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Zitiervorschlag: Lampmann/Dresen, LRZ 2022, Rn. 221, [●], www.lrz.legal/2022Rn221.

Permanente Kurz-URL: LRZ.legal/2022Rn221

Der Markt für Non Fungible Token (NFTs) wächst rasant. In jüngerer Zeit war unter anderem der Verkauf einzigartiger Krypto-Assets in Form von NFTs in den Bereichen Kunst und Sport zu beobachten. Doch was genau sind „Non Fungible Token“? Der Beitrag befasst sich mit der Bedeutung von NFTs im Markt, erläutert die technischen Hintergründe sowie den Entstehungsprozess und stellt verschiedene Ansätze zur Beantwortung der Frage nach ihrer Rechtsnatur vor.

1. Einleitung

NFTs wird ein immer größerer Stellenwert bei digitalen Geschäftsmodellen beigemessen. Dennoch fehlt es zurzeit an einer vertieften rechtlichen Auseinandersetzung mit dieser neuartigen Blockchain-Technologie. So ist bislang weder ausdrücklich geklärt, welche Rechtsnatur NFTs haben, noch besteht Einigkeit darüber, in welchem Verhältnis die computergenerierten Zeichenketten zu dem meist schutzfähigen Inhalt, der mit der Dateieinheit verknüpft ist, stehen.

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NFTs werden für Rekordsummen versteigert und verkauft. Nicht nur die klassischen Auktionshäuser wie Christie´s und Sotheby´s handeln mit NFTs. Auch andere spezielle Marktplätze sind in den Handel eingestiegen. Der Umsatz des blockchain-basierten Marktplatzes Opensea.io belief sich im Februar 2021 auf rund 95 Mio. USD.1 Ein Jahr später, im Februar 2022, betrug er bereits 20 Mrd. USD.2 Diese rasante wirtschaftliche Entwicklung gibt Anlass, einen Blick auf die juristische Einordnung zu werfen.

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1.1. Was sind NFTs?

NFT ist eine Abkürzung für „Non Fungible Token“. NFTs lassen sich mit Bitcoin und anderen Kryptowährungen vergleichen. Dabei handelt es sich um Blockchain-basierte Token – wobei ein Token letztlich nichts anderes als ein Eintrag („Block“) in einer Datenbank ist, der eine Art digitale Ausschließlichkeit, Einzigartigkeit und gerade keine Vervielfältigungsmöglichkeit verspricht.3 Die Blockchain kann man sich als eine kontinuierlich erweiterte Liste („Chain“) an Datensätzen vorstellen, bei der jeder neue Datensatz durch mathematisch-kryptografische Funktionen mit dem jeweils vorangehenden Block („Token“) verknüpft wird.4 Diese Datensätze stellen Datenbankeinträge dar, die Informationen insbesondere in Form des den Kryptotoken repräsentierenden, verschlüsselten, also manipulationssicheren Datensatzes enthalten. Dieser wiederum beinhaltet insbesondere den sogenannten öffentlichen Schlüssel (eine Art Kontonummer des Wallets des jeweiligen Inhabers), der dem jeweiligen Token die derzeitige Inhaberschaft zuordnet.5 Zusätzlich enthält ein solcher Datenblock auch einen Verweis auf den jeweils vorangegangen Block, der sich wiederum aus spezifischen Daten des vorhergehenden Blocks zusammensetzt. Durch diese Aneinanderkettung wird sichergestellt, dass alle früheren Blöcke der Kette unveränderlich, also manipulationssicher sind und eine hohe Datenintegrität erzielt wird. Denn bei rein digital existierenden Werken fehlte es bislang meist an genau dieser Exklusivität, weil sie leicht kopierbar sind. Durch die NFTs können jedoch auch solchen Werken wertbestimmende Eigenschaften zugeschrieben werden.6

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1.1.1. Fungible Token

Es ist zwischen Non-Fungible Token (NFTs) und Fungible Token zu unterschieden. Grundsätzlich wird jedem Token ein bestimmter digitaler Vermögenswert zugeordnet. Bei Kryptowährungen (Fungible Tokens) handelt es sich um austauschbare Token. Es kommt also nicht darauf an, welchen Token man besitzt, solange sie den gleichen Wert haben.7 Sie sind demzufolge vergleichbar mit Geldscheinen in der analogen Welt weil sich ihr Wert nicht durch individuelle Identität bestimmt, sondern vielmehr in ihrer Einsatzmöglichkeit als Zahlungsmittel liegt.

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1.1.2. Non Fungible Token

Anders ist dies jedoch bei sogenannten Non-Fungible – nicht austauschbaren – Token. An einen solchen Token sind individuelle Werke beziehungsweise individuelle Rechte geknüpft; sie sind daher nicht rein an ihrem Vermögenswert zu messen.8 Sie sind nicht derart wertreferenziert, als dass sie schon selbst werthaltig sind, sondern stellen einen Vermögensgegenstand bzw. ein Recht an einem bestimmten Vermögensgegenstand dar, aus dessen jeweiliger Werthaltigkeit sich der Wert des NFT erst ergibt oder von dessen Wert er abhängt. NFTs zeichnen sich demnach nicht durch ihre Fungibilität, sondern vielmehr durch ihre Einzigartigkeit aus, die es Ihnen gerade ermöglicht, die verschiedensten, ebenfalls einzigartigen, digitalen oder auch realen Vermögenswerte abzubilden. Man kann also sämtliche Inhalte auf den digitalen Token abbilden – sei es eine Videosequenz, ein teures Gemälde oder auch einfach ein Internet-Meme.

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So verkaufte der Twittergründer Jack Dorsey zum Beispiel seinen ersten Tweet für 2,9 Mio. USD, die NBA veräußerte Videos von besonders spektakulären Dunks, z.B. von LeBron James, der für 200.000 USD weiterverkauft wurde, und Digital Artist Beeple verkaufte die Bildcollage „Everydays: The First 5000 Days“ für umgerechnet ca. 69,3 Mio. USD.9 Die Beispiele zeigen, dass die Anwendungsmöglichkeiten von NFTs schier unerschöpflich sind.

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1.2. Entstehung von Blockchain und Token

Neue Datenblöcke, die miteinander verknüpft die Blockchain ergeben, entstehen dadurch, dass bei einer Tokentransaktion der den Token repräsentierende Datensatz auf der Blockchain dem Empfänger neu zugeordnet wird, indem dessen neue Inhaberschaft anhand verschlüsselter spezifischer Transaktionsinformationen, wie z.B. dem Zeitpunkt der Transaktion und dem öffentlichen Schlüssel des neuen Inhabers, der „Blockkette“ angehangen wird.10 Durch diesen Vorgang entsteht bei jeder Tokentransaktion ein neuer einzigartiger Block, wodurch die Blockchain die gesamte Transaktionshistorie lückenlos dokumentiert.

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Die Kontrolle der auf der Blockchain hinterlegten Informationen erfolgt durch ein dezentrales sogenanntes „Peer-to-Peer-Netzwerk“.11 Es werden also Kopien der Datenbank auf verschiedenen Servern (Nodes) von mehreren Nutzern dezentralisiert gespeichert und damit für alle einsehbar und durch Verschlüsselungstechnik vor Manipulation gesichert.12 Ein zentral geführtes Register wie beispielsweise das Grundbuch gibt es nicht. Neue Transaktionen werden dort nur hinterlegt, wenn die Mehrheit der „kontrollierenden“ Nutzer diese verifiziert – also bestätigt, dass die gewünschte Transaktion dem bisherigen Blockeintrag entspricht.

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1.3. Zweck von NFTs

Primär werden NFTs bisher in der Kunstwelt eingesetzt, um digitale Inhalte zu authentifizieren. Während bei physisch geschaffenen Kunstwerken stets ein Original existiert und dieses jederzeit von Reproduktionen unterschieden werden kann, existiert im digitalen Raum bislang kein Gegenstück im Sinne eines digitalen Originals. Digitale Werke sind grundsätzlich ohne Qualitätsverlust unendlich reproduzierbar und Kopien sind meist nahezu identisch mit dem Original, weswegen digitale Kunst ihren Wert gerade nicht durch Originalität bilden kann.13 An diesem Punkt setzen NFTs an: Denn NFTs können „digitale Originale“ erzeugen und handelbar machen. Zwar kann durch die Tokenisierung als NFT nicht verhindert werden, dass im Netz Kopien von dem Kunstwerk existieren und heruntergeladen werden können, allerdings kann sichergestellt werden, dass es nur ein Original gibt und dieses einer Person eindeutig zuzuordnen ist, indem die Inhaberschaft eines Kunstwerks zertifiziert wird.14

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Der Anwendungsbereich von NFTs ist nicht auf die Tokenisierung von Kunst beschränkt. Es lassen sich ebenso Assets der realen Welt oder Zugangs- oder Beteiligungsrechte tokenisieren. Festzuhalten ist, dass die Einmaligkeit des NFT, verbunden mit der Fälschungssicherheit der Blockchain-Technologie, eine weitere Möglichkeit auf dem Markt eröffnet: die Nutzung als Identitätsnachweis. So könnte man beispielsweise durch die Einspeisung von Identifikationsmerkmalen in die Metadaten eines Tokens einen digitalen Reisepass erzeugen.

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2. Zivilrechtliche Einordnung von NFTs

Wie bei der Blockchain-Technologie allgemein, stellen sich auch bei NFTs zahlreiche Rechtsfragen, die derzeit jedoch nicht abschließend geklärt sind. Um die Frage zu beantworten, wie sich NFTs rechtlich einordnen lassen, soll im Folgenden eine Anwendbarkeit bereits bestehender Regelungen auf NFTs diskutiert werden.

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2.1. Einordnung unter das Eigentumsrecht

Das Eigentum ist ein absolutes Recht und wirkt daher gegen jedermann. Geschützt wird in erster Linie das Sacheigentum im Sinne der §§ 90 f., 903 BGB.15 Eigentumsfähig sind danach Sachen, also körperliche Gegenstände, seien sie beweglich oder immobil. Sie müssen aber in jedem Fall greifbar und räumlich abgrenzbar sein.16 Dieses Kriterium trifft auf digitale Token jedoch gerade nicht zu, weswegen hier allenfalls eine analoge Anwendung der Normen in Betracht gezogen werden kann.17

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Voraussetzung für die Annahme einer Analogie ist das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke und einer vergleichbaren Interessenlage in Bezug auf die Eigentumsfähigkeit von NFTs.18 Derzeit wird die Zulässigkeit und Notwendigkeit einer Analogie, bezogen auf den besonderen Fall von NFTs in Rechtsprechung und Aufsichtspraxis noch nicht und im Schrifttum lediglich vereinzelt erörtert. Allerdings könnten sich möglicherweise die generellen Erwägungen zu Kryptotoken auf die Unterart NFTs übertragen lassen. Denn letztlich beruht deren Tokenisierung auf dem gleichen Prinzip.19

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Eine Regelungslücke liegt vor, wenn der konkrete Fall von keiner konkreten Norm in direkter Anwendung umfasst ist. Planwidrig ist sie, wenn dieser bestimmte, tatsächlich eingetretene Fall vom Gesetzgeber nicht bedacht wurde, aber geregelt worden wäre, wenn der Gesetzgeber ihn bedacht hätte. Aufgrund der Aktualität und dynamischen Entwicklung um Kryptowährungen und Token hat der Gesetzgeber bislang keine spezifische Regelung getroffen.20 Aus diesem Grund gehen Befürworter einer analogen Anwendung der eigentumsrechtlichen Wertungen davon aus, dass eine notwendigerweise auszufüllende Regelungslücke besteht, weil bisher eine zivil- bzw. sachenrechtliche Einordnung von Token fehlt.21 Insbesondere könne allein aus der Aktualität des Phänomens der Kryptotoken und dem damit verbundenen Fehlen einer ausdrücklichen Regelung nicht gefolgert werden, dass der Gesetzgeber eine bewusste Entscheidung gegen die Anwendbarkeit des Regelungsregimes des Eigentumsrechts getroffen hat.22 Auch lasse sich aufgrund der besonderen Eigenschaften von Kryptotoken keine Parallele zur bewussten Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine sachenrechtliche Regelung urheberrechtlich nicht geschützter Software im Zuge der Einführung des § 453 BGB ziehen.23 Anders als eine Software seien Token aufgrund der Verankerung im komplexen Blockchain-System gerade nicht kopierbar und damit nicht miteinander vergleichbar.24 Dieses Argument muss dann auch und gerade bei NFTs gelten. Denn diese sind aufgrund ihrer besonderen Art nicht nur nicht reproduzierbar, sondern zusätzlich nicht austauschbar.25 Wie bereits beschrieben, ergibt sich ihr Vermögenswert aus der Einzigartigkeit und eben nicht aus der Nutzbarmachung durch gleichartige Vervielfältigung.26

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Die für die Annahme einer Analogie zudem erforderliche, vergleichbare Interessenlage wird von den Befürwortern der Analogie im Hinblick auf Kryptotoken mit dem Schutzbedürfnis des Inhabers eines Krypto-Tokens begründet. Dieses Schutzbedürfnis komme nämlich dem des Eigentümers eines körperlichen Gegenstandes nahe.27 Das Prinzip der Blockchain entspricht zudem dem sachenrechtlichen Publizitäts- und Spezialitätsprinzip, weil jedem Token ein einziger Berechtigter zugewiesen ist und die Transparenz hinreichend durch den Smart Contract gewahrt wird.28

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Daraus ergibt sich, dass NFTs als „Sachen“ im Sinne des § 90 BGB analog angesehen werden können. Denn die Interessenlage ist mit derjenigen von beweglichen Sachen durchaus vergleichbar. Außerdem führt diese Einschätzung dazu, dass Kryptotoken grundsätzlich so lange als Sache anzusehen sind, wie ihre Einzigartigkeit sichergestellt ist.29 Da dies aber gerade die Grundlage von Blockchain-Systemen darstellt, scheint diese „Voraussetzung“ immanent.

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Andere gehen wiederum davon aus, dass NFTs nicht eigentumsfähig sind, da sie sich gerade nicht als Sachen im Sinne des § 90 BGB (analog) qualifizieren ließen und es nach derzeitiger Rechtsprechung kein Eigentum an Daten und digitalen Werken selbst gebe.30 In erster Linie spreche gegen die Anwendung der eigentumsrechtlichen Vorschriften, dass das Sachenrecht Typenzwang vorsieht, wonach ausschließlich auf den vom Gesetzgeber vorgegebenen Katalog von Handlungsformen und Gestaltungen zurückgegriffen werden darf.31 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass es weder darum geht, neue dingliche Rechte zu schaffen noch den Inhalt eines dinglichen Rechts zu beschränken. Vielmehr soll die Anwendung des bereits bestehenden Rechts ausgeweitet werden.32 Unabhängig davon gilt der numerus clausus in Bezug auf die Bestimmung des Sachbegriffs gerade nicht. Daraus ergibt sich, dass die Anwendung des Sachenrechts wohl nicht allein auf Sachen im Sinne des § 90 BGB final festgesetzt ist.33 Diese Einschätzung führt ferner dazu, dass sich teilweise für die Einführung eines neuen § 90b BGB ausgesprochen wird. Dieser soll die sachenrechtlichen Vorschriften explizit auf digitale Positionen für anwendbar erklären.34

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2.2. Einordnung als „sonstiges Recht“ i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB

Unter einem „sonstigen Recht“ im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB sind solche Rechtspositionen zu verstehen, die mit den ausdrücklich genannten Rechtsgütern, insbesondere dem Eigentum, vergleichbar sind. Dies sind nur solche Rechte, die wie das Eigentum (§ 903 BGB) durch eine Zuordnungs- und Ausschlussfunktion gekennzeichnet sind.35 Demnach erfordert die Anerkennung eines NFTs als „sonstiges Recht“, dass diesem eine zumindest eigentumsähnliche Stellung zukommt. Anzunehmen ist eine eigentumsähnliche Stellung, wenn ein Rechtsgut einer eindeutigen Person zugeordnet werden und gleichzeitig alle anderen Personen von der Nutzung des Rechtsguts ausgeschlossen werden können.

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Dadurch, dass es sich bei NFTs um digitale Unikate handelt und bei einem (Ver-)Kauf im Smart Contract eine Walletadresse hinterlegt wird, können sie eindeutig einem Inhaber zugewiesen werden.36 Daraufhin kann lediglich der Besitzer des neu eingetragenen Wallets einen weiteren Transfer vornehmen. Um dies zu verdeutlichen: Über den NFT kann derjenige verfügen, der Inhaber der privaten Zugangsdaten, also des sogenannten Schlüssels, ist. Da diese auf einem Wallet gespeichert werden und nur der Inhaber des Wallets Zugriff darauf hat, sind NFTs über den Schlüssel dem Besitzer des Wallets zugewiesen. Demnach kann nur die Person, die Zugriff auf das Wallet hat, über den Token verfügen und ist folglich Inhaber absoluter Ausschließungs- und Zuweisungsbefugnisse. Im Umkehrschluss ist es Dritten unmöglich, über den Token zu verfügen oder anderweitig darauf einzuwirken. Letztlich ähnelt dies der tatsächlichen Verfügungsgewalt, wie sie dem berechtigten Besitz immanent ist. Diese Erwägungen zeigen, dass der NFT als „sonstiges Recht“ im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB eingeordnet werden kann.

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2.3. Einordnung als urheberrechtlich geschütztes Werk

Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit des Urheberrechts ist gem. § 2 Abs. 2 UrhG eine persönliche geistige Schöpfung.37 Diese muss auf einer menschlich-gestalterischen Tätigkeit beruhen. Urheberrechtsschutz entsteht also prinzipiell mit der Schaffung des Werks, unabhängig davon, ob dieses schon veröffentlicht ist oder erst veröffentlicht werden soll. Urheber ist daher der Schöpfer des Werks und kann nur derjenige sein, der an der Schöpfung selbst real und unmittelbar mitgewirkt hat. An sich unterliegen NFTs als Dateieinheiten daher nicht dem Urheberrecht, da sie auf einer computergenerierten Zeichenkette basieren und damit nicht die Anforderungen an eine geistige Schöpfung erfüllen. Sie repräsentieren nur den dahinter liegenden Vermögenswert und sollen die Eigentumsverhältnisse abbilden.

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Da ein NFT über einen sogenannten Smart-Contract – einen in einer Blockchain implementierten Programmcode38 – erzeugt, einem Eigentümer zugewiesen und in einem weiteren Schritt auf einen anderen Eigentümer übertragen wird, ist davon auszugehen, dass es sich lediglich um einen verselbständigten maschinellen Vorgang und gerade nicht um einen unmittelbaren menschlichen Vorgang handelt. Auch in Bezug auf Kryptowährungen wird dieser Standpunkt vertreten, da es sich um ein rein maschinell generierte Produkte handelt.39 Aus diesem Grund soll urheberrechtlicher Schutz nicht gewährt werden, denn Maschinen können gerade keine urheberrechtlich geschützten Werke schöpfen.40 Aufgrund der Ähnlichkeit von Kryptotoken zu NFTs kann diese Einordnung auch auf diese übertragen werden.

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Etwas anderes kann für das Asset gelten, das durch das NFT repräsentiert wird. Dieses kann im Einzelfall urheberrechtlichen Schutz genießen, ist aber von dem NFT getrennt zu betrachten.

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3. Folgen der Einordnung als Eigentumsrecht

Die (analoge) Anwendung der eigentumsrechtlichen Vorschriften auf NFTs hat Folgen in verschiedenen Bereichen des Zivilrechts sowie des Strafrechts.

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3.1. Übertragbarkeit von NFTs

Die Frage nach der Übertragbarkeit von NFTs hängt unmittelbar mit deren zivil- bzw. sachenrechtlichen Einordnung zusammen. In diesem Fall kann das Eigentum an einem Token gem. §§ 929 ff. BGB (analog) übertragen werden. Dann sind Einigung, Übergabe und Einigsein bei Übergabe erforderlich. Diese Schritte werden über die einschlägigen Handelsplattformen, wie OpenSea und durch Eintragung einer neuen Walletadresse in den Smart Contract verwirklicht.41 Wird die Walletadresse geändert, ist es nur noch dem neuen Walletbesitzer möglich, einen weiteren Transfer vorzunehmen. Hervorzuheben ist, dass die Eigentumsfähigkeit von NFTs lediglich zum Eigentum an dem Token, nicht jedoch mit dem verknüpften Asset führt, welches mit dem Token verknüpft ist.42

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Folgt man der Auffassung, dass Token im Gegensatz zu Eigentum nicht nach §§ 929 ff. BGB (analog) übertragen werden können, weil der Token kein körperlicher Gegenstand und damit keine Sache im Sinne des § 90 BGB ist, käme eine Übertragung nach den Regeln der §§ 398 ff. BGB in Betracht.

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Sieht man NFTs, sofern sie mit einem physischen Werk verbunden sind, als assetbacked Token (diese zeichnen sich dadurch aus, dass ein Token das Eigentum an einem bestimmten Asset widerspiegeln soll) an, könnten sie ein Recht nach § 413 BGB darstellen.43 Dann kommt eine Übertragung gem. §§ 413, 398 S. 1 BGB in Betracht. Eine solche Übertragung ist grundsätzlich bei allen sonstigen Rechten möglich, für deren Übertragung es keine spezialgesetzlichen Vorschriften gibt. Bildet ein Token also eine Forderung oder ein (sonstiges) Recht ab, können diese durch Vertrag abgetreten werden. Der Abtretungsvertrag kommt nach den allgemeinen Regeln zustande. Demnach werden die rechtlichen Wirkungen durch menschliche Erklärungen ausgelöst und können schriftlich, mündlich oder konkludent abgegeben werden. Nach dem objektiven Empfängerhorizont, §§ 133, 157 BGB, erscheint die Einordnung der Autorisierung einer Tokentransaktion als schlüssiges Verhalten dahingehend, dass ein Angebot hinsichtlich der Abtretung des durch den Token abgebildeten Rechts oder der Forderung vorliegt, naheliegend.44

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3.2. Rechtsnachfolge

Gem. § 1922 BGB geht beim Tod des Erblassers dessen Vermögen auf den Erben über. Inbegriffen ist auch die Verfügungsgewalt über ein NFT-Wallet, für den Fall, dass ein solches besteht. Da ein Auseinanderfallen zwischen rechtlicher und tatsächlicher Herrschaft über das Token nicht durch Dritte korrigiert werden kann, muss der Übergang praktisch ermöglicht werden. Daher erscheint es unerlässlich, dass der Erblasser zumindest einen Datenspeicher hinterlässt, der den Zugang zu seinem Wallet enthält.45

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3.3. Vermietbarkeit von Token

Nimmt man die analoge Anwendbarkeit von § 90 BGB an, wäre es theoretisch auch denkbar, sich vertraglich dazu zu verpflichten, einen Token auf begrenzte Zeit einem Vertragspartner zu überlassen - also den Gebrauch an der „Mietsache“ zu gewähren. Der Token müsste demnach an den Mieter übertragen werden, d.h. also die Walletadresse des Mieters in den Smart Contract eingetragen werden.46

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Allerdings ist bei der „Vermietung“ von NFTs unklar, welchen sinnvollen Gebrauch der Mieter von einem Token macht, wenn bereits der Inhaberschaft eines Token lediglich der wirtschaftliche Wert, nicht aber auch Urheberrechte oder Verwertungsrechte zugesprochen werden können. Der Mieter kann dann lediglich behaupten und nachweisen, dass er der einzige und rechtmäßige Besitzer des digitalen Kunstwerks ist. Letztlich scheint eine Analogie zur Sache nach § 90 BGB für eine Vermietung von NFTs daher ungeeignet. Denn es liegt weder eine sinnvolle Gebrauchstätigkeit vor, noch scheint eine Vermietung aufgrund der verkehrsanschaulich besonders engen Bindung der Zugriffsfähigkeit an die rechtliche Inhaberschaft zweckdienlich.47

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3.4. Strafrechtliche Folgen

Für den Fall, dass die in der Blockchain enthaltenen Smart Contracts manipuliert und dadurch Token entwendet werden, ist fraglich, nach welchen Straftatbeständen diese Tat geahndet werden könnte.

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Der Diebstahl gem. § 242 StGB fordert im Tatbestand die Wegnahme einer fremden, beweglichen Sache. Dem Wortlaut nach kann es sich nicht um einen digitalen Token handeln. Man könnte also auch hier an die analoge Anwendung des Sachbegriffs denken. Allerdings scheitert dies an dem strafrechtlichen Analogieverbot nach Art. 103 Abs. 2 GG.48 Denkbar ist allerdings eine Strafbarkeit nach §§ 202a ff. StGB (Ausspähung und Abfangen von Daten) oder § 303a StGB (Datenveränderung). Diesbezüglich wäre zu klären, ob NFTs „Daten“ im Sinne dieser Norm darstellen und wer als Verfügungsbefugter über diese Daten gilt.49

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4. Fazit

Zahlreiche Rechtsfragen müssen noch beantwortet werden. Den vielfältigen Erscheinungsformen von NFTs als innovative Anlageobjekte bzw. Vehikel zur finanziellen Verwertbarkeit digitaler Werke stehen erhebliche Rechtsunsicherheiten gegenüber. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es weder im allgemeinen Zivilrecht noch im Urheberrecht Regelungen, die der neuartigen, blockchainbasierten Technologie Rechnung tragen.

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Es spricht viel dafür, auf NFTs die Regelungen der §§ 929 ff. BGB analog anzuwenden. Diese Einordnung ist jedenfalls solange sinnvoll, wie die Einzigartigkeit der Token systemimmanent sichergestellt ist.

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Dennoch sollte es sich der Gesetzgeber zur Aufgabe machen, Regelungen zu schaffen, die die Besonderheiten von NFTs berücksichtigen. In jedem Fall wäre eine umfassende zivilrechtliche Regelung von blockchainbasierten Technologien, die beispielsweise den Smart-Contracts Rechnung tragen, wünschenswert. Aufgrund des stetig wachsenden Anwendungsbereichs von Tokens würde eine ausdrückliche rechtliche Einordnung neben der technischen auch zu einer erheblichen rechtlichen Sicherheit führen. Nach den oben genannten Erwägungen wäre die gesetzgeberische Anlehnung an die Vorschriften zum Eigentumserwerb an beweglichen Sachen insoweit sinnvoll.

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