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Zitiervorschlag: Dieckmann, LRZ 2024, Rn. 902, [●], www.lrz.legal/2024Rn902.
Permanente Kurz-URL: LRZ.legal/2024Rn902
Das bisherige Geschäftsmodell von Neobrokern, von ihren Kunden sehr niedrige oder zum Teil keine Ordergebühren zu verlangen, und dafür von den Market Makern Rückvergütungen, sog. Payments for Order Flow zu erhalten, wird es ab dem 1.7.2026 EU-weit nicht mehr geben. Doch schon jetzt bestehen Zweifel, ob dieses Geschäftsmodell mit dem geltenden Zuwendungsregime der MiFID II zu vereinbaren ist.
Neobroker gehören zu den Online-Brokern. Wie diese bieten sie ihren potenziellen Kunden an, im eigenen Namen, aber auf deren Rechnung Aufträge über die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten auszuführen (§ 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 WpHG: Finanzkommissionsgeschäft).1 Deshalb sie sind in aller Regel Wertpapierdienstleistungsunternehmen i.S.d. § 2 Abs. 2 WpHG und unterliegen daher der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).
Anders als die etablierten Online-Broker halten Neobroker für ihre Kunden ein oftmals lediglich beschränktes Dienstleistungsangebot vor. So stehen den Kunden bei einem Neobroker grds. nur sehr wenige Handelsplätze zur Verfügung, an denen ihre Order ausgeführt werden, was dann auch schon mal nur ein einziger Handelsplatz sein kann.2 Auch ist in der Regel die Auswahl der Finanzinstrumente, die ein Kunde über seinen Neobroker handeln kann, beschränkt, und bieten Neobroker nicht immer für jeden Handelsplatz alle möglichen Ordertypen an.3
Neobroker haben vor allem Kleinanleger im Blick, indem sie ihnen mittels Tradings-Apps auf dem Smartphone oder Online-Portalen die Möglichkeit geben, „mit wenigen Klicks“ Wertpapiere zu kaufen oder zu verkaufen.4 Weil Kleinanleger zumeist lediglich kleine Geldsummen investieren (können), sind sie an möglichst niedrigen Kosten und Gebühren für die Ausführung ihrer Order interessiert.5 Und das genau bieten ihnen die Neobroker. Deren Kunden können oftmals zu einem monatlichen oder jährlichen Festpreis, in dem fraglichen Zeitraum unbegrenzt viele Kauf- oder Verkauforder aufgeben („Flatrate“).6 Einige Neobroker gehen sogar noch darüber hinaus und verzichten unter bestimmten Bedingungen völlig darauf, eine Ordergebühr zu verlangen,7 etwa, wenn der Kunde im Rahmen eines sog. Sparplans regelmäßig Wertpapiere erwirbt.
Um jedoch dieses Geschäftsmodell anbieten zu können, müssen sich die Neobroker zu einem guten Teil über Payment for Order Flow (PFOF) refinanzieren.8 Erhält ein Neobroker z.B. die Order eines seiner Kunden, ein Wertpapier zu kaufen, leitet der Neobroker diesen Kaufauftrag direkt an einen Market Maker oder an einen bestimmten Handelsplatz weiter, an dem ein Market Maker tätig ist.9 So bietet ein Market Maker kontinuierlich den An- und Verkauf von Finanzinstrumente zu selbst gestellten Preisen für eigene Rechnung unter Einsatz des eigenen Kapitals an (§ 2 Abs. 8 Nr. 2 a) WpHG).10 Nachdem der Market Maker die Kauforder über den Neobroker erhalten hat, verkauft er die angeforderten Wertpapiere an den Kunden und deckt sich seinerseits mit den entsprechenden Wertpapieren ein. Dabei liegt der Verkaufspreis, den er vom Kunden erhält, höher als der Kaufpreis, den er selbst für die Wertpapiere zahlt. Diese Differenz zwischen dem Einkaufs- und dem Verkaufspreis zu seinen Gunsten (sog. Bid/Ask-Spread) ist der Gewinn, den der Market Maker erwirtschaftet.11
Somit hat ein Market Maker ein großes Interesse daran, möglichst viele dieser Kundenaufträge zu erhalten und als Gegenpart der entsprechenden Kauf- oder Verkauforder aufzutreten. Dafür, dass ein Neobroker die Order seiner Kunden nur an bestimmte Market Marker weiterleitet, sind diese deshalb bereit, im Gegenzug als Entgelt bzw. Provision einen Teil ihres erzielten Gewinns an den Neobroker auszukehren.12 Der Neobroker wird also von den Market Makern dafür bezahlt, dass er eine möglichst große Anzahl von Order seiner Kunden, den sog. Order Flow, exklusiv an sie weiterleitet.13 Diese Rückvergütung wird deshalb als „Payment for Order Flow“ oder abgekürzt: PFOF bezeichnet.14
Seit dem 28.3.2024 ist es Neobrokern („Wertpapierfirmen“) gemäß Art. 39a Abs. 1 Unterabs. 1 MiFIR untersagt, von Market Makern („Dritten“) Rückvergütungen, d.h. Gebühren, Provisionen und selbst nichtmonetäre Vorteile dafür anzunehmen, dass sie Aufträge ihrer Kunden an einen Market Maker „zum Zweck der Ausführung an einem bestimmten Ausführungsplatz“ weiterleiten. Nach Art. 39a Abs. 2 Unterabs. 1 MiFIR kann ein Mitgliedstaat jedoch unter gewissen Voraussetzungen seine inländischen Neobroker bis zum 30.6.2026 von diesem PFOF-Verbot ausnehmen. Dafür muss ein Neobroker schon vor dem 28.3.2024, dem Inkrafttreten von Art. 39a MiFIR, in dem betreffenden Mitgliedstaat niedergelassen gewesen sein und entsprechende PFOF erhalten haben.
Die PFOF darf der Neobroker zudem nur dann weiterhin bis zum 30.6.2026 von Dritten annehmen, wenn er die PFOF für die Weiterleitung von Aufträgen seiner inländischen Kunden erhält. Die Ausnahme von PFOF-Verbot des Art. 39a Abs. 1 MiFIR setzt somit einen doppelten Inlandsbezug voraus. Demzufolge gilt das PFOF-Verbot umgekehrt ausnahmslos für ausländische Neobroker sowie für Kunden eines inländischen Neobrokers, die im Ausland ansässig (natürliche Person) oder dort niedergelassen sind (juristische Person oder Personengesellschaft).
Deutschland beabsichtigt, von dieser Ausnahmeregelung Gebrauch zu machen. Nach dem geplanten § 138a WpHG-E soll das „in Artikel 39a Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014“ (= MiFIR) „geregelte Verbot von Zuwendungen für die Weiterleitung von Kundenaufträgen(...) auf Wertpapierdienstleistungsunternehmen mit Sitz im Inland bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen an Kunden im Inland bis zum 30.6.2026 keine Anwendung“ finden.15 § 138a WpHG-E ist Teil des Gesetzentwurfs über die Digitalisierung der Finanzmärkte (FinmadiG) und derzeit immer noch nicht in Kraft. Als EU-Verordnung gilt Art. 39a Abs. 1 MiFIR jedoch bereits seit dem 28.3.2024 unmittelbar in sämtlichen Mitgliedstaaten und somit auch in Deutschland.16 Somit ist es Neobrokern derzeit an sich bis zum Inkrafttreten des § 138a WpHG verboten, PFOF anzunehmen. Das hat auch die BaFin in einer Aufsichtsmitteilung vor Kurzem ausdrücklich klargestellt.17
Solange jedoch das Gesetzgebungsverfahren zum FinmadiG und damit zu § 138a WpHG-E noch nicht abgeschlossen ist, sieht die BaFin trotzdem davon ab, entsprechende Verstöße gegen Art. 39a Abs. 1 MiFIR zu verfolgen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Neobroker als „beaufsichtigtes Institut“ von der nach § 138a WpHG-E geplanten Ausnahme auch umfasst wäre.18 Der nach Art. 39a Abs. 2 Unterabs. 1 MiFIR bzw. nach § 138a WpHG-E erforderliche doppelte Inlandsbezug muss also im Hinblick auf den betreffenden Neobroker schon jetzt bestehen.
Somit steht aktuell Art. 39a Abs. 1 MiFIR de facto einer Annahme von PFOF durch Neobroker, die ihren Sitz in Deutschland haben, nicht entgegen, vorausgesetzt, sie leiten Aufträge (Order) von in Deutschland ansässigen Kunden an Market Maker weiter. Um inländische Neobroker vom PFOF-Verbot bis zum 30.6.2026 zu befreien, ist die Regelung des § 138a WpHG-E dabei eigentlich auch gar nicht erforderlich. Denn nach Art. 39a Abs. 2 Unterabs. 2 MiFIR genügt es dafür schon, wenn Deutschland dies der ESMA innerhalb von sechs Monaten nach dem Inkrafttreten von Art. 39a MiFIR, also spätestens bis zum 29.9.2024 mitteilt (Notifizierung).19 § 138a WpHG-E hat deshalb bloß klarstellende Bedeutung.20
Unabhängig von Art. 39a Abs. 1 MiFIR und damit auch von der zeitweiligen Befreiung inländischer Neobroker vom generellen PFOF-Verbot muss die Annahme von PFOF weiterhin – so die BaFin – mit dem „Zuwendungsregime“ der MiFID II und daher vor allem mit § 70 WpHG vereinbar sein.21 Mit § 70 WpHG hat der deutsche Gesetzgeber das Zuwendungsverbot aus Art. 24 Abs. 9 MiFID II in nationales Recht umgesetzt. Das Zuwendungsverbot des § 70 WpHG wird dabei durch § 6 WpDVerOV22 näher ausgestaltet, der wiederum auf Art. 11 DelRL 2017/59323 zurückgeht. Nach § 70 Abs. 1 Satz 1 WpHG sind Zuwendungen, die ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, kurz ein WpDU, von Dritten im Zusammenhang mit der Erbringung einer Wertpapierdienstleistung erhält, grds. verboten.
Bei Payments for Order Flow wird der Neobroker vom Market Maker dafür bezahlt, dass er die Kundenaufträge, den Order Flow, exklusiv an den Markt Maker weiterleitet.24 Somit handelt es sich bei PFOF um eine „Provision, Gebühr oder sonstige Geldleistung“ und damit um eine Zuwendung i.S.d. § 70 Abs. 2 Satz 1 WpHG.25 Ob man dabei in PFOF bereits eine Provision sieht oder erst auf den Auffangtatbestand der sonstigen Geldleistung abstellt, spielt für die Qualifizierung von PFOF als Zuwendung i.S.d. § 70 WpHG keine Rolle.26
Ein Neobroker ist zudem ein WpDU i.S.d. WpHG und veräußert oder beschafft für seine Kunden die von diesen georderten Finanzinstrumente und erbringt somit eine Wertpapierdienstleistung i.S.d. § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 WpHG (Finanzkommissionsgeschäft).27 Somit ist die Annahme von PFOF durch einen Neobroker von einem Market Maker, an den er Kundenaufträge weitergeleitet hat, als Zuwendung i.S.d. § 70 WpHG bzw. i.S.d. Art. 24 Abs. 9 MiFID II grds. untersagt.28
Eine Zuwendung ist nur im Ausnahmefall zulässig (§ 70 Abs. 1 Satz 1 WpHG: „es sei denn“). Das setzt voraus, dass die Zuwendung (1) der Qualitätsverbesserung der für den Kunden erbrachten Wertpapierdienstleistung dient, (2) dem bestmöglichen Interesse des Kunden an der Erbringung der betreffenden Dienstleistung nicht widerspricht29 und (3) das WpDU seinem Kunden Existenz, Art und Umfang der erhaltenen Zuwendung zutreffend und verständlich offenlegt (§ 70 Abs. 1 Satz 1 WpHG).30 Damit eine Zuwendung objektiv geeignet ist, die Qualität der einzelnen Dienstleistung zu verbessern, muss die Zuwendung dem jeweiligen (!) Kunden zugutekommen.31 Weil der Market Maker die PFOF fortlaufend an den Neobroker zahlt, muss der betreffende Kunde diesen Vorteil auch fortlaufend ziehen.32
Ansatz für eine Qualitätsverbesserung durch PFOF sind die sehr niedrigen Ordergebühren der Neobroker. Somit könnte man bereits darin für den einzelnen Kunden einen Vorteil durch PFOF sehen, dass er eine geringere Ordergebühr als sonst üblich zahlen muss, entweder im Vergleich zu dem bestimmten Handelsplatz, an dem die Order ausgeführt wird, oder auf den insgesamt zur Verfügung stehenden Handelsplätzen. Die BaFin geht jedoch in Übereinstimmung mit § 70 Abs. 1 Satz 2 WpHG darüber hinaus davon aus, dass Zuwendungen und damit auch PFOF dem Neobroker nicht verbleiben dürfen und stattdessen an den jeweiligen Kunden weitergeben werden müssen.33 So muss nach § 70 Abs. 1 Satz 2 WpHG „jegliche (...) erhaltende (...) Zuwendung dazu bestimmt“ sein, „die Qualität der jeweiligen Dienstleistung zu verbessern“.34
Die Qualitätsverbesserung muss sich nicht zwingend allein in der Senkung der Ordergebühren widerspiegeln. Der Erhalt von 3 EURO, die der Market Maker für die Weiterleitung der Order des jeweiligen Kunden an den Neobroker zahlt, muss der Neobroker nicht insgesamt dazu verwenden, die Ordergebühren um 3 EURO zu senken.35 Der Neobroker kann die Qualität der Dienstleitung auch anderweitig verbessern, indem er eine zusätzliche oder höherwertige Dienstleistung für den jeweiligen Kunden erbringt, etwa durch die Gewährung eines Zugangs zu einer breiten Palette von Finanzinstrumenten in Kombination mit der Bereitstellung von Hilfsmitteln (z.B. Online-Tools), die dem betreffenden Kunden bei seinen Anlageentscheidungen helfen oder ihm die Möglichkeit geben, die Palette der Finanzinstrumente, in die er investiert hat, zu beobachten und anzupassen (z.B. Online-Charts bzw. Online-Analysen des Kundenportfolios).36
Nach § 70 Abs. 1 WpHG darf die Annahme der Zuwendung der ordnungsgemäßen Erbringung der Dienstleistung im bestmöglichen Interesse des Kunden nicht „entgegenstehen“.37 Mit anderen Worten darf für das WpDU, hier den Neobroker, kein maßgeblicher Interessenkonflikt dadurch bestehen, dass er von den Market Makern für die Weiterleitung der Kundenaufträge PFOF erhält.38 Der Kunde hat ein Interesse daran, für seine Orderausführung so wenig wie möglich zahlen zu müssen. Durch die Annahme von PFOF hat sein Neobroker jedoch das gegenläufige Interesse, die Order an den Market Maker weiterzuleiten, der ihm über das PFOF am meisten dafür zahlt.39 Der Market Maker kann dem Neobroker als PFOF umso mehr zuwenden, je mehr er mit der Ausführung der Order verdient, er also den Spread zu seinen Gunsten vergrößert.
Somit steigen aber für den Kunden die Kosten der Orderausführung, zumindest erwächst durch die Annahme von PFOF ein solches Risiko für den Kunden. Da Neobroker ihr Geschäftsmodell in der Regel maßgeblich über die Annahme von PFOF refinanzieren, besteht zwischen Kunde und Neobroker ein nicht unerheblicher Interessenkonflikt bzw. zumindest die Gefahr dafür. Demnach handelt ein Neobroker bei der Annahme von PFOF – möglicherweise – bei der Orderausführung nicht im bestmöglichen Interesse seines Kunden. Das kann nur dadurch sicher ausgeschlossen werden, dass das PFOF, das der Neobroker für die Order erhält, dem jeweiligen Kunden insgesamt zugutekommt und der Neobroker somit zumindest unmittelbar nicht mehr durch die Annahme des PFOF bereichert ist.40 Er verfolgt unter dieser Voraussetzung mit der Annahme von PFOF keine eigenen finanziellen Interessen. Die Annahme von PFOF als Zuwendung i.S.d. § 70 WpHG kann dann per se dem bestmöglichen Kundeninteresse nicht „entgegenstehen“41 bzw. dieses nicht „beeinträchtigen“42 und ist insofern erlaubt.
Damit die Ausnahme vom Zuwendungsverbot des § 70 Abs. 1 WpHG greift, muss das WpDU seinem Kunden an sich ex ante, dh vor der Erbringung der Wertpapierdienstleistung die Existenz, die Art und den Umfang der Zuwendungen zutreffend und verständlich offenlegen (§ 70 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG). Bei PFOF ist eine solche umfassende Offenlegung in der Regel nicht möglich, da sich der Umfang der Zuwendung, dh des PFOF, nach dem Bid/Ask-Spread bemisst, den der Market Maker in der Regel jeweils für die Zeit der Orderausführung festlegt und dieser daher variieren kann. Für diesen Fall genügt es, wenn das WpDU ex ante zunächst lediglich die Art und Weise der Berechnung der Zuwendung offenlegt und dem Kunden erst ex post, dh nach Erbringung der Wertpapierdienstleistung, hier nach der Orderausführung, den genauen Betrag der erhaltenen Zuwendung, hier den des PFOF mitteilt (§ 70 Abs. 1 Satz 3 WpHG).
Neobroker unterrichten in ihren AGB („Kundenvereinbarung“) ihre Kunden darüber, dass sie für die Ausführung der Kundenaufträge „Zahlungen“ erhalten, die sich „in der Regel auf bis zu EUR 3,00 pro geförderter Kundenorder“ und maximal „in besonderen Fällen und in Abhängigkeit von gewissen Handelsumsatzgrößen auf bis zu EUR 17,60 pro Kundenorder“ belaufen können.43 Damit werden die Kunden zwar über die Existenz und die Art der Zuwendung unterrichtet,44 auch wenn die Neobroker den Begriff „Payment for Order Flow“ nicht verwenden. Auf die Bezeichnung kommt es indes nicht an. Problematisch ist jedoch, dass sich aus diesen Angaben in den AGB nicht die Art und Weise der Berechnung der Zuwendung ergibt. Der Kunde kann somit, anders als es § 70 Abs. 1 Satz 3 WpHG vorgibt, nicht im Vorfeld absehen, wie hoch die Zuwendung für seine jeweilige Order konkret ausfallen wird.
Das gilt zunächst einmal für den „Regelfall“, bei dem nur der Höchstbetrag von 3 EUR angeben ist, und der Kunde daher nicht erkennen kann, unter welchen Voraussetzungen der Neobroker vom Market Maker („Ausführungsplatz“)45 diese 3 EUR oder doch weniger für die Weiterleitung seiner Kauf- oder Verkaufsorder erhält. Ganz besonders trifft das aber auf den Maximalfall von bis zu 17,60 EUR zu. Bei den Begriffen „in besonderen Fällen“ und „gewisse Handelsumsatzgrößen“ handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe. Diese sind schon allgemein, aber vor allem für Kleinanleger, an die sich Neobroker ja speziell mit ihren Angeboten wenden, nicht verständlich.
Aufgrund dessen kann ein Kunde nicht ex ante beurteilen, ob seine Order unter den „Regelfall“ (bis zu 3 EUR) oder bereits unter den „Maximalfall“ (bis zu 17,60 EUR) zu fassen ist. Damit genügt mE die derzeitige Offenlegung in den AGB nicht den Anforderungen, die § 70 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. Satz 3 WpHG daran stellt.46 Diesen Mangel vermag deshalb selbst eine Ex-post-Offenlegung der konkret erhaltenen Zuwendungen in der tatsächlichen Höhe47 – bei laufenden Zuwendungen wie bei PFOF mindestens einmal im Jahr (§ 70 Abs. 1 Satz 4 WpHG)48 – nicht mehr zu heilen.
Über sehr niedrige Ordergebühren, die zum Teil sogar ganz entfallen können, bieten Neobroker Kleinanlegern die Möglichkeit, selbst kleinste Geldbeträge (bei ETF sogar schon ab 1 EUR) an den Kapitalmärkten in Finanzinstrumente zu investieren. Kostenlos sind diese Angebote jedoch nicht. Denn für die (exklusive) Weiterleitung der Kundenorder an einen bestimmten Market Maker erhält der Neobroker von diesem Rückvergütungen: Payment for Order Flow (PFOF). Dadurch besteht zumindest das Risiko, dass der Neobroker nicht mehr im bestmöglichen Interesse seiner Kunden handelt. Daher wird es Neobrokern ab dem 1.7.2026 EU-weit untersagt sein, PFOF von Market Makern anzunehmen. Bis dahin werden nach dem geplanten § 138a WpHG-E in Deutschland ansässige Neobroker von diesem PFOF-Verbot befreit sein, sofern sie Kauf- oder Verkauforder ihrer deutschen Kunden an Market Maker weiterleiten und dafür Rückvergütungen erhalten.
Dennoch muss auch schon jetzt die Annahme von PFOF dem Zuwendungsregime der MiFID II standhalten (§ 70 WpHG). Sicher sein kann sich ein Neobroker diesbezüglich nur dann, wenn das PFOF, das ein Market Maker an ihn als Zuwendung zahlt, seinen Kunden über die Senkung der Ordergebühren und verbesserte Dienstleistungen zugutekommt und der Neobroker somit durch das PFOF nicht mehr unmittelbar bereichert ist. Außerdem muss aus der Ex-ante-Offenlegung der Annahme von PFOF, anders als das bislang geschieht, die Art und Weise der Berechnung der konkreten Zuwendung für die Kunden der Neobroker unmissverständlich hervorgehen. Neobroker sollten daher die Übergangsfrist bis zum Inkrafttreten des generellen PFOF-Verbots nicht nur dafür nutzen, ihr Geschäftsmodell umzustellen, sondern auch schon jetzt dafür sorgen, dass sie die Anforderungen an das Zuwendungsregime der MiFID II sicher erfüllen.