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Die Europäische Kommission hat sich als Amicus Curiae zur Handhabung von SEP/FRAND-Streitigkeiten geäußert. Der Aufsatz ordnet die Stellungnahme der Kommission vor dem Hintergrund der bisherigen europäischen und deutschen Rechtsprechung ein und untersucht potenzielle Folgen. Dabei wird deutlich, dass die Kommission eine Interpretation des EuGH-Urteils vertritt, die das Kräftegleichgewicht zwischen SEP-Inhabern und -Nutzern jedenfalls in Deutschland erheblich verändern könnte.

1. Einführung

Die jüngste Stellungnahme der Europäischen Kommission gegenüber dem Oberlandesgericht München1 in ihrer Funktion als Amicus Curiae könnte eine bedeutende Entwicklung in der Debatte über die korrekte Auslegung und Anwendung des vom EuGH in der Rechtssache Huawei/ZTE2 etablierten Verhandlungsrahmens darstellen.

Rn926

Dieser Aufsatz analysiert die Kernaussagen der Stellungnahme vor dem Hintergrund der Huawei/ZTE-Entscheidung sowie einschlägiger deutscher Rechtsprechung und erörtert deren potenzielle Auswirkungen auf die zukünftige gerichtliche Handhabung von FRAND-Streitigkeiten.

Rn927

2. Rechtlicher Hintergrund

2.1. Das Huawei/ZTE-Urteil des EuGH

In der wegweisenden Entscheidung Huawei/ZTE konzipierte der EuGH erstmals ein Rahmenwerk für die Behandlung von SEP/FRAND Streitigkeiten. Tragende Idee war es dabei, die Parteien, ohne den Druck eines anhängigen Verletzungsrechtsstreits, zu Verhandlungen zu bewegen.3 Dabei gilt es für den SEP-Inhaber, durch die korrekte Vornahme der nachfolgend dargestellten Schritte zu verhindern, dass die Durchsetzung seines Unterlassungsanspruchs am FRAND-Einwand des SEP-Nutzers scheitert. Der SEP-Nutzer ist spiegelbildlich durch die Möglichkeit der Abwehr des Unterlassungsanspruchs mittels FRAND-Einwands zu einer korrekten Vorgehensweise motiviert.

Rn928

Konkret sieht das Urteil folgende Schritte vor:4

Rn929
  1. Verletzungshinweis des Inhabers an den Nutzer unter genauer Bezeichnung von SEP und Verletzungsmodalitäten5 und Gewährleistung einer Gehörsmöglichkeit;6
  2. Erklärung des Nutzers über den Willen zur Lizenznahme;7
  3. Abgabe eines konkreten, schriftlichen Lizenzangebots zu FRAND-Bedingungen durch den Inhaber;8
  4. sorgfältige Reaktion des Nutzers auf das Angebot9 durch unverzügliche Annahme oder Unterbreitung eines konkreten, schriftlichen Gegenangebots zu FRAND-Bedingungen;10
  5. bei Ablehnung des Gegenangebots durch den SEP-Inhaber weiterhin sorgfältiges Verhalten des Nutzers durch geschäftsübliche Rechnungslegung und angemessene Sicherheitsleistung.11

Die Parteien können auch einvernehmlich die Bestimmung der FRAND-Bedingungen durch einen Dritten vereinbaren.12

Rn930

Dieser Mechanismus ist das Ergebnis der Abwägung der Belange des freien Wettbewerbs, u.a. geschützt durch Art. 102 AEUV, mit den Rechten des SEP-Inhabers auf Schutz seines geistigen Eigentums, Art. 17 Abs. 2 der Charta, und effektiven Rechtsschutz, Art. 47 der Charta.13 Dabei beginnt der EuGH seine Überlegungen zwar mit der Bedeutung der Rechte des SEP-Inhabers.14 Er fährt jedoch entsprechend vorstehender Überlegung damit fort, dass diese Rechte im spezifischen Fall von SEP nur unter der Beachtung besonderer Anforderungen zum Schutz des freien Wettbewerbs geltend gemacht werden können, was sich auch aus der FRAND-Zusage gegenüber der SSO ergibt.15

Rn931

2.2. Deutsche Rechtsprechung

Da das Huawei/ZTE-Urteil sich nicht zu allen in der Praxis streitigen Details äußert, wurden diese sodann durch nationale Gerichte entschieden. Während sich im Hinblick auf konkrete Vorgaben mitunter erhebliche Unterschiede zeigen, ist die Rechtsprechung insgesamt von einer Bevorzugung der Rechtsposition des SEP-Inhabers geprägt.

Rn932

2.2.1. BGH-Urteil FRAND-Einwand

In der ersten Leitentscheidung des BGH nach Huawei/ZTE – FRAND-Einwand16 – finden sich entsprechend bereits zahlreiche inhaberfreundliche Auslegungsansätze. Grundlegend formuliert der BGH, die Verpflichtung des Inhabers zur Lizenzierung setze voraus, dass der unlizenzierte Nutzer bereit ist, eine Lizenz an diesem Patent zu FRAND-Bedingungen zu nehmen, und schaltet so gewissermaßen die Pflichten des Nutzers denen des Inhabers vor.17 Die Verhaltenspflichten des Inhabers nach Huawei/ZTE seien überhaupt kein Selbstzweck, sondern dienten dazu, dem Nutzer die Bestimmung der FRAND-Bedingungen für sein Angebot zu erleichtern.18

Rn933

Ferner beschränkt der BGH die Hinweispflicht des Inhabers jedenfalls nach dem Wortlaut auf Fälle, in denen der Nutzer sich nicht bewusst ist, mit der Implementierung einer vom Standard geforderten technischen Lösung rechtswidrig von der Lehre des Klagepatents Gebrauch zu machen.19 Inhaltlich muss der Hinweis dem Nutzer lediglich ermöglichen, sich - gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe oder durch Einholung von Rechtsrat - ein Bild von der Berechtigung des Verletzungsvorwurfs zu machen.20 Soweit der Hinweis Minimalanforderungen genügt, sieht der BGH eine Obliegenheit des Nutzers vor, weitere notwendige Informationen beim Inhaber anzufragen.21

Rn934

Für die Erklärung des Nutzers über seinen Willen zum Abschluss eines Lizenzvertrags sieht der BGH außerdem eine zeitliche Grenze vor, die regelmäßig nach mehreren Monaten überschritten sein soll.22 Zur Möglichkeit der Nachholung der Erklärung vor Klageerhebung äußerte sich der BGH im Gegensatz zum Berufungsgericht nicht.23 Des Weiteren deutet er an, die Lizenzbereitschaft als kontinuierliche Mitwirkungspflicht statt einer punktuell zu erklärenden Tatsache zu verstehen.24

Rn935

Der BGH sieht letztlich auch die außerprozessuale Darlegungs- und Beweislast für FRAND-Bedingungen beim Nutzer und zieht lediglich eine Parallele zur sekundären Darlegungslast, für Fälle, in denen der Nutzer zwingend Informationen des Inhabers benötigt.25 Außerdem wird diese Verpflichtung des Inhabers in ihrer Ausgestaltung durch die Umstände des Einzelfalls, insbesondere das Verhalten des Nutzers, beschränkt.26

Rn936

2.2.2. BGH-Urteil FRAND-Einwand II

In der weiteren Leitentscheidung des BGH – FRAND-Einwand II27 – setzt der BGH diese Tendenzen fort und legt insbesondere deutlich dar, dass er die Huawei/ZTE-Rechtsprechung nicht als zwingendes Programm versteht, sondern als Beispiel für die Beziehung zwischen lizenzwilligem Inhaber und Nutzer. Er macht die Lizenzwilligkeit zum eigenständigen, zunehmend abstrahierten und übergeordneten Prüfkriterium.28

Rn937

Demnach soll sich lizenzwilliges Verhalten danach bemessen, was eine vernünftige Partei, die an dem erfolgreichen, beiderseits interessengerechten Abschluss der Verhandlungen interessiert ist, zur Förderung dieses Ziels in einem bestimmten Verhandlungsstadium jeweils tun würde, wobei auch entscheidend auf das Verhalten des Gegenübers abzustellen ist.29 Versäumnisse müssen soweit möglich durch gesteigerte Bemühungen kompensiert werden.30

Rn938

Dieser Maßstab gilt dabei von Beginn an, d.h. sowohl für die Erklärung des Willens zur Lizenznahme durch den Nutzer als auch für dessen Reaktion auf das FRAND-Angebot des Inhabers nach Huawei/ZTE.31 Hat also der Nutzer längere Zeit nicht auf den Verletzungshinweis des Inhabers reagiert, löst dies sogar bereits gesteigerte Sorgfaltspflichten aus.32

Rn939

Der BGH versteht Huawei/ZTE insbesondere dahingehend, dass eine strikt sequentielle Abfolge der Schritte – also auch der Lizenzbereitschaftserklärung – nicht ausreichend ist, sondern die Lizenzbereitschaft des Nutzers fortdauernd bestehen muss.33 Das Verhalten nach der ursprünglichen Erklärung ist daher in die Beurteilung einzubeziehen.34

Rn940

Deutlich wird in der Entscheidung auch, dass das Huawei/ZTE-Rahmenwerk vom BGH sowohl auf die Zeit im Vorlauf als auch während des gerichtlichen Verfahrens angewandt wird. Die Lizenzwilligkeit einer Seite kann jederzeit gegenteilig beurteilt werden.35

Rn941

2.2.3. Instanzgerichtliche Rechtsprechung

Auf der Basis dieser Leitentscheidungen entwickelte sich weiter ausdifferenzierte Rechtsprechung bei den Instanzgerichten. Um einen groben Eindruck über Bandbreite und Tendenzen dieser Rechtsprechung zu ermöglichen, sollen nachfolgend ausgewählte Entscheidungen wichtiger Gerichte dargestellt werden

Rn942

Nur wenige Tage nach dem FRAND-Einwand-Urteil des BGH erachtete es das LG Düsseldorf in mehreren Entscheidungen zum Beispiel für den Verletzungshinweis als ausreichend, wenn dieser die SEP nicht explizit bezeichnet, sondern zur Patentidentifikation auf eine Website verweist.36 Ferner meint das Gericht, die Lizenzbereitschaft (Schritt 2) müsse fortbestehen.37 Im Anschluss an FRAND-Einwand II äußerte sich das OLG Düsseldorf im Rahmen der Signalsynthese-Rechtsprechungsreihe dahingehend, dass zwischen der allgemeinen Lizenzbereitschaft (Schritt 2) und der konkreten Lizenzbereitschaft (Schritt 4) zu differenzieren sei und auch die Prüfungsreihenfolge sich strikt nach Huawei/ZTE richte.38 Es bezog jedoch das weitere vorprozessuale und prozessbegleitende Verhalten des Nutzers in die Bewertung der allgemeinen Lizenzbereitschaft unter dem Gesichtspunkt der Ernstlichkeit der Erklärung ein.39

Rn943

Das LG Mannheim sah die korrekte Prüfungsreihenfolge des Huawei/ZTE-Rahmenwerks dergestalt, dass das Angebot des Inhabers (Schritt 3) nur auf Vollständigkeit und Transparenz hin zu prüfen sei, sodann das Gegenangebot des Nutzers (Schritt 4) nach FRAND-Kriterien zu prüfen sei und erst dann das Angebot des Inhabers auf FRAND-Konformität zu prüfen sei.40 Das OLG Karlsruhe prüfte nach der FRAND-Einwand II-Entscheidung des BGH zunächst die ausreichende Information über die Patentverletzung in Form des Verletzungshinweises (Schritt 1) sowie die Information über eine angebotene Portfoliolizenz (Teil von Schritt 3) und ging sodann zur Prüfung der Lizenzwilligkeit über, einschließlich der Lizenzbereitschaftserklärung (Schritt 2) und des Gegenangebots (Schritt 4).41 In einer späteren Entscheidung prüfte es wiederum die Schritte nach ihrer numerischen Reihenfolge, wobei es der weiten Auslegung der Lizenzwilligkeit nach FRAND-Einwand II folgte.42

Rn944

Nach der FRAND-Einwand-Entscheidung des BGH prüfte das LG München I den FRAND-Einwand dergestalt, dass erste Voraussetzung ein Gegenangebot der Beklagten, das nicht schlechterdings untragbar ist sowie Abrechnung und Sicherheitsleistung diesbezüglich seien (Teil von Schritt 4 und Schritt 5).43 Sodann prüfte es die „qualifizierte Lizenzwilligkeit“ einschließlich Bereitschaftserklärung (Schritt 2) und sonstigem nachfolgendem Verhalten, wobei „nicht nur solche Umstände berücksichtigt werden, die zeitlich nach dem konkreten Verletzerhinweis eingetreten sind, sondern das gesamte Verhalten hinsichtlich der angestrebten Lizenzierung“44 Beachtung findet.45 Eine Erklärung, nach der die Beklagte „im Allgemeinen bereit sei, Lizenzen an benutzten Patenten zu nehmen“, wobei noch Fragen hinsichtlich der Ausgestaltung (direkt/indirekt, Wertschöpfungskette) der Lizenz bestünden und die Absicht bestehe, die claim charts zu prüfen, erachtete das Gericht als unzureichende Lizenzbereitschaftserklärung.46 Die Huawei/ZTE Schritte seien regelmäßig in der vorgegebenen Reihenfolge zu absolvieren, jedoch bestünden Ausnahmen.47 Die Nachholung von Schritten im Prozess sei grundsätzlich möglich, wobei mit zunehmendem Verstreichen der Zeit inhaltlich immer höhere Anforderungen an die Lizenzbereitschaftserklärungen des zunächst lizenzunwilligen Nutzers zu stellen seien.48 In späteren Entscheidungen erachtete das Gericht einen Verletzungshinweis unter (allgemeinem) Verweis auf die Website des Inhabers bezüglich der verletzten SEP und unter Hinweis auf die Standardessentialität für einen bestimmten Standard bezüglich der Art und Weise der Verletzung als ausreichend,49 beschränkte die Prüfung der initialen Inhaberpflichen auf eine Randnummer50 oder prüfte das Verhalten des Inhabers unter dem Kriterium „nicht schlechterdings untragbar“51 und ging sodann zur ausführlichen Prüfung der Lizenzwilligkeit des Nutzers über. Dabei prüft das LG München I das Nutzerverhalten vor und nach Erhebung der Unterlassungsklage unter Einbeziehung der Schritte 2 und jedenfalls teilweise 4.52 Mitunter prüft es das gesamte Nutzerverhalten ohne auch die Lizenzbereitschaftserkärung zu bejahen.53

Rn945

3. Die Stellungnahme der Europäischen Kommission

3.1. Anlass und Kontext

Die Europäische Kommission hat ihre Stellungnahme konkret als Reaktion auf divergierende Auslegungen des Huawei/ZTE-Rahmens durch das Landgericht München I54 und das Landgericht Mannheim55 in den laufenden Parallelverfahren von HMD gegen VoiceAge EVS verfasst. Diese unterschiedlichen Interpretationen betrafen vor allem die Anforderungen an die Verletzungsanzeige und die Bekundung der Lizenzbereitschaft, sowie das Zusammenspiel dieser Schritte.

Rn946

3.2. Kernaussagen

3.2.1. Einordung von Huawei/ZTE in die allgemeine Diskussion

In ihrer Darstellung des Huawei/ZTE-Urteils beschreibt die Kommission das Verhältnis von Schutzrecht des Inhabers und Belangen des Marktes bzw. der Marktteilnehmer in der Weise, dass zunächst von der Rechtsposition des Inhabers auszugehen ist, diese jedoch aufgrund der durch das SEP vermittelten, außergewöhnlichen Machtposition sowie der FRAND-Zusage einzuschränken ist.56

Rn947

Sie sieht hierin eine Fortentwicklung vorangegangener Rechtsprechung des EuGH zur Ausübung von Schutzrechten durch standardunabhängig marktbeherrschende Unternehmen, in welcher es als ausgeschlossen galt, durch die Ausübung des Schutzrechts im Wege der Verletzungsklage als solche gegen Art. 102 AEUV zu verstoßen.57

Rn948

Entsprechend sieht sie eine Entwicklung dahingehend, dass im Fall von SEP für den Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung die Klage auf Unterlassung oder Rückruf ohne Einhaltung der Obliegenheiten nach dem Huawei/ZTE-Rahmenwerk genügt.58 Weitere pönale Aspekte sind folglich nicht erforderlich. Dabei stellt das Rahmenwerk einen detailliert ausgearbeiteten Mechanismus dar, der wie nachstehend beschrieben wenig Spielraum für Interpretation zulässt.

Rn949

3.2.2. Nachholen, Trennung und Reihenfolge von Schritten

Die Kommission bezieht den Standpunkt, dass keiner der Schritte, insbesondere die ersten beiden, nach Erhebung einer Unterlassungsklage nachgeholt werden kann; auch eine Heilung durch Vornahme im Prozess kommt nicht in Betracht.59 Denn während des gerichtlichen Verfahrens kann der Zweck des Huawei/ZTE-Prozesses, nämlich effiziente, bedeutsame und informierte Verhandlungen, nicht mehr erreicht werden. Der anhängige Unterlassungsantrag bedeutet erheblichen Druck für die Position des Nutzers. Die Nachholungsmöglichkeit würde für den Inhaber einen Anreiz für die sofortige Klageerhebung, für den Nutzer einen Anreiz zur pauschalen Geltendmachung des FRAND-Einwands erzeugen, ohne dass Verhandlungsanstrengungen dargelegt werden müssten.60

Rn950

Die Kommission merkt ferner an, dass die einzelnen Schritte des Huawei/ZTE-Rahmenwerks voneinander zu trennen sind und in ihren Voraussetzungen nicht vermischt werden dürfen.61

Rn951

Weiterer richtungsweisender Punkt ist, dass die Prüfungsreihenfolge im Huawei/ZTE-Rahmenwerk, strikt sequenziell und zwingend ist. Schritt 2 ist daher nur bei Bejahung von Schritt 1 zu prüfen, Schritt 3 nur bei Bejahung von Schritt 2 usw.62

Rn952

Dies stützt sie auf die Erwägung, dass es sich bei dem Rahmenwerk um ein spezifisch auf den Interessenausgleich in SEP/FRAND-Fällen ausgelegtes Prozedere handelt, das durch seine bestimmte Gestaltung Bedingungen für angemessene Verhandlungen zwischen Inhaber und Nutzer gewährleisten soll.63

Rn953

3.2.3. Anforderungen an die Verletzungsanzeige (Schritt 1)

Die Kommission betont zunächst, dass die Verletzungsanzeige – wie bereits in Huawei/ZTE niedergelegt64 – vor der Stellung des Unterlassungsantrags erfolgen und drei Elemente enthalten muss, nämlich eine ausdrückliche Rüge der Patentverletzung, die Bezeichnung betroffener SEP und die Art und Weise der Verletzung.65

Rn954

Diese Informationen müssen in der Verletzungsanzeige selbst enthalten sein und können nicht durch Verweise auf externe Quellen ersetzt werden. Dies wird damit begründet, dass der Inhaber am besten dazu in der Lage ist, die Informationen bereitzustellen und dass die ausdrückliche Angabe der Informationen – insbesondere des Verletzungsvorwurfs – in der Anzeige selbst für einen aufmerksamen und angemessen ernstlichen Umgang des Nutzers mit derselben erforderlich ist.66

Rn955

Die Kommission unterstreicht abermals, dass die Verletzungsanzeige vor der Erhebung einer Unterlassungsklage erfolgen muss.67 Dabei sei es möglich, dass eine zuvor erhobene Auskunfts- oder Schadensersatzklage als ausreichende Verletzungsanzeige zu qualifizieren ist; denn auf diese Klageanträge ist das Huawei/ZTE-Rahmenwerk nicht anwendbar.68

Rn956

3.2.4. Bekundung der Lizenzbereitschaft (Schritt 2)

Bezüglich der Lizenzbereitschaft des Implementierers stellt die Kommission zunächst klar, dass die Erklärung der Lizenzbereitschaft zu FRAND-Bedingungen – wie ebenfalls bereits in Huawei/ZTE beschrieben69 – unter dem Vorbehalt stehen darf, die Wirksamkeit der betreffenden SEP und ihre Wesentlichkeit für den betreffenden Standard zu überprüfen und ggf. anzugreifen.70

Rn957

Die Kommission legt ferner dar, dass die Bewertung der Lizenzbereitschaft anhand des Inhalts und der Umstände der Erklärung erfolgen soll, nicht aufgrund des späteren Verhaltens während der Verhandlungen.71 Auch das Huawei/ZTE-Urteil deckt sich hiermit, da insofern keine weiteren Anforderungen an die Erklärung der Lizenzwilligkeit stipuliert werden.72 Die Schritte 1 und 2 bilden zudem nur den Auftakt der Verhandlungen zwischen den Parteien.73 Insbesondere gilt dies für bestimmte Lizenzbedingungen oder Lizenzgebühren, die zum Verhandlungsgegenstand gemacht werden, weil die Schritte 1 und 2 den Schritten 3 und 4 vorausgehen und von diesen abgegrenzt und – ohne vorzugreifen – geprüft werden müssen. Das trifft gerade auf die – ausdrücklich und nur im Zusammenhang mit Schritt 4 genannte – Obliegenheit zur sorgfältigen Reaktion des Nutzers auf das Angebot des Inhabers einschließlich des Verzögerungsverbots zu.74 Eine abweichende Handhabung würde es dem Gericht ermöglichen, einen Unterlassungstitel zu gewähren, ohne zu prüfen, ob der Inhaber ein FRAND-Angebot unterbreitet hat, und sich so in Widerspruch zu den Anforderungen nach Huawei/ZTE setzen.75

Rn958

3.3. Verhältnis der Kommissionsposition zur bisherigen Rechtsprechung

3.3.1. Zur deutschen Rechtsprechung

Die Position der Kommission unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von der Auslegung deutscher Gerichte.

Rn959

Klare und tiefgreifende Widersprüche – vor allem auch zur Position des BGH – bestehen im Hinblick auf das Nachholen, die Trennung und die Reihenfolge von Schritten nach Huawei/ZTE und bezüglich der Anforderungen an Schritt 2. Diese beruhen auf der Einbeziehung des Sorgfaltsmaßstabs aus Schritt 4 in den Schritt 2, mithin der Ausgestaltung der Lizenzbereitschaft als kontinuierliches, verhandlungsbegleitendes Kriterium. Hieraus erklären sich auch abweichende Details wie etwa die bei deutschen Gerichten anerkannte, materiell-zeitliche Grenze von wenigen Monaten für die Abgabe der Lizenzbereitschaftserklärung, die sich am Maßstab des redlichen Lizenzsuchers orientiert. Demgegenüber verlangt die Kommission in Schritt 2 lediglich eine inhaltlich korrekte Erklärung vor der formell-zeitlichen Grenze der Unterlassungsklageerhebung. Ein weitergreifender Sorgfaltsmaßstab wird erst ab Schritt 4 an den Nutzer angelegt.

Rn960

Nimmt man zusätzlich die instanzgerichtliche Praxis in den Blick, fallen darüber hinaus Widersprüche zu den Anforderungen an Schritt 1 auf, die in der deutschen Rechtsprechung deutlich inhaberfreundlicher ausgelegt werden. Im Übrigen fällt die divergierende Ausgestaltung der Prüfungsreihenfolge sowie die zunehmende Außerachtlassung des Zeitpunktes der Klageerhebung als Zäsur in den Verhandlungen auf.

Rn961

Auf rechtstechnischer Ebene tun sich klare Gegensätze auf, vor deren Hintergrund die Abweichungen konsequent erscheinen. Die Kommission sieht in dem Huawei/ZTE-Rahmenwerk ein überwiegend formelles Prozedere, das spezifisch auf die SEP/FRAND-Konstellation zugeschnitten und entsprechend strikt sequenziell anzuwenden ist. Die deutsche Rechtsprechung sieht es hingegen – in der Linie des BGH – als materielles, regelbeispielsmäßiges Kriterium, das sich in allgemeinen Rechtsgrundsätzen erschöpft. Entsprechend bevorzugt die Kommission eine eher generische Anwendung der Schritte, während der unbestimmtere Ansatz deutscher Gerichte einen stärkeren Einzelfallbezug zur Eingrenzung notwendig macht. Dieser Unterschied kann sich verschiedentlich zugunsten bzw. zulasten der Parteien auswirken. So kann die Frist für die Abgabe der Lizenzbereitschaftserklärung nach der Kommission (bis Klageerhebung) kürzer, aber auch länger sein als nach der deutschen Rechtsprechung (bis redlicher Lizenzsucher reagiert hätte, regelmäßig wenige Wochen).

Rn962

Auch auf rechtspolitischer Ebene besteht ein grundlegender Unterschied darin, wie die Positionen von Inhaber und Nutzer ausgeglichen werden. Die deutsche Rechtsprechungstradition stellt die Rechte des Inhabers in den Vordergrund und belegt den Nutzer mit entsprechendem Handlungsdruck.76 Die Kommission hingegen betont die Gegenseitigkeit der Rechte und Pflichten von Inhaber und Nutzer und sieht in Huawei/ZTE eine Fortentwicklung früherer EuGH-Rechtsprechung, die im Kontext von SEP die Rechte des Inhabers einschränkt.77 Auch die FRAND-Zusage spielt in der deutschen Rechtsprechung weit überwiegend keine (begründungstragende) Rolle – wohl auch, weil sie sich nicht so recht in die deutsche Rechtsdogmatik einfügt – während die Kommission sie bei ihren Erwägungen stets mit anführt.78 Damit wird ein durchaus gewichtiges Argument zu Lasten des Inhabers außer Acht gelassen, das in der Argumentation des EuGH eine erhebliche Rolle spielt.79

Rn963

3.3.2. Zu Huawei/ZTE

Da das Huawei/ZTE-Urteil des EuGH – wie eingangs herausgearbeitet – viele Details nicht explizit festlegt, bestehen zunächst gewisse Schwierigkeiten, es mit der Stellungnahme der Kommission zu vergleichen. Dennoch lässt sich feststellen, dass sich die Auffassung der Kommission zwanglos aus dem Urteil ableiten lässt.

Rn964

Die klare Trennung der Schritte legt bereits die Darstellung in jeweils getrennten Absätzen nahe.80 Dass die Schritte jeweils getrennte Voraussetzungen haben, ergibt sich daraus, dass diese jeweils nur im Zusammenhang mit dem betreffenden Schritt erwähnt und nicht allgemein bzw. vor die Klammer gezogen statuiert werden. Auch legt die Darstellungsform, die Verwendung von Konditionalsätzen81 sowie die Wortwahl82 die sequenzielle und abwechselnde Reihenfolge der Schritte nahe. Dass die Schritte nicht nach Erhebung der Unterlassungsklage nachholbar sind, ergibt sich bereits aus der Vorlagefrage bzw. der entsprechenden Antwort, die sich darum drehen, unter welchen Voraussetzungen die Klageerhebung missbräuchlich oder zulässig ist. Hier wäre es fernliegend, an Umstände nach Klageerhebung anzuknüpfen. Darüber hinaus folgt dies aus dem Zweck, Verhandlungen ohne Druck zu ermöglichen.

Rn965

Die Formulierung der Anforderungen an Schritt 183 deutet eher darauf hin, dass ausgewählte, explizite und vollständige Informationen im Verletzungshinweis selbst enthalten sein müssen.

Rn966

Dass es sich bei der Lizenzbereitschaftserklärung um einen einfachen, formellen Schritt handelt, legt die Abhandlung in einem Zwischensatz und als bloße Vorbedingung für die Angebotsobliegenheit des Inhabers sowie – anders als bei Schritt 4 – die Abwesenheit weiterer Voraussetzungen nahe.84

Rn967

Auch der formfokussierte, tendenziell generische Ansatz der Kommission spiegelt sich in Huawei/ZTE wider, explizit erwähnt das Urteil die Umstände des konkreten Falls nur an einer Stelle.85 Demgegenüber erstreckt sich die Schilderung der Schritte über mehrere Randnummern.

Rn968

Hinsichtlich der Rolle der Huawei/ZTE-Rechtsprechung in den größeren Kontext der Rechtsentwicklung folgt die Kommission im Wesentlichen den Ausführungen im Urteil.86

Rn969

Auch stellt der EuGH, wie die Kommission, in tragender Weise auf die FRAND-Zusage des Inhabers ab.87

Rn970

Für die Interpretation der Kommission spricht zudem, dass auch deutsche Gerichte in der frühen Zeit nach Huawei/ZTE Ansätze vertraten, die jedenfalls in Teilaspekten mit der Auffassung der Kommission übereinstimmen.88 Diese wurden erst im Laufe der Zeit mit Entscheidungen von Obergerichten89 bzw. der FRAND-Einwand-Rechtsprechung des BGH aufgegeben.

Rn971

3.3.3. Zwischenfazit

Insgesamt erweist sich die Interpretation der Kommission von Huawei/ZTE als schlüssig, während sie zur bisherigen deutschen Rechtsprechung weitgehend im Konflikt steht. Insofern ist wohl auch anzumerken, dass das Huawei/ZTE-Rahmenwerk, wie es der EuGH konzipiert hat, besser durch die Linse der Kommissionsposition verstanden werden kann als durch die der hierzulande entwickelten Dogmatik.

Rn972

Ein Verständnis des Rahmenwerks, wie es tendenziell eher die Kommission und der EuGH vertreten, ist im Übrigen auch unter prozess- und verhandlungsökonomischen Gesichtspunkten zu überlegen.90 Die strikte formale Befolgung der Schritte sorgt für ein relativ zügiges „Vorverfahren“, und der Streitstoff für die Prüfung des FRAND-Einwands im anschließenden gerichtlichen Verfahren wird begrenzt. Sie senkt die Transaktionskosten, weil die verhandlungserheblichen Informationen durch die Partei bereitgestellt werden müssen, die am ehesten Zugang hat.91 Sie senkt Transaktionskosten auch, da die Folgen der unnötigen Vornahme eines Schritts in der Regel weniger schwer sind als die Folgen eines Streits über die tatsächlichen Voraussetzungen der Entbehrlichkeit des Schritts.92 Die Vorgabe ganz konkreter Verhandlungs(fort)schritte wird in der Praxis eher zu einem vorgerichtlichen Verhandlungserfolg führen als die Statuierung abstrakter Sorgfaltsmaßstäbe. Unter diesen Gesichtspunkten scheint es auch ablehnungswürdig, Angebote lediglich darauf zu überprüfen, ob sie offensichtlich nicht FRAND sind, denn die Prüfung darauf, ob die Angebote tatsächlich im FRAND- Korridor liegen, erhöht den Druck zur angemessenen Verhandlungsführung.

Rn973

Endgültige Klarheit (und verbindliche Vorgaben an nationale Gerichte) wird jedoch nur eine erneute und detailliertere Befassung des EuGH mit der Thematik verschaffen können.

Rn974

3.4. Auswirkungen der Stellungnahme

Grundsätzlich ist die Amicus Curiae-Stellungnahme und die darin enthaltene Rechtsauffassung unverbindlich. Die Kommission betont jedoch, dass es Ziel ihrer Stellungnahme ist, die einheitliche Anwendung des Huawei/ZTE-Rahmenwerks, insbesondere durch die Gewährleistung der einheitlichen Auslegung dieses Rahmenwerks und der einheitlichen Anwendung durch die nationalen Gerichte, zu befördern.93 Interessant ist daher, welche Handhabe sie bei diesem Unterfangen hat.

Rn975

3.4.1. Einfluss auf Marktteilnehmer

Es ist nicht auszuschließen, dass sich eine gewisse Beeinflussung der Marktteilnehmer über einen soft-law-Mechanismus ergeben wird. Denn die Kommission hat die Möglichkeit, Geldbußen gegen Unternehmen zu verhängen, die gegen EU-Wettbewerbsrecht verstoßen. Sie könnte Untersuchungen gegen SEP-Inhaber einleiten, die ihrer Ansicht nach ihre marktbeherrschende Stellung missbrauchen, indem sie den FRAND-Prozess nicht entsprechend der Kommissionsinterpretation einhalten. Im Falle eines festgestellten Verstoßes kann die Kommission Geldbußen von bis zu 10% des weltweiten Jahresumsatzes des Unternehmens verhängen, Art. 23 Abs. 2 VO (EG) 1/2003. Dies könnte vor allem Druck auf SEP-Inhaber ausüben, da die Kommission deren Obliegenheiten strenger betrachtet als die bisherige deutsche Rechtsprechung. Sollte die Kommission tatsächlich eine solche Geldbuße verhängen, könnte in deren Nachgang auf die Anfechtung des Betroffenen hin der EuGH zur Entscheidung kommen, Art. 31 VO (EG) 1/2003.

Rn976

3.4.2. Einfluss auf deutsche Gerichte

Zunächst könnten sich Auswirkungen dergestalt ergeben, dass sich Gerichte in Vorwegnahme einer potenziellen Kehrtwende der Auffassung der Kommission anschließen. Interessant erscheint hier insbesondere die historische Parallele mit der Situation vor Huawei/ZTE, in der die Kommission ebenfalls eine Vorreiterrolle durch Entscheidungen in SEP-Fällen gegen Samsung und Motorola94 einnahm.95 In diesem Zusammenhang verwies die Kommission auch auf Art. 16 VO (EG) 1/2003, nach dem nationale Gerichte dazu gehalten sind, keine Entscheidungen zu treffen, die mit bestehenden oder bevorstehenden Entscheidungen der Kommission konfligieren.96 Gleichwohl ist eine hiervon ausgehende Bindungswirkung dadurch eingeschränkt, dass nationale Gerichte einen Konflikt zunächst auch erkennen müssen.

Rn977

Weiter besteht die Möglichkeit der direkten, aber letztlich unverbindlichen Ansprache von nationalen Gerichten, bei denen einschlägige Verfahren anhängig sind. So geht die Kommission auch mit ihrer Stellungnahme vor und ermuntert das OLG München dazu, die geäußerten Rechtsansichten in seiner Entscheidung zu berücksichtigen bzw. die Sache nach Art. 267 AEUV dem EuGH vorzulegen.97

Rn978

Zu letzterem kann ein nationales Gericht von Amts wegen gehalten sein, soweit eine Vorlagepflicht besteht. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass sich einem letztinstanzlichen Gericht in einem anhängigen Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt. Sie besteht dann nicht, wenn die Frage nicht entscheidungserheblich ist, die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den EuGH war oder die Antwort auf die Frage völlig offensichtlich ist.98 Es stellt dabei keine hinderliche Vorentscheidung dar, wenn die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet wurde.99

Rn979

Bei einer Verneinung der Vorlagepflicht könnten mitunter die Parteien des Rechtsstreits – voraussichtlich der SEP-Nutzer – versuchen, die Vorlage auf Grundlage des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG zu erzwingen. Ein Verstoß gegen die Vorlagepflicht ist jedoch nur dann justiziabel, wenn das Gericht die Vorlagepflicht in einer Weise verneint, die bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist.100 Im Falle unvollständiger Rechtsprechung des EuGH liegt ein solcher Verstoß insbesondere vor, wenn das Gericht ohne tragfähige Begründung annimmt, die Rechtslage sei geklärt.101 Wenngleich diese Voraussetzungen nicht völlig unrealistisch erscheinen, sind sie dennoch sehr hoch.

Rn980

Theoretisch könnte die Kommission auch ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV gegen einen Mitgliedstaat einleiten, dessen Gerichte die FRAND-Rechtsprechung nicht EU-rechtskonform auslegen. Dies wäre jedoch ein ungewöhnlicher und politisch heikler Schritt.

Rn981

4. Fazit und Ausblick

Die Amicus-Curiae-Stellungnahme der Europäischen Kommission könnte einen bedeutenden Beitrag zur Weiterentwicklung der FRAND-Rechtsprechung und zur einheitlichen Anwendung des Huawei/ZTE-Rahmens darstellen.

Rn982

Auf dogmatischer Ebene bietet sie eine stringentere Interpretation der Huawei/ZTE als es die deutsche Rechtsprechung bisher konnte.

Rn983

Die von der Kommission vorgeschlagene striktere Auslegung der Verfahrensschritte bedeutet im Vergleich zur bisherigen deutschen Praxis eine Verschiebung des Kräftegleichgewichts von den SEP-Inhabern in Richtung Implementierer. Insbesondere die höheren Anforderungen an die Verletzungsanzeige (Schritt 1) und die großzügigere Bewertung der Lizenzbereitschaft (Schritt 2) sind hier bedeutsam.

Rn984

Gleichzeitig lässt die Stellungnahme Fragen hinsichtlich der Schritte 3 bis 5 sowie zur Konstellation des doppelten FRAND-gemäßen Angebots offen.

Rn985

Bedeutenden Einfluss könnte die Stellungnahme auch auf die noch in der Entstehung befindlichen SEP/FRAND-Rechtsprechung des Einheitlichen Patentgerichts haben, da insofern noch keine etablierte Rechtsprechungspraxis besteht.

Rn986

Die Möglichkeiten der Kommission, ihre Interpretation durchzusetzen, sind indessen begrenzt, aber nicht unbedeutend. Kartellrechtliche Untersuchungen und Geldbußen sind dabei wohl der potenteste Ansatz, da bereits deren Androhung SEP-Inhaber dazu bewegen könnte, ihre Verhandlungspraxis anzupassen. Die Verhängung einer Geldbuße könnte dem EuGH zudem Entscheidungskompetenz über ein diesbezügliches Rechtsmittel verschaffen. Außerdem bleibt abzuwarten, wie nationale Gerichte auf die Position der Kommission reagieren werden. Letztendlich wird es wahrscheinlich einer erneuten Befassung des EuGH bedürfen, um die offenen Fragen abschließend zu klären und einen EU-weit einheitlichen Rechtsrahmen für FRAND-Verhandlungen zu schaffen. Bis dahin bleibt die nationale Rechtslage wohl weiter von einer gewissen Unsicherheit geprägt.

Rn987

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