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Zitiervorschlag: Bischoff, LR 2021, S. 136, [●], www.lrz.legal/2021S136

Permanente Kurz-URL: LRZ.legal/2021S136

Nicht nur die anhaltende SARS-CoV-2-Pandemie, auch der Klimawandel, die Globalisierung und Digitalisierung, die alternde Bevölkerung sowie ein sich wandelnder Arbeitsmarkt haben maßgeblichen Einfluss auf das Besteuerungssubstrat und eine gerechte Lastenverteilung in den EU-Mitgliedsstaaten. Vor dem nicht ausschließlichen Hintergrund der Herausforderungen an gerechte wie auch zukunftsfähige Steuerrechtsordnungen hat die EU-Kommission am 18.05.2021 eine Mitteilung unter dem Namen „Business Taxation for the 21st Century[1] veröffentlicht. Hierin legt sie ihre Vision für die Zukunft der Unternehmensbesteuerung im Binnenmarkt dar, welche Teil einer umfassenderen EU-Agenda für eine Steuerreform in den kommenden Jahren ist.

 

1. Wesentlicher Inhalt: „BEFIT & BEPS 2.0“

 

Die Mitteilung ist in vier Abschnitte gegliedert. Neben einem ersten, einleitenden Abschnitt, enthält diese Mitteilung Ausführungen zur geplanten Umsetzung des BEPS 2.0 Projekts der OECD[2] hinsichtlich der Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft und einer globalen Mindestbesteuerung, eine Steueragenda für die beiden kommenden Jahre sowie eine langfristige Steueragenda.

 

Inhaltlich bedeutet dies insbesondere die Ankündigung eines geplanten neuen Rahmens für die Unternehmensbesteuerung “Business in Europe: Framework for Income Taxation” (BEFIT), welcher die Neuauflage der Gemeinsamen Konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) ersetzen sowie einheitliche Vorschriften für die Unternehmensbesteuerung mit einer gerechteren Aufteilung der Steuerhoheit zwischen den Mitgliedstaaten schaffen soll. Darüber hinaus gewährt sie auch Einsicht in die geplante Umsetzung des BEPS 2.0-Projekt (Base Erosion and Profit Shifting) der OECD auf Ebene der Union, ohne jedoch bereits weitere Planungen hinsichtlich einer EU-Digitalsteuer zu konkretisieren.

 

2. BEPS 2.0 – Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft und globale Mindestbesteuerung

 

Die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) strebt mit dem BEPS 2.0-Projekt ein global abgestimmtes Besteuerungskonzept an, welches den Herausforderungen des digitalen Zeitalters gerecht werden soll und Bestimmungen hinsichtlich entsprechender Compliance-Anforderungen sowie Streitbeilegungskonzepte für effiziente bzw. effizientere Besteuerungsverfahren enthält. Hierzu wurde ein auf zwei Säulen („Pillars“) basierender Ansatz entwickelt. Während die erste Säule („Pillar 1“) auf die Erweiterung der Besteuerungsrechte zwischen den beteiligten Staaten abzielt, soll die zweite („Pillar 2“) eine effektive globale Mindestbesteuerung sicherstellen und im Rahmen von „BEPS 1.0“ nicht ausreichend geschlossene und unerwünschte Steuergestaltungsmöglichkeiten ausschließen.

 

Hinsichtlich der Umsetzung dieser Säulen wurden nunmehr Richtlinienvorschläge angekündigt, um eine einheitliche Umsetzung auch in denjenigen Mitgliedsstaaten zu garantieren, welche nicht Mitgliedsstaaten der OECD sind. Ferner soll dies auch eine Anpassung der Regelungen an die EU-Rechtsordnung und ihre Besonderheiten erlauben. Vor allem weil (inbesondere „Pillar 2“) bereits existierende und geplante EU-Richtlinien in ihrem Regelungsgehalt berührt werden – z.B. die Anti-Steuervermeidungsrichtlinie der EU ("Anti Tax Avoidance Directive" – ATAD) und die Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie.

 

3. Steueragenda für die beiden kommenden Jahre

 

Darüber hinaus legt die EU-Kommission in der Mitteilung ihre kurzfristige Steueragenda für die beiden kommenden Jahre dar. Ausgangspunkt ist der Aktionsplan für Besteuerung[3], welchen die EU-Kommission bereits im Juli letzten Jahres veröffentlichte. Diese Steueragenda enthält Maßnahmen zur Förderung produktiver Investitionen und des Unternehmertums, für einen besseren Schutz der nationalen Einnahmen und zur Unterstützung des ökologischen und des digitalen Wandels sowie im Wesentlichen vier Aktionspunkte:

 

  • Aktionspunkt 1: Legislativvorschlag auf Basis des „Pillar 2“ für eine größere öffentliche Transparenz durch den Vorschlag, dass in der EU tätige Großkonzerne ihre effektiven Steuersätze veröffentlichen.
  • Aktionspunkt 2: Legislativvorschlag zur Bekämpfung von Missbrauch von Briefkastenfirmen durch neue Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuervermeidung.
  • Aktionspunkt 3: Empfehlung für erweiterte Verlustrückträge von bis zu 3 Millionen Euro für Unternehmen, um pandemiebedingte Verluste in den Kalenderjahren 2020/2021 zu verrechnen.
  • Aktionspunkt 4: Beseitigung bzw. Reduzierung von Verschuldungsanreizen in der Unternehmensbesteuerung, durch Begünstigung einer Eigenkapitalfinanzierung von Unternehmen gegenüber dem Einsatz von Fremdkapital.

 

4. Langfristige Steueragenda - BEFIT

 

Bis 2023 ist ein neuer Rahmen für die Unternehmensbesteuerung in der EU vorgesehen, welcher Verwaltungsaufwand verringern, steuerliche Hindernisse beseitigen und die Bedingungen im Binnenmarkt unternehmensfreundlicher gestalten soll. Zentrales Element dessen sollen europaweit einheitliche Vorschriften für die Unternehmensbesteuerung sein, welche insbesondere eine gerechtere Aufteilung der Steuerhoheit zwischen den Mitgliedstaaten ermöglichen soll (BEFIT).

 

BEFIT soll vor allem eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage für Unternehmen schaffen und den EU-Mitgliedsstaaten mithilfe einer Formel Anteile dessen als Besteuerungsgrundlage nach nationalem Recht zuweisen – komplexe Verrechnungspreisregelungen innerhalb der EU könnten so – jedenfalls teilweise – obsolet werden und für die (Verwaltungs-) Praxis eine erhebliche Vereinfachung darstellen. BEFIT ersetzt damit auch den Vorschlag für die gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage von 2011. Zudem soll in Hinblick auf weitere Überlegungen hinsichtlich der Zukunft der Besteuerung in der EU 2022 ein Steuer-Symposium unter dem Namen “EU tax mix on the road to 2050“ stattfinden.

 

5. Ausblick

 

Die Mitteilung ist Teil einer umfassenderen EU-Agenda für eine Steuerreform in den kommenden Jahren und Zeichen einer zunehmenden Europäisierung des Steuerrechts. Neben den in der Mitteilung dargelegten Reform (-ideen und Vorschlägen) der Unternehmensbesteuerung sind zeitnah auch weitere Initiativen für eine gerechte Besteuerung in der digitalen Wirtschaft, wie u.a. Reformansätze im Zusammenhang mit dem European Green Deal und eine Digitalabgabe als Eigenmittelquelle der EU zu erwarten. Während konkrete Regelungen größtenteils noch ausstehen, sei es insbesondere Interessierten und betroffenen Unternehmen, anderen Stakeholdern sowie auch akademisch interessierten nahegelegt, sich u.a. im Rahmen der jeweiligen öffentlichen Konsultationen diesbezüglich einzubringen.

 


[1] https://ec.europa.eu/taxation_customs/sites/taxation/files/communication_on_business_taxation_for_the_21st_century.pdf, zuletzt abgerufen am 1.6.2021.

[2] https://www.oecd.org/tax/beps/beps-actions/, zuletzt abgerufen am 1.6.2021.

[3] https://ec.europa.eu/taxation_customs/sites/taxation/files/2020_tax_package_tax_action_plan_de.pdf, zuletzt abgerufen am 1.6.2021.

 

 

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