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Zitiervorschlag: Voß, LR 2020, S. 130, [●], www.lrz.legal/2020S130

 
Dr. Thorsten Voß
Rechtsanwalt | Lehrbeauftragter Frankfurt School of Finance | Frankfurt am Main

Für den Erfolg einer und die Ankunft der DLT bzw. der Blockchain im Mainstream ist es wie so häufig bei technischen Innovationen unabdingbar, die an die Herausforderer-Technologie gestellten, möglicherweise auch überzogenen, Erwartungen und erhofften Vorteile in tatsächlichen Anwendungsfällen nachzuweisen.

 

 

 

 

1. Blockchain und Lifestyle

Es ist common sense, dass die Blockchain-Applikationen ihr volles Potenzial erst mit zunehmender Konvergenz der vorhandenen Technologien werden entfalten können.[1] Daher liegt ein besonderer Schlüsselfaktor in der Interoperabilität, wobei es eine Vielzahl denkbarer Lösungsansätze gibt, wie diese hergestellt werden kann.[2]

 

Diese Ansätze offerieren jeder für sich betrachtet großes Potential der Erhöhung des Grades an Interaktion zwischen verschiedenen Plattformen. Ein wesentlicher Vorteil ist es, dass sie auch in Kombination und gleichzeitig eingesetzt werden können. So sind die ersten Public Ledger wie etwa Bitcoin von der Idee der Dezentralität unter gleichberechtigter Nutzung aller Teilnehmer inspiriert. Damit erscheint es aber nur als eine logische Folge, dass auch die zugrunde liegenden technischen Protokolle und viele Smart Contracts in der Regel als Open Source verfügbar sind.[3] Verschiedene Entwickler können diese für die Optimierung bzw. für die Weiterentwicklung eigenständiger Blockchain Systeme verwenden. Dies hat in jüngster Zeit zu einer starken Fragmentierung des Crypto Asset Marktes geführt, was zugleich – pendelbewegungsartig – den Ruf nach Standardisierung hat laut werden lassen. So hat beispielsweise die International Organization for Standardization (ISO) einen Fachausschuss mit internationalen Experten aus über 30 Ländern für die Erarbeitung von Standards zum Thema Blockchain und DLT ins Leben gerufen.[4]

 

Neben den klassischen Organisationen für die Erstellung von Standards haben sich in der Community auch durch den Open-Source-Ansatz Standards für z.B. die Erstellung von Token etabliert, die bestimmte Funktionen des Blockchain-Systems unterstützen und die somit auch innerhalb des Netzwerks durch andere Teilnehmer verwendet werden können. Ein nahezu klassisches Beispiel für diese Form der Standardisierung ist der ERC-20-Standard für die Erstellung und Verwendung von Token, auf der Ethereum-Blockchain ausgeführt und gegen andere Token getauscht werden können. Auch der ERC-20-Standard verfolgt somit unter anderem das Ziel, Interoperabilität zwischen der Anwendung und den Teilnehmern innerhalb der Ethereum Plattform zu ermöglichen.

 

Ganz aktuell hat nun die BaFin aufbauend auf ihren bekannten Hinweisen eine neue Auslegungsentscheidung[5] getroffen, die auf die Etablierung eines neuen Standards abzielt, des sog. „Refundable Initial Coin Offering“, charmanterweise als „rICO“ abgekürzt. Was hat es damit auf sich und welche Anwendungsfälle sollen zugrunde liegen?

 

Dass die Blockchain-Technologie weit über Zahlungsfunktionen und dezentrale Transaktionsdokumentationen hinausgeht, darf als bekannt unterstellt werden und ist nicht erst seit den Smart Contracts von Ethereum bekannt. Im Prinzip lässt sich demnach alles, was Verwaltung benötigt und in diesem Zusammenhang effizienter ablaufen soll, auf einer Blockchain speichern, abrufen und transparent zurückverfolgen.[6] Hieran knüpft die geplante Lukso-Blockchain an, die Gegenstand der rICO-Entscheidung(en) der deutschen Finanzaufsicht ist.

 

Inhaltlich richtet sich die Lukso-Blockchain an Anbieter und Anwender der modernen Lifestyle-Industrie und möchte Mode-, Medien- und Designräumen und mit diesen Feldern in Zusammenhang stehenden Innovationen eine Community bieten, innerhalb derer Kreative und ihre Follower ihre Projekte koordinieren, mit Verbrauchern und Mitarbeitern zusammenwirken und ihre Interaktionen – basierend auf einem entsprechenden Vertrauensschutz in die unternommenen Transaktionen – automatisieren. Anstatt „lediglich“ exklusive Güter zu produzieren, sollen diese – überprüfbar via Blockchain – „einzigartig“ produziert werden (Personalisierung statt Anpassung). Betriebswirtschaftlich sollen die Anreize sich dabei in zwei Richtungen entfalten: Zum einen bekommen Produzenten von Gütern die Möglichkeit bzw. den positiven Druck, tatsächlich Produkte zu entwerfen, die für die Konsumenten „unique“ sind. Zum anderen soll namentlich die „Generation Z“ als eine Hauptzielgruppe, die sog. Digital Natives, Anreize zum Konsum dieser hochpersonalisierten Produkte bekommen. Zunächst kann also unter Zuhilfenahme einer Blockchain die Lieferkette getrackt werden, es kann die Echtheit respektive der Ursprung von Kleidungsstücken, Handtaschen etc. überprüft werden.

 

Konzeptionell können nicht nur etablierte Marken und Luxusartikelhersteller diese Infrastruktur nutzen, sondern auch Fashion-Blogger oder Endkunden „wie Du und ich“. Dies entspricht einem zu beobachtenden Trend von branchen- und kontextspezifischen Blockchains, die für ein bestimmtes Netzwerk da sind. Es wird bewusst nicht versucht, eine „Super-Master-Blockchain“ zu schaffen, auf der sämtliche Anwendungen innerhalb der Krypto-Ökonomie ablaufen.

 

Ein Grundpfeiler dieser Blockchain-Lösung ist dabei die Erstellung von sog. Digital Twins. Hierbei geht es darum, neben der physischen Version, also etwa eine Handtasche, auch eine digitale Version, ein Item oder Collectable zu besitzen. Das Markenbewusstsein wird immer stärker im virtuellen Raum geprägt und vermarktet. So gibt es nicht nur virtuelle Models, sondern auch Kleidungsstücke und Accessoires, die ausschließlich digital erhältlich sind.[7] Insbesondere durch das Aufkommen von Virtual Reality wird es in Zukunft ganz normal sein, neben seiner physischen Garderobe auch eine digitale zu besitzen. Egal ob für den eigenen Instagram-Account, Gaming oder das virtuelle Business Meeting.

 

Neben digitalen Items auf der Blockchain geht es bei Digital Twins aber auch darum, die Wertschöpfung für alle Akteure dezentral zu gestalten. So können zum Beispiel Markenhersteller Token an Influencer oder treue Kunden vergeben. Treueprogramme in der Form, wie wir sie heute kennen, wären damit obsolet. Auch könnten so Token von einzelnen Brands auf Crypto Exchanges gehandelt werden. Steigt also die Popularität einer bestimmten Kollektion, kann damit auch der Digital Twin „in Verbriefung eines Token“ (an dieser Stelle bewusst untechnisch formuliert) an Wert gewinnen. Es entsteht ein neuer Markt, von dem Hersteller wie Endverbraucher profitieren können.

 

LUKSO basiert nun auf einer Blockchain, und eine Blockchain benötigt technisch unabdingbar, damit sie aufgesetzt werden kann, einen Token. Ohne einen sog. nativen Token müsste die Absicherung über zentrale Stellen geregelt werden, so dass man wieder im Web 2.0 angelangt wäre. Das Projekt wird zu Beginn eine Proof-of-Stake- anstatt einer Proof-of-Work-Governance nutzen, die dann wiederum mit einem Proof-of-Authority-Consensus-Algorithmus kombiniert werden. Vor diesem Hintergrund werden die LYX-Coins im Rahmen des als rICO ausgestalteten öffentlichen Angebots zivilrechtlich "über Zeit" gekauft. In dieser Phase des Projekts nimmt die LUKSO Blockchain GmbH keine Euro bzw. Fiatgeld einer anderen Währung an, sondern nur Ether (ETH) und DAI – das komplette Procedere wird insoweit über die Ethereum-Blockchain abgewickelt.

 

Präzise bedeutet dies, dass ein Erwerber die eingesetzten Ether im Rahmen des Platzierungszeitraumes – technisch vergleichbar einem Lastschriftverfahren aus der "bekannten Bankenwelt" – an die Lukso Blockchain GmbH – möglicherweise nur für einen gewissen Zeitraum – eben "über Zeit" – aus seinem Wallet übergibt. Er kann jederzeit dieses „Lastschriftverfahren“ nach seiner eigenen Entscheidung beenden (etwa weil er mit dem Projektverlauf nicht zufrieden ist), abzüglich der Mittel, die zwischenzeitlich bereits in das Projekt "Lukso Blockchain" geflossen sind bzw. sein sollten.

 

Dabei gibt die Lukso Blockchain GmbH keine "Funds" zurück, sie hält auch zu keinem Zeitpunkt welche. Der Rücktransfer der Ether aus dem sog. User Wallet wird gelöst durch einen automatischen Transfer mittels sog. Smart Contracts und steht unter der Kontrolle des Nutzers.

 

Grafisch stellt sich der zu beurteilende Sachverhalt wie folgt dar:

Abbildung 1:

Bild 1

 

Was meint nun das deutsche (vielfach europäisch determinierte) Aufsichtsrecht dazu? Hier stellt sich die Frage nach den Zulassungsregularien, bevor auf die Kommunikationsanforderungen für den Kapitalmarkt einzugehen ist. Und es zeigt sich eine Besonderheit des Rechtsgebiets „Aufsichtsrecht“: Eine Konzentrationswirkung einer einzelnen Genehmigung oder eines Dispenses, wie etwa aus dem Bau- und Immissionschutzrecht geläufig, ist ihm unbekannt – der Rechtsanwender muss die einzelnen Teilrechtsgebiete (und damit die unterschiedlichen Abteilungen, Säulen, ja sogar Dienstsitze der BaFin) einzeln „abklappern“, um sein Vorhaben in Gänze rechtssicher „abgeklopft“ zu wissen. Das funktioniert ohne Sollbruchstelle und Widerspruchsfreiheit aber nur bei juristischer Interoperabilität der hier interessierenden Teilrechtsgebiete – wie ist es darum bestellt?

2. 
Kein aufsichtsrechtliches Zulassungserfordernis für den Emittenten

Die BaFin hat in ihrer ersten LUKSO-Entscheidung (Abteilung Integrität des Finanzsystems, Säule Bankenaufsicht, Dienstsitz Bonn) rechtsverbindlich wie bestandskräftig festgestellt, dass die Anwendung des rICO-Konzepts für den Emittenten kein aufsichtsrechtliches Zulassungserfordernis auslöst – weder nach dem KWG noch dem ZAG und auch nicht nach dem KAGB. Dies war wenig überraschend und Folge (erwartbarer) konsequenter Subsumtion.

Insbesondere schied zunächst ein Einlagengeschäft gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG aus, weil die Lukso Blockchain GmbH als agierende Entität kein unbedingtes Rückzahlungsversprechen abgibt. Sie tut dies deshalb nicht, weil sie selbst überhaupt keine LYX-Coins hält, sondern der Abzug der im User Wallet befindlichen Ether im Rahmen des rICO-Konzepts, ohne Beteiligung der Lukso Blockchain GmbH erfolgt. Der Abzug der Ether wird vielmehr von den Nutzern direkt via Smart Contract durchgeführt. Zudem steht die Möglichkeit des Abzugs der eingesetzten Mittel eben und gerade unter der Bedingung (sic!), dass diese bei Auslösung des Reverse-Prozesses via Smart Contract dem Projekt noch nicht zugeflossen sind. Auch liegt kein Zahlungsdienst vor, insbesondere weil es sich bei Blockchain-basierten Tauschmitteln wie den LYX-Coins nicht um E-Geld als eine Sonderform des Buchgelds[8] nach seiner Legaldefinition in § 1 Abs. 2 Satz 3 ZAG[9] handelt, die über § 675c Abs. 3 BGB auch im Privatrecht gilt, aber eine Forderung gegen den Emittenten voraussetzt – hier alles nicht der Fall. An einem Investmentvermögen iSd § 1 Abs. 1 KAGB fehlt es schon deshalb, weil der Emittent ein operativ tätiges Unternehmen[10] ist. Schließlich ist eine Erlaubnis für das neu eingeführte Kryptoverwahrgeschäft entbehrlich, weil die Lukso Blockchain GmbH keinen Zugriff auf die in dem Smart Contract gelagerten Kryptowerte haben wird, sondern nur über solche Kryptowerte verfügen kann, die der Smart Contract selbsttätig nach Zeitablauf auf eine von der Lukso Blockchain GmbH kontrollierte Adresse leitet – die bloße Bereitstellung eines Smart Contracts ist unter dieser Voraussetzung nach dem Verständnis der BaFin nicht geeignet, den Tatbestand des Kryptoverwahrgeschäfts auszulösen.

 

3. Kapitalmarktkommunikation

In jüngster Zeit gab es unter Marktteilnehmern einen Trend, mit öffentlich angebotenen Token unter eine Prospektpflicht zu gelangen, wobei sich die Einschlägigkeit des Regimes nach der jeweiligen Art des angebotenen Token richtete.

 

Das BaFin hat verdienstvollerweise in einem eigenen Merkblatt eine Taxonomie für die über Blockchain-Systeme angebotenen Wertmarken, die „Token“, als Einheiten einer jeweiligen sog. „Kryptowährung“ entwickelt, die in der nachfolgenden Abbildung grafisch dargestellt ist – diese gibt Aufschluss darüber, wie Token aufsichtsrechtlich ganz grundsätzlich behandelt werden können.

 

Abbildung 2:

Bild III

4. 
Kein Finanzinstrument nach der MAR

In ihrer zweiten LUKSO-Entscheidung (Abteilung „Aufsicht über das Börsenwesen“, Säule Wertpapieraufsicht/Asset Management, Dienstsitz Frankfurt am Main) hat die BaFin tatsächlich Neuland betreten; und dies war – eingedenk ihrer Verwaltungspraxis zur Prospektpflicht – so nicht ohne weiteres erwartbar.[12] Sie hat festgestellt, dass die LYX-Coins keine Finanzinstrumente nach der europäischen Marktmissbrauchsverordnung, der MAR, sind, so dass für die Führungskräfte des Emittenten Eigengeschäfte nicht nach Art. 19 Abs. 1 MAR meldepflichtig sind, auch Insiderhandelsverbote und Ad-hoc-Meldepflichten entfallen bei den hier vorliegenden „reinen“ Utility Token. Welche dogmatischen Überlegungen stecken dahinter, wie funktionierte die Subsumtion?

 

Deklinieren wir dies am Beispiel der Managers‘ Transactions, den Eigengeschäften von Führungskräften, durch: Nach Art. 19 Abs. 1 MAR sind Eigengeschäfte einer Führungsperson meldepflichtig, wenn sie sich (1) auf Anteile oder Schuldtitel eines Emittenten oder (2) auf damit verbundene Derivate oder (3) andere damit verbundene Finanzinstrumente beziehen.[13]

 

Hier wäre eine solche Meldepflicht nur dann einschlägig, wenn es sich bei den durch die Lukso Blockchain GmbH ausgegebenen LYX-Coins um eines dieser in Art. 19 Abs. 1 MAR genannten Finanzinstrumente handeln würde. Indessen gewähren die LYX-Coins konzeptionell ihrem Inhaber gegenüber der Lukso Blockchain GmbH als Emittent (überhaupt) keine weiteren Rechte, vor allem keine Beteiligung an Unternehmensgewinnen, oder anderweitige Ausschüttungen und Zahlungen. Daher sind die LYX-Coins nicht als Anteile oder Schuldtitel eines Emittenten einzuordnen.

 

Es handelt sich auch nicht um mit Anteilen oder Schuldtiteln des Emittenten verbundene Derivate oder andere damit verbundene Finanzinstrumente. Zum Begriff des Derivats selbst schweigt die MAR, es fehlt an einer Definition. Anhaltspunkte für das Verständnis dieses in Art. 19 Abs. 1 MAR niedergelegten Begriffs kann Art. 2 Abs. 1 Buchstabe d) MAR nebst Erwägungsgrund 10 MAR geben. Dort ist festgehalten, dass auch Finanzinstrumente, die nicht wie die in Art. 2 Abs. 1 Buchstabe a)–c) MAR aufgeführten an einem geregelten Markt, multilateralen oder organisierten Handelssystem gehandelt werden, deren Kurs oder Wert jedoch von dem Kurs oder Wert eines der in Art. 2 Abs. 1 Buchstabe a)–c) MAR genannten Finanzinstrumente abhänge oder sich darauf auswirke, in den Anwendungsbereich der MAR fallen.[14] Demgegenüber gilt die Definition des Art. 3 Abs. 2 Buchstabe b) MAR, die sich auf verbundene Instrumente bezieht und in Ziffer ii) Finanzderivate auf Wertpapiere erwähnt, ausschließlich für die Anwendung von Art. 5 MAR.

 

Legt man nun die aus Art. 2 Abs. 1 Buchstabe d) MAR zu entnehmenden Anhaltspunkte dem in Art. 19 Abs. 1 verwendeten Begriff „Derivat“ zugrunde, müsste ein Derivat im Sinne von Art. 19 Abs. 1 MAR irgendeine Bezugnahme zu einem Basiswert, nämlich zu einem Anteil oder Schuldtitel des Emittenten aufweisen. Dies ist indessen nicht der Fall, da die LYX-Coins keinerlei Bezugnahme auf irgendwelche Basiswerte des Emittenten aufweisen.

 

Auch handelt es sich nicht um andere Finanzinstrumente, die mit Anteilen oder Schuldtiteln des Emittenten verbunden sind. Insoweit definiert Art. 3 Nr. 1 der MAR den Begriff des Finanzinstruments und verweist insoweit auf die in Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 der MiFID II enthaltene Begriffsbestimmung, d.h. also auf die in Anhang I Abschnitt C der MiFID II enthaltene Aufzählung. Genannt sind dort in

Nr. 1 übertragbare Wertpapiere (definiert in Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 MiFID II, dort werden beispielhaft u.a. Aktien, Schuldverschreibung und derivative Wertpapiere genannt,
Nr. 2 Geldmarktinstrumente (hier ersichtlich nicht relevant),
Nr. 3 Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen (hier ersichtlich nicht relevant),
Nr. 4 bis 8 und die in Nr. 10 verschiedenen Derivate (hier nicht relevant, weil die dort genannten Basiswerte hier nicht gegeben sind) und die in
Nr. 9 genannten finanziellen Differenzgeschäfte sowie
Nr. 11 Emissionszertifikate (hier ersichtlich nicht relevant).

 

Die BaFin (Referat WA 25) konnte nun – was zuvor noch nie geschehen war – bei ihrer Würdigung auf das marktbekannte Hinweisschreiben des Gesetzgebungsreferats WA 11[15], das sich gleichermaßen auf den Finanzinstrumente- wie auch auf den aufsichtsrechtlichen Wertpapierbegriff im WpHG als auch auf denjenigen des Anhangs 1 Abschnitt 10 Nr. 1 der MiFID II bezieht, die dort genannten Kriterien zur Beurteilung der Frage heranziehen, ob es sich bei einem Instrument um ein Finanzinstrument (in Form eines Wertpapiers) im Sinne der MAR handelt, da auch dieser auf Art. 4 Absatz 1 Nr. 15 der MiFID II verweist – Interoperabilität des Rechts, wie sie im Bilderbuche steht.

 

Entscheidend ist nach der von WA 11 geprägten Praxis für die Qualifikation als aufsichtsrechtliches Wertpapier, dass das Anlageinstrument (1) übertragbar und (2) seiner Art nach auf den Finanzmärkten handelbar ist; dabei ist die rein theoretische Möglichkeit eines Handels an Crypto Exchanges ausreichend[16], (3) wertpapierähnliche, d.h. mitgliedschaftliche und/oder schuldrechtliche vermögensmäßige Rechte verkörpert. Zusätzlich wird verlangt, diese Rechte müssten den in § 2 Abs. 1 WpHG genannten Beispielen für übertragbare Wertpapiere (Aktien, aktienähnliche Anteile, Schuldtitel) vergleichbar sein. Weiter werden die in Abbildung 1 dargestellten Token-Arten erläutert.

 

5. Die Charakteristika der LYX-Coins

Vor diesem Hintergrund verhielt es sich so, dass die Lukso Blockchain GmbH die Übertragbarkeit der LYX-Coins vertraglich nicht beschränkt und die Übertragung der Token keine Zustimmung des Emittenten voraussetzt. Vorausgesetzt, man würde die LYX-Coins an einer Crypto Exchange „listen“, wären sie ihrer Art nach auf den Finanzmärkten – zumindest theoretisch – handelbar. Weiter sollen die LYX-Coins innerhalb des Netzwerkes zu Tauschzwecken genutzt werden. Zudem gewähren die Token ihren Inhabern keine weiteren Rechte, insbesondere keine Beteiligung an Unternehmensgewinnen, anderweitigen Ausschüttungen und Zahlungen, sondern ausschließlich Zugang zu dem Netzwerk – der Fall eines „klassischen“ Utility Token, damit sind die LYX-Coins aber zugleich keine wertpapierähnlichen Instrumente, d.h. mitgliedschaftliche und/oder schuldrechtliche vermögensmäßige Rechte werden in ihnen nicht verkörpert.

 

Demzufolge erfüllen diese Token nicht die für eine Einordnung als aufsichtsrechtliches Wertpapier aufgestellten Kriterien, die für die Beurteilung der Frage, ob es sich bei diesen Coins um ein Finanzinstrument nach der MAR handelt, herangezogen werden (müssen) und somit handelt es sich auch nicht um Finanzinstrumente. Außen vor bleiben konnte die Frage, ob es sich um Zahlungstoken handelt. Zwar können diese Rechnungseinheiten nach § 1 Abs. 11 Satz 1 Nr. 7 KWG sein, indessen hat diese Norm keine europäische Grundlage in der MiFID II – für eine Würdigung nach der MAR muss sie außen vor bleiben.

6. 
Keine Prospektpflicht

Dieser erstmalig – rechtsfehlerfrei hergeleitet – durch die Aufsicht geäußerte Befund ist deshalb so spannend, weil die BaFin bekanntlich die Auffassung vertritt, dass ein erstmaliges öffentliches Angebot von Token die Erstellung und Veröffentlichung eines Prospekts nach der EU-ProspektVO[17] oder des VermAnlG bedingt, wenn der Token aktienähnliche bzw. mitgliedschaftliche Rechte oder ein vermögensmäßiges Recht schuldrechtlicher Natur beinhaltet und frei übertragbar ist. Dabei qualifiziert die BaFin in Anlehnung an den Wertpapierbegriff der MiFID II – dezidiert abweichend von dem in Deutschland geltendem zivilrechtlichen Begriff[18] – als Wertpapiere diejenigen Token, die übertragbar und an den Finanzmärkten handelbar sind und wertpapierähnliche Rechte verkörpern. Die Verwirklichung eines Skripturakts ist nicht erforderlich.

 

Derartige Token stellen nach Auffassung der BaFin ein Wertpapier eigener Art („sui generis“) dar, da es sich aufgrund der Tokenisierung um am Finanzmarkt handelbar gemachte Vermögensanlagen handelt, die als Wertpapiere eingeordnet werden müssten jedenfalls im Sinne von Art. 2 lit. a) EU-ProspektVO, § 2 Abs. 1 WpPG und § 2 Abs. 1 WpHG – hier nicht der Fall, da eben ein Utilitiy Token in Rede stand.

 

In diesem Zusammenhang versteht die BaFin unter Tokenisierung die digitalisierte Abbildung eines Vermögenswertes inklusive der in diesem Wert enthaltenen Rechte und Pflichten sowie dessen hierdurch ermöglichte Übertragbarkeit mittels einer Blockchain. Die BaFin bezeichnet dies selbst als Paradigmenwechsel eines ausschließlich aufsichtsrechtlichen Wertpapierbegriffs und zieht dabei mit – leider ohne erkennbare Not und insbesondere ohne Rechtsgrundlage –Token in den Anwendungsbereich der EU-ProspektVO sowie des WpPG, die bislang – durchaus sachgerecht – unter das VermAnlG fielen, bei denen eine Handelbarkeit an den Finanzmärkten im Sinne des WpPG eben nicht gegeben war. Dies hat in jüngster Zeit beachtliche Kritik im Schrifttum hervorgerufen; es wurde v.a. das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage angemahnt.[19]

 

Die Utility Token mögen keine Meldepflichten nach der MAR hervorrufen – was aber ist mit den Wertpapieren „sui generis“? Dies wird hoffentlich im Rahmen der nächsten Anfrage einer schnellen Klärung zugeführt, sie dürfte allen Marktteilnehmern, die einen Security Token emittieren, unter den Nägeln brennen.

 

Angesichts des Bußgeld- und Sanktionsregimes nach der MAR erscheint es höchst zweifelhaft, dass die Abteilung WA 2 den von der Prospektabteilung WA 5 gewählten Ansatz mittragen wird – insoweit wird die Interoperabilität des Aufsichtsrechts wohl schon sehr bald auf eine neue Bewährungsprobe gestellt werden.[20]

 

 


[1] Allg. wie grundlegend zu Regulierungsansätzen Hofert, Regulierung der Blockchains, Tübingen 2018.
[2] Ausf. hierzu Mögelin, in: Sandner/Tusmasjan/Welpe, Die Zukunft ist dezentral, Frankfurt am Main 2020, Kap. 12, S. 238 ff.
[3] Vgl. umfassend hierzu die Beiträge in Braegelmann/Kaulartz, Rechtshandbuch Smart Contracts, München 2019.
[4] Gegenstand des Technical Committee (ISO/TC) sind insb. Themenkomplexe wie Sicherheit, Datenschutz, Privatsphäre und Identität, Smart Contracts und deren Anwendungen, Führung und Überwachung (Governance) und – ganz zentral – die Unterstützung der Interoperabilität; vgl. https://www.iso.org/committee/6266604.html. Auf nationaler Ebene hat das Deutsche Institut für Normung (DIN) ebenfalls mit ersten Standardisierungsmaßnahmen begonnen und setzt dabei einen Schwerpunkt auf die Erstellung einer einheitlichen Terminologie von Blockchain (Din Spec 16597; https://www.beuth.de/de/technische-regel/din-spec-16597/281677808).
[5] Strenggenommen waren es sogar mehrere Auslegungsentscheidungen – hierzu sogleich.
[6] Vgl. dazu BMWE/BMF, Blockchain-Strategie der Bundesregierung, 2019, S. 13 ff.
[7] So soll z.B. das Gaming-Unternehmen Fortnite mit digitaler Kleidung mehr Gewinn gemacht haben als Amazon.
[8] Omlor, ZHR 2019, 294, 308 mwN.
[9] Omlor, aaO, 294, 308 mwN.
[10] Vgl. hierzu Voß, in: Arndt/Voß/Bruchwitz, Recht der Alternativen Investments (1. Aufl. München 2020), § 1 KAGB Rn. 128 (im Erscheinen).
[11] Mittlerweile wurde die Ansicht der BaFin durch die Einführung der Kryptowerte in das KWG als eine neue Kategorie von Finanzinstrumenten legislativ nachgezogen. Diese Änderung wurde aber nicht in das Wertpapierhandelsrecht „eingebracht“.
[12] Losgelöst davon haben sich bei dieser Gelegenheit die für die Materie zuständigen Referenten in Bonn bzw. Frankfurt erstmals kennen gelernt – die LUKSO-Entscheidungen sind daher auch – ganz praktisch - ein beredtes Zeugnis der (funktionierenden) Interoperabilität der Behörde, wenn der Antragsteller sie nur entsprechend anstößt.
[13] Diese Meldepflicht besteht nur dann, wenn es sich um einen Emittenten im Sinne von Art. 19 Abs. 4 MAR handelt, seine Finanzinstrumente also an einem geregelten Markt zum Handel zugelassen sind oder aber an einem multilateralen oder organisierten Handelssystem mit seiner Zustimmung gehandelt werden.
[14] Als Beispiel werden in Erwägungsgrund 10 Derivate auf eine Aktie oder auf einen Schuldtitel genannt.
[15] Initial Coin Offerings: Hinweisschreiben zur Einordnung als Finanzinstrumente vom 20.2.2018 (GZ: WA 11-QB 4100-2017/0010); im Internet abrufbar unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Merkblatt/WA/dl_hinweisschreiben_einordnung_ICOs.html.
[16] Vgl. Voß, in: Kaulartz/Braegelmann (Hrsg.), Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, München 2020 (im Erscheinen), Kap. 13.2. S. 604 f.
[17] Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/71/EG.
[18] Vgl. Voß, in: Kaulartz/Braegelmann (Hrsg.), Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, München 2020 (im Erscheinen), Kap. 13.2. S. 605; ders., in: Everling/Lempka (Hrsg.), Digitale Finanzdienstleister, Frankfurt am Main 2020 Kap. 2, S. 28.
[19] F. Schäfer/Eckhold, in: Assmann/Schütze/Buck/Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 5. Aufl. München 2020, § 16a Rn. 55 mwN.
[20] Das Beispiel zeigt nicht zuletzt, wie dringend ein Gesetz für „elektronische Wertpapiere“ erforderlich ist – man darf gespannt sein.

 

 

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