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Zitiervorschlag: Solmecke, LR 2020, S. 55, [●], www.lrz.legal/2020S55

 
Christian Solmecke, LL.M.
Rechtsanwalt, WILDE BEUGER SOLMECKE | Geschäftsführer, cloudbasierte Kanzleisoftware Legalvisio

Dieser Beitrag ist eine Fortsetzung der Beitragsreihe „Digitale Workflows: So arbeitet die Kanzlei der Zukunft!“ (Teil I) und (Teil II).[1]

Kommen wir nun zu den Anwälten. Auch deren alltägliche Arbeit wird sich in der digitalisierten Kanzlei verändern. Die größte Umstellung ist natürlich die von der Papier- auf die E-Akte. Diesbezüglich bleibe ich bei meiner Empfehlung, Papier-Akten auch nach Einführung der E-Akte für einige Zeit parallel weiterlaufen zu lassen. Mit einer zu abrupten Umstellung ist niemandem geholfen. Allerdings wird nicht nur die Akte digitalisiert; ähnlich wie beim Sekretariat läuft ein Großteil der Anwaltsarbeit nun vollelektronisch ab.


 

 

 

Arbeit mit der digitalen Agenda

Idealerweise arbeitet der Anwalt in einer digitalisierten Kanzlei mit einer Kanzleisoftware. Dann beginnt der Arbeitstag wie im Sekretariat auch mit einem Blick auf die Agenda. Dort sollte alles stehen, was vom Vortag noch übrig ist und am neuen Tag ansteht: Fristen, Wiedervorlagen, Verfügungen und Besprechungs- sowie Gerichtstermine. Im günstigsten Fall sind Outlook und Terminkalender mit der Agenda verknüpft, sodass Sie gleichzeitig Ihre noch nicht abgearbeiteten E-Mails sehen und alle relevanten Ereignisse auf Ihrem Kalender überblicken können.

Mitunter bieten Kanzleisoftwares Alternativen zu der hier beschriebenen Agenda an oder greifen auf eine vollständige Integration von Outlook zurück. Terminkalender, Postfach und To-do-Liste gibt es jedenfalls bei jeder Software und diese sollten der Dreh- und Angelpunkt Ihrer alltäglichen Arbeit sein.

Nutzen Sie nicht zu viele einzelne Softwares, da dann die Gefahr besteht, dass Sie Termine übersehen oder eine Synchronisation unbemerkt fehlschlägt. Stellen Sie sich die Agenda Ihrer Kanzleisoftware als das digitale Pendant zu Ihrem analogen Schreibtisch vor: Je aufgeräumter, desto übersichtlicher. Sie wollen wissen, wo was ist und was wie funktioniert. Alle wichtigen Dinge, wie Terminkalender, Postablage und Notizblock, sollten immer greifbar auf dem Schreibtisch liegen. Um jederzeit und überall Einsicht in die Agenda nehmen zu können, empfiehlt sich die Versendung der Agenda per Mail am frühen Morgen.

Die Agenda begleitet den Anwalt den gesamten Tag über. Erledigte Aufgaben werden mit einem Klick abgehakt und dringende Aufgaben entsprechend farblich markiert. Mit individualisierbarem Alarm bei drohendem Fristablauf erinnert die Agenda regelmäßig an dringende Aufgaben und priorisiert diese nach ihrer Relevanz. Ebenso meldet sich die Agenda bei neuen Verfügungen oder Posteingängen und ist mit der jeweiligen Agenda des Sekretariats sowie der anderer Mitarbeiter verknüpft, sodass Aufgaben mit einem Klick verteilt werden können. Wer seine Agenda zum Mittelpunkt seiner Arbeit macht, der bekommt schnell ein besseres Gefühl für das eigene Zeitmanagement.

Diese administrativen Vorzüge kommen insbesondere Dezernatsleitern und Partnern zugute. Neben ihrer persönlichen Agenda haben sie je nach Konfiguration der Software die Möglichkeit, auf die Agenden ihrer Mitarbeiter zuzugreifen. Das ermöglicht die Verteilung und Delegation von Aufgaben. Darüber hinaus können Teams zur gemeinsamen Bearbeitung größerer Fälle gebildet und über deren jeweilige Agenden koordiniert werden. Schließlich erhalten die Partner über die Agenden einen hilfreichen Überblick, um festzustellen, welche Fälle von wem bearbeitet werden, wo sich die Arbeit staut und wer noch freie Kapazitäten hat. Partner sollten diese Funktion aktiv nutzen, um einer Überarbeitung einzelner Mitarbeiter entgegenzuwirken, Aufgaben angemessen zu verteilen und insgesamt ein besseres Arbeitsklima zu schaffen.

Der Arbeitstag endet mit einem abschließenden Blick auf die hoffentlich leere Agenda. Wurden alle Termine wahrgenommen und Fristen eingehalten? Muss irgendetwas noch schnell erledigt werden? Spätestens jetzt lohnt sich auch die Erweiterung des Agenda-Zeitraums vom aktuellen Tag auf die aktuelle Woche. Die farbliche Priorisierung der anstehenden Aufgaben und Termine ermöglicht eine vorausschauende Planung und eine effiziente Strukturierung der Arbeitswoche.

Praxishinweis: Agenda vor dem Erwerb einer Kanzleisoftware testen

Von den beschriebenen Vorteilen der Arbeit mit einer digitalen Agenda profitieren Sie nur, sofern Ihre Kanzleisoftware dies unterstützt. Zwar ist die digitale Agenda oder eine ähnliche Aufgabenübersicht in den meisten Kanzleisoftwares enthalten. Deren Ausgestaltung unterscheidet sich jedoch mitunter. Da die Agenda eine zentrale Funktion in der Tätigkeit aller Kanzleimitarbeiter einnimmt, sollten Sie deren Tauglichkeit bei der Wahl der Kanzleisoftware berücksichtigen. Nehmen Sie daher Testangebote in Anspruch!


Arbeiten mit Timesheets

Sofern der Tagesablauf steht und Sie bei der digitalen Agenda alles im Blick haben, geht es nun um Ihr Kerngeschäft, das Bearbeiten der Mandate. Hierfür benötigen Sie im Wesentlichen drei Dinge: Die zugehörige E-Akte, ein Textbearbeitungsprogramm und ein Timesheet.

Die ersten beiden Dinge sollten selbsterklärend sein – Die E-Akte beinhaltet alle relevanten Informationen zu einem Fall und mit Textverarbeitungsprogrammen erstellen Sie neue Schriftsätze. Aber wissen Sie eigentlich genau, wie viel Zeit Sie für das alles brauchen? Nicht nur ungefähr, sondern auf die Minute genau? Wie gehen Sie sicher, dass Sie korrekt abrechnen und Ihre Zeit angemessen auf die verschiedenen alltäglichen Aufgaben verteilen? Möglichkeiten gibt es genug, sei es der Einsatz spezieller Stoppuhren oder die gute alte handschriftliche Notiz. Aber nichts ist zuverlässiger und gleichzeitig einfacher als ein Timesheet.

Ein Timesheet ist mit einem Arbeitszeitkonto vergleichbar; die tatsächlich gearbeitete Zeit wird über die Kanzleisoftware erfasst und tabellarisch abgespeichert. Anhand der schlussendlichen Tabelle kann abgerechnet und der zeitliche Aufwand einer konkreten Tätigkeit nachvollzogen werden. Im Rahmen der Kanzleisoftware haben Timesheets weniger die Funktion eines Knipskarten-Systems für die einzelnen Mitarbeiter, sondern sollen vielmehr die in ein bestimmtes Mandat investierte Zeit messen. Dazu ist üblicherweise jede Akte mit einem Timesheet-Button versehen. Sobald dieser aktiviert wird läuft eine Stoppuhr im Hintergrund.

Ist die Arbeit an dem Mandat fürs Erste beendet, wird die Zeiterfassung wieder deaktiviert und die gemessene Zeit in der Akte hinterlegt. Auf diese Weise sollte sich bis zum Abschluss des Mandats ein tabellarisches Timesheet gebildet haben.

Die erfasste Zeit muss nicht zwingend mit der abzurechnenden Zeit übereinstimmen. Hier können nachträglich Änderungen vorgenommen werden. Ob und wie Sie das machen, ist Ihnen überlassen – jedenfalls sollte die Möglichkeit bestehen. Falls Sie Ihren Mandanten in der Endabrechnung eine komplette Aufstellung der erfassten Zeit übermitteln, könnte eine Abrundung der abgerechneten Zeiteinheiten unter Umständen einen positiven Effekt haben.

Zur Erstellung der Rechnung bedient sich die Kanzleisoftware der Timesheets. Abgesehen von einigen individuellen Anpassungen erledigt die Software den Rest von allein.

Selbstverständlich eignet sich das primär für Mandate, die nach Stundenhonorar abgerechnet werden. Aber auch in anderen Bereichen ist die Nutzung von Timesheets nützlich. Zum einen ist ein detaillierter Überblick darüber, für was die Arbeitszeit verwendet wurde, hilfreich für das eigene Zeitmanagement. Diese Selbstkontrolle hilft zudem dabei, effizienter zu arbeiten. Mit einiger Erfahrung kann der Zeitaufwand für bestimmte Aufgaben im Voraus genau abgeschätzt werden, was wiederum mehr Planungssicherheit bei der Strukturierung des Terminkalenders bietet.

Eine weitere wichtige Funktion der Timesheets ist die Bewertung der Lukrativität von Akten. Insbesondere RVG-Akten können nur eine bestimmte Zeit lang bearbeitet werden, bis die aufgewendete Arbeitszeit und der wirtschaftliche Wert des Mandats nicht mehr in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. Damit Sie Ihren Mandanten stets die beste Qualität liefern können, empfiehlt sich eine regelmäßige Kontrolle des bisherigen Zeitaufwands. Einige Kanzleisoftwares zeigen unlukrative Akten in einem separaten Bereich an.

Damit ist noch nicht Schluss. Neben der Lukrativität einzelner Akten kann die Kanzleisoftware über die Zeiterfassung auch eine Vielzahl anderer Informationen ermitteln: Durchschnittlich realisierter Stundensatz, Leistung einzelner Anwälte, Lukrativität einzelner Rechtsgebiete und Dezernate, durchschnittliche Dauer für die Bearbeitung von Pauschalaufträgen oder die Erstellung gewisser Schriftsätze.


Arbeiten mit Textbausteinen und automatisierten Dokumenten

Jetzt, wo wir uns damit beschäftigt haben, Zeit zu messen, können wir einen Blick darauf werfen, wie Sie unter Umständen Zeit sparen können. Sogenannte Textbausteine sind zwar ein altes, aber im Zeitalter der Digitalisierung häufig unterschätztes Mittel zur Zeitersparnis. Anwendung finden Textbausteine nicht nur im Sekretariat, sondern auch in der anwaltlichen Tätigkeit. Sehr viele anwaltliche Schreiben sind bis zu einem gewissen Grad standardisiert. Insbesondere wenn Sie viele Fälle aus einem Rechtsgebiet bearbeiten, werden Sie schnell auf immer gleiche Formulierungen zurückgreifen. Warum auch das Rad neu erfinden? Ein Schriftsatz hat nicht den Anspruch, ein literarisches Meisterwerk zu sein. Zudem interessiert es niemanden, wenn sich Schriftsätze inhaltlich ähneln. Wichtig sind eine gute Struktur und die verständliche Vermittlung der wesentlichen Informationen. Die Formalien sind in jedem Schriftsatz dieselben und der Aufbau mehrerer Schriftsätze zu ähnlich gelagerten Fällen gleicht sich schon aus logischen Gründen.

Es ist auch nicht so, dass Textbausteine eine Eigenart der unternehmerisch denkenden Anwaltschaft sind. Formularhandbücher sind nichts anderes als Textbausteine. Gerichte beispielsweise bedienen sich regelmäßig vorgefertigter Textbausteine. Ich erinnere mich an eine Verhandlung, in der der Richter den Parteien erklärte, dass die Rechtsprechung des Gerichts zu einem bestimmten Rechtsgebiet derart gefestigt war, dass es dafür einen eigenen Textbaustein gab. Jeder Anwalt, der wiederholt Urteile zu ähnlichen Fällen ein und desselben Gerichts gelesen hat, wird bestätigen können, dass auch Richter nicht das Bedürfnis haben, bei einem Schreibwettbewerb zu gewinnen.

Das alles bedeutet nicht, dass Ihre Schriftsätze nicht „schön“ oder „gut geschrieben“ sein sollen. Ganz im Gegenteil! Aber wenn Sie einmal einen Ihrer Ansicht nach sehr guten Schriftsatz verfasst haben, sollten Sie ihn anschließend auf potenziell wiederverwertbares Material kontrollieren. Denn so groß das Potenzial der Nutzung von digitalen Textbausteinen auch ist, hier sind Sie gefragt.

Zwar verfügen die meisten Kanzleisoftwares über eine kleine Sammlung an Textbausteinen, diese sind jedoch in der Regel eher trivialer Natur. Insbesondere die im Sekretariat genutzten Textbausteine bedürfen nur minimaler oder überhaupt keiner Anpassung, da sich ihr Inhalt nicht groß verändern kann. Bei einem Fristverlängerungsantrag kann noch der Antragsgrund variiert werden, die Anzeige zur Verteidigungsbereitschaft hingegen lässt wenig Spielraum für Individualisierungen. Ganz banal wird es bei Standard-E-Mails wie Geburtstagswünschen an Mandanten.

Demgegenüber zeigt sich bei Schriftsätzen, dass jeder Anwalt in irgendeiner Art und Weise doch seinen eigenen Stil hat. Darüber hinaus stellen auch Kanzleien selbst mitunter bestimmte formelle und inhaltliche Anforderungen an die Schriftsätze ihrer Mitarbeiter. In diesen Bereichen fällt es schwer, auf von Kanzleisoftwares mitgelieferte Textbausteine zurückzugreifen. Vielmehr sind Sie gefragt, Potenziale für Textbausteine zu identifizieren, diese dann zu erstellen und in die Kanzleisoftware einzupflegen.

Anfangs mag das etwas arbeitsaufwendiger sein. Denken Sie nur immer daran, dass Sie diese Arbeit ein einziges Mal zu erledigen haben. Danach können Sie jederzeit mit einem einzigen Klick auf die Textbausteine zurückgreifen. Im Idealfall trägt die Kanzleisoftware die für das jeweilige Mandat spezifischen Informationen automatisch in den Textbaustein ein.

Diese Funktion zeigt, dass digitale Textbausteine doch noch einen Schritt weiter gehen als herkömmliche Formularhandbücher mit ihren vorgefertigten Mustertexten. Moderne Software kann mithilfe der richtigen Textbausteine und einer Informationsquelle wie der E-Akte gesamte Dokumente vollautomatisch generieren. Derartige Software fällt unter den Sammelbegriff der Document Automation und wird gezielt zur Optimierung von Workflows entwickelt. Erfolgreiche Anbieter von Document-Automation-Software begnügen sich nicht mit der automatisierten Erstellung von Standard-E-Mails, sondern fokussieren sich auf größere Texte wie Verträge, Allgemeine Geschäftsbedingungen und ähnliche Vereinbarungen.

Dem liegt meist ein vergleichsweise simples Frage-Antwort-Prinzip zugrunde. So bestehen AGB etwa häufig aus einer Aneinanderreihung von Standardklauseln. Die Software fragt Sie, welche dieser Klauseln in welcher Form Sie benötigen, wer die Vertragsparteien sind und wie bestimmte Dinge wie Rücktritts- und Widerrufsrechte geregelt werden sollen. Aus Ihren Angaben werden schließlich in Sekundenschnelle fertige und verwendbare AGB generiert. Ähnlich, nur auf einer etwas kleineren Skala funktionieren auch die Rechtstexter.

Ich empfehle Ihnen uneingeschränkt, sich mit Document Automation oder zumindest einfachen Textbausteinen auseinanderzusetzen. Natürlich ist das wieder ein Bereich, in den Sie sich unter Umständen noch einarbeiten müssen, was wertvolle Zeit kostet. Die sich bietenden Ersparnisse gleichen das aber deutlich aus! Stellen Sie sich vor, Sie sollen mit einer stumpfen Säge eine Reihe von Bäumen fällen. Entweder Sie beginnen sofort und quälen sich bis zum Ziel. Oder Sie nehmen sich die Zeit, um die Säge zu schärfen, und gestalten Ihre Arbeit dann mühelos und sparen auf lange Sichte eine Menge Zeit.

 


[1] Dieser Beitrag ist eine durchgesehene und editierte Version des Kapitels „Digitale Workflows“ des Autors in Solmecke/Arends-Paltzer/Schmitt, Legal Tech: Die digitale Transformation in der Anwaltskanzlei, Bonn 2019: https://www.rheinwerk-verlag.de/legal-tech_4661/. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Rheinwerk Verlags.

 

 

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