LRZ E Zeitschrift Logo

LRZHeaderBogenRot
 

Zitiervorschlag: Wiedemann/Nasr, LRZ 2023, Rn. 200, [●], www.lrz.legal/2023Rn200.

Permanente Kurz-URL: LRZ.legal/2023Rn200

Der Auskunftsanspruch Privater nach § 21 Abs. 2 TTDSG verfehlt aus mehreren Gründen sein Ziel, den Betroffenen von Hate Speech effektiven Rechtsschutz zu gewähren. Mit dem nahenden Inkrafttreten des Digital Services Act rückt eine umfassende Reform zwar in greifbare Nähe; die Erwartungen an den Gesetzgeber sollten aber nicht zu hoch ausfallen.

1. Einleitung

Das Aufkommen digitaler Massenkommunikation hat nicht nur die Teilhabe am öffentlichen Diskurs und so die Verwirklichung der Meinungsfreiheit gefördert, sondern auch öffentliche und private Räume geschaffen, in denen Hate Speech und rechtswidrige Äußerungen nahezu unmoderiert getätigt werden konnten. Zunehmend überschreiten herabsetzende Äußerungen, aber auch Bedrohungen und die Verbreitung extremistischen Gedankenguts die Grenze zur Rechtswidrigkeit. Sie ereignen sich vielfach in den Kommentarspalten der sozialen Netzwerke oder auf den gängigen Bewertungsplattformen.

Rn200

Wer von solchen Äußerungen betroffen ist, hat Unterlassungsansprüche gem. §§ 823 ff. und § 1004 BGB analog wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Unternehmen können diese Ansprüche unter Berufung auf das Unternehmenspersönlichkeitsrecht geltend machen.

Rn201

Zur Durchsetzung dieser Ansprüche gibt es mehrere potenzielle Anspruchsgegner. Zum einen kann sich der Betroffene in der Hoffnung auf Beseitigung an den Betreiber der jeweiligen Plattform wenden. Diese sind als Störer allerdings regelmäßig dahingehend haftungsprivilegiert, dass sie erst ab Kenntnis der rechtsverletzenden Inhalte für diese verantwortlich sind. Zudem haften Störer – anders als Täter – nicht auf Schadensersatz.1 Zum anderen ist grundsätzlich auch ein direktes Vorgehen gegen den verletzenden Nutzer möglich. Dieses ist ungleich besser geeignet, zukünftigen Verstößen wirksam zu begegnen.2 Nur so kann sichergestellt werden, dass der sich Äußernde seine Äußerungen nicht immer wieder aufs Neue auf der Plattform oder auf anderen Plattformen einstellt.3 Zudem entfaltet die plattformseitige Löschung eine wesentlich geringere Abschreckungswirkung.

Rn202

Neben einem zivilrechtlichen Vorgehen bleibt die strafrechtliche Verfolgung. Eine Anzeige bei den Strafverfolgungsbehörden eröffnet zwar den Weg zu den durchschlagskräftigen strafprozessualen Standardmaßnahmen und einer Verurteilung des Täters wegen einer Straftat; die Erfolgschancen leiden aber regelmäßig unter behördlicher Überlastung oder dem Gefühl der Behörden, für das Internet nicht zuständig zu sein.

Rn203

Wenn die rechtsverletzenden Äußerungen aber – wie so häufig auf Internetplattformen – von anonymen Nutzern ausgehen, steht der Verletzte vor einem akuten Rechtsdurchsetzungsproblem.

Rn204

Zur Ermittlung der Identität einer verletzenden Person bleibt ihm lediglich die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen gegen den Betreiber der Plattform, auf der die verletzende Äußerung getätigt wurde. Dem Betreiber sind die Anmeldedaten des Nutzers bekannt – sie sind sogar seine Währung.4 Die Auskunftsansprüche gegenüber Online-Plattformen sind daher ein wesentlicher Baustein effektiver Rechtsdurchsetzung gegen Hate Speech und Straftaten im Internet.5 Einen solchen Auskunftsanspruch normiert der neue § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG, der den bisherigen § 14 Abs. 3 TMG ablöst. § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG gewährt dem Verletzten einen Anspruch auf Herausgabe von Bestandsdaten gegen den Plattformbetreiber als Anbieter von Telemedien.6 Vor dem Hintergrund des strengen unionsrechtlichen Datenschutzrechts, sind die Bedingungen für einen solchen Auskunftsanspruch allerdings eng gefasst: Plattformanbieter müssen – und dürfen – Auskunft über ihre Bestandsdaten nur erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte, die von § 10a Abs. 1 TMG oder § 1 Abs. 3 NetzDG erfasst werden, erforderlich ist.

Rn205

Der Auskunftsanspruch des § 21 Abs. 2 TTDSG ermöglicht grundsätzlich, dass nicht nur Plattformbetreiber und Behörden aufgrund der §§ 3, 3a NetzDG, sondern auch Nutzer selbst auf zivilrechtlichem Wege gegen die Autoren der gegen sie gerichteten Hate Speech und sonstiger verletzender Äußerungen vorgehen können.

Rn206

Dieser Aufsatz zeigt auf, warum § 21 Abs. 2 Satz 2 TTDSG das Ziel des effektiven Rechtsschutzes gegen Hate Speech nicht erreicht. Dabei hebt er – womöglich bewusste – Aussparungen im Anwendungsbereich der Norm hervor und zeigt, warum eine kurzfristige Bekämpfung von Hate Speech nach wie vor nur seitens Plattformbetreibern und Behörden möglich ist. Zuletzt beleuchtet der Aufsatz die Auswirkungen des unionsrechtlichen Digital Services Act (DSA), der dem deutschen NetzDG ein wesentlich weiteres Verständnis rechtswidriger Inhalte gegenüberstellt. Die Verabschiedung des DSA wirft die Frage auf, ob das NetzDG und der an ihm hängende Auskunftsanspruch gem. § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG nicht nur unzeitgemäß, sondern bald auch nicht mehr europarechtskonform sein könnten.

Rn207

2. Entstehungsgeschichte des Auskunftsanspruchs

Vorgänger des § 21 Abs. 2 TTDSG ist der im Jahr 2017 eingefügte Abs. 3 des § 14 TMG a.F.7

Rn208

Bei der ursprünglichen Fassung des § 14 Abs. 3 TMG handelte es sich allein um eine datenschutzrechtliche Ermächtigungsgrundlage, aufgrund derer Telemedienanbieter zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte gem. § 1 Abs. 3 NetzDG zur Auskunft über ihre Bestandsdaten ermächtigt – aber zunächst nicht verpflichtet waren. Ein Auskunftsanspruch konnte zuvor nur über § 242 BGB geltend gemacht werden. Das führte zu der misslichen Lage, dass der Betroffene stets zunächst die gerichtliche Anordnung zur Ermächtigung der Herausgabe von Bestandsdaten gem. § 14 Abs. 3 TMG erwirken und in einem zweiten Schritt zusätzlich den Auskunftsanspruch gem. § 242 BGB geltend machen musste, um die Identität des Verletzers zu ermitteln.8

Rn209

Im Jahr 2020 wurde der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 3 TMG a.F. auf die Fälle des § 10a TMG erweitert.9 Noch mit Wirkung zum 28. Juni 2021 wurde § 14 Abs. 3 TMG a.F. durch einen Auskunftsanspruch in dem eigens eingefügten S. 2 ergänzt,10 sodass die zweistufige Prüfung entfiel.11 Mit Geltung ab dem 1. Dezember 2021 wurde § 14 Abs. 3 TMG durch den wortgleichen § 21 Abs. 2 TTDSG ersetzt.

Rn210

3. Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 Abs. 2 TTDSG

Die Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs nach § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG gleichen denen seines Vorgängers. Passivlegitimiert sind auch hier ausschließlich Anbieter von Telemedien. Zudem kommt es entscheidend darauf an, ob absolut geschützte Rechtsgüter des Auskunftssuchenden durch rechtswidrige Inhalte verletzt worden sind.

Rn211

3.1. Anbieter von Telemedien

Der Auskunftsanspruch richtet sich nur gegen Anbieter von Telemedien. Das sind nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 1 S. 1 TMG, auf den § 2 Abs. 1 Nr. 1 TTDSG verweist, alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 61 des Telekommunikationsgesetzes, telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 63 des Telekommunikationsgesetzes oder Rundfunk nach § 2 des Rundfunkstaatsvertrags sind.

Rn212

Der Anwendungsbereich ist breit und erfasst einen Großteil der digitalen Orte, an denen rechtswidrige Äußerungen verbreitet werden. Darunter fallen insbesondere auch Social-Media-Plattformen12 und Bewertungsportale.13

Rn213

3.2. Verletzung absolut geschützter Rechte

Verletzter im Sinne des § 21 Abs. 2 TMG können sowohl natürliche als auch juristische Personen sein.14

Rn214

Ein absolut geschütztes Recht ist ein solches, das gegenüber jedermann gilt. Das wohl am häufigsten durch Hate Speech und gleichwertige Inhalte auf den Plattformen der Anbieter von Telemedien verletzte absolut geschützte Rechtsgut ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Einzelnen aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.15

Rn215

Dem Schutz von Unternehmen vor rechtswidrigen Äußerungen dient das Unternehmenspersönlichkeitsrecht, das sich verfassungsrechtlich aus Art. 2 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG herleitet16 und ebenfalls ein absolut geschütztes Recht ist. Es dient dem Schutz des sozialen Geltungsanspruchs eines Unternehmens.17 Der Schutzbereich des Unternehmenspersönlichkeitsrechts ist im Wesentlichen mit dem des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kongruent. Auch Unternehmen können sich gegen Schmähungen18 oder unwahre Tatsachenbehauptungen zur Wehr setzen.19

Rn216

Für die Frage, inwieweit ein absolut geschütztes Rechtsgut verletzt ist, kommt es immer auf die konkrete Äußerung an. Dass die widerstreitenden Grundrechtspositionen unter Berücksichtigung der äußerungsrechtlichen Grundsätze der Rechtsprechung gegeneinander abgewogen werden müssen, gilt auch für die Frage des Auskunftsanspruchs. Insofern können aus der Durchsetzung des Auskunftsanspruchs nach § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG bereits häufig Rückschlüsse auf die Erfolgsaussichten der Durchsetzung eines späteren Unterlassungsanspruchs gegen den sich Äußernden geschlossen werden.20

Rn217

3.3. Rechtswidrige Inhalte

Der Tatbestand des § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG fordert die Verletzung absolut geschützter Rechtsgüter durch rechtswidrige Inhalte gem. § 10a Abs. 1 TMG oder § 1 Abs. 3 NetzDG. Nicht jede Verletzung absolut geschützter Rechtsgüter ist auch automatisch ein rechtswidriger Inhalt und umgekehrt. Diese Einschränkung soll eine Ausuferung der Auskunftsansprüche und damit abschreckende Effekte für die nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützte freie Meinungsäußerung verhindern.21

Rn218

Die Auskunftserteilung gem. § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG muss also zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen rechtswidriger Inhalte gem. § 10a Abs. 1 TMG oder § 1 Abs. 3 NetzDG erforderlich sein. Den Verweis auf § 10a Abs. 1 TMG und § 1 Abs. 3 NetzDG hat der Gesetzgeber als bewusste Beschränkung des Auskunftsanspruchs aufgenommen.22

Rn219

Rechtswidrige audiovisuelle Inhalte im Sinne des § 10a TMG sind neben allen Katalogstraftaten nach § 1 Abs. 3 NetzDG auch unzulässige Angebote im Sinne des § 4 JMStV.23 Aufgrund des geringen Anwendungsbereichs des § 10a TMG wird es bei der Durchsetzung der Auskunftsansprüche nach § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG regelmäßig darauf ankommen, ob eine Katalogstraftat des § 1 Abs. 3 NetzDG vorliegt.

Rn220

§ 1 Abs. 3 NetzDG qualifiziert eine Vielzahl von Straftatbeständen als rechtswidrigen Inhalt.24 Von besonderer praktischer Relevanz sind bei Äußerungen im Internet naturgemäß die Äußerungsdelikte gem. §§ 185 – 187 StGB. Die von Telemedienanbietern geschaffenen Kommunikationsflächen werden insbesondere zur Begehung von Beleidigungen gem. § 185 StGB missbraucht.

Rn221

Dass die Annahme einer Beleidigung kein Selbstläufer ist, veranschaulichen die Wirrungen des Landgerichts und Kammergerichts Berlin in Bezug auf Renate Künast.25 Die mit dem Auskunftsanspruch befassten Gerichte müssen bei der Auslegung des Begriffs der Beleidigung gem. § 185 StGB und der Wahrnehmung berechtigter Interessen gem. § 193 StGB eine umfassende, bisweilen schwierige grundrechtliche Abwägung vornehmen.26 Im Fall Künast entschied das Bundesverfassungsgericht nach über zwei Jahren und vier instanzgerichtlichen Entscheidungen, dass die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet war. Praktisch dürfte der Weg durch die Instanzen den meisten Betroffenen von Schmähungen im Internet nicht offenstehen.

Rn222

Vor zusätzlichen rechtlichen Schwierigkeiten bei der Durchsetzung des Auskunftsanspruchs stehen Unternehmen. Zwar kann deren Unternehmenspersönlichkeitsrecht als absolutes Recht verletzt werden. Unternehmen können aber nur bedingt auch Opfer einer Katalogstraftat nach § 1 Abs. 3 NetzDG werden: Unternehmen gelten nur in engen Grenzen als beleidigungsfähig.

Rn223

Juristische Personen des Privatrechts sind nur taugliches Objekt einer Beleidigung, soweit sie eine anerkannte soziale Funktion erfüllen, die Fähigkeit zur einheitlichen Willensbildung besitzen und ihre Existenz nicht vom Wechsel ihrer Mitglieder abhängig ist.27 Für viele Wirtschaftsunternehmen dürften diese Bedingungen nicht erfüllt sein. In der Praxis können sich Unternehmen bei der Durchsetzung zivilrechtlicher Auskunftsansprüche daher häufig nicht auf den Tatbestand des § 185 StGB berufen. Dafür können Unternehmen Auskunftsansprüche bei geschäftsschädigenden Falschbehauptungen im Internet geltend machen. Unternehmen sind vor Verleumdungen gem. § 187 StGB geschützt, wenn die unwahre Tatsachenbehauptung geeignet ist, ihren Kredit zu gefährden. Mit der Kreditgefährdung nach Alt. 3 ist § 187 StGB auf ein anderes Schutzgut als die Beleidigung gem. § 185 StGB gerichtet. Der Schutz der Kreditwürdigkeit von Unternehmen ist daher nicht an zusätzliche Anforderungen geknüpft.28

Rn224

4. Reichweite des Auskunftsanspruchs

Der Auskunftsanspruch des § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG ist auf die Herausgabe von Bestandsdaten beschränkt.

Rn225

Die Legaldefinition in § 2 Abs. 2 Nr. 2 TTDSG definiert Bestandsdaten als die personenbezogenen Daten, deren Verarbeitung zum Zweck der Begründung, inhaltlichen Ausgestaltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Anbieter von Telemedien und dem Nutzer über die Nutzung von Telemedien erforderlich ist. Erfasst sind also nur personenbezogene, also den Nutzer identifizierende Daten, die unabhängig von der konkreten Nutzung der Telemedien anfallen.29 Praktisch handelt es sich um Daten, die der Nutzer eines Telemediendienstes beim Vertragsschluss oder im Laufe der Nutzung selbst angibt: Das sind vor allem der Nutzername und die E-Mail-Adresse, soweit vorhanden auch die Telefonnummer.30

Rn226

Nicht erfasst sind Nutzungsdaten im Sinne des § 2Abs. 2 Nr. 3 TTDSG, also die personenbezogenen Daten eines Nutzers von Telemedien, deren Verarbeitung erforderlich ist, um die Inanspruchnahme von Telemedien zu ermöglichen und abzurechnen. Die Legaldefinition führt näher aus, dass es sich hierbei um Merkmale zur Identifikation des Nutzers, Angaben über Beginn und Ende sowie Umfang der jeweiligen Nutzung und Angaben über die vom Nutzer in Anspruch genommenen Telemedien handelt. Hierunter fallen maßgeblich die Nutzungszeitpunkte und die bei der Nutzung der jeweiligen Accounts vergebenen IP-Adressen.31

Rn227

Die Beschränkung des Anspruchs auf Bestandsdaten wird zum Problem, wo der verletzende Nutzer zur Einrichtung des Nutzerkontos einen Fantasiebenutzernamen und ein nicht nachverfolgbares E-Mailkonto angegeben hat. Temporäre E-Mailadressen oder E-Mailprovider in Drittstaaten versprechen unbrauchbare Bestandsdaten und so eine größtmögliche Anonymität im Netz.

Rn228

Das TMG sah einen solchen Auskunftsanspruch Privater auf Herausgabe von Nutzungsdaten noch vor: § 15 Abs. 5 S. 4 TMG a.F. erklärte § 14 Abs. 2 bis 5 TMG a.F. für auf Nutzungsdaten gem. § 15 Abs. 1 TMG a.F. anwendbar. Zu Zeiten der Auskunftsansprüche nach TMG bestanden zwar Zweifel an der Vereinbarkeit der Norm mit dem europäischen Datenschutzrecht;32 der EuGH entschied aber, dass das europäische Datenschutzrecht Auskunftsansprüche zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht verhindern soll, solange das Vorgehen verhältnismäßig und nicht rechtsmissbräuchlich ist.33

Rn229

Eine dem § 15 Abs. 5 S. 4 TMG entsprechende Regelung fehlt im TTDSG. Vielmehr gibt es parallel zum Auskunftsverfahren bei Bestandsdaten gem. § 22 TTDSG ein Auskunftsverfahren bei Nutzungsdaten gem. § 24 TTDSG. Das Auskunftsverfahren nach §§ 22 und 24 TTDSG betrifft allein Nachrichtendienste, Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden. Um diese Rechtschutzlücke zu schließen, wird eine analoge Anwendung von § 21 Abs. 2 TTDSG auf Nutzungsdaten diskutiert.34

Rn230

Eine analoge Anwendung des § 21 Abs. 2 TTDSG hat zuletzt das OLG Schleswig mit der Begründung abgelehnt, dass eine dafür erforderliche planwidrige Regelungslücke nicht ersichtlich sei.35 Gegen eine planwidrige Regelungslücke spricht die Struktur der Auskunftsregelungen in §§ 21-23 TTDSG. Der Gesetzgeber hat mit der Übertragung der Rechtslage in das TTDSG die Systematik des TMG überarbeitet und vereinfacht. Während die §§ 22 und 24 TTDSG weitgehende, erkennbar beabsichtigte Parallelen aufweisen, fehlt eine dem § 21 TTDSG entsprechende Norm für Nutzungsdaten. § 23 TTDSG enthält lediglich ein höheres Schutzniveau für Passwörter und andere Zugangsdaten. Der Gesetzgeber hat die augenfällige Gelegenheit, einen Auskunftsanspruch hinsichtlich Nutzungsdaten im TTDSG zu normieren, also nicht genutzt.

Rn231

Die Gesetzesbegründung selbst lässt allerdings Zweifel aufkommen, wie bewusst hierbei der Auskunftsanspruch auf Herausgabe von Nutzungsdaten gestrichen wurde. Hier heißt es schlicht: "Die §§ 21 bis 23 enthalten mit geringfügigen redaktionellen Anpassungen die Bestimmungen zur Auskunft und zum Auskunftsverfahren über Bestands- und Nutzungsdaten in der Fassung des durch den Bundestag beschlossenen Gesetzes zur Anpassung der Regelungen über die Bestandsdatenauskunft an die Vorgaben aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Mai 2020."36 Eine so deutliche Beschneidung der Auskunftsansprüche Privater dürfte nicht mehr als "geringfügige redaktionelle Anpassung" gelten.37

Rn232

Zu Recht fehlen daher einzelnen Stimmen in der Literatur klare „Aussagen oder Anhaltspunkte dafür, ob dieser Ausschluss beabsichtigt war“.38 Das dürfte aber nicht ausreichen, eine planwidrige Regelungslücke und damit eine analoge Anwendung des § 21 Abs. 2 TTDSG auf Nutzungsdaten zu begründen.39

Rn233

Im Ergebnis bleibt dem Verletzten, wenn der Verletzer auch nur geringen Aufwand zur Anonymisierung betreibt, nur die Erstattung einer Strafanzeige bei den Strafverfolgungsbehörden, die ihrerseits das auf Nutzungsdaten gerichtete Auskunftsverfahren gem. § 24 TTDSG betreiben können.40

Rn234

5. Verfahren zur Durchsetzung des Auskunftsanspruchs

Das Verfahren zur Durchsetzung des Auskunftsanspruchs nach § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG weist einige Besonderheiten im Vergleich zu sonstigen zivilrechtlichen Auskunftsansprüchen auf. Erstens ist für das Verfahren nach § 21 Abs. 3 S. 3 das Landgerichts unabhängig von der Höhe des Streitwerts zuständig, zweitens gelten die Vorschriften des FamFG und drittens bestimmt § 21 Abs. 3 S. 1 TTDSG zum Schutz der Rechte des Accountinhabers, dass der Diensteanbieter dessen Daten nur nach einer vorherigen gerichtlichen Anordnung über die Zulässigkeit der Auskunftserteilung herausgeben darf.41

Rn235

§ 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG enthält im Vergleich zu § 14 Abs. 2 – 5 TMG in der Fassung vor Juni 2021 eine wesentliche Verfahrensänderung zugunsten der Betroffenen. Das ehemals zweistufige Verfahren, in dem zunächst eine gerichtliche Anordnung zur Erlaubnis der Datenherausgabe und anschließend ein Auskunftsanspruch in zwei separaten Verfahren durchgesetzt werden musste, wurde zusammengelegt. Dies vereinfacht die Rechtsdurchsetzung erheblich.42 Es verbleibt aber dabei, dass die Durchsetzung des Auskunftsanspruchs, der bloß eine Vorstufe des eigentlichen Begehrens der Löschung des rechtswidrigen Inhalts darstellt, zu lange dauert.43

Rn236

Zudem ergibt sich der Auskunftsanspruch gegen den Provider unmittelbar aus § 21 Abs. 2 Satz 2 TTDSG.44 Eines Rückgriffs auf den Auskunftsanspruch aus § 242 BGB bedarf es mithin nicht mehr.45

Rn237

Dass § 21 Abs. 3 Satz 6 TTDSG die Vorschriften des FamFG für anwendbar erklärt, scheint ungewöhnlich, dient aber dem Schutz der Rechte des Verletzers. Obwohl es um die Herausgabe seiner Daten geht, kommt der Verletzer im Verfahren zwischen dem Betroffenen und der Plattform nicht zu Wort.46 Diesem Umstand wird § 37 FamFG gerecht, der für den Zuspruch der Auskunft die volle Überzeugung des Gerichts voraussetzt. Anders als im einstweiligen Rechtsschutz der ZPO, genügt beim Auskunftsanspruch nicht die bloße Glaubhaftmachung. Der Betroffene muss die Verletzung absolut geschützter Rechte durch rechtswidrige Inhalte im Sinne des § 1 Abs. 3 NetzDG voll beweisen.

Rn238

Die Kosten des Verfahrens der richterlichen Anordnung trägt gemäß § 21 Abs. 3 S. 7 der Verletzte, was zu einer Entlastung der Diensteanbieter führt. Für den Betroffenen besteht– sofern er die Identität des sich Äußernden ermitteln kann – die Möglichkeit, diese Kosten als Schadensersatzanspruch gegenüber diesem geltend zu machen.

Rn239

Praktisch kommt es darauf an, den Auskunftsanspruch schnell geltend zu machen, da dieser wertlos wird, sobald der Anspruchsschuldner nicht mehr über die notwendigen Informationen verfügt.47 Dies ist insbesondere bei einer Löschung des Nutzeraccounts zu befürchten, da der Diensteanbieter datenschutzrechtlich verpflichtet ist, die Daten des Nutzers zu löschen, sobald für die Verarbeitung der Daten keine Rechtfertigung mehr vorliegt.48 Um dies zu verhindern, kann der Verletzte einen Antrag auf einstweilige Anordnung gemäß § 49 Abs. 1 FamFG stellen, der die Löschung der betreffenden Daten bis zum Abschluss des Genehmigungsverfahrens untersagt.49

Rn240

6. § 21 TTDSG und der Digital Services Act (VO (EU) 2022/2065)

Obwohl § 21 Abs. 2 TTDSG selbst keine unmittelbare unionsrechtliche Grundlage hat,50 könnte das Unionsrecht die Zukunft des Auskunftsanspruchs bestimmen.

Rn241

Dabei wurden Zweifel, ob § 21 TTDSG und § 14 Abs. 3 TMG mit Art. 6 Abs. 4 DSGVO vereinbar sind, von der Rechtsprechung bereits verworfen51 und sollen im Folgenden nicht näher betrachtet werden.

Rn242

Zu einschneidenden Änderungen könnte aber die Verordnung (EU) 2022/2065 des Europäischen Parlaments und Rates vom 19. Oktober 2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG (Gesetz über digitale Dienste, kurz "DSA") führen.

Rn243

Die Ambitionen des DSA sind gewaltig. Das Gesetzeswerk soll Nutzern von Online-Plattformen („Hosting-Diensten“52) ermöglichen, ihre garantierten Grundrechte auszuüben, „insbesondere das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit, auf unternehmerische Freiheit, das Recht auf Nichtdiskriminierung“ und ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherstellen.53 Auch soll die Verordnung negative Auswirkungen auf demokratische Prozesse, die gesellschaftliche Debatte und Wahlprozesse sowie auf die öffentliche Sicherheit eindämmen.54 Nicht zuletzt wendet sich die Verordnung dem Schutz der öffentlichen Gesundheit und der von Minderjährigen zu und richtet sich gegen schwerwiegende negative „Folgen für das körperliche und geistige Wohlbefinden einer Person oder in Bezug auf geschlechtsspezifische Gewalt“, vor allem vor dem Hintergrund koordinierter Desinformationskampagnen.55 Dazu soll der DSA auf Unionsebene „verbindliche, gezielte, einheitliche, wirksame und verhältnismäßige Vorschriften“ bieten.56

Rn244

Ein besonderes Augenmerk hat der Verordnungsgeber auf „rechtswidrige Inhalte“ gem. § 3 lit. h DSA gelegt. Während nur wenige Normen des Strafrechts zu rechtswidrigen Inhalten im Sinne des § 1 Abs. 3 NetzDG führen, hat sich der DSA dem Kampf gegen „alle Informationen [verschrieben], die als solche oder durch ihre Bezugnahme auf eine Tätigkeit […] nicht im Einklang mit dem Unionsrecht oder dem Recht eines Mitgliedstaats stehen, ungeachtet des genauen Gegenstands oder der Art der betreffenden Rechtsvorschriften“. Damit geht der Begriff der "rechtswidrigen Inhalte" und der Anwendungsbereich des DSA über das NetzDG hinaus.

Rn245

Aufgrund des DSA treffen Hosting-Dienste bei rechtswidrigen Inhalten unterschiedliche Pflichten: Sie müssen Anordnungen (auch Auskunftsanordnungen) von Behörden umsetzen, (Art. 9 DSA), Kontaktstellen einreichten, über die Nutzer „direkt und schnell“ mit ihnen kommunizieren können (Art. 12 DSA) und ein einfaches Melde- und Abhilfeverfahren anbieten (Art. 16 DSA). Online-Plattformen müssen darüber hinaus ein internes Beschwerdemanagementsystem bereithalten (Art. 20 DSA) und Nutzer, die häufig rechtswidrige Inhalte bereitstellen oder das Melde- und Abhilfeverfahren missbrauchen, für eine angemessene Zeit sperren (Art. 23 Abs. 1 und 2 DSA). Einen dem § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG vergleichbaren Auskunftsanspruch Privater bei rechtswidrigen Inhalten i.S.d. Art. 3 lit. h DSA sieht der DSA dagegen nicht vor. Ein Auskunftsverlangen kann gem. Art. 10 Abs. 1 DSA nur von „zuständigen nationalen Justiz- oder Verwaltungsbehörden auf der Grundlage des geltenden Unionsrechts oder des nationalen Rechts“ gestellt werden.

Rn246

Dieser Umstand wirft zwei Fragen auf: Steht der Auskunftsanspruch gem. § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG im Widerspruch zum DSA und – wenn nein – hat der Begriff der rechtswidrigen Inhalte des DSA unmittelbare Folgen für die Anwendung des § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG?

Rn247

Zunächst ist der Auskunftsanspruch des TTDSG nicht von vornherein mit dem DSA unvereinbar. Als Verordnung gilt der DSA gem. Art. 288 Abs. 1 S. 1 AEUV in den Mitgliedstaaten der EU allgemein, also einschließlich seiner Anmerkungen,57 und unmittelbar. Soweit erforderlich, müssen Mitgliedstaaten „innerstaatliche Maßnahmen […] erlassen“, um die „uneingeschränkte Anwendung“ der Verordnung zu gewährleisten.58 Kollidiert die Verordnung mit einem nationalen, einfachen Gesetz, verdrängt die Verordnung das Gesetz.59

Rn248

Zu einer Normkollision im eigentlichen Sinne kommt es aber weder aufgrund der unterschiedlichen Begriffsbestimmungen von Art. 3 lit. h DSA und § 1 Abs. 3 NetzDG in Bezug auf die rechtswidrigen Inhalte noch, weil der DSA einen Auskunftsanspruch Privater wie in § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG nicht vorsieht.

Rn249

Die Mitgliedstaaten sollen lediglich „die direkte und einheitliche Anwendung der für die Anbieter von Vermittlungsdiensten geltenden vollständig harmonisierten Vorschriften" gewährleisten.60 Dazu sollen sie auf Vorschriften verzichten, die ein Vorgehen gegen rechtswidrige Inhalte nach dem DSA erschweren.61 Der DSA regelt Auskunftsanordnungen von Behörden und spart den Bereich ‚Auskunftsanspruch Privater‘ von vornherein aus. Solche zusätzlichen Möglichkeiten des Vorgehens gegen rechtswidrige Inhalte soll der DSA jedoch nicht verhindern: Ausweislich der Erwägungsgründe schafft die Verordnung "nur bestimmte spezifische Mindestbedingungen"62 über die der nationale Gesetzgeber hinaus gehen kann.

Rn250

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der DSA neben umfassenden Sorgfaltspflichten in Art. 4 bis 6 DSA auch Haftungsprivilegierungen für Hosting-Dienste und andere Vermittlungsdienste regelt. Diese sollen, soweit sie „ihre Dienstleistungen auf neutrale Weise durch die bloße technische und automatische Verarbeitung der vom Nutzer bereitgestellten Informationen erbringen“, ohne weiteres nicht „mit von Nutzern bereitgestellten rechtswidrigen Inhalten […] haftbar gemacht werden“ können.63 Der DSA soll ihnen „eindeutige, wirksame, berechenbare und ausgewogene harmonisierte Sorgfaltspflichten“ an die Hand geben.64 Der Auskunftsanspruch stellt aber weder einen Fall der Haftung dar, vor dem die Vermittlungsdienste geschützt werden sollen, noch begründet er eine zusätzliche Sorgfaltspflicht der Vermittlungsdienste. § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG steht daher weder als Auskunftsanspruch generell noch aufgrund seines Verweises auf den Begriff der strafbaren Inhalte gem. § 1 Abs. 3 NetzDG im Widerspruch zum Unionsrecht.

Rn251

Aus dieser Gesamtschau ergibt sich auch, dass § 21 Abs. 2 TTDSG nicht unionskonform dahingehend auszulegen wäre, dass ein Auskunftsanspruch bereits bei rechtswidrigen Inhalten im Sinne des Art. 3 lit. h DSA und nicht erst bei rechtswidrigen Inhalten im Sinne von § 1 Abs. 3 NetzDG bestünde. Der Auskunftsanspruch wird vom DSA nicht geregelt. Dem nationalen Gesetzgeber verbleibt bei der Regelung derartiger zusätzlicher Schutzmechanismen erheblicher Gestaltungsspielraum.

Rn252

Dennoch wird das NetzDG in absehbarer Zeit, nämlich mit dem vollständigen Inkrafttreten des DSA am 17. Februar 2024 (Art. 93 Abs. 2 DSA), in weiten Teilen obsolet sein.65 Selbst, wenn das NetzDG nicht durch ein vollständig an den DSA angepasstes Regelwerk ersetzt wird, ist der Verweis des § 21 Abs. 2 S. 1 TTDSG auf § 1 Abs. 3 NetzDG unzeitgemäß. Der Effet utile-Gedanke legt nahe, für den Begriff der rechtswidrigen Inhalte in Zukunft auf Art. 3 lit. h DSA zu verweisen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Gesetzgeber in absehbarer Zeit das NetzDG und die darauf verweisenden Normen reformieren wird. Damit verbunden ist die Hoffnung, dass dem zivilrechtlichen Vorgehen gegen rechtswidrige Inhalte ganz neue Dimensionen verliehen werden.

Rn253

7. Fazit

Die aufgezeigten praktischen Schwächen überwiegen den Nutzen, den der Auskunftsanspruch des § 21 Abs. 2 TTDSG den Betroffenen von Hate Speech und anderen typischen Rechtsverletzungen im Internet bringt.

Rn254

Durch den Verweis auf § 1 Abs. 3 NetzDG schränkt der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des Auskunftsanspruchs in nur schwer nachvollziehbarer Weise ein. Er steht Betroffenen nur bei einem eng umgrenzten Kreis an rechtsverletzenden Äußerungen offen. Die Hürden zur Annahme einer Katalogstraftat im Sinne des § 1 Abs. 3 NetzDG sind hoch. Vor noch größeren Schwierigkeiten, gegen anonyme Verletzer vorzugehen, stehen wegen ihrer eingeschränkten Beleidigungsfähigkeit Unternehmen.

Rn255

Noch abträglicher für die Rechtsdurchsetzung ist der auf Bestandsdaten beschränkte Auskunftsumfang des § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG. Der Anspruch bietet den Betroffenen zwar einen Ansatz, auf privatrechtlichem Weg gegen rechtswidrige Äußerungen vorzugehen. Der mitunter lange und kostenintensive Weg bis zur gerichtlichen Anordnung über die begehrte Auskunft droht aber selbst im Erfolgsfall darin zu enden, dass die so errungenen Bestandsdaten für die eigenständige Rechtsverfolgung wertlos sind.66 Gegen anonyme Nutzer, die sich mit wiederum pseudonymisierten E-Mail-Adressen auf Sozialen Netzwerken angemeldet haben, können Betroffene mithilfe des § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG nicht vorgehen.

Rn256

Das absehbare Inkrafttreten des DSA zwingt den Gesetzgeber mit Blick auf § 21 Abs. 2 TTDSG zwar nicht unmittelbar zum Tätigwerden. Der Anspruch und sein Verweis auf das NetzDG sind aber nicht mehr zeitgemäß und dürften in einer umfassenden Reform des NetzDG berücksichtigt werden. Neben einer inhaltlichen Ausdehnung des Auskunftsanspruch auf sämtliche rechtswidrige Inhalte i.S.d. DSA hat der Gesetzgeber Gelegenheit, die Beschränkung des Auskunftsanspruchs auf Bestandsdaten zu überdenken. Ob es zu einer solchen – wünschenswerten – Ausweitung des Auskunftsanspruchs kommt, ist indes alles andere als sicher.

Rn257

1 Peifer, NJW 2016, 23.

2 Beater, NJ 2019, 365.

3 Beater, NJ 2019, 365.

4 Auch wenn der Gesetzgeber bei der Reform des § 312 Abs. 1 BGB n.F. den Begriff des „Bezahlens mit Daten“ vermieden hat, vgl. MüKoBGB/Wendehorst, 9. Aufl. 2022, BGB § 312 Rn. 41; Begr. RegE, BT-Drs. 19/27653, S. 35.

5 Anm. Gerecke zu OLG Schleswig, GRUR-Prax 2022, 356.

6 Schwartmann/Jaspers/Eckhardt/Hermann/Mühlenbeck, TTDSG, § 21 Bestandsdaten, Rn. 20.

7 BGBl. I 2017, S. 3352.

8 Spindler/Schmitz/Schmitz, 2. Aufl. 2018, TMG § 14 Rn. 60.

9 BGBl. I 2020, S. 2456.

10 BGBl. I 2021, S. 1436.

11 Anm. Zirnstein zu OLG Schleswig, MMR 2022, 480 Rn. 34; BR-Drs 169/20, S. 58 f.

12 BGH, Urteil vom 13.1.2022 – I ZR 35/21, GRUR 2022, 490 Rn. 57.

13 Der Verweis auf § 3 Nr. 61 TKG verdeutlicht, dass Messenger-Dienste wie WhatsApp oder Telegram keine Telemedien und daher vom Anwendungsbereich des Auskunftsanspruchs ausgenommen sind. Der Gesetzgeber sieht in diesen ein funktionales Äquivalent zu tradierten Telekommunikationsformen wie etwa Sprachtelefonie und Textmitteilungsdiensten. Angesichts von Gruppengrößen bei Telegram und WhatsApp, die an die Reichweite von Social-Media Profilen heranreichen, sind Zweifel an dieser Einschätzung des Gesetzgebers angebracht.

14 Dies ergibt sich bereits aus § 21 Abs. 3 Satz 4 TTDSG, wo es in Bezug auf die örtliche Zuständigkeit heißt, dass diese am Wohnsitz, Sitz oder Ort der Niederlassung des Verletzten begründet sei; OLG Celle, Beschluss vom 7.12.2020 – 13 W 80/20, BeckRS 2020, 37765.

15 BGH, Urteil vom 9.7.1985 – VI ZR 214/83, GRUR 1986, 190; MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 823 Rn. 416.

16 Cronemeyer, AfP 2014, 111; Claßen/Hassel, IPRB 2020, 65.

17 BGH, Urteil vom 28.7.2015 – VI ZR 340/14, NJW 2016, 56 Rn. 27.

18 BGH, Beschluss vom 24. 5. 2006 – 1 BvR 49/00 u.a., NJW 2006, 3769.

19 BGH, Urteil vom 28.7.2015 – VI ZR 340/14, NJW 2016, 56 Rn. 13.

20 BVerfG, Beschluss vom 19.12.2021 – 1 BvR 1073/20, MMR 2022, 193 Rn. 25.

21 Spindler/Schmitz/Schmitz, 2. Aufl. 2018, TMG § 14 Rn. 58 f.

22 Spindler/Schmitz/Schmitz, 2. Aufl. 2018, TMG § 14 Rn. 58 f.

23 BeckOK InfoMedienR/Bornemann, 38. Ed. 1.11.2022, TMG § 10a Rn. 12.

24 Namentlich die §§ 86, 86a, 89a, 91, 100a, 111, 126, 129 bis 129b, 130, 131, 140, 166, 184b, 185 bis 187, 189, 201a, 241, 269 StGB.

25 LG Berlin, Beschluss vom 9.9.2019 – 27 AR 17/19, ZUM-RD 2020, 31; KG Berlin, Beschluss vom 11.3.2020 – 10 W 13/20, MMR 2020, 867; später als verfassungswidrig erkannt durch BVerfG, Beschluss vom 19.12.2021 – 1 BvR 1073/20, MMR 2022, 193.

26 BVerfG, Beschluss vom 19.12.2021 – 1 BvR 1073/20, MMR 2022, 193 (195).

27 BGH, Urteil vom 8.1.1954 – 1 StR 260/53, NJW 1954, 1412; das Kriterium der Unabhängigkeit vom Wechsel der Mitglieder wird nicht einheitlich verlangt, jedoch von der wohl h.M.: LG Düsseldorf, Urteil vom 19.4.2016 – 6 O 226/15, NJOZ 2016, 1735; Lackner/Kühl, StGB vor § 185 Rn. 5.

28 K-StGB/Zaczyk, 5. Aufl. 2017, StGB § 187 Rn. 4.

29 HK-TTDSG/Assion, 1. Aufl. 2022, TTDSG § 2 Rn. 21.

30 OLG Schleswig, Beschluss vom 23.2.2022 – 9 Wx 23/21, MMR 2022, 480 (482).

31 OLG Schleswig, Beschluss vom 23.2.2022 – 9 Wx 23/21, MMR 2022, 480 (482).

32 Namentlich der ePrivacy-RL, vgl. Spindler/Schmitz/Schmitz, 2. Aufl. 2018, TMG § 14 Rn. 47.

33 EuGH, Urteil vom 17.6.2021 – Rs. C-597/19, GRUR-RS 2021, 14534, ergänzt durch die Voraussetzung, dass Ansprüche „ihre Rechtsgrundlage in einer Rechtsvorschrift im Sinne von Art. 15 Abs. 1 der RL 2002/58 in der durch die RL 2009/136 geänderten Fassung haben, die die Tragweite der Bestimmungen der Art. 5 und 6 dieser Richtlinie in geänderter Fassung beschränkt.“.

34 BeckOK StPO/Ferner, 46. Ed. 1.1.2023, TTDSG § 22 Rn. 9.

35 OLG Schleswig, Beschluss vom 23.2.2022 – 9 Wx 23/21, m. Anm. Zirnstein, MMR 2022, 480 (482); zust. Alacayir, Herausgabe von Bestands- und Nutzungsdaten nach TTDSG, GRUR-Prax 2022, 271.

36 BT-Drs. 19/27441, S. 37.

37 Anders: BeckOK StPO/Ferner, 46. Ed. 1.1.2023, TTDSG § 22 Rn. 9.

38 Anm. Zirnstein zu OLG Schleswig, MMR 2022, 480 (483).

39 Insofern zutreffend BeckOK StPO/Ferner, 46. Ed. 1.1.2023, TTDSG § 22 Rn. 9

40 Freytag, GRUR-Prax 2021, 716.

41 Riechert/Wilmer/Keppeler, TTDSG, § 21 Bestandsdaten, Rn. 14.

42 Anm. Gerecke zu OLG Schleswig, GRUR-Prax 2022, 356.

43 Anm. Gerecke zu OLG Schleswig, GRUR-Prax 2022, 356.

44 MAH UrhR, § 30 Telemedienrecht Rn. 256; Schwartmann/Jaspers/Eckhardt/Hermann/Mühlenbeck, TTDSG, § 21 Bestandsdaten, Rn. 20.

45 HK-TTDSG/Basar/Santagatti-Bergmann, 1. Aufl. 2022, TTDSG § 21 Rn. 20.

46 OLG Karlsruhe, Beschluss vom 6.9.2022 – 14 W 61/22 (Wx), MMR 2022, 1074 Rn. 22.

47 Bohlen, NJW 2020, 1999.

48 Bohlen, NJW 2020, 1999.

49 Lampmann, Anm. zu BGH, Urteil vom 10.12.2020 – I ZR 153/17, NJW 2021, 783, 784.

50 Anders als § 21 Abs. 1 TTDSG, der zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum dient, vgl. HK-TTDSG/Basar/Santagatti-Bergmann, 1. Aufl. 2022, TTDSG § 21 Rn. 4, 5.

51 BGH, Beschluss vom 24.9.2019 – VI ZB 39/18, GRUR 2020, 101, 104 ff.; OLG Schleswig, Beschluss vom 23.2.2022 – 9 Wx 23/21, MMR 2022, 480 Rn. 35, 36; nicht problematisiert in BVerfG, Beschluss vom 19.12.2021 – 1 BvR 1073/2.0. Näher bei Zirnstein, Anm. zu OLG Schleswig, Beschluss vom 23.2.2022 – 9 Wx 23/21, MMR 2022, 483 f.

52 Vgl. Erwägungsgrund 13 der VO (EU) 2022/2065.

53 Erwägungsgrund 3 der VO (EU) 2022/2065.

54 Erwägungsgrund 82 der VO (EU) 2022/2065.

55 Erwägungsgrund 83 der VO (EU) 2022/2065.

56 Erwägungsgrund 4 der VO (EU) 2022/2065.

57 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Nettesheim, 77. EL September 2022, AEUV Art. 288 Rn. 99.

58 EuGH, Urteil vom 20.03.1986 – Rs. 72/85 BeckRS 2004, 73602.

59 Streinz/W. Schroeder, 3. Aufl. 2018, AEUV Art. 288 Rn. 47.

60 Erwägungsgrund 9 der VO (EU) 2022/2065.

61 Erwägungsgrund 32 der VO (EU) 2022/2065.

62 Erwägungsgrund 31 der VO (EU) 2022/2065.

63 Vgl. Erwägungsgrund 17 der VO (EU) 2022/2065.

64 Erwägungsgrund 40 der VO (EU) 2022/2065.

65 Im Ansatz hierzu bereits Gerdemann/Spindler, GRUR 2023, 3 (11); zu § 3a NetzDG etwa Raue/Heesen, NJW 2022, 3537 (3541).

66 So zu Recht Gerecke, Anm. zu OLG Schleswig, Beschluss vom 23.3.2022 – 9 Wx 23/21, GRUR-Prax 2022, 356.

Die Welt der EDRA Media

Die LRZ erscheint bei der EDRA Media GmbH.
EDRA Media ist ein innovativer Verlag,
Veranstalter und Marketingdienstleister auf den
Gebieten des Rechts und der Medizin.

Gesellschafter sind die Edra S.p.A. (LSWR Group)
und Dr. Jochen Brandhoff.

 

​EDRA MEDIA│ Innovation, Sustainability, Resilience

LEGAL REVOLUTION │Die Rechtsmesse

​LR ACADEMY│ Erlebe Spezialistenwissen

Ihr Kontakt

Journal@LRZ.legal

+49 69 3487 920-92

 

Zeil 109
60313 Frankfurt a. M.

Folgen Sie uns