Sprache auswählen
Zitiervorschlag: Schneider/Hanifi-Atashgah, LRZ 2022, Rn. 147, [●], www.lrz.legal/2022Rn147.
Permanente Kurz-URL: LRZ.legal/2022Rn147
Mit dem Referentenentwurf für ein Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften soll das Format der virtuellen Hauptversammlung dauerhaft im Aktienrecht etabliert werden. Der Beitrag unterzieht den Entwurf einer kritischen Analyse und beleuchtet die bisherige Praxis zu ausgewählten Themenbereichen aus Sicht der betroffenen Gesellschaften.
Die Durchführung von Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften1 ohne Präsenz der Aktionäre wird bereits im Schrifttum diskutiert, seitdem mit der Verbreitung des Internets die grundlegenden technischen Voraussetzungen gegeben sind.2 Mit dem TransPuG3 wurde im Jahr 2002 erstmals die Möglichkeit vorgesehen, auf Grundlage einer entsprechenden Ermächtigung in der Satzung oder der Geschäftsordnung für die Hauptversammlung eine Hauptversammlung per Bild und Ton außerhalb des Versammlungsortes zu übertragen. Basierend auf der Aktionärsrechtrichtlinie4 wurde dann im Jahr 2009 mit dem ARUG5 die Möglichkeit vorgesehen, dass Aktionäre mithilfe elektronischer Medien zur Teilnahme an der Hauptversammlung zugelassen werden können, wenn die Gesellschaft eine solche Erleichterung der Teilnahme vorsieht. Allerdings blieb es dennoch bei dem Leitbild der physischen Hauptversammlung; insbesondere musste in jedem Fall den Aktionären die physische Präsenz bei der Hauptversammlung ermöglicht werden, die dies wünschten.
In den folgenden zehn Jahren spielten diese neuen Möglichkeiten in der Praxis der Aktiengesellschaften nahezu keine Rolle. Auch wenn viele Aktiengesellschaften entsprechende Ermächtigungen in ihre Satzungen aufnahmen, wurde von den Möglichkeiten tatsächlich kein Gebrauch gemacht. Mit Beginn der COVID-19-Pandemie in Deutschland Anfang 2020 und den damit verbundenen Kontaktbeschränkungen und Lockdowns wurde praktisch über Nacht alles anders.
Mit dem COVMG6 eröffnete der Gesetzgeber bereits Ende März 2020 Aktiengesellschaften die Möglichkeit, Hauptversammlungen vollständig ohne physische Präsenz der Aktionäre durchzuführen. Von dieser Möglichkeit machte die Praxis in der Folge intensiv Gebrauch – auch weil die bisherigen Bedenken und praktischen Hindernisse im Hinblick auf die Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung aufgegriffen wurden. Entsprechend fand die Hauptversammlungssaison 2020 nahezu vollständig virtuell statt, und schnell bildeten sich erste Usancen und Best Practices heraus. Im Oktober 2020 wurden die Maßnahmen mit der GesRGenRCOVMVV7 zunächst noch in unveränderter Form bis Ende 2021 verlängert. Bei der erneuten Verlängerung der Maßnahmen durch Art. 15 des AufbhG8 wurden dann erste Anpassungen vorgenommen, um ersten Erfahrungen Rechnung zu tragen und die Aktionärsrechte im Vergleich zur ursprünglichen Fassung des COVMG aufzuwerten.
Nunmehr liegt mit dem Referentenentwurf des Justizministeriums ein Entwurf für ein Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften9 auf dem Tisch, um das Format der virtuellen Hauptversammlung dauerhaft im Aktienrecht zu etablieren. Dabei soll der Entwurf einerseits den bisherigen Erfahrungen und herausgebildeten Best Practices Rechnung tragen; andererseits soll er dauerhaft ein Gleichgewicht zwischen der Gewährleistung der Aktionärsrechte und den Praktikabilitätsbedürfnissen der Aktiengesellschaften herstellen. Im Ergebnis soll die virtuelle Hauptversammlung der physischen Versammlung so weit wie möglich angenähert und dauerhaft als echte Alternative zu dieser etabliert werden. Der Referentenentwurf ist ein guter Anlass, die bisherige Praxis zu ausgewählten Themenbereichen einmal aus Sicht der Gesellschaften näher zu beleuchten.
Nahezu alle Aktiengesellschaften haben seit Beginn der COVID-19-Pandemie erste Erfahrungen mit der Durchführung virtueller Hauptversammlungen gesammelt. Dabei trafen sie nach allgemeiner Wahrnehmung in der Praxis auf keine nennenswerten Probleme bei der Vorbereitung und Durchführung.
Im Wesentlichen lassen sich zwei Formen der Durchführung beobachten, die in der Begründung zum Referentenentwurf auch für die Zukunft ausdrücklich als zulässig erachtet werden.10 Während größere Publikumsgesellschaften in der Regel unter Einschaltung eines professionellen Anbieters für HV-Dienstleistungen ein HV-Portal für die Durchführung der Hauptversammlung nutzen, greifen kleinere Aktiengesellschaften mit überschaubarem Aktionärskreis auf existierende Videokonferenzsysteme zurück. Wesentlicher Unterschied ist, dass derzeit bei der Verwendung eines HV-Portals anders als bei der Benutzung eines Videokonferenzsystems regelmäßig (noch) keine Zwei-Wege-Kommunikation per Video möglich ist; hierzu muss ergänzend ein Tool für Videoübertragungen genutzt werden.
Im Folgenden sollen vor diesem Hintergrund einige wesentliche Aspekte der Vorbereitung (3.) und Durchführung (4.) der virtuellen Hauptversammlung unter den aktuellen Regelungen des COVMG sowie – soweit abweichend – nach dem AktG in der Fassung nach dem Referentenentwurf des Gesetzes zur Einführung virtueller Hauptversammlungen aus praktischer Sicht erläutert werden.
Zunächst stellt sich aus Sicht der Gesellschaft und ihrer Verwaltung die grundsätzliche Frage, ob die kommende Hauptversammlung physisch oder virtuell durchgeführt werden soll. Nach dem COVMG trifft die Entscheidung hierüber der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats, vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 COVMG. Dabei stellt – trotz der teilweisen Einschränkungen der Aktionärsrechte, die mit der bisherigen Regelung des COVMG verbunden sind – die virtuelle Hauptversammlung keine „Hauptversammlung zweiter Klasse“ dar. Die Verwaltung der Gesellschaft kann daher unabhängig von den Gegenständen der Tagesordnung, die zur Beschlussfassung anstehen, die Durchführung einer virtuellen Versammlung anordnen. Insbesondere bei „kritischen“ Tagesordnungspunkten wie umwandlungsrechtlichen Maßnahmen und Squeeze-out-Beschlüssen hat die Rechtsprechung mittlerweile klargestellt, dass die entsprechenden Beschlüsse nicht deshalb anfechtbar oder nichtig sind, weil sie in einer virtuellen Versammlung gefasst wurden.11
Hieran soll sich auch nach dem Referentenentwurf nichts ändern.12 Allerdings soll die Zuständigkeit für die Entscheidung zur Durchführung der virtuellen Hauptversammlung eine andere sein: Entweder die Satzung selbst – und damit im Ergebnis die Hauptversammlung – ordnet die virtuelle Hauptversammlung unmittelbar an oder sie ermächtigt den Vorstand dazu, seinerseits die Durchführung der Hauptversammlung in virtueller Form anzuordnen – nunmehr ohne dass dies noch der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf (vgl. Art. 118a Abs. 1 Satz 1 AktG-E). Nach dem Referentenentwurf soll die Satzungsregelung in beiden Fällen auf maximal fünf Jahre ab Eintragung der Satzungsänderung befristet sein. Dies soll unter anderem sicherstellen, dass die Entscheidung für die virtuelle Hauptversammlung in regelmäßigen Abständen eine neue Legitimation erfährt und dadurch gestärkt wird.13 Die Entwurfsverfasser haben hierbei an den Fall einer möglichen Änderung der Aktionärsstruktur gedacht, der eine Überprüfung der Entscheidung für eine virtuelle Hauptversammlung erforderlich machen könnte.14 Zwar sind derartige zeitliche Befristungen im Aktienrecht nicht unbekannt, etwa hinsichtlich des Vergütungssystems für den Vorstand bei börsennotierten Aktiengesellschaften (vgl. § 120a Abs. 1 Satz 1 AktG) oder für die Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien (§ 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG), den Beschluss über genehmigtes Kapital (§ 202 Abs. 1 AktG) oder die Ermächtigung zur Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen (§ 221 Abs. 1 Satz 1 AktG). Zumindest für den Fall der Ermächtigung des Vorstands ist aber nicht ersichtlich, warum hier eine zeitliche Begrenzung auf fünf Jahre notwendig sein sollte.
Die Entscheidung des Vorstands darüber, ob die Hauptversammlung in physischer oder in virtueller Form abgehalten werden soll, ist eine Ermessensentscheidung. Während unter dem derzeitigen Regime des COVMG naturgemäß das aktuelle Pandemiegeschehen noch einen bestimmenden Faktor bei der Ermessensausübung darstellt, werden zukünftig andere Aspekte – wie etwa die Kosten der Durchführung oder der Aktionärskreis – eine größere Rolle spielen. In der Begründung zum Referentenentwurf wird dabei ausdrücklich klargestellt, dass die virtuelle Hauptversammlung eine vollwertige Versammlungsform darstellt und daher insbesondere auch Strukturmaßnahmen soll beschließen dürfen.15 Dem ist insbesondere vor dem Hintergrund zuzustimmen, dass nach dem Referentenentwurf künftig die Rechte der Aktionäre gegenüber der bisherigen virtuellen Versammlung gestärkt werden. Dies hat zugleich zur Folge, dass die Anforderungen an die technische Durchführung der Hauptversammlung und die Vorbereitung durch die Gesellschaft und damit auch die Kosten künftig steigen werden. Es steht vor diesem Hintergrund zu erwarten, dass sich gerade für kleine und mittlere Aktiengesellschaften die Kostenvorteile einer virtuellen Hauptversammlung künftig relativieren werden.
Bereits unmittelbar mit Inkrafttreten des COVMG waren für die Durchführung der virtuellen Hauptversammlung einige zwingende Erfordernisse einzuhalten.
Dies betrifft zunächst die Bild- und Tonübertragung der gesamten Versammlung. Wurde zuvor im Rahmen physischer Versammlungen in der Praxis allenfalls bei größeren Publikumsgesellschaften die Rede des Vorstands übertragen, ist es nunmehr erforderlich, die Übertragung der gesamten Hauptversammlung sicherzustellen. Die Bandbreite der Lösungen in der Praxis ist dabei groß: Während bei Versammlungen mit überschaubarem Aktionärskreis gängige Videokonferenzsysteme genutzt werden, werden bei größeren Hauptversammlungen hierauf spezialisierte externe Anbieter hinzugezogen. Dabei sind von einfachen Lösungen mit nur einer Kameraeinstellung bis zu höchst aufwendig inszenierten Hauptversammlungen mit Einspielern, diversen Kameraeinstellungen und eigener Bildregie zahlreiche Spielarten zu beobachten. Größere technische Probleme sind jedoch bislang in der Praxis nicht aufgetreten. Zwar erfordert die Videoübertragung ein vergleichsweise hohes Volumen zu übertragender Daten; dies wird jedoch in der Praxis im Vorfeld der Hauptversammlung regelmäßig überprüft, um ggf. mit weiteren Maßnahmen eine reibungslose Übertragung zu gewährleisten. Hieran wird sich auch in Zukunft voraussichtlich nichts ändern.
Bereits nach dem COVMG werden einige typische Bestandteile der physischen Hauptversammlung auf den Zeitraum vor der Versammlung verlagert. Diese Tendenz soll nach dem Referentenentwurf künftig noch deutlich verstärkt werden.16 Im Einzelnen betrifft dies zunächst die Beantwortung von Fragen (3.2.2.1), künftig zusätzlich den Bericht des Vorstands (3.2.2.2) sowie etwaige Stellungnahmen der Aktionäre (3.2.2.3).
Nach dem COVMG ist aktuell vorgesehen, dass Fragen der Aktionäre nach Vorgabe des Vorstands bis spätestens einen Tag vor der Versammlung an die Gesellschaft zu übermitteln sind und dann in der Versammlung selbst beantwortet werden können.
Nach den bisherigen Erfahrungen hat sich dieses Verfahren aus Sicht der Aktiengesellschaften bestens bewährt. Einerseits kann die Verwaltung (bei Bedarf unter Einschaltung interner Mitarbeiter bzw. externer Berater) die Antworten auf die konkret gestellten Fragen bereits im Vorfeld der Hauptversammlung vorbereiten, zumal derzeit keine Möglichkeit der Aktionäre vorgesehen ist, Nachfragen zu stellen. Damit entfällt aus Sicht der Gesellschaft zugleich die – ansonsten häufig extrem aufwendige – Vorbereitung auf erwartbare Fragen sowie das Vorhalten eines größeren Backoffice-Bereichs und eines zugehörigen Prozesses zur Verteilung, Beantwortung und Freigabe der Fragen und Antworten. Andererseits können nach dem Regime des COVMG Ablauf und Dauer der Hauptversammlung aktuell sehr viel besser eingeschätzt werden, als dies bei physischen Versammlungen in der Vergangenheit der Fall war – auch wenn derzeit keine ausdrückliche Möglichkeit im COVMG vorgesehen ist, die Anzahl der Fragen pro Aktionär oder insgesamt zu begrenzen.
Die Beantwortung der Fragen ist allerdings einer der Themenbereiche, die nach dem Referentenentwurf für künftige virtuelle Versammlungen deutlich anders geregelt werden soll als bisher.
Erstens soll der Vorstand nunmehr ausdrücklich in der Einberufung anordnen müssen, dass Fragen nur im Vorfeld der Versammlung zu übermitteln sind, vgl. § 131 Abs. 1a AktG-E. Dabei räumt der Referentenentwurf gegenüber dem aktuellen Status freilich mit vier Tagen vor der Versammlung eine noch deutlich längere Frist zur Beantwortung der Fragen ein (während unter dem COVMG die zunächst vorgesehene zweitägige Frist später auf einen Tag verkürzt wurde). Angesichts des Wortlauts der Regelung ist dabei eher davon auszugehen, dass diese Frist eine starre Frist ist und der Vorstand keine kürzere Frist anordnen dürfte.17 Im Übrigen ist aufgrund der positiven Erfahrungen in den bisherigen virtuellen Hauptversammlungen davon auszugehen, dass der Vorstand von dieser Möglichkeit in aller Regel Gebrauch machen dürfte.
Zweitens soll der Vorstand den Umfang der Einreichung von Fragen in der Einberufung angemessen beschränken und das Recht zur Einreichung von Fragen auf ordnungsgemäß angemeldete Aktionäre beschränken dürfen, vgl. § 131 Abs. 1b AktG-E. Ob Gesellschaften in der Praxis tatsächlich von dieser Möglichkeit Gebrauch machen würden, bleibt abzuwarten und wird wesentlich von den ersten Erfahrungen mit den neuen Regelungen – soweit sie letztlich tatsächlich Niederschlag im AktG finden – abhängen.18
Drittens sind die gestellten Fragen allen Aktionären zugänglich zu machen. Dabei soll es nach der Begründung zum Referentenentwurf ausreichen, dass die Fragen nach Ablauf der Einreichungsfrist gesammelt veröffentlicht werden.19 Allerdings fehlt es derzeit an einer Klarstellung im Gesetz, dass Fragen, für die der Vorstand nach § 131 Abs. 3 AktG die Antwort verweigern darf, konsequenterweise auch nicht veröffentlicht werden müssen.20 Im Übrigen wäre es wünschenswert, wenn zusätzlich zu den bisher vorgesehenen Regelungen ein Gleichlauf mit der Frist in § 131 Abs. 3 Nr. 7 AktG hergestellt würde, sodass der Vorstand bei vorheriger Veröffentlichung von Frage und zugehöriger Auskunft der Gesellschaft von einer Beantwortung der Frage in der Versammlung absehen könnte.
Viertens ist bei einer Anordnung der Übermittlung von Fragen im Vorfeld der Versammlung denjenigen Aktionären, die von ihrem Fragerecht Gebrauch gemacht haben, eine Möglichkeit zur Nachfrage einzuräumen, vgl. § 131 Abs. 1d AktG-E, wobei diese in einem sachlichen Zusammenhang zu den vorab eingereichten Fragen und Antworten des Vorstands stehen müssen. Dabei ist nicht erforderlich, den betreffenden Aktionären eine elektronische Teilnahme zu ermöglichen; vielmehr soll es ausreichen, dass Nachfragen auch per E-Mail, über die Chat-Funktion der genutzten Software oder durch das HV-Portal – falls genutzt – gestellt werden können.21 Zudem lässt sich aus der Formulierung („zu der vorab eingereichten Frage“) schließen, dass die Aktionäre ausschließlich Nachfragen zu ihren eigenen Fragen und den darauf erhaltenen Antworten sollen stellen dürfen.22
Dieses neu vorgesehene Nachfragerecht wird aus Sicht der Gesellschaft das Problem aufwerfen, ob sie bei virtuellen Versammlungen nach dem Referentenentwurf zumindest teilweise wieder zur alten Praxis zurückkehren sollten, Antworten auf mögliche Nachfragen vorzubereiten und während der Hauptversammlung erneut ein echtes Backoffice vorzuhalten. Gegebenenfalls könnte dies in Zukunft jedoch weitgehend vermieden werden: Einerseits können aufgrund der Vorbereitungszeit die Antworten auf die erhaltenen Fragen so vorbereitet werden, dass Nachfragen so weit wie möglich ausgeschlossen werden können. Andererseits lässt sich anhand der gestellten Fragen in der Praxis vermutlich recht gut einschätzen, zu welchen Themenkomplexen überhaupt mit Nachfragen zu rechnen ist, so dass dann zumindest kurzfristig entschieden werden kann, ob und in welchem Umfang ein Backoffice einzurichten ist und welche Mitarbeiter und Berater sich ggf. lediglich für punktuelle Rückfragen – beispielsweise telefonisch – bereithalten sollten.
Schließlich ist im Referentenentwurf ausdrücklich vorgesehen, dass die Möglichkeit geschaffen werden muss, dass Aktionäre die Protokollierung einer nicht ausrechenden Beantwortung verlangen können. Hierfür ist die Übermittlung per elektronischer Kommunikation ausreichend. Wenn daher die Versammlung nicht unter Nutzung eines Videokonferenzsystems durchgeführt wird, ist eine Übermittlung des Verlangens per E-Mail, Chat-Funktion oder über ein Kommentarfeld im HV-Portal denkbar.
Nach der bisherigen Praxis hält der Vorstand auch im Rahmen einer virtuellen Hauptversammlung seine Rede in der Hauptversammlung selbst. Jedoch hat sich bereits in den letzten Jahren als Best Practice etabliert, dass die Vorstandsrede bzw. die Präsentationsunterlagen, die seiner Rede zugrunde liegen, auf der Homepage der Gesellschaft veröffentlicht werden – freilich nicht notwendigerweise bereits im Vorfeld der Hauptversammlung.
Diese Best Practice greift der Referentenentwurf auf und sieht vor, dass die Veröffentlichung des Vorstandsberichts oder seines wesentlichen Inhalts spätestens sechs Tage vor der Versammlung ein zwingendes Erfordernis bei der Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung werden soll, vgl. § 118a Abs. 1 Nr. 5 AktG-E.
Bemerkenswert ist, dass der Begriff des „Berichts des Vorstands“ im AktG nicht genauer beschrieben wird. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass der Bericht die in § 176 Abs. 1 Satz 2 AktG vorgesehenen Inhalte enthalten muss; zudem hat er bei einer außerordentlichen Hauptversammlung bei Verlust des hälftigen Grundkapitals nach § 92 Abs. 1 AktG zwingend auch hierzu Ausführungen zu enthalten. Im Übrigen hat sich freilich in der Praxis der Standard etabliert, dass der Vorstand zunächst Rechenschaft über das abgelaufene Geschäftsjahr gibt, gefolgt von Ausführungen zur aktuellen Lage der Gesellschaft sowie ggf. weitergehenden Ausführungen.23
Offen bleibt freilich nach dem Referentenentwurf, ob die Veröffentlichung des Vorstandsberichts in jedem Fall erforderlich sein wird oder lediglich im Rahmen der ordentlichen Hauptversammlung. Hier wäre im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine Klarstellung dahingehend wünschenswert, dass die Veröffentlichung des Vorstandsberichts nur in den Fällen erforderlich ist, in denen ein solcher Bericht in einer physisch durchgeführten Hauptversammlung auch tatsächlich erstattet würde, also im Fall der ordentlichen Hauptversammlung nach den §§ 175 ff. AktG.
Die Pflicht zur Veröffentlichung stellt zwar aus Sicht der Gesellschaft ein weiteres Erfordernis bei der Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung dar. Allerdings kann die Verwaltung – positiv gewendet – die Vorabveröffentlichung des Berichts in der Praxis künftig als einen wichtigen Baustein im Rahmen einer guten Investor-Relations-Arbeit nutzen.
Mitunter wurden bereits in der Vergangenheit bei virtuellen Hauptversammlungen Stellungnahmen von Aktionären übermittelt; vereinzelt wurden Stellungnahmen in Form von Audio- oder Videobotschaften anschließend sogar auf Hauptversammlungen eingespielt.
Die Möglichkeit zur Übermittlung derartiger Stellungnahmen im Wege der elektronischen Kommunikation soll nun im Referentenentwurf als zwingendes Erfordernis für die Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung festgeschrieben werden. Einzelheiten sind in § 130a Abs.1 bis 3 AktG-E geregelt. Danach sind Stellungnahmen bis spätestens vier Tage vor der Versammlung zu übermitteln; in diesem Fall trifft die Gesellschaft die Pflicht, die eingereichten Stellungnahmen allen Aktionären zugänglich zu machen. Der Vorstand kann den Umfang der Stellungnahmen angemessen beschränken; in der Praxis ist hier insbesondere an eine Begrenzung nach Zeichen (für geschriebene Texte) oder eine maximale Dateigröße oder Länge (bei Audio- oder Videobeiträgen) zu denken.
Welche Rolle die Möglichkeit solcher Stellungnahmen aus praktischer Sicht spielen wird, bleibt abzuwarten. Vorstellbar ist, dass sich professionelle, kurzfristig eingereichte Stellungnahmen zu einem möglichen Instrument aktivistischer Aktionäre entwickeln könnten.
Auch eine virtuelle Hauptversammlung hat zwingend an einem bestimmten Versammlungsort stattzufinden; „virtuell“ bedeutet in diesem Zusammenhang lediglich, dass die Versammlung ohne physische Präsenz der Aktionäre stattfindet (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 COVMG sowie die Legaldefinition in § 118a Abs. 1 Satz 1 AktG-E). Über die Teilnahme der Mitglieder der Verwaltung oder anderer bei der Hauptversammlung beteiligter Personen ist damit noch nichts gesagt.
Angesichts des Umstands, dass die aktuellen Regelungen zur virtuellen Hauptversammlung unter dem Eindruck der COVID-19-Pandemie erlassen wurden, ist es wenig verwunderlich, dass im Vergleich zu einer physischen Hauptversammlung die Anwesenheitspflichten aktuell deutlich herabgesetzt sind. So kann der Vorstand aktuell auch ohne Vorliegen einer entsprechenden Satzungsregelung nach § 118 Abs. 3 Satz 2 AktG vorsehen, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats im Wege der Bild- und Tonübertragung statt persönlich teilnehmen.
Der Referentenentwurf sieht demgegenüber in § 118a Abs. 2 AktG-E einige Änderungen und Präzisierungen vor. Einerseits geht er von einer grundsätzlichen Präsenzpflicht der Mitglieder des Aufsichtsrats aus; soll daher künftig eine Zuschaltung ausreichen, muss dies nach § 118 Abs. 3 Satz 2 AktG ausdrücklich in der Satzung ermöglicht werden. Anderenfalls besteht für den Aufsichtsrat nach dem Referentenentwurf wieder eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht. Zudem wird klargestellt, dass auch der Versammlungsleiter (der in der Praxis häufig, aber eben nicht zwingend der Aufsichtsratsvorsitzende sein wird) physisch an der Versammlung teilzunehmen hat, ebenso wie der Abschlussprüfer in den Fällen, in denen die Hauptversammlung nach § 176 Abs. 2 AktG ausnahmsweise über die Feststellung des Jahresabschlusses der Gesellschaft beschließt. Daneben wird in der Praxis häufig die Anwesenheit eines Notars (bei börsennotierten Gesellschaften oder bei beurkundungspflichtigen Tagesordnungspunkten) erforderlich sein.
Zwar weicht der Wortlaut in § 118a Abs. 2 AktG-E vom Gesetzestext in § 118 Abs. 3 AktG ab. Es ist jedoch davon auszugehen, dass in begründeten Fällen, wie z.B. im Falle von Krankheit, die Anwesenheitspflicht ebenso entfällt wie dies für § 118 Abs. 3 AktG anerkannt ist, und im Rahmen der virtuellen Versammlung insoweit keine abweichende Beurteilung gewollt ist.24
Hinsichtlich des Rechts der Aktionäre, Anträge zu übermitteln und diese in der Hauptversammlung zu stellen, ist zwischen Gegenanträgen im Sinne von § 126 AktG sowie sonstigen Anträgen (in der Praxis insbesondere Geschäftsordnungsanträgen bzw. Anträgen zur Abwahl des Versammlungsleiters) zu unterscheiden.
Bei Gegenanträgen im Sinne von § 126 AktG bestand unmittelbar nach Einführung des COVMG zunächst Unsicherheit in der Praxis darüber, ob Gegenanträge, die rechtzeitig im Vorfeld übermittelt worden und zu veröffentlichen waren, in der Versammlung als gestellt gelten sollten oder nicht. Schon bald bildete sich dann allerdings die Praxis heraus, dass derartige Gegenanträge in der Hauptversammlung als gestellt gelten sollten, sofern der Gegenantrag nach § 126 Abs. 2 AktG zugänglich zu machen und der betreffende Aktionär ordnungsgemäß legitimiert und zur Versammlung angemeldet war. Diese Best Practice findet sich nunmehr auch in der aktuellen Fassung des COVMG (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 3 COVMG).
Auch der Referentenentwurf enthält in § 126 Abs. 4 AktG-E eine entsprechende Regelung. Ergänzt wird diese Fiktion allerdings durch die für die Praxis nicht ganz unproblematische Verpflichtung für die Gesellschaft, ab dem Zeitpunkt der Zugänglichmachung zu ermöglichen, dass die Aktionäre über diesen Gegenantrag abstimmen. Bliebe es bei dieser Regelung, hätte dies für die Praxis zur Folge, dass im Rahmen der elektronischen Briefwahl zeitgleich mit der Veröffentlichung eine weitere Abstimmungsmöglichkeit vorgesehen werden müsste, etwa durch Hinzufügen einer entsprechenden Abstimmungsmöglichkeit im Rahmen des HV-Portals.25 Zudem wären Formulare für Stimmrechtsvollmachten umgehend um den Gegenantrag zu ergänzen – oder überhaupt erst nach Ablauf der Frist des § 126 Abs. 1 Satz 1 AktG den Aktionären zur Verfügung zu stellen.
Zwei weitere praktische Probleme schließen sich an. Einerseits lassen die bisherigen Regelungen wie auch der Referentenentwurf und seine Begründung offen, ob ein übermittelter und bereits veröffentlichter Gegenantrag vom betreffenden Aktionär wieder zurückgenommen werden kann. Dagegen spricht, dass andere Aktionäre – jedenfalls nach Ablauf der Frist des § 126 Abs. 1 Satz 1 AktG – davon ausgehen durften, dass der Antrag in der Hauptversammlung als tatsächlich gestellt gilt, und ggf. sogar bereits im Vorfeld in diesem Sinne ihr Stimmrecht ausgeübt haben.26 Andererseits ergibt sich die Schwierigkeit, dass nach Ablauf der Frist des § 126 Abs. 1 Satz 1 AktG keine Möglichkeit mehr besteht, weitere Gegenanträge in der Hauptversammlung zu stellen. Damit entfällt die Möglichkeit, kurzfristig auf neue Entwicklungen unmittelbar vor der Hauptversammlung zu reagieren.
Für Anträge, die keine Gegenanträge im Sinne des § 126 AktG sind, findet sich im aktuell anwendbaren COVMG keine Regelung. Dies hat derzeit aus Sicht der Gesellschaft sowie des Versammlungsleiters den angenehmen Effekt, dass das Geschehen in der virtuellen Hauptversammlung insgesamt deutlich planbarer ist als in der physischen Hauptversammlung, wo derartige Anträge gerade bei kritischen Hauptversammlungen häufig – und mitunter in instrumentalisierter Form – gestellt werden. Andererseits stellt eine derartige Beschränkung eine Beschneidung der Aktionärsrechte dar, die zwar im Rahmen der COVID-19-Pandemie hinnehmbar war und ist, künftig aber anders gehandhabt werden muss.
Vor diesem Hintergrund sieht der Referentenentwurf vor, dass Aktionären künftig im Rahmen der virtuellen Hauptversammlung zwingend die Möglichkeit einzuräumen ist, Anträge, die keine Anträge nach § 126 AktG darstellen, in der Versammlung selbst im Wege der elektronischen Kommunikation zu stellen, vgl. § 118a Abs. 1 Nr. 3 AktG-E. Nach der Begründung des RegE ist dabei insbesondere an die Nutzung des entsprechenden Textfeldes im HV-Portal oder die Übersendung einer E-Mail zu denken. Hier wird in Zukunft genau zu beobachten sein, in welcher Weise eine solche Möglichkeit gerade zur Stellung von Anträgen zur Abwahl des Versammlungsleiters von unbequemen Aktionären gezielt genutzt werden wird, auch um den Ablauf der Hauptversammlung zu stören. Freilich ist ebenso wie in der physischen Versammlung eine hinreichende Begründung für den Abwahlantrag zu fordern.
Unter dem COVMG besteht derzeit kein Recht der Aktionäre auf aktive elektronische Teilnahme an der Hauptversammlung. Vor diesem Hintergrund haben die Aktionäre nach dem derzeitigen Regime keinen Anspruch darauf, in der Hauptversammlung ihr Rederecht auszuüben. Dies gilt in der Praxis insbesondere bei größeren Hauptversammlungen, die keine Videokonferenzsysteme nutzen, sondern bei denen eine Bild- und Tonübertragung der Versammlung in einer Ein-Wege-Kommunikation erfolgt und die elektronische Kommunikation ausschließlich über das HV-Portal stattfindet.
Diesen erheblichen Eingriff in die Aktionärsrechte will der Referentenentwurf dadurch für die Zukunft vermeiden, dass Aktionären das Recht einzuräumen ist, im Wege der Videokommunikation einen Redebeitrag in der Hauptversammlung zu leisten, sofern sie dies spätestens vier Tage vor der Versammlung angemeldet haben, vgl. § 130a Abss. 4 bis 6 AktG-E.
So erforderlich diese Regelung zur Wahrung der Aktionärsrechte ist, vor so große praktische Probleme dürfte sie viele Gesellschaften gerade in der Anfangsphase stellen. Eine Zwei-Wege-Kommunikation war in den bisherigen Regelungen zur virtuellen Hauptversammlung nicht vorgesehen. Sie ist bei Hauptversammlungen von Publikumsgesellschaften, die nicht auf ein Videokonferenzsystem zurückgreifen, jedenfalls derzeit mit erheblichem Aufwand verbunden. Die meisten gängigen HV-Dienstleister sehen in ihren HV-Portalen eine solche Möglichkeit der Zwei-Wege-Kommunikation bisher nicht vor. Daher wird in der Regel ein gesonderter Anbieter für die Videokommunikation mit den Aktionären eingeschaltet werden müssen, die einen Wortbeitrag angemeldet haben.
Immerhin sieht der Referentenentwurf einige Regelungen vor, um diese praktischen Schwierigkeiten so gering wie möglich zu halten. So darf die Gesellschaft insbesondere die Form der Videokommunikation vorgeben (vgl. § 130a Abs. 4 Satz 1 AktG-E), ferner darf der Vorstand den zeitlichen Gesamtumfang und die Zahl der Wortbeiträge in der Einberufung begrenzen (§ 130a Abs. 4 Satz 2 AktG-E), lediglich angemeldete Aktionäre zur Rede zulassen (§ 130a Abs. 5 Satz 2 AktG-E) und den Wortbeitrag unter den Vorbehalt einer erfolgreichen Überprüfung der Funktionsfähigkeit vor der Hauptversammlung stellen (§ 130a Abs. 6 Satz 2 AktG-E). Schließlich sollen Redebeiträge – anders als in der physischen Hauptversammlung – keine Anträge und keine Fragen enthalten dürfen.
Gerade diese zusätzlichen Regelungen sind jedoch ihrerseits mit einer ganzen Anzahl an Unwägbarkeiten verbunden. So sind bei einer zahlenmäßigen Begrenzung der Wortbeiträge diese in strenger Reihenfolge ihres Eingangs zuzulassen. Dies kann dazu führen, dass beispielsweise Vertreter von Aktionärsvereinigungen oder Großaktionäre bei einer zu späten Anmeldung eines Redebeitrags von ihrem Rederecht ausgeschlossen werden. Daher dürfte in der Praxis eine Begrenzung der Redebeiträge über eine zeitliche Begrenzung eher wahrscheinlich sein als über eine zahlenmäßige Obergrenze. Zudem ist unklar, ob bei einer zahlenmäßigen Beschränkung der Beiträge in der Einberufung der Versammlungsleiter die Möglichkeit hat, durch Schließen der Rednerliste in der Versammlung die letzten Aktionäre von ihrem Rederecht auszuschließen, obwohl diese ihren Wortbeitrag rechtzeitig angemeldet hatten.27 Ebenso wird in der Praxis die Abgrenzung zwischen (zulässigem) Rederecht und (unzulässigem) Fragerecht bei denjenigen Aktionären schwer fallen, die bereits im Vorfeld Fragen übermittelt und nunmehr ein Recht auf Nachfragen haben.
Insgesamt bleibt daher insbesondere zu diesem Thema abzuwarten, welche Praxis sich in der ersten Zeit herausbilden wird und ob die Einräumung der Zwei-Wege-Kommunikation ggf. zu einem wesentlichen Hemmschuh bei der dauerhaften Etablierung der virtuellen Hauptversammlung werden könnte. Freilich darf man die Erwartung, die in der Begründung zum Referentenentwurf geäußert wird, dass nämlich künftig der Anteil an Aktionären steigen wird, die in der Versammlung ihr Rederecht ausüben, aus Sicht der Praxis wohl anzweifeln. Zwar haben die Präsenzen in den virtuellen Hauptversammlungen der letzten beiden Jahre tendenziell eher zugenommen – die erleichterte Teilnahme kann aber vermutlich nicht mit der vermehrten Ausübung des Rederechts gleichgesetzt werden, jedenfalls dann nicht, wenn zu dessen Ausübung eine gesonderte Anmeldung durch den Aktionär erforderlich ist.
In der virtuellen Hauptversammlung muss den Aktionären die Ausübung ihrer Stimmrechte ermöglicht werden. Nach den derzeit geltenden Regelungen nach dem COVMG ist dabei ausreichend, dass Aktionäre hierfür entweder im Wege der elektronischen Briefwahl oder durch elektronische Teilnahme ihre Stimmrechte ausüben können. Alternativ ist – wie auch im Rahmen der physischen Hauptversammlung – die Stimmrechtsausübung im Wege der Stimmrechtsvollmacht möglich.
Auch hier finden sich in der Praxis unterschiedliche Lösungen. Bei Nutzung eines Videokonferenzsystems wird regelmäßig die Stimmausübung unmittelbar im Wege der elektronischen Teilnahme ermöglicht. Bei geringen Teilnehmerzahlen und dauernder Sichtbarkeit aller Aktionäre wird dabei die Abstimmung häufig einfach per Handzeichen durchgeführt; alternativ wird bei größeren Teilnehmerzahlen oder für den Fall, dass einzelne Aktionäre ohne Bildübertragung zugeschaltet sind, das Abstimmungsverhalten reihum abgefragt. In aller Regel wird in diesem Fall keine zusätzliche Stimmabgabe per elektronischer Briefwahl angeboten, so dass Aktionäre, die nicht an der Hauptversammlung teilnehmen, für ihre Stimmabgabe regelmäßig auf den Weg der Stimmrechtsvollmacht beschränkt sind.
Bei der Nutzung eines HV-Portals hingegen erfolgt die Stimmabgabe in aller Regel über Schaltflächen in diesem Portal. Hier hat sich die gängige Praxis etabliert, dass abgegebene Stimmen bis zum Abschluss des Abstimmungsverfahrens noch geändert werden dürfen. Eine Stimmabgabe im Wege der elektronischen Teilnahme hingegen wird in diesem Fall derzeit in aller Regel nicht vorgesehen, da auch im Übrigen eine Zwei-Wege-Kommunikation jedenfalls nach dem COVMG nicht erforderlich ist. Auch wenn im Hinblick auf das Frage- und Rederecht nach dem Referentenentwurf künftig eine solche Zwei-Wege-Kommunikation erforderlich würde, steht angesichts des Aufwands derzeit nicht unbedingt zu erwarten, dass dies in der Praxis dazu führen wird, dass Aktiengesellschaften bei größeren Hauptversammlungen eine Stimmabgabe im Wege der elektronischen Teilnahme vorsehen werden.
Insgesamt lässt sich nach zwei Jahren erster Erfahrungen mit der virtuellen Hauptversammlung feststellen, dass diese für viele Gesellschaften eine Erleichterung darstellt, zugleich aber auch Aktionären den Zugang zur Hauptversammlung erleichtert. Neben erhöhten Präsenzen schlägt sich dies – jedenfalls nach dem bisherigen Regime - in einer Reduzierung der Kosten sowie einer Verschlankung in der Durchführung der Versammlungen nieder. Daneben wird in Berichten aus der Praxis immer wieder betont, dass zugleich auch die Qualität der Antworten auf Aktionärsfragen deutlich gestiegen ist. Umgekehrt leidet jedenfalls in der aktuellen Form der Durchführung in jedem Fall die Lebhaftigkeit der Debatte in der Versammlung.
Vor diesem Hintergrund ist der Referentenentwurf zur dauerhaften Verankerung der virtuellen Hauptversammlung im AktG zu begrüßen. Auch die vorgeschlagenen Regelungen gehen, wie dargestellt, in weiten Teilen in die richtige Richtung. Ob die Gesellschaften von dem neuen Instrument der virtuellen Hauptversammlung tatsächlich Gebrauch machen, bleibt diesen dann selbst überlassen. Jedenfalls für größere Publikumsgesellschaften, aber auch für Start-ups mit einem internationalen Investorenkreis dürfte die virtuelle Hauptversammlung auch in Zukunft eine attraktive Alternative zur physischen Versammlung darstellen. Daher ist zu wünschen, dass es tatsächlich gelingt, das Gesetzgebungsverfahren bis Ende August 2022 abzuschließen, bevor die aktuellen Regelungen des COVMG auslaufen.