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Zitiervorschlag: Fromlowitz, LRZ 2024, Rn. 183, [●], www.lrz.legal/2024Rn183.
Permanente Kurz-URL: LRZ.legal/2024Rn183
Die fehlende Verlässlichkeit von Umweltaussagen und die bestehenden Rechtsunsicherheiten bezüglich deren Zulässigkeit betreffen sowohl die adressierten Verbraucher als auch die Unternehmer, die berechtigterweise mit ihren Umweltschutzbemühungen werben möchten. Letztendlich geht beides zu Lasten des Umweltschutzes. Der Beitrag soll auf Basis der aktuellen rechtlichen Beurteilung von Green Claims eine Antwort auf die Frage geben, ob der Problematik des „Greenwashings“ mit der Empowering Consumers Richtlinie und der Green Claims Richtlinie wirksam entgegengetreten werden kann.
Umweltschutz stellt schon lange kein Thema mehr dar, das allein die Politik oder gemeinnützige Organisationen beschäftigt. Auch viele private Verbraucher, die Studien zufolge inzwischen sehr umweltbewusst sind,1 möchten einen eigenen Umweltbeitrag leisten und ihren persönlichen ökologischen Fußabdruck optimieren. Von dieser Absicht geleitet, ziehen einige einem innerdeutschen Flug die Fahrt mit dem ICE vor, reduzieren ihren Fleischkonsum oder greifen zu Produkten mit vermeintlich positiven Umwelteigenschaften. Die Industrie trägt dem gestiegenen Umweltbewusstsein der Verbraucher durch mehr oder weniger „grüne“ Waren und Dienstleistungen Rechnung. Dies führt dazu, dass man – überspitzt gesagt – inzwischen fast schon nach Produkten suchen muss, die nicht mit Schlagworten wie „nachhaltig“, „klimaneutral“, „umweltfreundlich“ oder ähnlichen Umweltaussagen oder -siegeln gekennzeichnet sind. Die Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit eines Produkts oder eines Unternehmens sind seit einiger Zeit mithin zu einem äußerst relevanten Wettbewerbsfaktor geworden.2
Für Verbraucher und Wettbewerber ist es gleichermaßen wichtig, dass einem Produkt nicht lediglich durch leere Versprechungen ein grüner Anstrich verliehen wird („Greenwashing“), sondern es sich um verlässliche und zutreffende Aussagen handelt, die dem Verbraucher eine gut informierte Kaufentscheidung ermöglichen. Die Ergebnisse einer von der EU-Kommission im Jahr 2020 durchgeführten Studie wecken jedoch Zweifel an der Verlässlichkeit entsprechender Werbeaussagen („Green Claims“) und zeigen vielmehr das Ausmaß des in der Praxis betriebenen „Greenwashings“: 53% der untersuchten Umweltaussagen waren vage, irreführend oder unfundiert; 40% der geprüften Claims konnten überhaupt nicht belegt werden.3
Zudem wird die tatsächlich „grüne“ Kaufentscheidung durch eine Vielzahl intransparenter Nachhaltigkeitssiegel erschwert. Auf dem europäischen Markt werden laut EU-Kommission mehr als 230 verschiedene Umweltzeichen verwendet, die Aussagen zu unterschiedlichen Umweltaspekten treffen und keinen einheitlichen Kontrollniveaus unterliegen.4 Da bisher grundsätzlich auch Selbstzertifizierungen ohne Kontrolle durch Dritte möglich sind, überrascht es nicht, dass bei knapp der Hälfte der überprüften Zeichen gar keine oder nur eine unzulängliche Überprüfung der mit dem Siegel kommunizierten Umweltaussagen festgestellt werden konnte.5
Die dargestellten Missstände sind nicht nur dem Verbraucherschutz, sondern auch dem Umweltschutz an sich abträglich. Unternehmen, deren Nachhaltigkeitsaussagen tatsächlich gerechtfertigt sind, werden für ihre Umweltschutzbemühungen nicht belohnt.
Es erscheint daher konsequent, dass sich die EU in ihrem Bestreben, bis zum Jahr 2050 Klimaneutralität zu erreichen und damit der erste klimaneutrale Kontinent zu werden,6 dieser Thematik annimmt. Mit der Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen („Empowering Consumers for the green transition“, „EmpCo-RL“)7 und der Richtlinie über die Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen und die diesbezügliche Kommunikation („Green Claims-RL“)8 gibt es zwei aktuelle Regelungsvorhaben, welche der Benutzung von Umweltaussagen enge Grenzen setzen und somit zu mehr Verlässlichkeit für Verbraucher und Mitbewerberschutz beitragen sollen.
Bisher bestehen innerhalb der EU keine harmonisierten Regelungen zu Green Claims und deren Zulässigkeit. Einzig im Bereich des Kapitalmarkrechts hat die EU mit der Taxonomie-Verordnung bereits Kriterien zur Einordnung wirtschaftsbezogener Tätigkeiten als ökologisch nachhaltig aufgestellt, um nachhaltige Investitionen zu erleichtern.9
Die Zulässigkeit von Umweltaussagen bestimmt sich daher nach den nationalen Rechtsordnungen. Greenwashing in Form falscher oder irreführender Nachhaltigkeits-Claims wird in Deutschland mithilfe der allgemeinen Irreführungsverbote aus §§ 5, 5a UWG geahndet. Diese enthalten bisher keine ausdrücklichen Regelungen zum Umgang mit Umweltaussagen. Auch im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG findet sich kein „Blacklist“-Verbot für bestimmte Umweltaussagen. Allenfalls die Verwendung eines Nachhaltigkeitssiegels ohne die erforderliche Genehmigung könnte unter Nr. 2 des Anhangs fallen.10
Es ist somit Sache der Gerichte, umweltbezogene Aussagen unter die allgemeinen Vorschriften zu subsumieren und im Einzelfall festzustellen, ob hierin eine irreführende Handlung (§ 5 UWG) oder ein irreführendes Unterlassen (§ 5a UWG) liegt. In den vergangenen Jahren sind hierzu zahlreiche Entscheidungen ergangen.
Die Gerichte orientieren sich dabei regelmäßig an dem vom BGH in seiner Entscheidung „aus Altpapier“ bereits im Jahr 1988 aufgestellten Maßstab.11 Danach gelten aufgrund der emotionalen Erreichbarkeit der Konsumenten mit umweltschutzbezogener Werbung in Verbindung mit den bestehenden Unklarheiten hinsichtlich der Bedeutung von Begriffen wie „umweltfreundlich“, „umweltverträglich“ oder „umweltschonend“ strenge, mit der Gesundheitswerbung vergleichbare Anforderungen. Die Nutzung unbestimmter, nicht aus sich heraus verständlicher Begrifflichkeiten bringt daher die Notwendigkeit aufklärender Hinweise mit sich.12 Die Reichweite dieser Aufklärungspflicht bestimmt sich „im Einzelfall nach der Art des Produktes und dem Grad und Ausmaß seiner ‚Umweltfreundlichkeit‘“.13 Für Unternehmer taugt dies nicht wirklich als Orientierungshilfe.
Zwar scheinen sich die Gerichte weitgehend einig zu sein, dass es sich bei dem Schlagwort „klimaneutral“, das Gegenstand der meisten gerichtlichen Verfahren ist,14 um einen inhaltlich bestimmten Begriff handelt.15 Dessen Verwendung soll aufgrund seiner vermeintlich immanenten Verständlichkeit grundsätzlich auch ohne aufklärende Hinweise möglich sein, sofern die implizite Aussage zutrifft. Allerdings gehen die Ansichten der Gerichte, welchen Aussagegehalt der Verbraucher mit dem Begriff „klimaneutral“ verbindet, auseinander. Teilweise wird ein Verständnis als „emissionsfrei“ angenommen,16 während andererseits auf das Vorliegen einer ausgeglichenen CO2-Bilanz unter Berücksichtigung tauglicher17 Kompensationsmaßnahmen abgestellt wird.18 Ob die Umweltaussage „klimaneutral“ als zulässig oder irreführend eingestuft wird, hängt damit von der Zufälligkeit des Begriffsverständnisses des zuständigen Gerichts ab. Die Rechtsunsicherheit wird zudem dadurch verstärkt, dass selbst bei vermeintlich bestimmten Begriffen im Einzelfall Aufklärungspflichten bestehen können.19
Aus Sicht des Verbraucherschutzes scheint die Entscheidungspraxis nach aktueller Rechtslage befriedigende Ergebnisse zu liefern. Die geltenden strengen Anforderungen führen dazu, dass Greenwashing bereits heute effektiv bekämpft wird.20 Tatsächlich trifft dies allerdings nur auf die überhaupt erst vor Gericht landenden Fälle zu. Verallgemeinerungsfähige Aussagen dazu, was in welcher Form erlaubt ist, lassen sich den Entscheidungen nicht entnehmen.21 Durch die gerichtliche Überprüfung und Untersagung einzelner Umweltaussagen lassen sich diese auch nicht präventiv verhindern.
Umweltbewusste Unternehmen, die ihre Produkte mit zutreffenden Umweltaussagen kennzeichnen möchten, werden angesichts der verbleibenden Rechtsunsicherheiten derzeit noch vor große Herausforderungen gestellt, da sie die an zulässige Umweltaussagen zu stellenden Anforderungen der teilweise uneinheitlichen und zunehmend unübersichtlicheren Rechtsprechung entnehmen müssen. Um sicher zu gehen, bleiben dem Unternehmer zwei Optionen: Entweder stellt er sämtliche zur Beurteilung der Umweltaussage erforderlichen Informationen zur Verfügung, einschließlich möglicherweise entbehrlicher Angaben. Oder er verzichtet gänzlich auf eine umweltbezogene Kennzeichnung. In diesem Fall bestünde allerdings kaum noch ein Anreiz, in umweltfreundliche und nachhaltige Produkte zu investieren. Beides ist dem Verbraucher- und Umweltschutz abträglich.
Die in Deutschland bestehende Rechtsunsicherheit verstärkt sich auf internationaler Ebene, wenn Produkte grenzüberschreitend vertrieben werden. Die Möglichkeit, die Produktgestaltung inklusive darauf angebrachter Umweltaussagen beibehalten zu können und nur sprachliche Anpassungen vornehmen zu müssen, wäre für Unternehmer wünschenswert. Mangels einheitlicher Regelungen innerhalb der EU ist dies jedoch bisher nicht möglich. Vielmehr ist eine Prüfung der Zulässigkeit von Land zu Land nötig.
Die rechtliche und tatsächliche Lage wird sich durch die EmpCo-RL und die Green Claims-RL in Zukunft ändern. Beide Richtlinien sollen zusammen den Verbraucherschutz stärken und die Rechtssicherheit in Bezug auf Umweltaussagen unionsweit verbessern.22 Die EmpCo-RL fungiert im Zusammenspiel beider Richtlinien als lex generalis. Sie erweitert die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken („UGP-RL“) um Regelungen zu Umweltaussagen. Die Green Claims-RL stellt als lex specialis besondere Anforderungen an bestimmte Umweltaussagen.23 Die im Trilog entwickelte aktuelle Fassung der EmpCo-RL wurde am 17. Januar 2024 vom EU Parlament in erster Lesung angenommen; die Zustimmung des Rates erfolgte am 20. Februar 2024.24 Innerhalb von 24 Monaten nach Inkrafttreten ist die Richtlinie von den Mitgliedstaaten umzusetzen. Wiederum sechs Monate später sollen die neuen Vorschriften der UGP-RL Anwendung finden. Die Green Claims-RL wird erst später in Kraft treten. Das Europäische Parlament hat durch seine Ausschüsse zwar bereits Änderungen am Kommissionsentwurf vorgenommen; eine Plenarsitzung des Europäischen Parlaments zum Richtlinienentwurf ist jedoch erst für den 11. März 2024 anberaumt.25
Der Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie, die unlautere Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen und Verbrauchern reglementiert, bleibt durch die EmpCo-RL unverändert. Wie oben dargestellt, werden irreführende Umweltaussagen bereits jetzt von den allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Verboten erfasst. Mit der EmpCo-RL werden nun allerdings erstmals auch explizite Regelungen für Umweltaussagen eingeführt. Die EmpCo-RL differenziert insoweit zwischen Umweltaussagen, allgemeinen Umweltaussagen und Nachhaltigkeitssiegeln.
Dem Oberbegriff der Umweltaussage unterfällt gem. Art. 1 Nr. 1 lit. b) o) EmpCo-RL eine
„Aussage oder Darstellung, die nach Unionsrecht oder nationalem Recht nicht verpflichtend ist, einschließlich Darstellungen durch Text, Bilder, grafische Elemente oder Symbole wie beispielsweise Etiketten, Markennamen, Firmennamen oder Produktbezeichnungen, im Kontext einer kommerziellen Kommunikation, und in der ausdrücklich oder stillschweigend angegeben wird, dass ein Produkt, eine Produktkategorie, eine Marke oder ein Gewerbetreibender eine positive oder keine Auswirkung auf die Umwelt hat oder weniger schädlich für die Umwelt ist als andere Produkte, Produktkategorien, Marken bzw. Gewerbetreibende oder seine bzw. ihre Auswirkung im Laufe der Zeit verbessert wurde“.
Die lediglich beispielhafte Aufzählung erfasster Aussagen und Darstellungen sowie der explizite Hinweis auch auf Marken und Firmennamen verdeutlichen die große Reichweite der Definition.
Der Anhang der EmpCo-RL erweitert die „Schwarze Liste“ der gem. Art. 5 Abs. 5 UGP-RL unter allen Umständen als unlauter anzusehenden Geschäftspraktiken um bestimmte Umweltaussagen. Die neu eingeführte Nummer 4b des Anhangs der UGP-RL sieht vor, dass eine Umweltaussage zum gesamten Produkt oder zur gesamten Geschäftstätigkeit des Gewerbetreibenden nicht getroffen werden darf, wenn sie sich tatsächlich nur auf einen bestimmten Aspekt des Produkts oder eine bestimmte Aktivität der Geschäftstätigkeit des Gewerbetreibenden bezieht. Als Beispiele hierfür nennt Erwägungsgrund 11 die undifferenzierte Aussage, ein Produkt sei „mit Recyclingmaterial hergestellt“ worden, obwohl dies nur auf die Verpackung zutrifft. Auch wenn ein Gewerbetreibender den Eindruck erweckt, nur erneuerbare Energiequellen zu nutzen, obwohl in manchen Betriebsanlagen noch fossile Brennstoffe verwendet werden, soll dies gegen die neue Nr. 4b des Anhangs der UGP-RL verstoßen. Derartig zu weit gefasste Claims werden nach den Leitlinien zur Auslegung der UGP-RL bereits heute von den allgemeinen Irreführungsverboten erfasst.26 Die Aufnahme in den Anhang der UGP-RL ist dennoch nicht bloß deklaratorischer Natur, da hierdurch die sonst gebotene einzelfallabhängige Prüfung der Relevanz für die Veranlassung zu einer geschäftlichen Entscheidung entfällt.
Zudem darf nach Einführung der neuen Nummer 4c des Anhangs nicht mehr mit neutralen, verringerten oder positiven Auswirkungen auf die Umwelt geworben werden, wenn sich diese auf die Kompensation von Treibhausgasemissionen stützen und damit außerhalb der Wertschöpfungskette des Produkts liegen. Diese Vorschrift war im ursprünglichen Richtlinienentwurf der Kommission27 noch nicht vorgesehen und wurde erst im Rahmen der Trilogverhandlungen eingefügt. Ein entsprechendes Verbot wurde als besonders wichtig erachtet, da beim Verbraucher mit Aussagen wie z.B. „klimaneutral“, „zertifiziert CO2 neutral“ oder „reduzierte Klimaauswirkungen“ der Eindruck erweckt werde, dass sich die Aussage auf das Produkt selbst, seine Lieferung oder Herstellung beziehe.28 Damit wird auf EU-Ebene ein von den zahlreichen deutschen Gerichtsentscheidungen abweichendes Begriffsverständnis des Verbrauchers angenommen. Die deutschen Gerichte unterstellen dem Verbraucher bisher zumindest teilweise eine bilanzielle Betrachtung unter Berücksichtigung von Kompensationsmaßnahmen.29 Durch das neugeschaffene Verbot, behauptete Klimaneutralität auf Kompensationsmaßnahmen zu stützen, wird die Rechtslage in Deutschland deutlich verschärft. Auf die bislang entscheidende Frage des Begriffsverständnisses von „klimaneutral“ wird es zukünftig nicht mehr ankommen.
Abseits der „Schwarzen Liste“ sieht die EmpCo-RL in Art. 1 Nr. 2 lit. b) eine Erweiterung des Art. 6 Abs. 2 UGP-RL um spezielle Irreführungstatbestände für Umweltaussagen vor. Gem. Art. 6 Abs. 2 lit d) kann es neuerdings im Einzelfall unlauter sein, wenn Aussagen über die künftige Umweltleistung getroffen werden, ohne dass klare, objektive, öffentlich einsehbare und überprüfbare Verpflichtungen bestehen, die in einem Umsetzungsplan festgelegt sind. Dieser Plan muss detailliert und realistisch sein, messbare und zeitlich festgelegte Ziele enthalten und Gegenstand einer regelmäßigen unabhängigen Sachverständigenprüfung sein, deren Erkenntnisse den Verbrauchern zur Verfügung zu stellen sind. Unternehmer, deren Produkte sich momentan nicht durch besondere Umweltverträglichkeit auszeichnen, könnten sich dazu verleitet sehen, zumindest für die Zukunft vage Klima-Versprechungen zu kommunizieren. Sind diese substanzlos, ist auch nach aktueller Rechtslage eine Irreführung zu bejahen.30 Mangels Überprüfbarkeit des Wahrheitsgehalts für Außenstehende bestehen jedoch Schwierigkeiten, eine Irreführung des Verbrauchers darzulegen und derart gekennzeichnete Produkte aus dem Verkehr zu ziehen. Das dürfte sich durch die neuen Substantiierungsanforderungen ändern.
Ebenfalls geändert werden soll Art. 6 (1) lit. b) UGP-RL, der wesentliche täuschungsrelevante Produktmerkmale nennt, bezüglich derer eine Irreführung des Verbrauchers in Betracht kommt. Als neue Merkmale werden gem. Art. 1 Nr. 2 lit. a) EmpCo-RL „ökologische oder soziale Merkmale“, und „Zirkularitätsaspekte wie Haltbarkeit, Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit“ aufgenommen. Dies dürfte den Gerichten in Greenwashing-Fällen im Einzelfall die Subsumtion unter den Irreführungstatbestand erleichtern. Eine Änderung der Rechtslage bedeutet dies aus deutscher Sicht jedoch nicht, da besonders herausgehobene ökologische Eigenschaften auch bisher schon unter das ebenfalls täuschungsrelevante Merkmal des „Vorteils“ eines Produkts gefasst werden können.31
Art. 1 Nr. 3 EmpCo-RL führt durch die Schaffung des neuen Art. 7 Abs. 7 UGP-RL ein spezielles Gebot für Gewerbetreibende ein, die Produktvergleiche als Dienstleistung anbieten. Stellen diese Informationen insbesondere über ökologische Merkmale der Produkte oder deren Lieferanten zur Verfügung, haben sie ebenfalls über die Vergleichsmethode und die bestehenden Maßnahmen zur Aktualisierung der Informationen aufzuklären. Das Vorenthalten dieser wesentlichen Informationen kann nunmehr im Einzelfall ausdrücklich als irreführende Unterlassung angesehen werden.
Besondere Relevanz entfaltet die EmpCo-RL hinsichtlich allgemeiner Umweltaussagen, die weitgehend verboten werden sollen.32
In Art. 1 Nr. 1 lit b) p) EmpCo-RL wird die allgemeine Umweltaussage definiert als
„eine schriftlich oder mündlich getätigte Umweltaussage, einschließlich über audiovisuelle Medien, die nicht auf einem Nachhaltigkeitssiegel enthalten ist und bei der die Spezifizierung der Aussage nicht auf demselben Medium klar und in hervorgehobener Weise angegeben ist“.
Es handelt sich hierbei mithin um eine spezielle Form der Umweltaussage, deren Aussagegehalt unspezifiziert bleibt. Die EmpCo-RL nennt als Beispiele allgemeiner Umweltaussagen die Begriffe „umweltfreundlich“, „umweltschonend“, „grün“, „naturfreundlich“, „ökologisch“, „umweltgerecht“, „klimafreundlich“, „umweltverträglich“, „CO2-freundlich“, „energieeffizient“ „biologisch abbaubar“ und „biobasiert“. Während in der Aussage „klimafreundliche Verpackung“ eine allgemeine Umweltaussage zu sehen ist, stellt der Claim „100% der für die Produktion der Verpackung genutzten Energie stammt aus erneuerbaren Quellen“ eine spezifische Umweltaussage dar.33
Im Gegensatz zum ursprünglichen Richtlinienentwurf handelt es sich bei der allgemeinen Umweltaussage nicht mehr um einen Unterfall einer „ausdrücklichen Umweltaussage“, bei der die Umweltaussage in Textform oder auf einem Nachhaltigkeitssiegel hätte enthalten sein müssen.34 Mit der Neufassung der Definition sollen nun auch Umweltaussagen als allgemeine Umweltaussagen gelten, die implizit durch Farben oder Bilder kommuniziert werden und mit einer schriftlichen oder mündlichen Aussage verbunden sind. Eine solche zusammengesetzte Aussage kann nun insgesamt als allgemeine Umweltaussage angesehen werden.35
Allgemeine Umweltaussagen werden durch das im Wege der EmpCo-RL eingeführte „Blacklist“-Verbot (Nr. 4a Anhang I UGP-RL) weitestgehend verboten. Zulässig bleiben zukünftig nur noch solche allgemeinen Umweltaussagen, die sich auf eine „anerkannte hervorragende Umweltleistung“ beziehen, für die der Unternehmer Nachweise erbringen kann.
Eine anerkannte hervorragende Umweltleistung liegt gem. Art. 1 Nr. 1 lit b) s) EmpCo-RL vor, wenn sie im Einklang mit der EU-Umweltzeichen Verordnung (EG) Nr. 66/2010 steht, also die Kriterien für das EU Ecolabel erfüllt. Die Einhaltung anerkannter nationaler oder regionaler Umweltkennzeichenregelungen nach EN ISO 14024 Typ I (z.B. der Blaue Engel) fällt ebenfalls darunter. Auch Umwelthöchstleistungen nach anderem geltenden Unionsrecht, beispielsweise der VO (EU) 2017/1369 über die Energieverbrauchskennzeichnung, gelten als anerkannte hervorragende Umweltleistungen im Sinne der EmpCo-RL.
Um zulässig zu sein, muss sich die allgemeine Umweltaussage mit dem Aussagegehalt der anerkannten hervorragenden Umweltleistung decken. Daher wäre beispielsweise die allgemeine Behauptung „biologisch abbaubar“ unzulässig, wenn das Produkt zwar den Ansprüchen für ein EU-Umweltzeichen gerecht wird, die Erteilung des EU-Ecolabels für das betreffende Produkt aber überhaupt nicht von bestimmten Anforderungen an die biologische Abbaubarkeit abhängt.36
Da Gewerbetreibende nur in den die wenigsten Fällen eine anerkannte hervorragende Umweltleistung einer allgemeinen Umweltaussage nachweisen können, dürfte die Neuregelung zu einem deutlichen Rückgang unspezifizierter Umweltclaims führen.
Die EmpCo-RL nimmt sich des Weiteren auch der kaum überschaubaren Vielzahl an Umwelt-/Klima- und Nachhaltigkeitsabzeichen an.
Die EmpCo-RL fasst diese Zeichen unter den Begriff „Nachhaltigkeitssiegel“, der in Nr. 1 lit. b) q) als
„ein freiwilliges öffentliches oder privates Vertrauenssiegel, Gütezeichen oder Ähnliches, mit dem Ziel, ein Produkt, ein Verfahren oder eine Geschäftstätigkeit in Bezug auf ihre ökologischen oder sozialen Merkmale oder beides hervorzuheben oder zu fördern“
Die UGP-RL verbietet in ihrer durch die EmpCo-RL geänderten Fassung gem. Nr. 2a des Anhangs I künftig das Anbringen eines Nachhaltigkeitssiegels, das nicht auf einem Zertifizierungssystem beruht oder von staatlichen Stellen festgesetzt wurde. Art. 1 Nr. 1 lit. b) r) EmpCo-RL stellt Kriterien auf, die ein taugliches Zertifizierungssystem erfüllen muss. Insbesondere muss das System von einem vom Gewerbetreibenden unabhängigen Dritten betrieben werden, der die öffentlich zugänglichen Kriterien für die Vergabe in Absprache mit einschlägigen Sachverständigen und Interessenträgern entwickelt. Die Überwachung der Einhaltung der Zertifizierungsanforderungen soll wiederum einem Dritten obliegen, der sowohl vom Systeminhaber als auch vom Gewerbetreibenden unabhängig ist. Beruht das Nachhaltigkeitssiegel nicht auf einem derartigen Zertifizierungssystem, ist die Anbringung eines Nachhaltigkeitssiegels nur im Falle der Festsetzung durch staatliche Stellen zulässig. Ein Beispiel für ein staatlich festgesetztes Nachhaltigkeitssiegel ist das auf der VO (EG) Nr. 66/2010 beruhende EU Umweltzeichen.37
Durch die entsprechenden Änderungen der UGP-RL sollen Transparenz und Glaubwürdigkeit von Nachhaltigkeitssiegeln sichergestellt werden.38 Insbesondere die bisher bestehende Möglichkeit der Selbstzertifizierung, die zu einer Überflutung des Marktes mit verschiedensten Nachhaltigkeitszeichen geführt hat, wird hierdurch zukünftig unterbunden.
Die Green Claims-RL ergänzt die EmpCo-RL um zahlreiche weitere Regelungen zu Umweltaussagen.
Der Anwendungsbereich der Green Claims-RL ist auf „ausdrückliche Umweltaussagen“ beschränkt, die vom Unternehmer auf freiwilliger Basis gegenüber dem Verbraucher getätigt werden (Art. 1 Abs. 1 Green Claims-RL-E). Für den Begriff der Umweltaussage knüpft die Green Claims-RL an die Definition der EmpCo-RL an (Art. 2 Nr. 1 Green Claims-RL-E).39 Die Ausdrücklichkeit einer Umweltaussage ergibt sich dem Wortlaut von Art. 2 Nr. 2 Green Claims-RL-E zufolge daraus, dass diese in Textform oder auf einem Umweltzeichen enthalten ist. Diese Definition erweckt den Eindruck, dass für die Qualifizierung einer Umweltaussage als ausdrückliche Umweltaussage allein die äußere Form maßgeblich sein soll.40
Ohne die teilweise angenommenen41 inhaltlichen Einschränkungen führte diese Definition zu einem sehr weiten Anwendungsbereich. Sämtliche allgemeinen Umweltaussagen iSd EmpCo-RL, die in Textform geäußert werden, unterfielen als ausdrückliche Umweltaussagen gleichzeitig auch der Green Claims-RL. Ob dies tatsächlich so gewollt ist, erscheint angesichts des beabsichtigten Zusammenspiels beider Richtlinien fraglich. Wie oben ausgeführt, verbietet die EmpCo-RL allgemeine Umweltaussagen sehr weitgehend. Die vorrangige42 Green Claims-RL soll die Regelungen der EmpCo-RL laut Erwägungsgrund 14 der Green Claims-RL-E ergänzen und wohl nicht überlagern. Es ist daher davon auszugehen, dass als ausdrückliche Umweltaussagen nur solche Umweltaussagen in Textform oder auf Umweltzeichen gelten sollen, deren Inhalt im Gegensatz zu allgemeinen Umweltaussagen konkret fassbar und nachprüfbar ist.43 Eine entsprechende Präzisierung des Anwendungsbereichs der Green Claims-RL im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wäre wünschenswert. Von der Green Claims-RL ausgenommen sind gem. Art. 1 Abs. 2 Green Claims-RL-E jedenfalls solche ausdrücklichen Umweltaussagen, die bereits Gegenstand europäischer Rechtsakte sind, wie das EU Ecolabel44 oder die Bezeichnung von Lebensmitteln als „bio“ oder „ökologisch“45.
Die Green Claims-RL soll durch Begründungs-, Kommunikations- und Zertifizierungspflichten die Verlässlichkeit ausdrücklicher Umweltaussagen fördern. Es handelt sich im Unterschied zur EmpCo-RL um eine bereits im Vorfeld der Tätigung von Umweltaussagen ansetzende ex ante Regulierung.3
Im Zuge der verpflichtenden Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen ist gem. Art. 3 Abs. 1 Green Claims-RL-E im Vorfeld durch den Gewerbetreibenden eine Bewertung der Aussage vorzunehmen, die diversen Kriterien gerecht werden muss. So muss beispielsweise angegeben werden, ob sich die Aussage auf das gesamte Produkt bzw. alle Tätigkeiten des Gewerbetreibenden oder nur auf einen Teil davon bezieht. Die Bewertung muss sich auf anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse stützen, alle bedeutenden Umweltauswirkungen berücksichtigen und die diesbezüglich zur Verfügung stehenden Daten enthalten. Zudem muss der Nachweis erbracht werden, dass die proklamierten Umweltauswirkungen auch vor dem Hintergrund des gesamten Lebenszyklus des Produkts Relevanz entfalten und es sich dabei nicht nur um eine Selbstverständlichkeit handelt, die sich aus bestehenden rechtlichen Vorgaben ergibt. Zur Begründung geltend gemachte Kompensationen für Treibhausgasemissionen müssen separat von allen sonstigen Treibhausgasemissionen ausgewiesen und konkretisiert werden.
Zusätzliche Anforderungen bestehen gem. Art. 4 Abs. 1 Green Claims-RL-E für die Bewertung vergleichender ausdrücklicher Umweltaussagen, mit denen behauptet wird oder aus denen implizit hervorgeht, dass ein Produkt oder ein Gewerbetreibender weniger Umweltauswirkungen verursacht oder eine bessere Umweltleistung erbringt als andere Produkte oder Gewerbetreibende. Um eine angemessene Vergleichbarkeit sicherzustellen,46 müssen die Vergleichsdaten in gleichwertiger Weise erhoben werden und jeweils alle relevanten Stufen der Wertschöpfungskette widerspiegeln. Es dürfen keine Unterschiede bei der Berücksichtigung von Umweltauswirkungen und bei den zugrunde gelegten Annahmen bestehen.
Art. 5 Green Claims-RL-E normiert, ob und wie ausdrückliche Umweltaussagen an den Verbraucher kommuniziert werden dürfen. Umweltaussagen, die in Anbetracht des gesamten Lebenszyklus oder aufgrund des bloßen Ausdrucks von Selbstverständlichkeiten unbedeutend sind, sind gem. Art. 5 Abs. 2 Green Claims-RL-E unzulässig. Bedeutende Umweltaussagen müssen eine Begründung aufweisen, die den geschilderten Anforderungen der Art. 3 und 4 Green Claims-RL-E gerecht wird. Anderenfalls dürfen sie nicht verbreitet werden. Im Bereich der vergleichenden ausdrücklichen Umweltaussagen verbietet Art. 6 Green Claims-RL-E grundsätzlich47 die Verbreitung von Aussagen, die den Vergleich zu einem Produkt desselben Gewerbetreibenden oder eines nicht mehr auf dem Verbrauchermarkt aktiven Gewerbetreibenden anstellt.
Sind diese Zulässigkeitsvoraussetzungen auf erster Stufe erfüllt, werden durch die nachfolgenden Absätze des Art. 5 Green Claims-RL-E Informationspflichten statuiert, die mit dem Tätigen der Umweltaussage einhergehen. Der Verbraucher ist stets über das Produkt oder den Gewerbetreibenden, auf das bzw. den sich die Umweltaussage bezieht, und über die Begründung der Umweltaussage zu informieren, wobei Art. 5 Abs. 6 Green Claims-RL-E inhaltliche Mindestanforderungen stellt, welche die Substantiierung der Aussage sicherstellen. Besondere Bedeutung für den Verbraucher dürfte hierbei der erforderlichen Zusammenfassung der Bewertung nach Art. 3 Green Claims-RL-E zukommen.
Die spezielle Informationspflicht des Art. 5 Abs. 3 Green Claims-RL-E über die vorgesehene Verwendungsweise des Produkts zur Erreichung der kommunizierten Umweltleistung greift, wenn sich die Umweltaussage auf ein Endprodukt bezieht und die Nutzungsphase zu den wichtigsten Lebenszyklusphasen des Produkts gehört. Für den Fall, dass sich die Umweltaussage auf eine künftige Umweltleistung bezieht, muss eine zeitlich festgelegte Verpflichtung für die beabsichtigten Verbesserungen bestehen und mitgeteilt werden, Art. 5 Abs. 4 Green Claims-RL-E.
Besondere Bedeutung kommt der Überprüfungs- und Zertifizierungspflicht für ausdrückliche Umweltaussagen zu, die durch Art. 10 Green Claims-RL-E eingeführt wird. Bevor eine ausdrückliche Umweltaussage veröffentlicht werden darf, wird diese zukünftig verpflichtend durch eine Prüfstelle zu verifizieren sein, Art 10 Abs. 4 Green Claims-RL-E. Gegenstand der Überprüfung ist die Einhaltung der Begründungs- und Kommunikationsanforderungen. Im Falle der Konformität stellt die Prüfstelle eine unionsweit anzuerkennende Bescheinigung aus. Der Claim darf in diesem Falle in der gesamten EU benutzt werden, Art. 10 Abs. 6, 7 Green Claims-RL-E.
Die an die zu akkreditierenden Prüfstellen zu stellenden Anforderungen regelt Art. 11 Abs. 3 Green Claims-RL-E. Insbesondere ist die Unabhängigkeit der Prüfstelle von dem Produkt oder dem Gewerbetreibenden, das bzw. der mit der Umweltaussage in Verbindung steht, zu gewährleisten, Art. 11 Abs. 3 lit. a) Green Claims-RL-E.
Mit der erstmaligen Erlangung der Konformitätsbescheinigung ist es nicht getan. Nach Art. 9 Green Claims-RL-E trifft den Gewerbetreibenden die Verpflichtung, die zur Begründung der ausdrücklichen Umweltaussage herangezogenen Informationen zu überprüfen und zu aktualisieren. Die Aktualisierung hat spätestens fünf Jahre nach Veröffentlichung der Umweltaussage zu erfolgen, bei Anhaltspunkten für die Unrichtigkeit einer Aussage auch schon früher. In beiden Fällen bedarf es auch einer erneuten Überprüfung und Zertifizierung durch eine akkreditierte Prüfstelle.
Für Umweltzeichen48 als Unterfall ausdrücklicher Umweltaussagen gelten im Ausgangspunkt dieselben Begründungs-, Kommunikations-, Überprüfungs- und Zertifizierungspflichten, Art. 7 Abs. 1 Green Claims-RL-E.
Weitergehende Anforderungen gelten gem. Art. 7 Abs. 2 Green Claims-RL-E für Umweltzeichen, die eine Einstufung oder Bewertung vornehmen, die auf einem aggregierten Indikator für Umweltauswirkungen basiert. Hierbei handelt es sich um Umweltzeichen, die eine Gesamtbewertung in Form eines Ratings, einer Punktzahl oder einer Schulnote angeben. Die EU-sieht insoweit die Gefahr, dass aggregierte Indikatoren dazu verwendet werden könnten, die negativen Auswirkungen bestimmter Produktparameter durch positivere Auswirkungen anderer Parameter zu verschleiern, gerade weil keine einheitliche Methode für die Gesamtbewertung besteht.49 Daher sollen derartige Umweltzeichen in Zukunft nur noch zulässig sein, wenn sie im Rahmen eines Umweltzeichensystems i.S.d. Art. 8 Green Claims-RL-E vergeben wurden. Ein Umweltzeichensystem50 ist danach ein Zertifizierungssystem, das sich u.a. dadurch auszeichnet, dass die Informationen über dessen Eigner und Entscheidungsgremien sowie über dessen Ziele, Anforderungen und Verfahren zur Überwachung der Einhaltung transparent einsehbar sind. Zur Gewährleistung der wissenschaftlichen Belastbarkeit obliegt die Entwicklung der Zertifizierungsanforderungen Sachverständigen.
Der Versuch, die Anzahl von Umweltsiegeln einzudämmen, kommt besonders deutlich in Art. 8 Abs. 5 Green Claims-RL-E zum Ausdruck. Dieser macht die Genehmigung neuer Umweltzeichensysteme privater Betreiber davon abhängig, dass diese einen Mehrwert hinsichtlich ihrer Umweltziele bieten.
Die Regelungen der EmpCo-RL und der Green Claims-RL werden ohne Frage erhebliche Auswirkungen auf Werbung mit Umweltaussagen haben. Ob sie Greenwashing tatsächlich ein Ende setzen werden oder ob sie sich letzten Endes nicht sogar nachteilig auf Verbraucher- und Umweltschutz auswirken werden, bleibt nach derzeitigem Stand fraglich.
Der Entwurf der EmpCo-RL sieht sich u.a. dem Vorwurf ausgesetzt, keine rechtliche Verbesserung in Bezug auf die Zulässigkeit von Green Claims zu bewirken.51 Aus deutscher Sicht mag dies tatsächlich zutreffen, da die hiesigen Gerichte schon jetzt strenge Maßstäbe an die lauterkeitsrechtliche Beurteilung von Green Claims anlegen. Die auf Umweltaussagen anwendbaren Vorschriften enthalten angesichts dessen in erster Linie Klarstellungen und Erleichterungen bei der Rechtsdurchsetzung.52 In anderen Mitgliedstaaten dürften die ausdrücklichen Regelungen zu Umweltaussagen dagegen aber durchaus auch zu einer inhaltlichen Rechtsänderung führen.53
Auch in Deutschland wird die EmpCo-RL die Anzahl zulässiger allgemeiner Umweltaussagen und erheblich reduzieren. Mit den neuen Anforderungen an Nachhaltigkeitssiegel, die auf einem bestimmten Zertifizierungssystem beruhen oder von staatlichen Stellen festgesetzt werden müssen, wird zudem der Selbstzertifizierung ein Ende gesetzt.
Die rechtlichen Auswirkungen der Green Claims-RL sind offensichtlich und weitreichend. Mit den für ausdrückliche Umweltaussagen geschaffenen Anforderungen an deren Begründung, Kommunikation, Überprüfung und Zertifizierung unterliegen diese künftig äußerst strengen regulatorischen Vorgaben.54
Es ist zu erwarten, dass die Anzahl an Umweltaussagen mit Geltung der neuen Rechtsvorschriften zurückgehen wird. Allgemeine Umweltaussagen dürften zur Ausnahme werden. Vom Gewerbetreibenden selbst ausgestellte Nachhaltigkeitssiegel werden verschwinden, und nicht ausreichend substantiierte ausdrückliche Umweltaussagen dürfen nicht weiter veröffentlicht werden. Dies trägt zur Übersichtlichkeit auf dem Verbrauchsgütermarkt bei, insbesondere im Bereich der Nachhaltigkeitssiegel, deren Zweck es gerade ist, damit gekennzeichneten Produkten auf einen Blick bestimmte Eigenschaften zuordnen zu können. Da die Kapazitäten des Verbrauchers, sich bestimmte Siegel und deren Botschaft einzuprägen, begrenzt sind, ist die Eindämmung der Abzeichenflut ein wichtiger Schritt zur Förderung einer informierten Kaufentscheidung.
Hand in Hand mit der gesteigerten Übersichtlichkeit geht die erhöhte Verlässlichkeit von Umweltaussagen, die durch die Regelungsvorhaben geschaffen wird. Der Verbraucher kann künftig davon ausgehen, dass hinter einer allgemeinen Umweltaussage eine unionsrechtlich anerkannte Umweltleistung steht, dass Nachhaltigkeitssiegel von einer unabhängigen Zertifizierungsstelle vergeben sowie ausdrückliche Umweltaussagen umfassend substantiiert und zertifiziert wurden.
Wie eingangs erwähnt, ist die aktuelle Rechtslage jedoch für Unternehmen, die umweltbezogene Werbung betreiben wollen, unbefriedigend.55 Die EmpCo-RL verspricht in dieser Hinsicht allenfalls geringfügige Besserung durch ein wenig mehr Rechtsklarheit und -sicherheit gegenüber der aktuellen gerichtlichen Einzelfallprüfung. Die mit der EmpCo-RL verbundenen Änderungen gehen dabei zu Lasten der Übersichtlichkeit der UGP-Richtlinie.56 Den größeren Beitrag zur Rechtssicherheit liefert die Green Claims-RL im Hinblick auf ausdrückliche Umweltaussagen. Die vorgesehene ex ante Überprüfung und Zertifizierung gewährleistet Unternehmen die unionsweite Verbreitung der ausdrücklichen Umweltaussage.
Angesichts des erheblichen Begründungs- und Informationsaufwands ist davon auszugehen, dass zukünftig deutlich weniger mit Umweltaussagen geworben werden wird. Für diejenigen Unternehmen, die den (Kosten-)Aufwand nicht scheuen, dürfte mit der Zertifizierung einer Umweltaussage ein erheblicher Wettbewerbsvorteil einhergehen. Diesen gibt es aber nicht umsonst. Die erforderliche Begründung jeder einzelnen ausdrücklichen Umweltaussage, die wiederum u.a. die Ermittlung sämtlicher Umweltauswirkungen voraussetzt, ist kostspielig.57 Die EU-Kommission geht von Kosten in Höhe von 500 € bis 54.000 € pro Umweltaussage aus.58 Aufgrund der vorgesehenen Aktualisierungspflicht handelt es sich hierbei auch nicht bloß um einmalige Aufwendungen.59 Die Beantragung der Überprüfung und Zertifizierung wird zusätzliche Kosten verursachen.60 Hinzu kommt noch der durch die Zertifizierungspflicht bedingte Zeitfaktor; schnell und aktuell aufgesetzte umweltbezogene Werbeaktionen dürften damit der Vergangenheit angehören. Die EU-Kommission ist sich der erheblichen Belastungen bewusst und nimmt daher Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten und einem Jahresumsatz von höchstens zwei Millionen Euro von einigen Verpflichtungen bezüglich der Begründung (Art. 4 Abs. 3 Green Claims-RL-E), Kommunikation (Art. 5 Abs. 7 Green Claims-RL-E), Überprüfung und Zertifizierung (Art. 10 Abs. 3 Green Claims-RL-E) aus. Diese strengen Voraussetzungen erfüllen jedoch nur die wenigsten Unternehmen.
Es ist zu befürchten, dass Unternehmen von den Regulierungsvorschriften und dem damit verbundenen Zeit- und Kostenaufwand abgeschreckt und gänzlich auf einen Hinweis auf tatsächlich vorhandene positive Umweltauswirkungen verzichten werden.61 Die damit angesprochene Problematik des sog. „Greenhushings“ kann auch aktuell schon beobachtet werden, allerdings aus anderen Gründen: Die bestehende Rechtsunsicherheit und Angst vor einem öffentlichkeitswirksamen Greenwashing-Vorwurf hält Gewerbetreibende bereits jetzt teilweise von entsprechenden Kennzeichnungen ab.62 Selbst wenn die Regelungsvorhaben zu mehr Rechtssicherheit beitragen und Greenwashing-Vorwürfe entkräften können, wäre dem Verbraucher- und Umweltschutz nicht geholfen, wenn Unternehmen aus Kosten- und Praktikabilitätsgründen von der Werbung mit positiven Umwelteigenschaften Abstand nähmen. Einige Unternehmen dürften sich dann gleich auch ernsthaft die Frage stellen, ob sie bei der Entwicklung neuer Produkte zukünftig überhaupt noch auf positive Umwelteigenschaften achten sollten. Denn der Anreiz, in umweltfreundliche Produkte und Technologien zu investieren, fällt selbstverständlich geringer aus, wenn die entsprechenden Eigenschaften nicht als Verkaufsargument nach außen kommuniziert werden können.63 Insgesamt besteht somit die Gefahr, dass Green Claims eher zu einem Indikator für die Finanzstärke eines Unternehmens verkommen, sie dem Verbraucher aber nicht (mehr) bei der Abgrenzung eines Produkts von weniger nachhaltigeren Produkten dienen. Diese Auswirkungen liefen den eigentlichen Regelungszielen zuwider. Sie zeigen gleichzeitig, wie wichtig der finanzielle Aufwand für das Gelingen der Regelungsvorhaben sein wird. Die nach wie vor stetig steigende Bedeutung von Umweltgesichtspunkten bei der Kaufentscheidung lassen hoffen, dass die Mehrzahl der Unternehmen trotz des mit der Bewerbung verbundenen Aufwands weiter in umweltfreundliche Produkte und Technologien investieren werden.
Das mit der EmpCo-RL und der Green Claims-RL verfolgte Ziel, eine informierte Kaufentscheidung zu ermöglichen, droht zudem verfehlt zu werden, wenn die zur Substantiierung einer Umweltaussage bereitzustellenden umfangreichen Informationen die Aufnahmefähigkeit oder -bereitschaft der Verbraucher übersteigen.64
Die EmpCo-RL und die Green Claims-RL senden das wichtige Signal, dass die EU Greenwashing als Problem erkannt hat und bereit ist, dieses mit durchaus einschneidenden Mitteln zu bekämpfen. Die Regelungen scheinen im Zusammenspiel auch durchaus geeignet, den Verbraucherschutz durch verlässliche und substantiierte Umweltaussagen zu stärken und Rechtseinheitlichkeit und -sicherheit innerhalb der EU zu fördern. Aufgrund des zukünftig mit der Werbung mit Umweltaussagen verbundenen erheblichen Aufwands für Unternehmen bleiben gleichwohl große Fragezeichen, ob die Stärkung des Verbraucherschutzes nicht im Ergebnis zu einer ungewollten Schwächung des Umweltschutzes führen wird. Damit wäre keiner der betroffenen Parteien geholfen. Am Ende des Tages wird es für den ganzheitlichen Erfolg des Regelungsvorhabens entscheidend sein, einen angemessenen Ausgleich zwischen ausreichender Information der Verbraucher und zumutbarem Aufwand für die Gewerbetreibenden zu finden. Die Möglichkeit zur Nachjustierung besteht, solange die Green Claims-RL noch nicht verabschiedet ist.
Ungeachtet ihrer Inhalte zeichnen sich die EmpCo-RL und die Green Claims-RL durch die für EU-Rechtsakte fast schon typische Komplexität der Vorschriften aus.65 Das Zusammenspiel zweier Richtlinien, die sich auf verschiedene Formen von Umweltaussagen beziehen und sich dabei ineinandergreifender Definitionen und Verweise auf andere Rechtstexte bedienen, erschwert die Verständlichkeit. Auch in Sachen Klarheit und Stringenz der Rechtstexte besteht Verbesserungspotenzial. Insbesondere der Entwurf der Green Claims-RL enthält zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe, ohne deren Konkretisierung Anwendungsschwierigkeiten zu erwarten sind.66 Beispielsweise erlaubt Art. 5 Abs. 2 Green Claims-RL-E nur solche ausdrücklichen Umweltaussagen, die im Hinblick auf den Lebenszyklus von Bedeutung sind. Wo die Grenzen der Bedeutsamkeit verlaufen, lässt der Entwurf allerdings offen.
Ob die Regelungsvorhaben der EU zur Bekämpfung von Greenwashing ausreichend sind oder gar überschießende Wirkung67 entfalten werden, wird sich erst nach Umsetzung der Richtlinien zeigen. Jedenfalls stellt die EU-weite Harmonisierung der rechtlichen Bewertung von Green Claims einen grundsätzlich zu begrüßenden ersten Schritt dar.68