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Angesichts ihrer überragenden wirtschaftlichen Bedeutung drängt sich die Nutzung von Daten als Sacheinlage im Kapitalgesellschaftsrecht oder Beitrag im Personengesellschaftsrecht geradezu auf. In Abgrenzung zu Immaterialgüterrechten, welche anerkanntermaßen sacheinlagefähig sind, besteht an Daten de lege lata kein absolutes Recht, was ihrer Sacheinlagefähigkeit entgegenstehen könnte. Weiterhin sind für die Nutzung von personenbezogenen Daten im Anwendungsbereich der DSGVO deren strenge Vorgaben zu beachten. Es stellt sich folglich die Frage, ob und in welchem Umfang mit Hinblick auf die etablierten gesellschaftsrechtlichen Kriterien personenbezogene und nicht personenbezogene Daten sacheinlagefähig und beitragsfähig sind. Insbesondere die Sacheinlage von Daten bei der Gründung oder Kapitalerhöhung von Kapitalgesellschaften stellt eine Möglichkeit der wirtschaftlichen Nutzung von Daten in einem gesellschaftsrechtlichen Kontext dar, welche auch mit Hinblick auf die EU-Datenstrategie nicht unberücksichtigt bleiben sollte.

1. Einführung

Daten sind „das neue Öl“1. Sie sind das Zentrum der digitalen Ökonomie und ein essentieller Treibstoff der Weltwirtschaft des 21. Jahrhunderts.2

Rn809

Nach dem weitesten Begriffsverständnis stellen Daten Informationen dar, wobei drei Ebenen unterschieden werden:

Rn810

Die körperliche Ebene umfasst die Verkörperung von Daten in Verbindung mit einem Speichermedium und ist über das Eigentumsrecht an dem Speichermedium absolut geschützt.

Rn811

Auf der körperlichen Ebene baut die syntaktische Ebene auf, welche syntaktische Informationen, etwa in Form von Buchstaben, Nummern oder Bits enthält.3 Computergespeicherte Daten verfügen über eine mehrschichtige syntaktische Ebene, differenziert in die unmittelbare Verbindung zum Inhalt, die Codierung des Dateiformats sowie die Eingliederung der Datei in ein Dateisystem.4

Rn812

Auf der syntaktischen Ebene baut wiederum die semantische Ebene auf, welche die Bedeutung der Daten beinhaltet.5 Vorrangig der semantische Gehalt von Daten ist nicht-rivales Zuordnungsobjekt von datenverarbeitenden Algorithmen und damit Rohstoff der digitalen Wertschöpfung.

Rn813

Die semantische Ebene ist de lege lata lediglich punktuell einem Rechtsinhaber zugeordnet. Für personenbezogene Daten ist der Rechtsträger das betroffene Individuum. Weiterhin gewährt die Rechtsordnung partikular auch für nicht personenbezogene Daten Immaterialgüterrechte6 und erkennt den wirtschaftlichen Wert der Bedeutungsebene über den Geschäftsgeheimnisschutz an,7 sofern dessen Voraussetzungen erfüllt sind.

Rn814

Abgesehen von diesen Aspekten spricht de lege lata die Nicht-Rivalität von Daten gegen die Zuweisung eines absoluten Rechts an ihnen.8

Rn815

Wirtschaftlich betrachtet ist die Nicht-Rivalität von Daten innerhalb des geltenden Rechts Potential und Bedrohung zugleich: Einerseits ermöglicht sie angesichts der rapiden technologischen Entwicklung der Datenverarbeitung ungeahnte Wertschöpfungsmöglichkeiten. Andererseits wird dadurch das Teilen von Daten zum Risiko. Dies hat zur Folge, dass Daten zurückgehalten werden, hierdurch (dem Gemeinwohl dienliche) Erkenntnisse nicht aus den Daten gezogen werden können und kleineren Akteuren der Zugang zum Digitalmarkt erschwert ist.

Rn816

Der europäische Gesetzgeber hat dieses Problem gesehen und insbesondere mit dem Data Act9 („DA“) und dem Data Governance Act10 („DGA“) gegengesteuert. Zugrunde liegt das Ziel, einen europäischen Binnenmarkt für Daten zu schaffen. Jedoch sind mit diesen Regelungen nur die gesellschaftsrelevantesten Teilbereiche einer hochkomplexen wirtschaftlichen Herausforderung adressiert, in deren Zentrum die Frage steht, wie Daten dynamisch geteilt und global sowie effizient verarbeitet werden können.

Rn817

Insbesondere bleibt auch im Data Act die rechtliche Qualifikation von Daten ungeklärt, obwohl diese Gegenstand von Zugangs- und Nutzungsverträgen sind.11 Dies kann zu rechtlichen Friktionen bis hin zum Kartellrecht führen.12

Rn818

Juristische Lösungsvorschläge umfassen einerseits die Zuweisung eines Herrschafts- und Verfügungsrechts an Daten nach dem Modell eines Property Rights, analog zum Eigentumsrecht.13 Dies steht jedoch klar im Widerspruch zur geltenden Rechtslage.14 Abgesehen von der Forderung nach einem solchen Herrschafts- und Verfügungsrecht konzentrieren sich juristische Lösungsansätze auf die Rolle von Datenintermediären und die Stärkung des Vertrauens von Wirtschaftsakteuren in diese durch geeignete Governance-Strukturen.15

Rn819

In diesem Beitrag soll davon unabhängig mit Hinblick auf die Förderung einer autonomen und wirtschaftlich attraktiven Kontribution von Daten untersucht werden, ob und in welchem Umfang Daten gesellschaftsrechtlich sacheinlage- und beitragsfähig sind.

Rn820

2. Gesellschaftsrechtliche Kriterien der Sacheinlage- und Beitragsfähigkeit

Die gesellschaftsrechtliche Einlage- und Beitragsfähigkeit von Daten ist anhand des jeweils für eine Gesellschaftsform gegebenen Telos gesondert zu beurteilen.

Rn821

2.1.  Kapitalgesellschaftsrecht

Einlagen im Kapitalgesellschaftsrecht sind Voraussetzung der registerrechtlichen Eintragung und Grundlage der Liquidität von Kapitalgesellschaften als selbstständig am Rechtsverkehr teilnehmende Wirtschaftsakteure. Sacheinlagen stellen Einlagen dar, welche nicht durch Geldzahlung geleistet werden. Als Sacheinlagen kommen grundsätzlich alle Vermögenswerte, die Gegenstand des Rechtsverkehrs sein können, in Betracht.16 Nach dem Merkmal der „funktionalen Äquivalenz“ von Sach- und Bareinlagen muss die erbrachte Sacheinlage „so gut wie Geld“ sein.17 Insbesondere im GmbHG und im AktG finden sich Regelungen für die Bewertung von Sacheinlagen,18 aus welchen die folgenden beiden Kriterien für die Sacheinlagefähigkeit abgeleitet werden:

  • Der Wert der Sacheinlage muss im Zeitpunkt der Einbringung feststellbar19
  • Der Vermögenswert muss übertragbar sein und zu einem bestimmten Stichtag „zur freien Verfügung“ in das Vermögen der Gesellschaft überführt werden können.20
Rn822

Zweck dieser Kriterien ist es, der erhöhten Gefahr unseriöser Kapitalgesellschaftsgründungen durch das Einbringen mangelhafter oder wertloser Sacheinlagen zu begegnen. Die Überbewertung von Sacheinlagen kann bei Gläubigern den Anschein eines solventen Unternehmens erwecken, obwohl die reale Aufbringung des Stammkapitals nicht gewährleistet ist.

Rn823

2.2.   Personengesellschaftsrecht

Im Personengesellschaftsrecht besteht diese Gefährdungslage qua persönlicher Haftung der Gesellschafter nicht. Die Gesellschafter haben den Gesellschaftszweck durch Beiträge zu fördern, deren Umfang und Voraussetzungen vorrangig im Gesellschaftsvertrag geregelt sind. In Abgrenzung zum kapitalgesellschaftlichen Begriff der Einlage erfordert ein personengesellschaftlicher Beitrag nicht die Leistung eines Vermögenswerts.21 Das Gesetz verknüpft den Umfang der erworbenen gesellschaftsrechtlichen Stellung unmittelbar mit dem Wert des Beitrags.22 Ebenso sind die potentiellen Haftungsrisiken der Gesellschafter ipso iure an den Wert ihrer Beteiligung gebunden.23

Rn824

Werden Daten zum Zweck der wirtschaftlichen Wertschöpfung beigetragen, so folgt bereits hieraus, dass die Daten einen dem Zweck entsprechenden feststellbaren wirtschaftlichen Wert haben müssen. Weiterhin müssen sie auch von der Personengesellschaft im Sinne dieses Zweckes genutzt werden können.24 Hieraus folgt, dass Daten als Beitrag in eine Personengesellschaft dieser ebenfalls zumindest im oben genannten Sinne übertragbar sein müssen. Die kapitalgesellschaftsrechtlichen Anforderungen an Sacheinlagen sind somit auch für den Fall anwendbar, dass Daten als Beitrag in eine Personengesellschaft zum Zwecke der digitalökonomischen Betätigung im Wirtschaftsverkehr eingebracht werden.

Rn825

2.3. Genossenschaftsrecht

Im Genossenschaftsrecht wird Gläubigerschutz durch die nach § 8a GenG zulässige Festsetzung eines Mindesteinlagekapitals oder über die Regelung in § 22 Abs. 4 GenG erreicht.25 In Ermangelung einer eigenen Regelung ist auch im Genossenschaftsrecht der aktienrechtliche Sacheinlagebegriff zugrunde zu legen,26 wodurch sich somit auch genossenschaftsrechtliche Einlagen am Maßstab der oben genannten kapitalgesellschaftsrechtlichen Kriterien messen lassen müssen.

Rn826

Hieraus folgt, dass die Einbringung von Daten zum Zwecke der Beteiligung an einer Genossenschaft sowohl einen feststellbaren Vermögenswert der Daten als auch die Übertragbarkeit der Daten erfordert.

Rn827

2.4. Zwischenfazit

Die gesellschaftsrechtliche Sacheinlage- und Beitragsfähigkeit von Daten ist mithin anhand der oben genannten kapitalgesellschaftsrechtlichen Kriterien zu beurteilen.

Rn828

3. Sacheinlagefähigkeit

Erforderlich ist folglich, dass Daten einen feststellbaren Vermögenswert haben und an die Gesellschaft übertragbar sind.

Rn829

3.1. Feststellbarer Vermögenswert

Die Feststellung eines Vermögenswerts erfolgt anhand marktwirtschaftlicher Kriterien, was erfordert, dass zumindest potentiell ein Markt existiert.27 Es ist nicht erforderlich, dass der Vermögensgegenstand bilanzrechtlich aktiviert werden kann,28 dessen Wert darf aber nicht aleatorisch sein.

Rn830

Angesichts der Vielfältigkeit von Wertschöpfungsmöglichkeiten in der Digitalökonomie und der rapiden technologischen Entwicklung sind kaum Daten denkbar für die nicht zumindest in Kombination mit weiteren Daten ein Markt existiert. Der Vermögenswert von Daten ist mithin nach den allgemeinen Grundsätzen der Wertermittlung feststellbar, wobei auch Verwendungsmöglichkeiten für Zwecke der Gesellschaft zu berücksichtigen sind.29

Rn831

3.1.1. Allgemeine Grundsätze der Wertermittlung

In der gesellschaftsrechtlichen Literatur wird für die Wertermittlung methodisch neben dem Ertragswert alternativ auch auf den Substanzwert oder den Marktwert abgestellt.

Rn832

Der Ertragswert spiegelt die Bedeutung der Einlage für das nutzende Unternehmen wider und wird hauptsächlich anhand der zusätzlichen Erträge des Unternehmens berechnet.30 Da dieser Wert vergangenheitsorientiert ist, eignet er sich jedoch nicht als zuverlässige Bewertungsmethode für Sacheinlagen, die zum Zeitpunkt der Eintragung oder Kapitalerhöhung erbracht wurden.

Rn833

Der Substanzwert erfasst dagegen zumindest die Wiederbeschaffungskosten. Daten, welche im Rahmen von „Data as a Service“ (DaaS) Modellen angeboten werden, sind mithin über deren Preis in mit der vom Unternehmen anvisierten Nutzungsoption vergleichbaren Konstellationen bewertbar.

Rn834

Der Marktwert wird auch anhand deren Bedeutung für das zu gründende Unternehmen ermittelt,31 wobei Gewinnchancen einfließen, sofern deren Prognose kaufmännisch vertretbar innerhalb des gegebenen Verkehrskreises ist.32 Dies könnte zu Bewertungsschwierigkeiten bei Daten führen, für welche noch kein etablierter Markt existiert. Hier gilt das gesellschaftsrechtlich bei der Bewertung von Sacheinlagen geltende Vorsichtsprinzip,33 wonach Aktivwerte eher zu niedrig als zu hoch anzusetzen sind.

Rn835

3.1.2. Personenbezogene Daten

Ein Markt besteht gerade auch für personenbezogene Daten, was sich insbesondere anhand der wachsenden Zahl der Geschäftsmodelle, welche auf Seiten der Verbraucher ein „Zahlen mit Daten“ voraussetzen, zeigt. Hierauf reagierend schuf der europäische Gesetzgeber die Digitale-Inhalte-Richtlinie (DID-RL)34, um die Selbstbestimmung der Verbraucher bei derartigen Geschäftsmodellen zu gewährleisten. Gemäß Erwägungsgrund (24) der DID-RL soll diese sicherstellen, dass Verbrauchern ihre verbrauchervertraglichen Rechte und Rechtsbehelfe ausüben können. Dies schlägt sich nun auch in den am 1.1.2022 in Kraft getretenen nationalen zivilrechtlichen Vorschriften nieder, insbesondere § 312 Ia und § 327 III BGB.

Rn836

Der wirtschaftliche Wert der personenbezogenen Daten eines Individuums ist aber zu gering, um als gesellschaftsrechtliche Sacheinlage zu dienen.35 Die Wertschöpfung aus personenbezogenen Daten findet vielmehr bei der Verarbeitung großer Mengen von Einzeldaten zu listenmäßigen Zusammenstellungen statt.36 Für diese „Big Data“ personenbezogener Daten besteht aber ein etablierter und prosperierender Markt.

Rn837

3.2. Übertragbarkeit

Die Kriterien der Übertragbarkeit sind im Einzelnen umstritten. Das auch in § 7 III GmbHG genannte Erfordernis der Übertragung „zur freien Verfügung“ der Geschäftsführer gibt insofern keinen Aufschluss.

Rn838

3.2.1.  Zugriffsobjekt für Gesellschaftsgläubiger nach Vermögensübertragung

Teilweise wird vertreten, dass der eingelegte Vermögenswert als ein an Dritte übertragbares Zugriffsobjekt für Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung stehen müsse.37 Diese Ansicht stellt die Übertragbarkeit unter den Telos des Gläubigerschutzes.

Rn839

Ein Kriterium der Übertragbarkeit mit paralleler Zielsetzung findet sich auch in § 36 InsO iVm §§ 857 I, 851 I ZPO. Über den Verweis des § 851 I ZPO auf das allgemeine Privatrecht sind rein tatsächliche Verhältnisse ausgeschlossen, selbst wenn diese wirtschaftlich wertvoll sind.38

Rn840

Legt man der Übertragbarkeit diese Auslegung zugrunde, so scheitert die Sacheinlagefähigkeit von nicht-personenbezogenen Daten an deren nicht gegebenen Rivalität, Exklusivität und Abnutzbarkeit.39

Rn841

Personenbezogene Daten stellen dagegen bereits in Folge des sie betreffenden umfassenden persönlichkeitsrechtlichen Schutzes per se kein Zugriffsobjekt für Gläubiger dar.40

Rn842

3.2.2. Verwertbarkeit im Insolvenzfall

Eine andere Ansicht fordert die Einzelverwertbarkeit des Vermögenswertes im Insolvenzfall.41 Weniger einschränkend lässt eine weitere Auffassung die Verwertbarkeit mit dem Gesamtunternehmen im Insolvenzfall genügen.42

Rn843

Die rechtliche Bewertung von Daten im Insolvenzfall ist umstritten. Für personenbezogene Daten besteht das Recht auf Löschung nach Art. 17 DSGVO zugunsten der betroffenen Person, welches als digitalisierte Variante des körperlichen Herausgabeanspruchs für aussonderungsfähig gehalten wird.43 Für nicht-personenbezogene Daten wird, zumindest sofern es sich um eine Auftragsdatenverarbeitung handelt, ein Aussonderungsrecht nach § 667 Alt. 1 BGB bejaht.44 Ob, von diesen Fällen abgesehen, Daten in die Insolvenzmasse fallen, wird zwar teilweise bejaht,45 ist aber mit Blick auf das de lege lata nicht gegebene Ausschließlichkeitsrecht an Daten kritisch zu sehen.46 Jedenfalls sofern Daten unter den Urheberrechtsschutz oder Geschäftsgeheimnisschutz fallen, wird deren Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse bejaht.47 Sofern Daten auf einem Träger verkörpert sind, partizipieren sie ferner am eigentumsrechtlichen Schutz des Trägers.48 Von diesen Fällen abgesehen fallen Daten und Informationen aber weder in die Insolvenzmasse nach § 35 InsO noch besteht an ihnen ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO.49

Rn844

Damit wäre, sofern man der oben genannten Auffassung folgt, die Übertragbarkeit von Daten nur in jenen wenigen Fällen zu bejahen, in welchen diese im Insolvenzfall verwertbar sind.

Rn845

3.2.3. Nutzbarkeit für Zwecke der Gesellschaft

Von der Rechtsprechung wurden dagegen bereits frühzeitig auch solche Vermögenspositionen als einlagefähig angesehen, die weder auf Dritte übertragbar sind noch der Zwangsvollstreckung unterliegen.50

Rn846

Gegen die (Einzel-)Verwertbarkeit des Vermögenswertes im Insolvenzfall spricht bereits der Gesichtspunkt der funktionalen Äquivalenz von Bar- und Sacheinlagen, denn weder der Kapitalaufbringungs- noch der Kapitalerhaltungsgrundsatz garantieren, dass bis zur Insolvenz der Gesellschaft mit eingebrachten Barmitteln (ausschließlich) verwertungsfähige Vermögensgegenstände erworben werden.51 Ferner hat auch der europäische Gesetzgeber in Art. 46 GesR-RL die Verwertbarkeit als Kriterium für die Einlagefähigkeit mit Hinblick auf die Gefahr unterschiedlicher Auslegungen abgelehnt.52 Diese Interpretation ist im Zuge der richtlinienkonformen Auslegung auch dem nationalen Recht zugrunde zu legen.

Rn847

Aus dem oben genannten Erfordernis des Gläubigerschutzes, welcher auch dem Äquivalenzprinzip zugrunde liegt, folgt weiterhin nicht, dass die Vermögensgegenstände statische Zugriffsobjekte zur Weiterveräußerung oder Ausübungsüberlassung an Dritte darstellen müssen. Einlagen dienen nicht abstrakt der Erhöhung des Gesellschaftsvermögens als konstanter Vermögensmasse, sondern sollen der Gesellschaft als dynamische Grundlage für ihre wirtschaftliche Tätigkeit dienen.53 Damit ist mit Hinblick auf den oben genannten Schutzzweck lediglich erforderlich, dass die eingebrachte Sacheinlage derart der Gesellschaft zugutekommt, dass diese damit ihrem Zwecke entsprechend am Geschäftsverkehr teilnehmen und die Einlagen in dem satzungsmäßig vereinbarten und registerrechtlich eingetragenem Umfang zur Wertschöpfung nutzen kann.

Rn848

Nach der hier vertretenen Auffassung fordert das Kriterium der Übertragbarkeit damit, dass Daten der Gesellschaft in der Weise zur Verfügung gestellt werden, sodass diese von der Gesellschaft unbeschränkt genutzt und verwertet werden können.54 Dies ist für personenbezogene und nicht-personenbezogene Daten unterschiedlichen Voraussetzungen unterworfen.

Rn849

4. Sacheinlagefähigkeit von nicht-personenbezogene Daten

Nach der hier vertretenen Auslegung des Übertragbarkeitskriteriums könnte die Sacheinlagefähigkeit von nicht-personenbezogenen Daten bereits an deren Nicht-Rivalität scheitern. Insoweit lässt sich jedoch eine Parallele zum Immaterialgüterrecht ziehen. Auch Urheberrechte sind als solche nicht durch Rechtsgeschäft übertragbar (§ 29 II UrhG), sie sind aber einlagefähig durch die Einräumung von Nutzungsrechten am geschützten Werk. Die (vertragliche) Einräumung von Zugangs- und Nutzungsrechten ist nach dem Data Act für nicht-personenbezogene Daten gleichfalls möglich und in den dort geregelten Fällen auch erforderlich.55 Nach europäischem Rechtsverständnis können nicht-personenbezogene Daten mithin durch vertragliche Nutzungsrechte übertragen werden, auch wenn kein absolutes Recht an diesen Daten besteht. Trotz ihrer Nicht-Rivalität und der nur faktisch gegebenen Zuordnung bleibt ihre Übertragbarkeit durch vertragliche Regelungen gewährleistet. Dies entspricht dem im europäischen Recht verankerten Ziel, den freien Fluss nicht-personenbezogener Daten innerhalb der EU zu ermöglichen.56

Rn850

Der Wert nicht-personenbezogener Daten resultiert mangels eines absoluten Rechts an diesen primär aus der Möglichkeit des technischen Zugriffs. Dieser Wert steigt grundsätzlich mit der Exklusivität der Datennutzung. Angesichts der umfassenden Regelungen zu Zugangs- und Nutzungsrechten in Kapitel II und III des Data Act könnten sich im Anwendungsbereich Herausforderungen bei der Weitergabe von Daten ergeben.

Rn851

4.1. Sacheinlage nicht-personenbezogener Daten nach dem Data Act

Der europäische Gesetzgeber verfolgt mit dem Data Act das Ziel, einer Konzentration von Daten bei wenigen Akteuren in der Digitalwirtschaft gezielt entgegenzuwirken.57 Der sachliche Anwendungsbereich der in Kapitel II und III des Data Act geregelten Zugangs-, Nutzungs- und Weitergaberechte erstreckt sich auf Daten, die durch vernetzte IoT-Produkte und die mit diesen verbundenen Diensten generiert werden.

Rn852

Innerhalb dieses Anwendungsbereichs benötigt der Dateninhaber (Art. 2 Nr. 13 Data Act) gem. Art. 4 XIII Data Act eine ihm vertraglich durch den Nutzer (Art. 2 Nr. 12 Data Act) einberaumte Nutzungsbefugnis. Dem stehen weitreichende Nutzungsbefugnisse des Nutzers gem. Art. 4 I Data Act sowie das Recht des Nutzers auf Datenweitergabe an Dritte gem. Art. 5 I Data Act gegenüber.

Rn853

Der Nutzer ist grundsätzlich frei, die ihm zugewiesenen Daten eigenständig zu nutzen und zu monetarisieren.58 Allerdings besitzen die Daten eines einzelnen Nutzers nur begrenzten Wert. Im Anwendungsbereich des Data Act werden daher aufgrund des inhärenten Wertgefälles zwischen großen, aggregierten Datenmengen und isolierten Einzeldaten realistisch betrachtet nicht die einzelnen Nutzer, sondern vielmehr die Dateninhaber oder Dritte im Sinne des Data Act als Sacheinleger auftreten.

Rn854

4.1.1. Sacheinlage durch Dateninhaber

Strittig ist, ob die Zuweisung der Daten an den Nutzer den Dateninhaber daran hindert, sich vom Nutzer eine umfassende vertragliche Befugnis zur eigenständigen Verwertung der Daten einräumen zu lassen.59 Der Wortlaut ‚zur Erfüllung‘ in Art. 4 Abs. 14 des Data Act legt ein restriktives Verständnis nahe, wonach die Weitergabe von Daten durch den Dateninhaber an Dritte ausschließlich im Rahmen vertraglich vereinbarter Parameter erfolgen darf.60

Rn855

Abgesehen von den vertraglichen Regelungen zur Nutzung und Weitergabe können Dateninhaber Zugangsansprüche lediglich unter den engen, im Data Act festgelegten, Voraussetzungen abwehren.

Rn856

Zugangsbeschränkungen ergeben sich aufgrund von Sicherheitsanforderungen an das Produkt gem. Art. 4 II Data Act sowie zugunsten des Geschäftsgeheimnisschutzes gem. Art. 4 VI-IX sowie Erwägungsgrund (31) des Data Acts. Insbesondere sieht Art. 4 VIII Data Act ein Verweigerungsrecht im Ausnahmefall vor. Macht der Dateninhaber von diesen Rechten Gebrauch, ist in allen Fällen die zuständige Aufsichtsbehörde zu involvieren.61

Rn857

Dies und die engen Voraussetzungen der Zugangsbeschränkungen lassen abseits kontraktualer Vereinbarungen mit dem Nutzer lediglich einen engen Korridor für die Sacheinlage von Daten im (sachlichen) Anwendungsbereich des Data Acts übrig.

Rn858

Auch die in Art. 4 X Var.1 und Var. 2 Data Act normierten Verwertungsverbote sind nicht derart weitreichend, dass sie in ihrem Anwendungsbereich die dauerhafte Zurverfügungstellung des Datenwertes garantieren könnten.62

Rn859

4.1.2. Sacheinlage durch Dritte iSd Data Acts

Dritte sind zum einen den in Art. 6 Data Act geregelten weitreichenden Pflichten und Begrenzungen der Datennutzung unterworfen. Weiterhin ist im B2B-Bereich Art. 8 I Data Act zu beachten, wonach sichergestellt ist, dass Dateninhaber den Empfängern die Daten zu fairen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen und auf transparente Weise bereitstellen. Art. 9 Data Act macht Vorgaben zu der von dem Datenempfänger zu erbringenden Gegenleistung. Die Möglichkeit der Nutzung als Sacheinlage durch Dritte ist mithin sowohl ipso iure als auch durch die mit dem Nutzer gem. Art. 6 I Data Act und dem Dateninhaber gem. Art. 8 I Data Act zu schließenden Vertragsbeziehungen beschränkt.

Rn860

4.1.3. Zwischenfazit

Nicht-personenbezogene Daten im Anwendungsbereich des Data Acts sind zwar grundsätzlich nach den oben genannten kapitalgesellschaftlichen Kriterien sacheinlagefähig. Die für den Sacheinleger nicht absehbare Einräumung von Zugangsbefugnissen steht aber der Dauerhaftigkeit der Übertragung des Datenwertes an die Gesellschaft entgegen. Dies erschwert die Bestimmung des der Gesellschaft zur Verfügung gestellten Wertes und rückt diesen in die Nähe des Aleatorischen, sofern nicht durch vertragliche Vereinbarungen mit dem Nutzer entsprechende Regelungen getroffen wurden.

Rn861

4.2. Rechtsunsicherheiten bei der Wertermittlung

Sacheinlagen gelten als wirksam auf die Gesellschaft übertragen, sobald der Kapitalaufbringungsvorgang abgeschlossen ist.63 Nach dem Grundsatz der realen Kapitalaufbringung ist dies der Fall, wenn das Grundkapital tatsächlich und endgültig der Gesellschaft zugeflossen ist.64 Dies ist nicht gegeben, wenn eingebrachte Sacheinlagen überbewertet wurden und damit nicht dem Nennwert der dafür übernommenen Geschäftsanteile oder Aktien entsprechen. Um die hierdurch potentiell gefährdeten Gesellschaftsgläubiger und später hinzukommenden Aktionäre und Gesellschafter zu schützen65 sieht das Kapitalgesellschaftsrecht die präventive Werthaltigkeitskontrolle durch das Registergericht vor.66 Bei der Prüfung hat das Registergericht sich nicht ohne Weiteres auf die entsprechende Versicherung der Geschäftsführer oder des Vorstands über die Einlageleistung zu verlassen, sondern sich ein eigenes Bild über die Werthaltigkeit zu verschaffen.67 Die hierbei bestehende Amtsermittlungspflicht steht im Spannungsfeld zum Eintragungsanspruch der Beteiligten.68 Erforderlichenfalls beauftragt das Gericht Sachverständige mit der Nachprüfung der Bewertungen.69 Dies könnte zu Rechtsunsicherheit bei der Eintragung und Kapitalerhöhung70 führen. Gesellschafter, welche Daten als Sacheinlagen einbringen, könnten, selbst wenn die Eintragung vorgenommen wird, weiteren Ersatzansprüchen ausgesetzt sein.71

Rn862

Der Wert von Daten wird maßgeblich durch das Zusammenspiel der auf sie angewendeten Algorithmen, deren Anwendungsmöglichkeiten und der Verfügbarkeit ähnlicher Daten bestimmt.

Rn863

Insofern besteht eine Parallele zu Urheberrechten, Know-How sowie noch nicht patentierten Erfindungen, welche einhellig als sacheinlagefähig angesehen werden.72 Auch deren Wert entwickelt sich interdependent zu einem potentiellen Interessentenkreis, was deren Bewertung schwierig,73 wenn nicht gar imaginär74 macht.

Rn864

Schwierige Bewertungsfragen schließen die generelle Eignung als Sacheinlage nicht aus, was insbesondre auch bei der Sacheinlage von Nutzungsrechten an Gegenständen gesellschaftsfremder Dritter anerkannt ist.75

Rn865

4.3. Anwendungsbeispiel: Trainingsdaten

„Künstliche Intelligenz“ ist ein nicht klar konturierter Oberbegriff für eine Vielzahl von Algorithmen, deren Aufgabe es ist rational operierend für eine gegebene Aufgabe möglichst autonom eine möglichst optimale Lösung zu finden.76 Die größte Subklasse stellen dabei „Machine Learning“ Algorithmen dar, worunter sich auch Neuronale Netzwerke subsumieren lassen. Machine Learning zeichnet sich dadurch aus, dass die Algorithmen statistisch agieren, um computative Systeme progressiv in die Lage zu versetzen, deren Performance für eine gegebene Aufgabe zu verbessern. Dies geschieht in der Regel iterativ, indem die Algorithmen anhand großer Datenmengen (den „Trainingsdaten“) trainiert werden, umso ein möglichst gutes Ergebnis auf unbekannten, neuen Datensätzen (den „Testdaten“) zu liefern. Man spricht hierbei von der „Generalisierungsfähigkeit“ der Algorithmen.

Rn866

Es ist bekannt, dass die Performance durch die Qualität der Daten, auf denen die Algorithmen operieren, eine obere Schranke erfährt.77 Trainingsdaten sollten repräsentativ für das vom Algorithmus zu lösende Problem, von hoher Qualität, in großer Zahl vorhanden, ohne statistischen Bias und divers genug sein, um die Generalisierungsfähigkeit des trainierten Algorithmus zu gewährleisten.78 Damit sind entsprechende Trainingsdaten essentiell für den Geschäftserfolg der auf ihnen trainierten Algorithmen.

Rn867

Die Sacheinlage von nicht-personenbezogenen Trainingsdaten, insbesondere Industriedaten sowie anonymisierten personenbezogenen Daten, ist mithin wirtschaftlich sowie gesellschaftsrechtlich von Bedeutung.

Rn868

4.3.1. Zeitlich begrenzte Relevanz von Trainingsdaten

Trainingsdaten ist dabei aber nur eine zeitlich beschränkte Relevanz inhärent. Wurden diese zum Trainieren eines Algorithmus verwendet und dessen lernbare Parameter entsprechend angepasst,79 so hat sich der Wert der Trainingsdaten in Bezug auf diesen Algorithmus bereits endgültig realisiert.

Rn869

Die kontinuierliche Verbesserung der algorithmischen Generalisierungsfähigkeit erfordert die kontinuierliche Zuführung neuer, qualitativ hochwertiger Trainingsdaten. Folglich stellt sich die Frage nach der Feststellung des Wertes von als Sacheinlage erbrachten Trainingsdaten. Wie oben festgestellt, wird der Wert von Sacheinlagen auch in Relation zu deren Verwendbarkeit für die Gesellschaft bestimmt. Sofern Daten zum Training von im Rahmen des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs der Gesellschaft entwickelten Algorithmen eingelegt wurden, ist deren Verwendbarkeit erwartungsgemäß nur für einen Trainingszyklus gegeben. Danach sind die Parameter des Algorithmus angepasst und die Daten könnten für fortgesetzte Entwicklung nur als Basis für weitere statistische Augmentation oder Selektion relevant sein.

Rn870

Es stellt sich damit die Frage, ob dies ausgehend von dem Kriterium des feststellbaren Vermögenswertes genügt, um die Sacheinlagefähigkeit von Trainingsdaten zu bejahen.

Rn871

4.3.2. Parallele zu obligatorischen Nutzungsrechten

Dies führt zu einer Problemlage, die derjenigen bei obligatorischen Nutzungsrechten ähnlich ist.

Rn872

Obligatorische Nutzungsrechte können jedenfalls dann als Sacheinlage dienen, wenn ihre Nutzungsdauer in Form einer festen Laufzeit oder als konkret bestimmte Mindestdauer feststeht.80 Ist dies nicht der Fall, ist die Einlagefähigkeit eines solchen Rechts in Ermangelung eines feststellbaren wirtschaftlichen Werts abzulehnen.81

Rn873

Der Zeitwert eines Nutzungsrechts mit bestimmter Nutzungsdauer wird durch die Kapitalisierung des Nutzungswerts über die gesamte Dauer des Rechts berechnet.82

Rn874

Trainingsdaten sind jedenfalls für die Dauer eines Trainingszyklus wertvoll. Sie haben folglich in Anbetracht dieser Kriterien einen feststellbaren Wert für die Gesellschaft und sind somit sacheinlagefähig.

Rn875

Trainingsdaten sind für die Entwicklung von Machine Learning Algorithmen maßgebend, welche den Kern der Datenökonomie des 21. Jahrhunderts bilden. Dies legt nahe, dass es sich bei der Sacheinlage von Trainingsdaten um einen Hauptanwendungsfall der gesellschaftsrechtlichen Einbringung handelt.

Rn876

4.3.3. Zwischenfazit

Trainingsdaten stellen lediglich einen Beispielsfall dar, an welchem sich der bei Daten in weiten Bereichen gegebene schnelle Wertverlust besonders deutlich zeigt.

Rn877

Dies muss jedoch der Werthaltigkeit von Daten nicht entgegenstehen. Es ist vielmehr Zeichen der rapiden Dynamik im Datenmarkt, in welchem rasch schwindenden Substanzwerten hohe Ertragswerte gegenüberstehen.

Rn878

5. Sacheinlagefähigkeit von personenbezogenen Daten

Schwieriger gestaltet sich die Rechtslage bei personenbezogenen Daten. Es ist bereits wirtschaftliche Realität, dass Angaben über individuelle Personen und damit personenbezogene Daten,83 welche aus Bestellungen, Meinungsumfragen, sozialen Netzwerkaktivitäten und Internetaktivitäten verschiedenster Art gewonnen werden, von Datenmaklern gezielt gesammelt und weiterverkauft oder vermietet werden. Dies ist rechtmäßig, sofern insbesondere der Rechtsrahmen der Datenschutz-Grundverordnung84 (DSGVO) gewahrt ist. Dies setzt nach Art. 6 I lit. a DSGVO grundsätzlich die Einwilligung der betroffenen Person voraus, welche in der Praxis gerade in Vertragskonstellationen welche dem Bereich „Zahlen mit Daten“ zugeordnet werden können, formularmäßig erteilt wird. Hierbei hat der europäische Gesetzgeber die Rechte von betroffenen Personen umfassend gestärkt, so insbesondere durch ein Widerrufsrecht nach Art. 7 III DSGVO, dem Recht auf Vergessenwerden in Art. 17 DSGVO sowie dem Widerspruchsrecht gegen Direktwerbung nach Art. 21 II DSGVO.

Rn879

5.1. Datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit der Gesellschaft

Adressat dieser Rechte ist der „Verantwortliche“ nach der Legaldefinition des Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Maßgeblich ist dabei, wem im konkreten Fall in Bezug auf die in Frage stehende Verwendung die Verfügungs- und Entscheidungsbefugnis hinsichtlich des Zwecks und der Mittel der Datenverarbeitung zukommt.85

Rn880

Werden Daten als Sacheinlage zum Zwecke des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs einer Gesellschaft geleistet, so folgt aus der für die nach der hier vertretenen Auslegung des Übertragbarkeitskriteriums erforderlichen freien Nutzbarkeit und Verwertbarkeit zum Zwecke der Gesellschaft, dass die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit die Gesellschaft trifft.

Rn881

Angesichts der gleich einem Damoklesschwert über der Datenverarbeitung schwebenden Möglichkeit, dass betroffene Personen ihre datenschutzrechtlichen Rechte wahrnehmen, stellt sich aber die Frage, ob diese Nutzbarkeit und Verwertbarkeit wie für die Übertragbarkeit erforderlich unbeschränkt möglich ist und damit personenbezogene Daten als Sacheinlage geeignet sind.

Rn882

Der jederzeit mögliche Widerruf der Einwilligung könnte dem entgegenstehen.

Rn883

5.2. Weiterverarbeitung von Daten trotz Widerrufs

Dass Einwilligende die weitere Verarbeitung ihrer Daten trotz Widerrufs dulden müssen, stellt insbesondere Art. 17 I lit. b iVm Art. 6 I UAbs. 1 DSGVO sicher, jedenfalls dann, wenn die Verarbeitung a priori auch auf einen anderen der in Art. 6 I UAbs. 1 DSGVO genannten Erlaubnistatbestände gestützt wurde.86 Mit Hinblick auf den Fall, dass Sammlungen personenbezogener Daten als Sacheinlage eingebracht werden, kommen insbesondere Art. 6 I UAbs.1 lit. b und lit. f DSGVO als Legitimation der weiteren Datenverarbeitung durch die Gesellschaft in Frage.

Rn884

5.2.1. Legitimation nach Art. 6 I UAbs. 1 lit. b DSGVO

Gem. Art. 17 I lit. b iVm Art. 6 I UAbs. 1 lit. b DSGVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten trotz widerrufener Einwilligung weiterhin zulässig, wenn diese der Erfüllung eines Vertrages dient. Bereits aus dem Wortlaut („Erfüllung eines Vertrags“) folgt dabei, dass auch Datenverarbeitungen durch unbeteiligte Dritte über Art. 6 I UAbs. 1 lit. b DSGVO legitimierbar sind, soweit diese für die Erfüllung eines Vertrags, deren Partei die betroffene Person ist, erforderlich sind.87 Dreh- und Angelpunkt der Legitimationswirkung des Art. 6 I UAbs. 1 lit. b DSGVO ist das Kriterium der Erforderlichkeit. Dieses wird unionsautonom ausgelegt.88 Denkbar in der gegebenen Konstellation wäre der Fall, dass ein Unternehmen als Gesellschafter einer zu gründenden Kapitalgesellschaft allokierte Nutzerdaten als Sacheinlage in die Gesellschaft einbringen möchte, welche dann diese Nutzerdaten im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs wirtschaftlich verwertet, etwa um personalisiert zu werben. Insofern bestehen Parallelen zu dem auf Vorlage des OLG Düsseldorf89 ergangenen Beschluss des EuGH, in welchem dieser sich für eine strenge und am Maßstab der von dem mit der betroffenen Person kontrahierenden Unternehmen im Einzelnen erbrachten Dienstleistungen orientierten Prüfung der Erforderlichkeit aussprach.90

Rn885

Eine auf Art. 6 I UAbs. 1 lit. b DSGVO gestützte Legitimation der Verarbeitung als Sacheinlage eingebrachter Sammlungen personenbezogener Daten trotz widerrufener Einwilligung durch betroffene Personen dürfte angesichts dieser vom EuGH vertretenen engen Auslegung daher nur in Einzelfällen in Betracht kommen.

Rn886

5.2.2. Legitimation nach Art. 6 I UAbs. 1 lit. f DSGVO

In Art. 6 I UAbs. 1 lit. f DSGVO werden die datenschutzrechtlichen Rechte betroffener Personen gegen die berechtigten Interessen der Verarbeitenden abgewogen und die Verarbeitung trotz widerrufener Einwilligung für rechtmäßig erklärt, wenn die Verarbeitung zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich ist und diese überwiegen. Die Prüfung erfolgt somit dreistufig, wobei zunächst ein berechtigtes Interesse des Verarbeitenden festzustellen ist, die Datenverarbeitung sodann zur Wahrung dieses Interesses erforderlich sein muss, und zuletzt das Interesse überwiegen muss, wobei bei gleichwertigen Interessen („non liquet“) eine Verarbeitung stattfinden darf.91 Die Interessenabwägung basiert auf normativen Kriterien, wobei sowohl die ideellen Interessen der betroffenen Personen als auch die wirtschaftlichen Interessen der Datenverarbeiter berücksichtigt werden.92 Diese Abwägung erfolgt nicht pauschal nach dem Verarbeitungszweck, sondern individuell für jeden Einzelfall.93 Sie ist auch in dem Fall vorzunehmen, in welchem große Mengen an Daten im Internet mittels „Scraping“ und „Crawling“ im Internet allokiert werden, selbst wenn dort personenbezogene Daten oft von den betroffenen Personen selbst veröffentlicht wurden.94

Rn887

5.2.3. Widerspruch nach Art. 21 DSGVO

Ist die Verarbeitung nach Art. 6 I UAbs. 1 lit. f DSGVO gerechtfertigt, so können Betroffene diese gleichwohl mit ex nunc Wirkung infolge eines Widerspruchs nach Art. 21 DSGVO unterbinden. Die Voraussetzungen an die Geltendmachung von schutzwürdigen Interessen der betroffenen Personen sind insofern höher als in Art. 6 I UAbs. 1 lit. f DSGVO.95 Die betroffene Person hat einen Widerspruchsgegenstand, mithin also die sie betroffenen Daten sowie ein Widerspruchsinteresse, worunter eine sie betreffende den Widerspruch rechtfertigende Sondersituation verstanden wird, darzulegen.96

Rn888

Konträr hierzu hat der Verarbeitende zwingende schutzwürdige Interessen darzulegen, welche dem Widerspruch entgegenstehen. Er hat den Nachweis zu erbringen, dass diese schutzwürdigen Verarbeitungsgründe das Widerspruchsinteresse der betroffenen Person überwiegen.97 Zwingend sind Gründe insbesondere dann, wenn der Verarbeitende legitime Ziele nachweist, welche er nur durch die Verarbeitung erreichen kann,98 oder wenn er infolge eines Widerspruchs gesetzliche oder vertragliche Pflichten gegenüber Dritten nicht mehr erfüllen könnte.99 Hierbei ist infolge des Ausnahmecharakters der Norm ein restriktives Verständnis zugrunde zu legen.100

Rn889

Selbst wenn die Gründe des Verarbeitenden als zwingend erachtet werden, muss stets im Einzelfall eine Abwägung getroffen werden, welche Rechte überwiegen, wobei vielfach aufseiten der betroffenen Person eine potentielle Verletzung absoluter Rechtsgüter gefordert wird.101

Rn890

5.2.4. Zwischenfazit

Die dauerhafte und unbeschränkte Nutzbarkeit einer als Sacheinlage eingebrachten Sammlung von personenbezogenen Daten für Zwecke der Gesellschaft ist mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Sofern nach Geltendmachung der Betroffenenrechte von der DSGVO dem Verarbeitenden das Recht eingeräumt wird, die personenbezogenen Daten gleichwohl weiter für seine Zwecke zu nutzen, ist dieses Recht an eine umfassende Güter- und Interessenabwägung geknüpft, welche unter Umständen durch ein Gericht vorzunehmen ist, siehe Art. 79 DSGVO. Insbesondere bei einem Widerspruch nach Art. 21 I DSGVO hat die betroffene Person nach Art.18 I lit. d DSGVO bis zu einer Abwägungsentscheidung das Recht, von dem Verantwortlichen die Einschränkung der Verarbeitung zu verlangen. In Erwägungsgrund (67) der DSGVO sind hierfür beispielhaft Maßnahmen aufgeführt. Grundsätzlich ist nach Einschränkung der Verarbeitung die weitere Speicherung, nicht jedoch die weitere Verwertung und Bearbeitung der Daten möglich.102

Rn891

Ausnahmen von diesem Grundsatz finden sich in Art. 18 II DSGVO. In der gegebenen Konstellation relevant könnte die Verarbeitung zum „Schutz der Rechte Dritter“ nach Art. 18 II 3. Alt. DSGVO sein. Dies unterliegt einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung, welche lediglich dann zugunsten des Verantwortlichen ausfällt, wenn sich die Verarbeitung als unbedingt notwendig erweist.103

Rn892

Dies verdeutlicht, dass nach Art. 18 II DSGVO eine weitere gewinnbringende Verarbeitung im Rahmen des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs der Gesellschaft in der Regel nicht in Betracht kommen wird.

Rn893

Somit kann bei der Einlage von personenbezogenen Daten die unbeschränkte und dauerhafte Nutzbarkeit zu wirtschaftlichen Zwecken der Gesellschaft nicht garantiert werden. Dies steht der für die Sacheinlage- und Beitragsfähigkeit erforderlichen dauerhaften Übertragbarkeit von personenbezogenen Daten entgegen.

Rn894

Wie oben dargelegt, ist der Wert der Sacheinlage auch nach den Nutzungsmöglichkeiten für die Gesellschaft zu bemessen. Selbst wenn die Übertragbarkeit im Einzelfall bejaht wird, dürfte der Wert von Sammlungen personenbezogener Daten aufgrund der erforderlichen Ausübung und Abwägung von Betroffenenrechten erheblich gemindert werden, selbst wenn betriebswirtschaftliche Prognosen zur voraussichtlichen Ausübung dieser Rechte erstellt werden können.

Rn895

Nach hier vertretener Ansicht sollte die Sacheinlage- und Beitragsfähigkeit von personenbezogenen Daten folglich mit Zurückhaltung betrachtet werden.

Rn896

Uneingeschränkt möglich bleibt aber die Sacheinlage von anonymisierten Daten, was jedoch dem Verantwortlichen die Prüfpflicht auferlegt, anhand der Begriffsbestimmung für personenbezogene Daten sicherzustellen, dass die Daten auch tatsächlich keinen Personenbezug mehr aufweisen. Dies ist auch aus dem Grund risikobehaftet, dass Anonymität keine feste Eigenschaft von Daten ist, sondern sich nach den Umständen ihrer (Wieder)Verwendung ändern kann.104

Rn897

6. Fazit

Daten sind zwar keine Immaterialgüterrechte, sie sind für den Wirtschaftsverkehr aber mindestens so relevant. Damit besteht grundsätzlich auch ein Interesse, diese gesellschaftsrechtlich als Sacheinlage einzubringen. Nach der vorliegend vertretenen Rechtsauffassung sind nicht-personenbezogene Daten umfassend sacheinlagefähig. Im Anwendungsbereich des Data Act ist die dauerhafte Übertragbarkeit der Daten eng an die Ausgestaltung der Datenlizenzverträge geknüpft. Die im Data Act geregelten Möglichkeiten für unternehmerische Dateninhaber zur Abwehr von Datenzugangsansprüchen können vermutlich nur gut vorbereitete Unternehmen effektiv nutzen.105 Damit könnte sich die Sacheinlage von Daten, die in den Anwendungsbereich der Kapitel II und III des Data Act fallen, als risikobehaftet erweisen.

Rn898

Bei personenbezogenen Daten bleiben die Betroffenenrechte nach der DSGVO auch innerhalb von Geschäftsmodellen, welche dem „Zahlen mit Daten“ unterfallen, bestehen.106 Eine Einschränkung der Betroffenenrechte ergibt sich lediglich aus der DSGVO selbst. Die Weiterverarbeitung von Daten trotz widerrufener Einwilligung durch den Verantwortlichen ist jedoch an enge Voraussetzungen geknüpft und deren Rechtmäßigkeit letztlich eine gerichtliche Abwägungsentscheidung. Dies widerspricht der hier vertretenen Interpretation der Übertragbarkeit. Die Sacheinlagefähigkeit von (Sammlungen von) personenbezogenen Daten ist somit risikobehaftet und zurückhaltend zu bewerten.

Rn899

Im Übrigen stehen Bewertungsschwierigkeiten der Sacheinlagefähigkeit nicht entgegen. Die wirtschaftliche Nutzung von Daten ist sowohl national wie global ein gesellschaftspolitisches Ziel. Die Bedeutung der Datenökonomie wächst stetig und wird in Zukunft die Entstehung etablierter Märkte für verschiedene Datentypen fördern.

Rn900

Insbesondere im Bereich der Künstlichen Intelligenz, deren Algorithmendesign auf große Datenmengen angewiesen ist, werden Daten eine wesentliche Sacheinlage für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb verschiedener Gesellschaftsformen darstellen.

Rn901

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