Anwendbarkeit der §§ 475b ff. BGB abzulehnen.

Rn967

Unter Zugrundlegung eines weiten Verständnisses und Abstellen auf einen einheitlichen digitalen und nicht-digitalen Leistungsinhalt könnte man allerdings auch argumentieren, dass das Fahrzeug in Beispiel 2 zumindest eine bestimmte spezifische digitale Funktion, nämlich die Verbindung zu dem Mobiltelefon des V, nicht erfüllt36, mit der Folge, dass der Anwendungsbereich der §§ 475b ff. vorrangig eröffnet ist. Damit würden aber faktisch sämtliche Waren, die ein digitales Produkt enthalten, das eine noch so untergeordnete digitale Funktion erfüllt, den §§ 475b ff. BGB unterliegen.

Rn968

Vorzugswürdig erscheint vor diesem Hintergrund eine vermittelnde Ansicht, wonach eine Ware mit digitalen Elementen vorliegt, wenn das mangelhafte digitale Produkt zwar objektiv betrachtet keine Hauptfunktion erfüllt, diesem aber – wie im Falle von „smarten“ Produkten – für die Nutzung der Ware aber dennoch eine hohe Bedeutung zukommt.37

Rn969

Welcher der vorgenannten Ansichten hier zu folgen ist, ist eine Frage, die den EuGH in naher Zukunft beschäftigen und von diesem zu klären sein wird. Wie Fälle wie in Beispiel 2 rechtlich einzuordnen sein werden, bleibt abzuwarten. Sollte in Beispiel 2 von einer Ware mit digitalen Elementen auszugehen sein, mit der Folge, dass gemäß § 327a Abs. 3 BGB die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf Vorrang haben, wird man angesichts des Werts des Fahrzeugs und der Tatsache, dass der Fehler durch eine erneute richtige Installation sofort behoben werden kann, ein Rücktrittsrecht des V gemäß § 475d Abs. 1 Nr. 2 BGB wohl verneinen und dem Unternehmer U ein erneutes Recht zur zweiten Andienung anerkennen können.

Rn970

Diese Beurteilung würde aber anders ausfallen, sollte man hingegen das Vorliegen einer Ware mit digitalen Elementen verneinen. Folge wäre nämlich in diesem Fall, dass gemäß § 327a Abs. 2 S. 2 BGB (nur) auf die fehlerhafte Schnittstelle die §§ 327 ff. BGB anwendbar sind und V gemäß § 327m Abs. 1 Nr. 3 BGB (ebenfalls zunächst nur hinsichtlich der fehlerhaften Schnittstelle) ein sofortiges Recht zur Vertragsbeendigung zusteht. Beachtet man aber, dass in Beispiel 2 der vertraglichen Beziehung zwischen V und U ein einheitlicher Vertrag zugrunde liegt, stellt sich für den Rechtsanwender die Folgefrage, wie diese (teilweise) Vertragsbeendigung praktisch zu vollziehen ist. Die Regelung in § 327m Abs. 5 BGB, wonach der Verbraucher sich im Hinblick auf alle Bestandteile des Vertrags nach § 327a Absatz 2 BGB (d.h. auch auf die nicht-digitalen Bestandteile) vom Vertrag lösen kann, wenn aufgrund des Mangels des digitalen Produkts sich die Sache „nicht zur gewöhnlichen Verwendung“ eignet, hilft – abgesehen von der Frage, dass bereits unklar ist, wann sich eine Sache nicht für ihre gewöhnliche Verwendung eignet – nicht über das Problem hinweg, wie die nur teilweise Vertragsrückabwicklung zu erfolgen hat, wenn ein Gesamtbeendigungsrecht gemäß § 327m Abs. 5 BGB gerade nicht besteht. Auch hier bleibt eine Klärung durch die zuständigen Gerichte abzuwarten.

Rn971

2.2. Aktualisierungspflicht

Auch die Aktualisierungspflicht als eine der Anforderungen der Vertragsmäßigkeit hat dem Rechtsanwender Einiges beschert. Die Aktualisierungspflicht stellt eine der grundlegendsten Neuerungen dar, die sowohl das Gesetz zur Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinien als auch das Gesetz zur Umsetzung der Warenkauf-Richtlinie mit sich gebracht und damit Einzug in die §§ 327 ff. BGB und in das Kaufrecht gefunden haben. Die Aktualisierungspflicht stellt den Rechtsanwender vor neue Hürden, die im Folgenden anhand einer Abwandlung zu Beispiel 2 dargelegt werden sollen.

Rn972

Abwandlung: V kauft ein Neufahrzeug bei Unternehmer U. Drei Jahre nach dem Kauf wird eine Sicherheitslücke in der Schnittstelle zum Mobiltelefon entdeckt, die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht vorlag; sie entstand erst im Laufe der Zeit durch die Weiterentwicklung der Technik. Die Sicherheitslücke hätte vermieden werden können, wenn Hersteller H regelmäßig Updates zur Verfügung gestellt hätte (daran hatte für diese Schnittstelle aber niemand gedacht). U fordert H vergeblich auf, jetzt ein Update zu liefern. V tobt.

Rn973

Für digitale Inhalte wurden die Regelungen zur Aufrechterhaltung der Vertragsmäßigkeit durch Aktualisierungen wegen ihrer besonderen Bedeutung in § 327f BGB geregelt.38 Mit dieser Vorschrift wurde Art. 8 Abs. 2 der Digitale-Inhalte-Richtlinie umgesetzt, wonach der Unternehmer sicherzustellen hat, dass der Verbraucher über Aktualisierungen, einschließlich Sicherheitsaktualisierungen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit der digitalen Inhalte und Dienstleistungen erforderlich sind, informiert wird und dem Verbraucher bereitgestellt werden.

Rn974

Eine wesentliche Kernfrage, die sich im Zusammenhang mit der Aktualisierungspflicht stellt, betrifft die Dauer der Pflicht zur Bereitstellung von Aktualisierungen. Entscheidend kommt es hierfür gemäß § 327f S. 3 BGB darauf an, ob Gegenstand des Vertrags die dauerhafte Bereitstellung des digitalen Produkts ist oder eine einmalige beziehungsweise wiederkehrende Bereitstellung des digitalen Produkts.

Rn975

Schuldet der Unternehmer die „dauerhafte Bereitstellung“ des digitalen Produkts, so sind gemäß § 327f S. 3 Nr. 1 BGB die relevanten Aktualisierungen während des „Bereitstellungszeitraums“ zur Verfügung zu stellen. Gemäß den Legaldefinitionen in § 327e Abs. 1 S. 3 BGB ist von einer dauerhaften Bereitstellung dann auszugehen, wenn sich der Unternehmer durch den Vertrag zu einer fortlaufenden Bereitstellung des digitalen Produkts über einen Zeitraum verpflichtet hat. Bereitstellungszeitraum ist in diesem Fall der gesamte vereinbarte Zeitraum der Bereitstellung. Kennzeichnend für eine dauerhafte Bereitstellung ist, dass das digitale Produkt dem Verbraucher nur so lange zur Verfügung steht bzw. zugänglich ist, wie die vereinbarte Vertragslaufzeit andauert oder der unbefristete Vertrag in Kraft ist.39 Hauptanwendungsfall von § 327f S. 3 Nr. 1 i.V.m. § 327e Abs. 1 S. 3 BGB sind damit digitale Dienstleistungen. In diesem Fall besteht die Aktualisierungspflicht gem. § 327f Abs. 1 S. 3 Nr. 1 BGB über den gesamten Zeitraum, in dem die digitalen Produkte bereitzustellen sind.

Rn976

Ist lediglich eine einmalige oder eine Reihe einzelner Bereitstellungen von digitalen Produkten gem. § 327f Abs. 1 S. 3 Nr. 2 BGB geschuldet, hat der Unternehmer dem Verbraucher hingegen Aktualisierungen für einen Zeitraum bereitzustellen, „den der Verbraucher aufgrund der Art und des Zwecks der digitalen Inhalte oder Dienstleistungen und unter Beachtung der Umstände und der Vertragsart erwarten kann“. Die Erwartung des Verbrauchers ist dabei anhand der Umstände des Einzelfalles und anhand eines objektiven Maßstabs zu bestimmen.40 Dies ist nicht unproblematisch. Denn der Erwartungshorizont des Verbrauchers wird von Fall zu Fall unterschiedlich sein mit der Folge, dass eine allgemeingültige Bestimmung des maßgeblichen Zeitraums kaum möglich sein wird. Insgesamt wird die Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunktes wohl eng mit dem life cycle eines Produkts zusammenhängen. Der Rechtsanwender wird nicht herumkommen, eine einzelfall- und produktbezogene, und damit zeitintensive, Betrachtung anzustellen, was zukünftig zu einer umfangreichen, aber auch uneinheitliche Kasuistik zu § 327f Abs. 1 S. 3 Nr. 2 BGB führen wird.

Rn977

Auch § 475b Abs. 3, Abs. 4 Nr. 2 und Abs. 5 BGB regelt im Rahmen des Sachmangelbegriffs von Waren mit digitalen Elementen die Aktualisierungspflicht für eben solche Waren. Bei einzelvertraglichen Vereinbarungen sind gemäß § 475b Abs. 3 BGB Dauer und Umfang dieser Pflicht aus dem Vertrag zu entnehmen. Fehlt eine solche Regelung, so ist der Inhalt der Aktualisierungspflicht objektiv zu bestimmen.41 Die Zeitspanne, für die eine Aktualisierungspflicht objektiv gelten soll, wird in § 475b Abs. 4 Nr. 2 BGB näher konkretisiert. Demnach sind dem Verbraucher während des Zeitraums, den er aufgrund der Art und des Zwecks der Ware und ihrer digitalen Elemente sowie unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags erwarten kann, Aktualisierungen bereitzustellen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit der Ware erforderlich sind. Ist allerdings die dauerhafte Bereitstellung der digitalen Elemente Gegenstand des Kaufvertrags, so müssen gemäß dem vorrangigen § 475c Abs. 2 BGB die digitalen Elemente während des Bereitstellungszeitraums aktualisiert werden, zumindest aber für einen Zeitraum von zwei Jahren ab Ablieferung der Ware.

Rn978

Die Aktualisierungspflicht in § 327f BGB und in § 475b Abs. 4 Nr. 2 BGB schafft eine neuartige Verbindung zwischen Verbraucher und Unternehmer, die über den Gewährleistungszeitraum hinaus bestehen kann. Gerade Kaufverträge, für die ein einmaliger Leistungsaustausch kennzeichnend ist, erhalten, soweit Vertragsgegenstand des Verbrauchsgüterkaufs eine Ware mit digitalen Elementen ist, den Charakter eines Dauerschuldverhältnisses.42 Dies ist absolut neuartig. Da aber die Warenkauf-Richtlinie Verträge über Waren mit digitalen Elementen bei dauerhafter Bereitstellung der digitalen Elemente ausdrücklich dem Kaufrecht zuordnet, blieb dem deutschen Gesetzgeber keine andere Möglichkeit, eine andere systematische Verortung vorzunehmen.43

Rn979

Ungeachtet der Frage, ob in Abwandlung 2 der Verbrauchervertrag als Vertrag über eine Ware mit digitalen Elementen oder über die Bereitstellung eines digitalen Produkts einzuordnen ist, wird man im Hinblick auf die Schnittstelle wohl von einer einmaligen Bereitstellung der Schnittstelle ausgehen können, sodass sowohl gemäß § 327f Abs. 1 S. 3 Nr. 2 BGB als auch gemäß § 475b Abs. 4 Nr. 2 BGB der maßgebliche Zeitraum aufgrund der Art und des Zwecks des digitalen Produkts bzw. der Ware und unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags objektiv zu bestimmen ist. Insoweit wird es maßgeblich auf die Frage ankommen, welche Bedeutung der Verbraucher der betroffenen digitalen Funktion zumisst sowie auf die übliche Nutzungs- und Verwendungsdauer derselben.44 Auch hier ist in naher Zukunft die Entwicklung einer umfangreichen Kasuistik zu erwarten.

Rn980

3. Mangel und Rechtsfolgen bei gebrauchten digitalen Inhalten und Dienstleistungen

Die neuen Vorschriften der §§ 327 ff. BGB und §§ 475b ff. BGB finden nicht nur auf neue, sondern auch auf gebrauchte Produkte Anwendung, denn die hier maßgeblichen Richtlinien und auch das nationale Recht sehen jedenfalls nichts Gegenteiliges vor. Lediglich § 474 Abs. 2 S. 2 BGB trifft eine Sonderregelung für gebrauchte Waren. Es stellt sich somit die Frage, welchen Einfluss ein Weiterverkauf eines digitalen Produkts bzw. eines Produkts mit digitalen Elementen auf die Aktualisierungspflicht des ursprünglichen Verkäufers hat. Für die Beantwortung der Frage muss zwischen B2C und C2C-Verkäufen unterschieden werden.

Rn981

Beispiel 3: Verbraucher V kauft im Second-Hand-Laden des U eine gebrauchte Musik-CD, die U vor drei Jahren aus der Sammlung des Privatmanns P erworben hat. Zuhause angekommen stellt V fest, dass die CD ab dem zweiten Musikstück „hängt“ (irreparabel). Der auf der Rückseite enthaltene QR-Code, hinter dem sich zahlreiche Informationen zu und Bilder von der Künstlerin befinden sollen, geht ins Leere. V ist enttäuscht und möchte sein Geld zurück. U möchte sich an P halten.

Rn982

Wird das digitale Produkt im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs weiterverkauft, ergeben sich keine Änderungen bezüglich der Aktualisierungspflicht des Unternehmers. Dabei werden in der Regel der Verkäufer und der Hersteller bzw. Urheber personenverschieden sein, was zur Folge hat, dass dem Verkäufer wohl in den häufigsten Fällen die notwenigen Kenntnisse und/oder Rechte und ggf. auch die nötigen Lieferbeziehungen zur Bereitstellung von Aktualisierungen fehlen. Der Verkäufer ist damit von dem guten Willen und der Leistungsfähigkeit des Herstellers bzw. des ersten Verkäufers abhängig. Er selbst kann sich bei Mängeln nur an seinen eigenen Lieferanten halten. Eine Hilfestellung bietet ihm insoweit § 327u S. 2 BGB, wonach der Unternehmer von dem Unternehmer, der sich ihm gegenüber zur Bereitstellung eines digitalen Produkts verpflichtet hat (legaldefiniert als „Vertriebspartner“), Ersatz der Aufwendungen verlangen kann, die ihm im Verhältnis zu einem Verbraucher wegen eines vom Verbraucher gegenüber dem Unternehmer geltend gemachten Mangels, der in einer durch den Vertriebspartner verursachten Verletzung der Aktualisierungspflicht des Unternehmers nach § 327f Absatz 1 besteht, entstanden sind.

Rn983

Während der Weiterverkauf eines digitalen Produkts zwischen Verbrauchern mangels Vorliegens eines Verbrauchervertrags und damit Anwendbarkeit der §§ 327 ff. BGB unproblematisch ist, ist die Lage anders zu, beurteilen, wenn der Verkäufer – wie in Beispiel 3 – das digitale Produkt nicht von einem Vertriebspartner i.S.d. § 327u BGB erworben hat, sondern selbst nur von einem Verbraucher. Denn in diesem Fall fehlt es auf der ersten Stufe der Lieferkette an einem Verbrauchervertrag i.S.d § 327 Abs. 1 S. 1 BGB, mit der Folge, dass die §§ 327 ff. BGB und insbesondere die dort vorgesehene Aktualisierungspflicht zulasten des verkaufenden Verbrauchers nicht greifen. Die Regresskette ist damit unterbrochen.

Rn984

Wird eine Ware mit digitalen Elementen in einem B2C-Verhältnis weiterverkauft, findet § 475b BGB Anwendung, wobei sich auch hier im Falle eines Weiterverkaufs der Ware hinsichtlich des digitalen Elements Probleme bei der Bereitstellung von Aktualisierungen ergeben können.

Rn985

Dies ist zum einen dann der Fall, wenn der Weiterverkäufer in keinem vertraglichen Verhältnis mit dem Hersteller steht. Die Regresskette kann aber auch dann unterbrochen werden, wenn der Weiterverkäufer die Ware selbst von einem Unternehmer erworben hat. Denn anders als § 327u BGB, demgemäß es sich bei dem Vertriebspartner um einen Unternehmer handeln muss, richtet sich der Regressanspruch des Verkäufers aus § 445a BGB gegen den „Verkäufer, der ihm die Sache verkauft hatte (Lieferant)“. Ein genauer Blick in § 445a Abs. 1 BGB zeigt aber, dass sich der kaufrechtliche Regress nur auf den Verkauf einer „neu hergestellten Sache“ richtet. Ein kaufrechtlicher Regressanspruch scheidet folglich beim Handel mit gebrauchten Sachen aus, sodass bei einem Handel mit gebrauchten Waren mit digitalen Elementen dem Wiederverkäufer zu empfehlen ist, die Aktualisierungspflicht unter Berücksichtigung der besonderen Voraussetzungen in § 476 Abs. 1 S. 2 BGB vertraglich auszuschließen.

Rn986

Der Weiterverkauf einer Ware mit digitalen Elementen zwischen Verbrauchern gestaltet sich hingegen einfacher. Mangels Verbrauchsgüterkaufs ist § 475b BGB nicht anwendbar. Der klassische Mangelbegriff im Sinne des § 434 BGB sieht keine Pflicht zur Bereitstellung von Aktualisierungen vor. Damit trifft den Verbraucher auch keine Aktualisierungspflicht.

Rn987

Für Fall 3 bedeutet dies, dass V sich bezüglich der irreparabel beschädigten CD sowie des ins Leere gehenden QR-Codes an U halten kann. Ein Regress des U in Bezug auf den QR-Code scheitert daran, dass dieser die Musik-CD aus der Sammlung des Privatmannes P erworben hat. Damit ist die Regresskette in Bezug auf den QR-Code mangels Unternehmerstellung des P gemäß § 327u BGB unterbrochen. In Bezug auf das Hängenbleiben der CD scheitert der Regress hingegen daran, dass er sich nur auf neu hergestellte Sachen richtet.

Rn988

4. Fazit

Die Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie und der Warenkauf-Richtlinie hat viele neue Regelungen für den Rechtsanwender mit sich gebracht. Gerade die Einordnung des Vertragsgegenstands als digitales Produkt oder als Ware mit digitalem Element ist erheblich, da sich so entscheidet, welche Normen Anwendung finden. Eine fehlerhafte Einordnung führt vor allem bei unterlassener Bereitstellung bzw. Übergabe zu unterschiedlichen Ergebnissen und Rechtsfolgen. Ein neues Feld öffnet sich mit den Aktualisierungspflichten, durch die die Haftung von Händlern ausgeweitet wird. Auch die Möglichkeit des „Bezahlens mit Daten“ und die Tatsache, dass die Kündigungsmöglichkeit des Unternehmens gem. § 327q BGB europarechtswidrig sein dürfte, wird den Rechtsverkehr zukünftig vor Herausforderungen stellen, gegen die wohl mit einer nicht sonderlich rechtssicherer Einzelfallrechtsprechung entgegengewirkt werden wird. Das neue Recht ist eine Herausforderung.

Rn989

1 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen vom 25.6.2021, BGBl. I S. 2123 ff.

2 Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags vom 25.6.2021, BGBl. I S. 2133 ff.

3 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen vom 25.6.2021, BGBl. I S. 2123 ff.

4 Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags vom 25.6.2021, BGBl. I S. 2133 ff.

5 Vgl. hierzu Schmitz/Buschuew, MMR 2022, 171; Klink-Straub, NJW 2021, 3217; Bieg, ZD 2022, 487.

6 BGH, Urteil vom 22.6.1956 – I ZR 198/54, NJW 1956, 1313.

7 BT-Drs. 19/27653, S. 40.

8 BT-Drs. 19/27653, S. 40.

9 Vgl. Schreiber/van Nuus, RDi 2022, 246, 246.

10 Kritisch auch Spindler, MMR 2021, 451, 453; Klink-Straub, NJW 2021, 3217, 3218.

11 So auch Klink-Straub, NJW 2021, 3217, 3218.

12 BT-Drs. 19/27653, S. 27.

13 BT-Drs. 19/27653, S. 37 f.

14 BT-Drs. 19/27653, S. 39.

15 BT-Drs. 19/27653, S. 39.

16 So war in der Verbraucherrechterichtlinie (RL 2011/83/EU) das Bezahlen mit Daten nur in Verbindung mit Verträgen über die Bereitstellung digitaler Inhalte, die nicht auf einem körperlichen Datenträger bereitgestellt werden, geregelt. Ausgenommen waren Dienstleistungsverträge.

17 Richtlinie (EU) 2019/2161 v. 27.11.2019, ErwG. 31 ff., Richtlinie (EU) 2019/770 v. 20.5.2019, ErwG. 24.

18 BT-Drs. 19/27653, S. 40.

19 BT-Drs. 19/27653, S. 35, S. 40

20 Vgl. dazu auch die Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten zu dem Vorschlag für eine Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte, 14.3.2017, ABl. EU C 200, 10, 13.

21 BT-Drs. 19/27653, S. 36; so auch die Ansicht der Art. 29 Datenschutzgruppe.

22 BT-Drs. 19/27653, S. 36.

23 Ausführlich zum Mangelbegriff Gelbrich/Timmermann, NJOZ 2021, 1249, 1254 f.

24 Zur Aktualisierungspflicht gemäß § 327f BGB ausführlich Hessel/Potel, RDi 2022, 25, 26.

25 BT-Drs. 19/27653, S. 53.

26 BT-Drs. 19/27653, S. 53.

27 BT-Drs. 19/27653, S. 56.

28 BT-Drs. 19/27653, S. 40.

29 So auch BT-Drs. 19/27653, S. 40.

30 BT-Drs. 19/27653, S. 68.

31 Richtlinie (EU) 2019/771 v. 20.5.2019, ErwG. 52.

32 BT-Drs. 19/27653, S. 46.

33 BT-Drs. 19/27424, S. 30.

34 Vgl. hierzu MüKoBGB/Metzger, 9. Aufl. 2022, BGB § 327a Rn. 12.

35 Für weitere Beispiele vgl. Lorenz, NJW 2021, 2065, 2070, Dubovitskaya, MMR 2022, 3, 4.

36 Vgl. hierzu ausführlich und zu den Argumenten, die gegen ein weites Verständnis sprechen, Gansmeier/Kochendörfer, ZfPW 2022, 1, 14.

37 So Dubovitskaya, MMR 2022, 3, 4.

38 BT-Drs. 19/27653, S. 53.

39 Erwägungsgrund 57 der Digitale-Inhalte-Richtlinie.

40 BT-Drs. 19/27653, S. 60.

41 BT-Drs. 19/27424, S. 32.

42 Siehe hierzu auch Brönneke/Schmitt/Willburger, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner, Das neue Schuldrecht 2022, S. 155, Rz. 53.

43 BT-Drs. 19/27424, S. 34 f.

44 BT-Drs. 19/27653, S. 59.

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