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Grenzüberschreitende Umstrukturierungsmaßnahmen haben eine große praktische Bedeutung. Durch die Einführung des UmRuG am 1. März 2023 wurde erfreulicherweise eine Vielzahl von grenzüberschreitenden Umwandlungsmaßnahmen erstmals gesetzlich geregelt. Dies gibt Anlass zu einer ersten Bestandsaufnahme, in der die bislang in der Praxis aufgetretenen Problemfälle skizziert werden und weiterer gesetzgeberischer Handlungsbedarf aufgezeigt wird.

1. Einführung

Aufgrund der immer weiter voranschreitenden internationalen wirtschaftlichen Verflechtungen ist in den letzten Jahrzehnten auch die Anzahl von grenzüberschreitenden Umstrukturierungsmaßnahmen gestiegen. Dass nach solchen Maßnahmen nicht nur ein großes praktisches Bedürfnis bestand, sondern deren Zulässigkeit auch europarechtlich geboten war, ergab sich spätestens aus der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Polbud.1 Hiernach ist nämlich die isolierte Sitzverlegung von einem in einen anderen Mitgliedstaat von der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49, 54 AEUV umfasst. Infolgedessen hat der EuGH klargestellt, dass die Art. 49 und 54 AEUV einer nationalen Maßnahme entgegenstehen, die die (grenzüberschreitende) Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes von der vorherigen Liquidation und Löschung der Gesellschaft im Wegzugsstaat abhängig macht.

Rn627

Durch die Umsetzung der Verschmelzungsrichtlinie2 wurde im deutschen Umwandlungsrecht zwar bereits im Jahr 2007 erstmals die grenzüberschreitende Verschmelzung durch die §§ 122a ff. UmwG (jetzt a.F) normiert. Weitere grenzüberschreitende Strukturmaßnahmen, wie Formwechsel und Spaltungen, waren indessen bis dato nicht gesetzlich geregelt. Die einzige – und vielfach genutzte – Möglichkeit bestand hier nur in der grenzüberschreitenden Sitzverlegung. Der große Nachteil eines solchen Vorgehens war allerdings, dass solche Maßnahmen zwar europarechtlich anerkannt waren, mangels gesetzlicher Regelungen jedoch ohne einheitlichen und sicheren Rechtsrahmen stattfinden mussten.3

Rn628

Dies hat sich durch die Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie4 durch das am 1. März 2023 in Kraft getretene UmRuG5 geändert. Dieses hat nicht nur die bisherigen Regelungen zur grenzüberschreitenden Verschmelzung reformiert, sondern zudem auch erstmals einen gesetzlichen Rahmen für grenzüberschreitende Formwechsel und Spaltungen geschaffen. Somit steht nunmehr ein rechtssicheres und unionsweit harmonisiertes Verfahren für grenzüberschreitende Umwandlungsmaßnahmen zur Verfügung.6 Sämtliche vorgenannten Regelungen zu grenzüberschreitenden Umwandlungsmaßnahmen sind nun in einem neuen Sechsten Buch des UmwG zusammengefasst worden. In einem ersten Teil ist in den §§ 305 bis 319 UmwG die grenzüberschreitende Verschmelzung, in einem zweiten Teil in den §§ 320 bis 332 UmwG die grenzüberschreitende Spaltung und in einem dritten Teil in den §§ 333 bis 345 UmwG der grenzüberschreitende Formwechsel geregelt. Gesetzessystematisch ist der Gesetzgeber dem im UmwG bewährten „Baukastensystem“ treu geblieben. Danach sind auf grenzüberschreitende Umwandlungsmaßnahmen grundsätzlich die für die jeweilige innerstaatliche Umwandlungsform geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, sofern sich aus den speziellen Regelungen des Sechsten Buches zur jeweiligen grenzüberschreitenden Umwandlungsmaßnahme nichts anderes ergibt.7

Rn629

Dieser Beitrag gibt eine erste Bestandsaufnahme zu den neuen Regelungen und beleuchtet die bislang in der Praxis aufgetretenen Unklarheiten und Zweifelsfragen. Ferner zeigt er weiteren gesetzgeberischen Handlungsbedarf auf.8

Rn630

Bislang spielten in der notariellen Praxis vor allem grenzüberschreitende Formwechsel und weiterhin grenzüberschreitende Verschmelzungen eine große Rolle, während grenzüberschreitende Spaltungen bislang nur sehr vereinzelt zu verzeichnen waren.

Rn631

2. Beteiligungsfähige Rechtsträger

2.1. Weitgehende Ausklammerung von Personengesellschaften

Im Grundsatz erfasst das Sechste Buch des UmwG nur grenzüberschreitende Umwandlungsmaßnahmen von EU-/EWR-Kapitalgesellschaften. Zu einer überschießenden Erstreckung auch auf Personen(handels)gesellschaften konnte sich der Gesetzgeber bedauernswerterweise nicht durchringen. Auch nach dem UmRUG bleibt es somit dabei, dass lediglich die Hereinverschmelzung auf eine Personenhandelsgesellschaft mit i.d.R. nicht mehr als 500 Arbeitnehmern gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 2 UmwG gesetzlich geregelt ist.9

Rn632

Diese weitgehende Ausklammerung der Personen(handels)gesellschaften vom Anwendungsbereich der grenzüberschreitenden Umwandlungsmaßnahmen wurde in der Literatur einhellig zu Recht kritisiert.10 Es bleibt somit auch in Zukunft bei einer schwer zu rechtfertigenden Diskrepanz zwischen der gesetzlichen Regelung von rein innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Umwandlungsmaßnahmen. So sind nach den allgemeinen Vorschriften des Formwechselrechts gemäß § 191 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 UmwG eingetragene Personengesellschaften sowohl aus Ausgangs- als auch als Zielrechtsträger zugelassen, bei grenzüberschreitenden Formwechseln hingegen nicht.11

Rn633

Die Begründungen des europäischen Gesetzgebers für die weitgehende Ausklammerung der Personengesellschaften aus dem Anwendungsbereich der grenzüberschreitenden Umwandlungen überzeugen nicht. Es wird einerseits argumentiert, dass bislang Personengesellschaften bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen seit Inkrafttreten der Verschmelzungsrichtlinie nur eine untergeordnete Rolle gespielt hätten. Zum anderen wird auf die bislang nur sehr geringe Harmonisierung des Personengesellschaftsrechts verwiesen.

Rn634

Der erstgenannten Argumentation muss entgegen gehalten werden, dass die bislang nur geringen Zahlen von grenzüberschreitenden Verschmelzungen unter Beteiligung von Personengesellschaften keinen Rückschluss auf das Bedürfnis nach rechtssicheren Regelungen betreffend grenzüberschreitende Formwechsel und Spaltungen unter Beteiligung von Personengesellschaften zulassen.12 Zudem dürften diese niedrigen Zahlen gerade darauf zurückzuführen sein, dass auch schon die Verschmelzungsrichtlinie Personengesellschaften aus dem persönlichen Anwendungsbereich ausgeklammert hat.13 Der deutsche Gesetzgeber hat sich zwar entschieden, die Verschmelzungsrichtlinie teilweise überschießend umzusetzen und die Hereinverschmelzung auf eine Personengesellschaft zuzulassen. Diese Entscheidung wurde im Rahmen des UmRUG beibehalten, § 306 Abs. 1 Nr. 2 UmwG. Ein einheitlicher europäische Rechtsrahmen besteht indessen nicht. Viele Vertragsgestalter dürften sich dementsprechend für den sichersten Weg entschieden und zunächst eine Personengesellschaft nach innerstaatlichem Recht in eine – vom Anwendungsbereich der Verschmelzungsrichtline erfasste – Kapitalgesellschaft formgewechselt haben, um sie sodann in einem zweiten Schritt grenzüberschreitend zu verschmelzen.14 Das zweite Argument der bislang geringen Harmonisierung des europäischen Personengesellschaftsrechts kommt einem klassischen Zirkelschluss gleich und rechtfertigt es nicht, auch das grenzüberschreitende Umwandlungsrecht für Personengesellschaften ungeregelt zu lassen.15

Rn635

Der dargestellte Befund ist unbefriedigend, da ein großes praktisches Bedürfnis nach einem rechtssicheren einheitlichen Gesetzesrahmen für grenzüberschreitende Umwandlungsmaßnahmen unter Beteiligung von Personengesellschaften besteht.16 Auch ist unzweifelhaft, dass sich Personengesellschaften gleichermaßen wie Kapitalgesellschaften auf die Niederlassungsfreiheit berufen können, europarechtlich also die Möglichkeit haben müssen, sich an grenzüberschreitenden Umwandlungsmaßnahmen zu beteiligen, sofern die beteiligten mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen auf nationaler Ebene eine solche Maßnahme vorsehen. Dennoch fehlt hierfür auch in Zukunft eine sichere gesetzliche Grundlage, sodass vielfach keine andere rechtssichere Möglichkeit verbleiben wird, als die betreffende Personengesellschaft vorab nach innerstaatlichen Regelungen in eine von der Umwandlungsrichtlinie erfasste Rechtsform umzuwandeln und sodann die geplante grenzüberschreitende Strukturmaßnahme gemäß den §§ 305 ff. UmwG vorzunehmen.17

Rn636

Die vom OLG Oldenburg18 vertretene Ansicht, dass es für den grenzüberschreitenden Formwechsel einer Personengesellschaft keines umwandlungsrechtlichen Verfahrens bedürfe und vielmehr eine einfache Handelsregisteranmeldung ausreichend sei, dürfte sich nicht durchsetzen und muss kritisch hinterfragt werden. Die Argumentation des OLG, dass sich Formwechsel innerhalb der Personengesellschaften außerhalb des Umwandlungsgesetzes vollzögen, ist – isoliert national betrachtet – zwar richtig. Eine GbR wird durch die Aufnahme eines Handelsgewerbes zu einer oHG, diese wird durch Aufnahme eines Kommanditisten zu einer Kommanditgesellschaft. Zu Recht wird indessen darauf hingewiesen, dass eine unreflektierte Übertragung dieser Grundsätze auf grenzüberschreitende Formwechsel problematisch ist.19 Würde nämlich das nationale Recht des Wegzugsstaates – anders als im vom OLG Oldenburg zu entscheidenden Fall – nicht die liquidationslose Löschung der Gesellschaft im Register des Wegzugsstaates bei gleichzeitiger Identitätswahrung im Zuzugsstaat zulassen, könnte durch die vom OLG angenommene ex-lege-Umwandlung im Zuzugsstaat allenfalls eine neue, nicht mit der Ausgangsgesellschaft identische Personengesellschaft entstehen.20

Rn637

2.2. Nicht ausdrücklich in der Richtlinie genannte Kapitalgesellschaften

Abgesehen von der bislang leider noch völlig unklaren Situation bei der grenzüberschreitenden Umwandlung von Personengesellschaften haben sich in der Praxis auch vereinzelt – vermeintliche – Probleme bei Umwandlungsmaßnahmen unter Beteiligung von Kapitalgesellschaften herauskristallisiert. Das AG Kassel hatte einen Fall zu beurteilen, in dem die Sitzverlegung einer belgischen Besloten Vennootschap bzw. einer Societé a responsibilité limitée nach Deutschland geplant war. Trotz Vorliegens einer Vorabbescheinigung durch die zuständige belgische Behörde vertrat das AG Kassel die Auffassung, dass eine Sitzverlegung unzulässig sei, weil die betreffende Rechtsform nicht gemäß § 334 Satz 1 UmwG im Anhang II zur Richtlinie (EU) 2017/1132 genannt war. Dieselben Bedenken wären auch für eine grenzüberschreitende Verschmelzung oder Spaltung hervorgebracht worden. Die vom AG Kassel monierte fehlende Nennung dürfte auf einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers beruhen. Jedenfalls kann sich ein solcher Rechtsträger auf die Niederlassungsfreiheit mit der Folge berufen, dass ihm grenzüberschreitende Verschmelzungen, Formwechsel oder Spaltungen offenstehen müssen.21 Wenn – wie im beschriebenen Fall – zudem eine Vorabbescheinigung der zuständigen Behörde des Ausgangsstaates vorliegt, ist das deutsche Gericht hieran gebunden und verfügt nicht mehr über die Kompetenz, diese in Frage zu stellen und die Eintragung der Maßnahme im deutschen Register zu versagen. Alles andere liefe dem in den §§ 315 bis 318, 329 bis 331 und 342 bis 345 UmwG geregelten zweistufigen Verfahren der Rechtmäßigkeitskontrolle zuwider, vgl. hierzu ausführlich unten Rn. 674 ff.

Rn638

2.3. Andere Rechtsträger und Verschmelzung auf den Alleingesellschafter

Bislang ungeklärt ist, ob und unter welchen Voraussetzungen auch Vereine als Ausgangsrechtsträger bereits heute – also noch vor Umsetzung einer derzeit geplanten Richtlinie22 – umwandlungsfähig sind. Die h.M. verneint derzeit eine solche Umwandlungsfähigkeit.23

Rn639

Ebenso ist zweifelhaft, inwieweit eine liechtensteinische Anstalt eine grenzüberschreitende Verschmelzung oder einen Formwechsel durchführen kann. Ausdrücklich ist dies über die Mobilitätsrichtlinie nicht geregelt und auch das deutsche Umwandlungsrecht sieht eine solche Rechtsform nicht als beteiligungsfähig an. Hier könnte allenfalls die Niederlassungsfreiheit helfen, jedoch nur, wenn zumindest das liechtensteinische Recht einen Formwechsel dieser Anstalt kennen würde. Sofern dies auch nicht der Fall ist, dürften ein solcher Formwechsel wie auch eine Verschmelzung ausgeschlossen sein.

Rn640

Abzugrenzen von den vorstehend behandelten Fällen ist die Verschmelzung eines Rechtsträgers auf einen ausländischen oder einen im Ausland lebenden Alleingesellschafter. Hierbei handelt es sich nicht um einen Fall einer grenzüberschreitenden Verschmelzung.24 Ein solcher Vorgang ist vielmehr in den §§ 120 ff. UmwG geregelt und damit zulässig.25 Es muss allerdings in diesem Zusammenhang geprüft werden, in welchem Güterstand der Alleingesellschafter lebt. Gilt hier der Gütertand der Gütergemeinschaft, ist nach noch h.M. die Verschmelzung nämlich unzulässig.26

Rn641

2.4. Drittstaaten

Weder die Umwandlungsrichtlinie noch der deutsche Gesetzgeber sehen die Möglichkeit von Umstrukturierungsmaßnahmen unter Beteiligung von Rechtsträgern aus Drittstaaten vor. Dies ist auf erhebliche Kritik gestoßen, zumal das nationale Umwandlungsrecht einiger anderer EU-Mitgliedschaften solche Umstrukturierungen ausdrücklich zulässt.27 Aus deutscher Sicht dürfte aufgrund der Nichtregelung derartiger Fälle die grenzüberschreitende Umwandlung von einem Drittstaat nach Deutschland unzulässig sein. Hier bleibt – ähnlich wie bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungsmaßnahmen unter Beteiligung von Personengesellschaften – als sicherster Weg nur, in einem ersten Schritt eine Umwandlungsmaßnahme in einen EU-Mitgliedstaat, der eine solche Maßnahme ausdrücklich zulässt, vorzunehmen. In einem zweiten Schritt kann sodann die eigentlich gewollte Umwandlungsmaßnahme nach Deutschland folgen.

Rn642

3. Inhalt des Verschmelzungs- Spaltungs- oder Formwechselplans

3.1. Errichtungsakt

Gemäß § 307 Abs. 1 Nr. 9 UmwG (für Verschmelzungen) und § 335 Abs. 2 Nr. 4 UmwG (für Formwechsel) muss der Plan den Errichtungsakt der aus der grenzüberschreitenden Verschmelzung bzw. Formwechsel hervorgehenden Gesellschaft und, falls sie Gegenstand eines gesonderten Aktes ist, die Satzung enthalten. Sinn und Zweck ist es, dem Informationsbedürfnis der Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft Rechnung zu tragen. Diese haben ein Interesse daran, Kenntnis vom Inhalt der Satzung der aufnehmenden bzw. neuen Gesellschaft, deren künftige Gesellschafter sie sind, zu erlangen.28 Aus deutscher Perspektive ist die Reichweite der vorgenannten Normen nicht völlig klar. Es stellt sich insbesondere die Frage, ob sie sich – entsprechend dem insoweit eigentlich klaren Wortlaut – nur auf die aus der Umwandlungsmaßnahme hervorgehende, bzw. neue Gesellschaft beziehen. Sollte dies der Fall sein, wären die Normen redundant, da der „Errichtungsakt“ naturgemäß in dem jeweiligen Umwandlungsplan enthalten wäre. Der Satzungstext kann zulässigerweise dem Verschmelzungs- oder Formwechselplan als Anlage beigefügt werden, anstelle ihn in den Text des Plans zu integrieren.29 Sollte sich die Verpflichtung hingegen auch auf den Errichtungsakt des Ausgangsrechtsträgers beziehen, ist fraglich welche Dokumente unter den Begriff „Errichtungsakt“ zu subsumieren wären. In Umsetzung der Richtlinie musste der Begriff so übernommen werden. Sollte man zu dem Ergebnis gelangen, dass sich die Vorschriften auch auf den Ausgangsrechtsträger beziehen, ist es ratsam, den Begriff aus Gründen der Vorsicht weit auszulegen. In diesem Fall sollten sowohl die Gründungsurkunde mit Satzung aber auch – sofern der Ausgangsrechtsträger seinerseits aus einem Formwechsel, einer Verschmelzung zur Neugründung oder grenzüberschreitenden Sitzverlegung entstanden sein sollte – diese Urkunden ebenfalls als Anlage mit aufgenommen werden.

Rn643

3.2. Angabe von Förderungen oder Beihilfen

Sofern ein grenzüberschreitender Formwechsel durchgeführt wird, muss der Formwechselplan gemäß § 335 Abs. 2 Nr. 10 UmwG eine Darstellung der Förderungen oder Beihilfen, die die Gesellschaft in den letzten fünf Jahren erhalten hat, enthalten. Hierdurch sollen dem Registergericht Informationen für eine Missbrauchsprüfung gemäß § 343 Abs. 3 UmwG zur Verfügung gestellt werden30, wobei allein der Erhalt von Fördermitteln oder Beihilfen in der Vergangenheit für sich genommen kein Indikator für einen Missbrauch sein kann.31

Rn644

Es stellt sich hier einerseits die Frage, ob nur solche Förderungen oder Beihilfen, die an die Gesellschaft selbst geflossen sind, angegeben werden müssen, oder ob auch solche Förderungen und Beihilfen in den Plan aufzunehmen sind, die im gesamten Konzern gewährt wurden. Insoweit sprechen die besseren Gründe für eine enge Auslegung am klaren Wortlaut der Norm, der gerade nur von der Gesellschaft, und nicht etwa auch von verbundenen Unternehmen oder Ähnlichem spricht. Richtigerweise kann es demnach nur auf Mittel ankommen, die dem formwechselnden Rechtsträger selbst gewährt wurden.

Rn645

Eine andere Frage ist, was unter den Begriffen „Förderungen oder Beihilfen“ genau zu verstehen ist und wie weit diese auszulegen sind. Hier dürfte es sich empfehlen, aus Gründen der Vorsicht von einer weiten Auslegung auszugehen. Insbesondere erfasst sein dürften sowohl Subventionen der öffentlichen Hand, auch als verlorene Zuschüsse, oder Darlehen zu vergünstigten Konditionen.32 Auch etwaige erhaltene Corona-Hilfen sollten im Blick behalten und angegeben werden.33

Rn646

3.3. Aktiengewährung anstatt barer Zuzahlung

Das UmRUG hat für Aktiengesellschaften, SE und KGaA die Möglichkeit geschaffen, infolge eines Spruchverfahrens anstelle einer baren Zuzahlung die Gewährung von zusätzlichen Aktien zu ermöglichen. Diese Option besteht sowohl bei innerstaatlichen als auch bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen und Spaltungen sowie bei innerstaatlichen Formwechseln. Sie steht indessen nur den vorgenannten Rechtsträgern und nicht etwa auch GmbHs zur Verfügung.34

Rn647

Die Möglichkeit, anstelle einer baren Zuzahlung zusätzliche Aktien zu gewähren kann die Liquidität der betroffenen Rechtsträger schonen und damit auch mehr Flexibilität schaffen. Ferner wird zu Recht darauf hingewiesen, dass in Fällen eines fehlerhaften Umtauschverhältnisses die hierdurch eingetretene Verwässerung der Beteiligung durch die Gewährung von Aktien viel besser als durch eine bare Zuzahlung ausgeglichen werden kann.35

Rn648

Wenn von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden soll, muss die Gewährung zusätzlicher Aktien gemäß § 72a Abs. 1 Satz 1 UmwG bereits im Umwandlungsplan aufgenommen werden. Dies hat für die Gesellschaft freilich zur Folge, dass diese das Risiko der wirtschaftlichen Entwicklung der Aktien trägt.36 Hierdurch verliert diese Möglichkeit an Attraktivität für die betroffenen Gesellschaften. Die beschriebene Verpflichtung zur Aufnahme bereits im Umwandlungsplan wurde dementsprechend in der Literatur bereits heftig kritisiert.37 Sie dürfte indessen nicht gegen die Niederlassungsfreiheit verstoßen.

Rn649

4. Verzicht auf Anteilsgewährung bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen

Vom Grundsatz der Anteilsgewähr für die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers formulieren §§ 54 Abs. 1 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 3 UmwG für innerstaatliche Verschmelzungen eine Ausnahme, wenn sämtliche Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers auf eine solche verzichten und dieser Verzicht notariell beurkundet ist. Die Folge ist, dass beim aufnehmenden Rechtsträger keine Kapitalerhöhung durchgeführt werden muss.

Rn650

Ob ein solcher notariell beurkundeter Verzicht aller Anteilseigner des deutschen übertragenden Rechtsträgers – nur diese Fälle können aus deutscher Sicht geregelt werden – auch bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen möglich ist, war bereits unter Geltung der §§ 122a ff UmwG aF. nicht völlig klar. Insoweit hat auch das UmRUG jedenfalls keine offensichtliche Klärung der Frage herbeigeführt, da das Sechste Buch zu den grenzüberschreitenden Umwandlungen die Möglichkeit eines solchen Verzichtes nicht ausdrücklich erwähnt. Dies ist aufgrund der Systematik des Gesetzes indessen nach zutreffender Ansicht auch gar nicht nötig, da durch die Verweisungstechnik des UmwG die Regelungen zur innerstaatlichen Verschmelzung auf die grenzüberschreitende Verschmelzung Anwendung finden, sofern sich aus den speziellen Vorschriften des Sechsten Buches des UmwG nichts anderes ergibt. Letzteres ist nicht der Fall, sodass auch bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen sämtliche Gesellschafter des deutschen Ausgangsrechtsträgers auf eine Anteilsgewähr verzichten können.38 Alles andere ergäbe auch keinen Sinn, da kein Grund ersichtlich ist, bei rein nationalen Verschmelzungen einen Verzicht auf die Anteilsgewährung zu ermöglichen, bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen diese Möglichkeit hingegen zu verweigern.

Rn651

5. Umwandlungsbericht

Bei allen drei Formen der grenzüberschreitenden Umwandlungsmaßnahmen ist es grundsätzlich erforderlich, einen Umwandlungsbericht zu erstellen. Hierbei handelt es sich um den Verschmelzungsbericht gemäß § 309 UmwG, den Spaltungsbericht gemäß § 324 UmwG oder den Spaltungsbericht gemäß § 337 UmwG. Dieser Bericht gliedert sich in drei Teile, nämlich einen allgemeinen Abschnitt, einen anteilinhaberspezifischen Abschnitt und einen arbeitnehmerspezifischen Abschnitt.39

Rn652

Ob und unter welchen Voraussetzungen einzelne Teile des Berichts und unter Umständen sogar der gesamte Bericht entbehrlich ist, ist für jeden einzelnen Berichtsteil gesondert zu prüfen. Der Berichtsteil für die Anteilsinhaber braucht nicht erstellt zu werden, wenn alle Anteilsinhaber der beteiligten Gesellschaften hierauf in notariell beurkundeter Form verzichten. Ferner ist der Berichtsteil für die Anteilsinhaber bei Einpersonengesellschaften entbehrlich.

Rn653

Fraglich ist, unter welchen Voraussetzungen der für die Arbeitnehmer bestimmte Berichtsteil entbehrlich ist. Anders als bei dem für die Anteilsinhaber bestimmten Berichtsteil sieht das Gesetz hier nämlich nicht ausdrücklich die Möglichkeit eines Verzichtes durch die Arbeitnehmer vor.40 Nichtsdestotrotz ist nach teilweise vertretener Ansicht auch der für die Arbeitnehmer bestimmte Berichtsteil entbehrlich, wenn keine Arbeitnehmerinteressen betroffen seien. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn sämtliche Arbeitnehmer auf die Erstellung des für sie bestimmten Berichtsteils verzichteten.41 Nach anderer Ansicht kann hingegen auf die Erstellung des Berichtsteils für die Arbeitnehmer nicht verzichtet werden.42 Für letztgenannte Ansicht spricht, dass es an einer gesetzlichen Grundlage für einen solchen Verzicht fehlt. Im Interesse einer rechtssicheren Gestaltung sollte daher auch dann ein Arbeitnehmerberichtsteil erstellt werden, wenn diese zu einem Verzicht hierauf bereit wären. Ein fehlender Bericht kann nämlich zu einer Anfechtbarkeit des Zustimmungsbeschlusses führen und zudem ein Eintragungshindernis darstellen.43 Auch bei Einpersonengesellschaften ist grundsätzlich der Arbeitnehmerteil erforderlich.44

Rn654

Das Erfordernis des Berichtsteils für die Arbeitnehmer entfällt allerdings, wenn die an der Verschmelzung beteiligte Gesellschaft und ihre etwaigen Tochtergesellschaften keine anderen Arbeitnehmer haben als diejenigen, die dem Vertretungsorgan angehören. Hier muss beachtet werden, dass die h.M.45 den Begriff der Tochtergesellschaft weit versteht und hierunter nicht nur unmittelbare Tochtergesellschaften, sondern auch Enkelgesellschaften subsumiert. Auch wenn also weder die an der Umwandlung selbst beteiligte Gesellschaft noch deren unmittelbare Tochtergesellschaften Arbeitnehmer beschäftigen, sollte auch auf den weiteren Ebenen der Enkelgesellschaften im Konzern weitergeprüft werden. Sind nämlich auf dieser Ebene Arbeitnehmer vorhanden, kann dies wiederum zu einer Berichtspflicht führen.

Rn655

6. Notarielle Beurkundung

Der Umwandlungsplan sowie etwaige Verzichtserklärungen und die Zustimmungsbeschlüsse der beteiligten Rechtsträger bedürfen der notariellen Beurkundung. Hier stellt sich einerseits die Frage, in welchen Staaten, d.h. im Ausgangs- und/oder im Zielstaat eine Beurkundung vorgenommen werden muss. Ferner ist – aus deutscher Sicht – zu erörtern, welches Beurkundungsverfahren angewendet werden kann. Schließlich wird auch hier der „Dauerbrenner“ zu behandeln sein, inwieweit eine Beurkundung durch einen ausländischen Notar eine Beurkundung durch einen deutschen Notar ersetzen kann und umgekehrt.

Rn656

6.1. Beurkundung im Ausgangs- und/oder Zielstaat?

Im Grundsatz muss die Frage des Beurkundungserfordernisses nach dem jeweiligen nationalen Recht beurteilt werden.46

Rn657

Bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung oder einer grenzüberschreitenden Spaltung stellt sich die Frage, ob der Umwandlungsplan in beiden Staaten beurkundet werden muss. Im Fall einer Hereinverschmelzung oder einer Hereinspaltung nach Deutschland ist in jedem Fall der Verschmelzungs- oder Spaltungsplan vor einem deutschen Notar zu beurkunden.47 Dies ergibt sich aus §§ 307 Abs. 4, 322 Abs. 4 UmwG. Die Frage, ob der Umwandlungsplan auch im Ausgangsstaat durch einen dortigen Notar beurkundet werden muss, beurteilt sich nach dem jeweiligen nationalen Recht des Ausgangsstaates. Sieht dieses ebenfalls eine notarielle Beurkundung vor, muss diese vorgenommen werden. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass die Beurkundung durch den deutschen Notar als gleichwertig angesehen werden kann und damit auch den Erfordernissen des Ausgangsstaates genügt. Diese Frage muss hingegen nach dem nationalen Recht des Ausgangsstaates beurteilt werden.

Rn658

Sollten insoweit Zweifel an einer Gleichwertigkeit bestehen, dürfte kein Weg an einer Beurkundung in beiden Staaten vorbeiführen.48 Vor dem Hintergrund, dass eine etwaige Nichteinhaltung der Formvorschriften die Wirksamkeit des Plans – und damit der gesamten Umwandlungsmaßnahme – in Frage stellt, dürften die Beteiligten gut beraten sein, im Zweifel eine doppelte Beurkundung in beiden Staaten durchzuführen. Die hierdurch zweifellos entstehenden höheren Gebühren werden nämlich in den allermeisten Fällen nicht annährend an einen potentiellen Schaden, der durch eine formnichtige Maßnahme entstehen könnte, heranreichen.

Rn659

Allein die Beurkundung des Verschmelzungs- oder Spaltungsplans durch einen ausländischen Notar ist nach zutreffender Ansicht weder bei der Hereinverschmelzung nach Deutschland noch bei der Herausverschmelzung aus Deutschland ausreichend.49

Rn660

Bei einem Formwechsel richtet sich die Beurkundungsbedürftigkeit des Formwechselplans nach dem nationalen Recht des Wegzugsstaates.50 Wenn also ein Formwechsel von Deutschland weg ins Ausland vorgenommen wird, muss der Formwechselplan gemäß § 335 Abs. 3 UmwG vor einem deutschen Notar beurkundet werden. Im Anschluss an die Erteilung der deutschen Vorabbescheinigung richtet sich das weitere Verfahren nach dem nationalen Recht des Zuzugsstaates. Hier muss sodann untersucht werden, ob dieses Recht seinerseits weitere Erfordernisse, wie etwa eine notarielle Beurkundung zur Satzungsfeststellung, vorsieht.

Rn661

Findet ein Formwechsel nach Deutschland als Zuzugsstaat statt, ist eine Beurkundung des Formwechselplans durch einen deutschen Notar nicht mehr erforderlich, da sich das Formerfordernis diesbezüglich nach dem nationalen Recht des Wegzugsstaates richtet.51 Ein Beurkundungserfordernis durch einen deutschen Notar kann sich aber gleichwohl in solchen Fällen ergeben, in denen ein Formwechsel in eine deutsche Kapitalgesellschaft stattfindet. Hier muss nämlich nach deutschem Recht die Satzung durch eine notarielle Urkunde festgestellt werden.52 In diesem Zusammenhang könnte wiederum geprüft werden, ob eine einheitliche Beurkundung sowohl des Formwechselplans als auch der Satzung durch einen Notar ausreichend – weil gleichwertig mit dem an sich erforderlichen ausländischen Beurkundungsverfahren – ist. Bejahte man diese Frage, könnten durch die Zusammenfassung von Formwechselplan und Satzungsfeststellung ein einer deutschen Urkunde eine doppelte Beurkundung, und damit Gebühren gespart werden.53 Bei Zweifeln an einer Gleichwertigkeit gilt indessen das oben unter Rn. 659 Gesagte.

Rn662

Sofern aus deutscher Sicht eine notarielle Beurkundung erforderlich ist, wird – wie auch in vielen anderen Bereichen – immer wieder die Frage aufgeworfen, ob eine Beurkundung durch einen ausländischen Notar die Beurkundung durch einen deutschen Notar ersetzen könne. Diese Frage ist weder gesetzlich noch höchstrichterlich geklärt. Richtigerweise ist sie mit der h.M. zu verneinen.54 Dies ergibt sich bereits daraus, dass höchst zweifelhaft ist, ob die mit dem Beurkundungserfordernis bezweckte Kontroll- und Filterfunktion betreffend die materielle Richtigkeit der Urkunde durch einen ausländischen Notar erfüllt werden kann. Auf eine Vergleichbarkeit des ausländischen Beurkundungsverfahren kommt es daher gar nicht mehr an.55

Rn663

6.2. Beurkundungsrechtliche Fragen aus deutscher Sicht

Von den vorgenannten Themen zu trennen ist aus deutscher beurkundungsrechtlicher Sicht die Frage, welche Beurkundungsvorschriften anwendbar sind.

Rn664

Bei der Beurkundung des Umwandlungsplans und etwaiger Verzichtserklärungen handelt es sich um eine Beurkundung von Willenserklärungen gemäß §§ 6 ff. BeurkG. Dies bedeutet, dass die Urkunde verlesen werden muss und die physische Anwesenheit der Urkundsbeteiligten und des Notars an einem Ort erforderlich ist.

Rn665

Vom vorgenannten Grundsatz der physischen Anwesenheit hat das deutsche Beurkundungsrecht jüngst mit Inkrafttreten des DiRUG56 und des DiREG57 eine wichtige Ausnahme erfahren. Gemäß den Vorschriften der §§ 16a bis 16e BeurkG ist für gewisse gesellschaftsrechtliche Vorgänge die Möglichkeit einer Beurkundung mittels Videokommunikation eingeführt worden. Hiernach sind insbesondere die Gründung von GmbH und UG (haftungsbeschränkt), sowie die Fassung von einstimmigen satzungsändernden GmbH-Gesellschafterbeschlüssen – hierzu zählen auch Kapitalmaßnahmen – mittels Videobeurkundung möglich.

Rn666

Es stellt sich somit die Frage, ob auch eine Beurkundung des Umwandlungsplans mittels Videokommunikation möglich ist. Diese Frage ist zu verneinen. Durch das DiRUG und das DiREG wurde die Möglichkeit einer Beurkundung mittels Videokommunikation nur in den durch das Gesetz explizit vorgesehenen Fällen zugelassen. Die Beurkundung von Umwandlungsplänen ist vom Anwendungsbereich der §§ 16a bis 16e BeurkG hingegen zu Recht nicht umfasst.58 Hieran ändert auch nichts, dass in einer Umwandlungsmaßnahme auch die Neugründung einer GmbH enthalten sein kann. Denn eine Verschmelzung oder Spaltung zur Neugründung ist weder von der Komplexität noch im Hinblick auf potentiell gegenläufige Interessen der beteiligten Akteure mit einer isolierten Neugründung zu vergleichen.59

Rn667

Die Beurkundung des Zustimmungsbeschlusses der Anteilsinhaber ist nach deutschem Beurkundungsrecht sowohl nach den Vorschriften betreffend die Beurkundung von Willenserklärungen gemäß §§ 8 ff. BeurkG als auch gemäß §§ 36 ff. BeurkG im Rahmen einer Tatsachenbeurkundung möglich. Wenn man sich für letztgenannte Option entscheidet, muss allerdings streng darauf geachtet werden, dass bei der Tatsachenbeurkundung auch wirklich nur der Gesellschafterbeschluss, und keine weiteren Willenserklärungen – wie z.B. etwaige Verzichtserklärungen – beurkundet werden.60 Eine Beurkundung des Zustimmungsbeschlusses mittels Videokommunikation scheidet aus denselben Gründen aus, die im Zusammenhang mit der Beurkundung des Umwandlungsplans genannt wurden.

Rn668

7. Gläubigerschutz

Mit jeder Verschmelzung oder Spaltung geht für die Gläubiger der beteiligten Rechtsträger zumindest das potentielle Risiko einer Verschlechterung ihrer Situation einher. Dies hängt damit zusammen, dass durch die Umwandlungsmaßnahme die Vermögen der involvierten Gesellschaften vermischt werden. Gläubiger eines übertragenden Rechtsträgers verlieren durch die Maßnahme ihren ursprünglichen Schuldner, Gläubiger eines aufnehmenden Rechtsträgers müssen befürchten, dass dieser durch die Übernahme der Verbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers an Solvenz verliert.61 Besonders sichtbar wird dieses potentielle Gläubigerrisiko, wenn sich die Rechtsform eines an der Umwandlungsmaßnahme beteiligten Rechtsträgers – und damit mittelbar auch das Haftungsregime – ändert. Dementsprechend sehen sowohl die Vorschiften für rein nationale Umwandlungsmaßnahmen als auch die neuen Vorschriften des Sechsten Buches für grenzüberschreitende Umwandlungsmaßnahmen Gläubigerschutzvorschriften vor. Diese unterscheiden sich indessen insoweit, dass bei innerstaatlichen Umwandlungsmaßnahmen die Gläubiger auf einen nachgelagerten Rechtsschutz verwiesen werden.62 Deren Anspruch auf eine angemessene Sicherheitsleistung entsteht gemäß § 22 Abs. 1 UmwG nämlich erst nach Wirksamwerden der Umwandlungsmaßnahme.

Rn669

Im Gegensatz hierzu sieht das Gesetz für grenzüberschreitende Umwandlungsmaßnahmen gemäß §§ 314, 328, 341 UmwG einen vorgelagerten Rechtsschutz der Gläubiger vor. Dies wird damit begründet, dass insbesondere für Gläubiger einer übertragenden Gesellschaft die Umwandlungsmaßnahme unter Umständen mit weiteren Risiken verbunden sein kann, da sich der Satzungssitz des aufnehmenden Rechtsträgers im Ausland befindet und damit auch das Gesellschaftsstatut verändert.63 Hiermit können etwa zu Lasten der Gläubiger weniger strenge Kapitalerhaltungsvorschriften oder Publizitätserfordernisse einhergehen. Ferner wären die Gläubiger bei einem nur nachgelagerten Rechtsschutz auf die Geltendmachung ihrer Sicherheitsleistung im Ausland angewiesen. Dies sollte verhindert werden.64

Rn670

Gemäß §§ 314, 328, 341 UmwG müssen nach der Offenlegung der beabsichtigten Umstrukturierung und der entsprechenden Bekanntmachung zumindest drei Monate vergehen, bevor die Umwandlungsbescheinigung erteilt werden darf. In dieser Zeit sollen die Gläubiger geltend machen können, dass für sie im Rahmen des vorgelagerten Gläubigerschutzes keine ausreichende Sicherheit bestellt worden ist. Insoweit sind bereits aus deutscher Perspektive die Ablaufpläne anzupassen. Ferner sollte auch untersucht werden, ob im betreffenden ausländischen Staat diese Frist nicht etwa noch länger als drei Monate beträgt. Macht ein Gläubiger nach Auffassung des betroffenen Rechtsträgers zu Unrecht geltend, er sei nicht ausreichend gesichert, entscheidet das Landgericht am Sitz des zuständigen Registergerichts über diesen Anspruch, § 314 Abs. 5 UmwG. Dies kann enorme Zeit in Anspruch nehmen. Das Verfahren nach § 16 Abs. 3 UmwG ist nicht eröffnet.

Rn671

Das beschriebene Verfahren des vorgelagerten Gläubigerschutzes bedeutet, dass eine grenzüberschreitende Umwandlungsmaßnahme – anders als rein nationale Maßnahmen – allein durch den Antrag eines Gläubigers faktisch blockiert werden kann.65 Hiermit verbunden ist auch ein beträchtliches Missbrauchspotential durch „unredliche“ Gläubiger. Solche könnten sich Forderungen abtreten lassen und – ähnlich wie die so genannten „räuberischen Kleinaktionäre“ – ihr Blockadepotential durch die Gesellschaft abkaufen lassen.66

Rn672

Fragen des Gläubigerschutzes wirken sich auch auf den Mindestinhalt des Umwandlungsplans aus. Gemäß §§ 307 Abs. 2 Nr. 4, 322 Abs. 2 und 335 Abs. 2 Nr. 8 UmwG muss der Umwandlungsplan Angaben über die Sicherheiten, die den Gläubigern angeboten werden, enthalten. Hier stellt sich die Frage, ob stets die Pflicht besteht, den Gläubigern bereits im Umwandlungsplan proaktiv ein Sicherheitenangebot zu unterbreiten. Der reine Wortlaut des deutschen Gesetzestextes könnte auf ein solches Verständnis zwar auf den ersten Blick hindeuten. Hierbei handelte es sich indessen um eine überschießende Umsetzung der Richtlinienbestimmungen, da dort nur von „etwaigen Sicherheiten“ die Rede ist.67 Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dies vom Gesetzgeber gewollt war. Die besseren Gründe sprechen vielmehr dafür, dass die Gesellschaften zu einem proaktiven Angebot im Umwandlungsplan nicht verpflichtet sind.68 Die verpflichtende Aufnahme eines proaktiven Sicherheitenangebots bereits im Umwandlungsplan ist für die Berücksichtigung der Gläubigerinteressen auch gar nicht erforderlich. Diese sind nämlich durch die beschriebene Dreimonatsfrist, binnen derer sie ihre Ansprüche geltend machen können, geschützt. §§ 307 Abs. 2 Nr. 4, 322 Abs. 2 und 335 Abs. 2 Nr. 8 UmwG sind so zu verstehen, dass den Gesellschaften die Möglichkeit eingeräumt wird, ihren Gläubigern bereits im Umwandlungsplan ein attraktives Angebot von Sicherheiten zu unterbreiten, um damit eine zeit- und kostenintensive gerichtliche Geltendmachung durch die Gläubiger – und damit eine Blockade der Maßnahme – bereits im Vorhinein zu verhindern.69 Verpflichtet sind sie hierzu indessen nicht.

Rn673

8. Rechtmäßigkeitskontrolle und Registerverfahren

Das Gesetz sieht nunmehr für alle grenzüberschreitenden Umwandlungsformen ein zweistufiges Verfahren der Rechtmäßigkeitskontrolle vor.

Rn674

Gemäß §§ 315 bis 318, 329 bis 331 und 342 bis 345 UmwG prüft auf einer ersten Stufe nach dem nationalen Recht des Ausgangsstaates die dort zuständige Stelle – in Deutschland ist dies das Registergericht – die hiernach maßgeblichen Verfahrensschritte für die jeweilige Umwandlungsmaßnahme. Kommt diese Prüfung zu einem positiven Ergebnis, wird eine Vorabbescheinigung durch die Behörde des Ausgangsstaates ausgestellt, in der sie bestätigt, dass alle einschlägigen Voraussetzungen erfüllt und alle erforderlichen Verfahren und Formalitäten erledigt sind.70

Rn675

Auf der zweiten Stufe prüft die Kontrollstelle des Zielstaates nur noch die Rechtmäßigkeit derjenigen Verfahrensschritte, die dem Recht des Zielstaates unterliegen.71 Die Kontrollstelle des Zielstaates ist an die Vorabbescheinigung des Ausgangsstaates gebunden. Es wurde bereits berichtet, dass vereinzelt deutsche Registergerichte eine Vorabbescheinigung ausländischer Kontrollstellen nicht akzeptiert haben. Dies ist europarechtswidrig.

Rn676

Aus praktischer Sicht muss beachtet werde, dass die Erstellung der Rechtmäßigkeitsbescheinigungen teilweise beträchtliche Zeit in Anspruch nehmen kann. Auch insoweit dürften die Ablaufpläne von grenzüberschreitenden Umwandlungsmaßnahmen anzupassen sein. Der erstgenannte Verfasser dieses Beitrags betreut beispielsweise gerade ein österreichisches Verfahren, in dem die Vorabbescheinigung der dort zuständigen Stelle nunmehr seit acht Monaten auf sich warten lässt.

Rn677

In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird die Vorabbescheinigung des Ausgangsstaates nicht durch die jeweilige Gesellschaft selbst vorgelegt, sondern unmittelbar von der Kontrollstelle des Ausgangsstaates an die die Kontrollstelle des Zielstaates übermittelt. Diese Übermittlung hat gemäß § 9b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Abs. 2 Satz 3 Nr. 4 HGB über das Europäische System der Registervernetzung (BRIS) zu erfolgen.

Rn678

Die Praxis hat gezeigt, dass es in mehreren grenzüberschreitenden Umstrukturierungsvorgängen im Ausgangsstaat nicht möglich war, die Vorabbescheinigung über das BRIS-System elektronisch zu übermitteln. Ersatzweise wurde in solchen Fällen die Bescheinigung durch die Gesellschaft oder den Notar in Schriftform übermittelt. Das deutsche Handelsregister akzeptierte vereinzelt ein solches Vorgehen unter Berufung auf Art. 86n Abs. 1 RL 2017/1132/EU i.d.F. der RL 2019/2121/EU nicht. Diese Auffassung ist falsch. Bereits der Wortlaut von § 345 Abs. 2 Satz 2 UmwG verdeutlicht, dass alleine die Bescheinigung die Grundlage für das weitere Verfahren und nicht der Übermittlungsweg maßgeblich ist. Auch die Regierungsbegründung zu § 318 UmwG stellt klar, dass der Übermittlungsweg über das BRIS nur eine Verfahrenserleichterung, aber keine Erschwerung nach sich ziehen sollte.72

Rn679

9. Grenzüberschreitende Spaltung zur Aufnahme

Im Rahmen der grenzüberschreitenden Spaltung hat der deutsche Gesetzgeber die Richtlinie überschießend umgesetzt und auch die Spaltung zur Aufnahme nach Deutschland hinein in § 332 UmwG unter den genannten Einschränkungen zugelassen.73 In einem Verfahren vor dem Amtsgericht München vertrat das Gericht zunächst die Auffassung, dass diese Umwandlungsart durch die Mobilitätsrichtlinie nicht eröffnet und daher europarechtlich nicht zulässig sei. Diese Auffassung ist abzulehnen.74 Sie wurde in der Folge schließlich auch vom Amtsgericht in München wieder aufgegeben. Schon kraft der Niederlassungsfreiheit war der deutsche Gesetzgeber berechtigt, hier überschießend umzusetzen. Der Richtliniengeber hat keinesfalls diese Umwandlungsart für unzulässig erachtet, sondern war der Auffassung, dass sie so kompliziert sei, dass man sie nicht mit der Richtlinie regeln wollte.75

Rn680

10. Formwechsel – Zweifelsfragen

Grenzüberschreitende Formwechsel stellen derzeit wohl die häufigste Form der Umstrukturierung über die Grenze dar. Inwieweit auch Rechtsträger, die keine Kapitalgesellschaften sind, diesen Weg einschlagen können, ist unklar.76 Steht ihnen nach nationalem Recht ein Formwechsel nicht offen, so dürfte er auch grenzüberschreitend nicht möglich sein. Hat hingegen der Ausgangsstaat überschießend eine derartige Umstrukturierung ermöglicht, so ist nach Erteilung der entsprechenden Rechtmäßigkeitsbescheinigung der Weg nach Deutschland offen. Nach zutreffender Ansicht hat das deutsche Registergericht nicht die Kompetenz, die Rechtmäßigkeit der ausländischen Bescheinigung zu überprüfen und darf die Entstehungsgeschichte des nach Deutschland zuziehenden Rechtsträgers nicht nachverfolgen.

Rn681

11. Fazit

Eine erste Bestandsaufnahme nach Inkrafttreten des UmRUG ergibt, dass ein verbindlicher und einheitlicher Rahmen für grenzüberschreitende Umstrukturierungen geschaffen wurde. Dieser führt zu einem deutlich höheren Maß an Rechtssicherheit. Infolgedessen wurden in den ersten 15 Monaten bereits vermehrt grenzüberschreitende Umstrukturierungsmaßnahmen durchgeführt. Leider ist die Chance nicht genutzt worden, auch für Personengesellschaften einen solchen Rechtsrahmen zu etablieren. Diesbezüglich ist die Lage weiterhin völlig unklar. Gleiches gilt für Gesellschaften aus Drittstaaten. Ganz allgemein zeigen die ersten Erfahrungen mit den neuen Regelungen zu grenzüberschreitenden Umwandlungsmaßnahmen, dass in vielen Fällen die Erteilung der Rechtmäßigkeitsbescheinigung viel Zeit in Anspruch nimmt. Gleiches gilt für die Regelungen betreffend den Gläubigerschutz. Diesbezüglich wird man die Ablaufpläne anpassen müssen. Aus beurkundungsrechtlicher Sicht ist große Vorsicht bei der Beurteilung der Frage geboten, ob eine deutsche Beurkundung eine an sich erforderliche ausländische Beurkundung ersetzen kann. Ist eine Beurkundung nach deutschem Recht erforderlich, kann sie nicht durch eine Beurkundung vor einem ausländischen Notar ersetzt werden. Im Hinblick auf den notwendigen Inhalt des Umwandlungsplans und die Reichweite der Berichterstattung sind noch nicht alle Unklarheiten geklärt.

Rn682

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